Benutzer:Martin Ingenhütt/BWV1064
Das Konzert C-Dur für drei Cembali und Streicher von Johann Sebastian Bach ist eins der wenigen Konzerte der Musikgeschichte für drei Tasteninstrumente und Orchester. Da Bach auch ein gleich besetztes Werk in d-Moll hinterlassen hat, wurde in der Bach-Gesamtausgabe das C-Dur-Konzert als „Nummer 2“ bezeichnet. Es entstand für das von Bach geleitete Collegium musicum in Leipzig, geht aber sicher auf ein nicht erhaltenes älteres Werk zurück.
Übersicht
Überlieferung
Es existiert kein Autograph; die Partitur ist nur in einer Abschrift durch Bachs Schüler Johann Friedrich Agricola überliefert, die zwischen 1738 und 1741 entstand. Wohl unabhängig davon gibt es noch vier weitere Abschriften aus der Zeit um 1800 sowie vier Abschriften in D-Dur, die auf eine weitere unbekannte Quelle zurückgehen.
Sätze
- c C-Dur
- Adagio c a-Moll
- Allegro ¢ C-Dur
Besetzung
- Cembalo I
- Cembalo II
- Cembalo III
- Violino I
- Violino II
- Viola
- Basso continuo
Entstehung
Das Konzert ist nur in Fassungen für drei Cembali und Orchester überliefert. Dennoch vermutete bereits 1912 Arnold Schering eine Frühfassung in D-Dur als Konzert für drei Violinen, die Bach dann später für drei Cembali bearbeitet hätte.[1] Ein ungewöhnliches Detail im ersten Satz ist die Tatsache, dass die rechten Hände der Solisten während des Ritornells weder nicht die Orchesterviolinen doppeln, sondern ihnen unisono ein anderes Thema gegenüberstellen. Das Orchesterthema ist kürzer und weniger prägnant und wird im Folgenden auch nicht motivisch verarbeitet. Diese Beobachtung lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass dieses Thema später hinzugefügt wurde.[2]
Kammerkonzert D-Dur
Eine genauere Betrachtung der Ecksätze zeigt, dass nicht nur das Ritornellmotiv der Solisten im ersten Satz unthematisch ist: Das gleiche gilt auch für das gesamte Begleitmaterial des Orchesters. Es liegt nahe, anzunehmen, es sei erst später hinzugefügt worden; die Komposition wäre demnach ursprünglich offenbar ohne Orchester als ein Kammermusikwerk für drei Violinen, obligates Violoncello und Continuo entstanden.[3] Das Material dieser Erstfassung hätte sich dann in den Partien der drei Solocembali erhalten. Ausweislich der Umfänge wird die Tonart dieser Erstfassung wohl D-Dur gewesen sein.
Datierung der Frühfassung
Stilkritische Untersuchungen zeigen, dass dieses Konzert ohne Orchester als eins der frühesten Bachs offenbar bereits in Weimar geschrieben wurde. Wegen seiner starken Verwendung von Quintfallsequenzen scheint eine Datierung um 1716 angemessen.[4] In mancher Hinsicht kann es als eine Art Vorstudie für das Dritte Brandenburgische Konzert gelten: Es finden sich viele Parallelen sowohl in der Form des ersten Satzes als auch in den satztechnischen Details.[5]
Noch zu erwähnen: Der Eingangschor der Kantate Halt im Gedächtnis Jesum Christ, BWV 67 spielt deutlich an auf … (GregoryButler, Beobachtungen am Eingangschor von Bachs Kantate „Halt im Gedächtnis Jesum Christ“ BWV 67 in Bach-Jahrbuch 2020, Leipzig 2020, ISBN 978-3-374-06625-4, S. 253ff); er stellt die Frage, ob nicht dieser dritte Satz des Konzerts erst 1724 mit der Kantate entstanden sein könnte und einer zunächst zweisätzigen Sinfonie hinzugefügt wurde – vielleicht ebenfalls erst bei der Ausarbeitung zum Cembalokonzert.
Konzert für drei Cembali C-Dur BWV 1064
Wie erwähnt, ist die Komposition nur in mehreren Abschriften als Konzert für drei Cembali und Streicher erhalten. In dieser Fassung gab Bach die Stimmen der Soloviolinen drei Cembali und fügte Partien für die linken Hände der Cembalisten hinzu sowie einen vierstimmigen Orchestersatz. In dieser Form war das Konzert mit Sicherheit für Aufführungen des Collegium musicum vorgesehen. Nach heutigem Wissen standen im „Zimmermannischen Caffee-Hauß“ zwei Cembali zur Verfügung, so dass für den Auftritt wohl ein zusätzliches eigenes Instrument dorthin transportieren ließ. Dieses Instrument hatte einen größeren Tonumfang; Bach wird selbst darauf die Partie des Cembalo I gespielt haben.
Da von dieser Bearbeitung keine autographe Partitur erhalten ist, muss eine Datierung von stilistischen Kriterien ausgehen. Dazu wurden Details der Bearbeitungstechnik untersucht, vor allem die Führung der linken Hände. Obwohl im Original wohl eine zusätzliche Violoncellostimme zur Verfügung stand, gelang Bach keine durchgehende Selbständigkeit der Cembalobässe[6], woraus auf eine Entstehung um die Mitte der 1730er Jahre geschlossen wird, das heißt, vor dem Schwesterwerk in d-Moll (BWV 1063).
Das Konzert hätte durchaus auch in D-Dur auf Cembali gespielt werden können, denn die wenigen Stellen, wo die Solostimmen mit e’’’ deren Tastaturumfang überschreiten, hätte Bach leicht anpassen können. Wenn er sich dennoch für eine Transposition in eine neue, tiefere Tonart entschied, dann kann dies eigentlich nur aus klanglichen Überlegungen geschehen sein - offenbar schien ihm so der Tonumfang der Soloinstrumente besser ausgenutzt. Diese C-Dur-Fassung ist die Fassung, in der das Werk heute meist aufgeführt wird.
Fassung für drei Violinen mit Orchester?
Zu diskutieren wäre noch, ob Bach die Tuttistreicher zusammen mit der Herstellung der Cembalofassung hinzufügte, oder ob es etwa doch noch eine Zwischenfassung für drei Soloviolinen und Orchester gegeben hatte – diese hätte in D-Dur stehen müssen, der für Violine weitaus geeigneteren Tonart. Man mag sich vorstellen, dass Bach eine solche Bearbeitung anfertigte, etwa bei der Übernahme des Collegium musicums, und dass diese dann die Basis für die spätere Cembalofassung werden sollte. In der Partitur findet sich jedoch keine wirklich zwingenden Argumente dafür, und eine einzelne Stelle im Mittelsatz[7], an der die Orchesterviolinen das Bassmotiv taktweise einen Ganzton tiefer spielen und im dritten Takt umgebrochen werden müssen, lässt sich nur bei Entstehung der Orchesterstimmen in C-Dur erklären. Auch nahm diese Transposition Bach ja die Möglichkeit, etwa schon vorhandenes Orchestermaterial zu verwenden; so spricht auch diese Transposition indirekt gegen eine existierende Fassung mit Orchester.
Zuletzt sprechen einige Elemente des galanten Stils im Orchestersatz mit seinen Triolen und Synkopen[8] deutlich dafür, dass dieser erst mehrere Jahre nach Entstehung der Erstfassung hinzutrat.
Konzert für drei Cembali D-Dur?
Mehrere erhaltene Abschriften bieten eine transponierte Fassung des Cembalokonzerts in D-Dur. Da sie den erwähnten Umbruch im Mittelsatz ebenfalls enthalten, können sie nicht auf eine Partitur in D-Dur zurückgehen, sondern müssen aus der C-Dur-Fassung entstanden sein. Es bestehen keine wichtige Abweichungen, und so ist unklar, aus welchen Gründen dieses Arrangement vorgenommen wurde: Denkbar ist, dass für eine spätere Aufführung Cembali mit größeren Tonumfängen zur Verfügung standen, so dass wieder klangliche Gründe für eine Umarbeitung sprachen. Vielleicht wurde diese Rücktransposition auch nicht von Bach selbst, sondern von einem seiner Schüler vorgenommen, möglicherweise aber mit Bachs Billigung.
Nachwirkung
Ganz anders als das d-Moll-Konzert BWV 1063 (das Schwesterwerk, ebenfalls für drei Cembali) scheint dieses Werk erst spät für den Konzertbetrieb entdeckt worden zu sein – allerdings weniger in Bachs Fassung für Cembali oder Klaviere als vielmehr in einer Bearbeitung als ein Konzert für drei Violinen und Orchester. Eine solche Fassung hatte Rudolf Baumgartner schon in den 1950er Jahren veröffentlicht, und in dieser Form wird das Konzert offenbar bis heute noch aufgeführt. Wilfried Fischer hatte 1970 im Rahmen der Neuen Bach-Ausgabe einen anderen Rekonstruktionsversuch für die gleiche Besetzung veröffentlicht, der aber aus den oben dargestellten Gründen ebenfalls kritisiert worden ist.
Musik
Erster Satz
Der Satz beginnt und schließt mit einem nur achttaktigen Ritornell, von dem anschließend nur noch einzelne Fragmente zur Gliederung des Satzes verwendet werden - meist ist es das Kopfmotiv, das dann jeweils einen neuen Abschnitt ausschweifender Sequenzierung auslöst.[9]
Den ersten deutlichen Einschnitt in der latent dreiteiligen Form bildet die Einführung einer Sologeste, die die drei Violinen fugatoartig vortragen, die allerdings keine thematischen Implikationen für den weiteren Verlauf bringt. War bis dahin harmonisch der Bereich von Tonika und Dominante kaum verlassen worden, so bewegt sich der Satz ab hier in den verwandten Molltonarten und der Subdominante, ehe er sich im letzten Teil – ohne deutlichen Einschnitt – wieder zur Tonika wendet. Eine Wiederaufnahmen vorheriger Formelemente finden jedoch bereits vorher statt, etwa ab der Satzmitte.
Zweiter Satz
Der Satz in der Paralleltonart a-Moll bildet eine freie Passacaglia über ein Thema aus einem eintaktigen charakteristischen Motiv und einer zweitaktigen Sechzehntelkette mit Kadenzabschluss.
Nach dem Eröffnungsritornell verwendet die erste – fünftaktige – Episode das erwähnte Motiv, um zur Durparallele zu modulieren, und schließt mit der Sechzehntelkette und Kadenz ab. Es folgt eine ähnliche, nun sechstaktige, Episode, die wieder zur Tonika zurückführt. Die folgende Episode (2. Drittel) kehrt zunächst das Bassmotiv um und festigt anschließend mit dem vollständigen Bassmotiv die Tonart der vermollten fünften Stufe, e-Moll.
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Dritter Satz
Das vielleicht charakteristischste thematische Element ist das Bassmotiv aus absteigenden ganzen Noten, über dem sich die Geigen mit ihren Achtelketten nach oben schwingen.
[...]
Einzelnachweise
- ↑ Arnold Schering, Beiträge zur Bachkritik, Bach-Jahrbuch 1912
- ↑ Werner Breig, Zur Chronologie von J. S. Bachs Konzertschaffen: Versuch eines neuen Zugangs, in: Archiv für Musikwissenschaft 40, 1983, S. 83
- ↑ Diese Vermutung zuerst in Ulrich Siegeles Rezension einer Rückübertragung durch Rudolf Baumgartner in: Die Musikforschung 1960, S. 383; Siegele setzt das Konzert zunächst noch in G-Dur an und mit obligater Gambe statt Violoncello.
- ↑ Jean-Claude Zehnder: Zum späten Weimarer Stil Johann Sebastian Bachs, in: Martin Geck (Her.): Bachs Orchesterwerke, Bericht über das 1. Dortmunder Bach-Symposion 1996. Witten 1997, ISBN 3-932676-04-1, S. 115
- ↑ Gregory Butler: Toward a More Precise Chronology for Bach's Concerto for Three Violins and Strings BWV 1064a: The Case for Formal Analysis, in: Martin Geck (Her.): Bachs Orchesterwerke, Bericht über das 1. Dortmunder Bach-Symposion 1996. Witten 1997, ISBN 3-932676-04-1
- ↑ Siegbert Rampe, Dominik Sackmann: Bachs Orchestermusik: Entstehung, Klangwelt, Interpretation, Bärenreiter, 2000, ISBN 3-7618-1345-7, S. 175
- ↑ Takte 31 bis 33
- ↑ Siegbert Rampe, Dominik Sackmann: Bachs Orchestermusik: Entstehung, Klangwelt, Interpretation, Bärenreiter, 2000, ISBN 3-7618-1345-7, S. 169
- ↑ Jean-Claude Zehnder: Zum späten Weimarer Stil Johann Sebastian Bachs, in: Martin Geck (Her.): Bachs Orchesterwerke, Bericht über das 1. Dortmunder Bach-Symposion 1996. Witten 1997, ISBN 3-932676-04-1, S. 115
Noten
- Konzert C-Dur BWV 1064: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project