Benutzer:Mathecrat/Temp
Kritik der gegenwärtigen WM- und EM-Turniermodi
In den Welt- und Europameisterschaften vieler Sportarten sowie in olympischen Turnieren werden verschiedene Varianten der Kombination aus Gruppen- (Turnierform Rundenturnier) und Finalphase (Turnierform K.-o.-System) verwendet. Solche Turniermodi weisen erhebliche strukturelle Probleme auf, die unter anderem zur Verletzung des Fairplay führen. Die folgende Klassifikation dieser Probleme mit Beispielen aus Fußballmeisterschaften gilt grundsätzlich auch für die Turniere in allen anderen Sportarten.
1. In der Gruppenphase kommt oft vor, dass einige Mannschaften nach zwei Spieltagen entweder die Finalrunde schon erreicht haben oder sich nicht mehr für die Finalrunde qualifizieren können. Demzufolge hat das Ergebnis des letzten Gruppenspiels für diese Mannschaften keine Bedeutung.
Falls sich zwei solche Mannschaften in dem dritten Gruppenspiel treffen, dann hat das keine großen Turnierauswirkungen. Es wird lediglich ein Trainingsspiel mit keiner Relevanz zur Meisterschaft ausgetragen. Allerdings sind solche bedeutungslosen Spiele für die schon qualifizierten Mannschaften nicht immer von Vorteil. Der Spielrhythmus geht verloren und die Mannschaft kann beim nächsten Spiel Schwierigkeiten haben, den zu finden.
Aktuelle Beispiele aus der letzten WM- bzw. EM:
- Ägypten - Saudi-Arabien (WM 2018)
- Panama - Tunesien (WM 2018)
- Niederlande - Nordmazedonien (EM 2021)
2. Schwerwiegender sind die Konstellationen, bei denen das Spiel nur für eine Mannschaft keine Bedeutung hat. Die fehlende Motivation dieser Mannschaft kann das Spielergebnis beeinflussen und damit zur Wettbewerbsverzerrung führen.
In weiteren problematischen Konstellationen ist es möglich, dass ein bestimmtes Ergebnis für beide Mannschaften reicht, um sich unabhängig vom anderen Gruppenspiel für die Finalphase zu qualifizieren.
Bekannteste Beispiele für diese Arten der Konstellationen:
- Argentinien - Peru (WM 1978)[1][2][3]
- Deutschland - Österreich (WM 1982) (Nichtangriffspakt von Gijón)[4][5][6]
- Schweden - Dänemark (EM 2004)[7][8][9]
- Spanien - Kroatien (EM 2012)[10]
Aktuelle Beispiele:
- Spanien - Marokko (WM 2018)
- Frankreich - Dänemark (WM 2018)[11]
- Australien - Peru (WM 2018)
- Schweiz - Costa Rica (WM 2018)
- Polen - Japan (WM 2018)
- Italien - Wales (EM 2021)
- Belgien - Finnland (EM 2021)
In solchen "fairplaymäßig potenziell problematischen" Konstellationen ist die eventuelle Verletzung des Fairplay in einer oder anderer Weise möglich und durch die Regelungen des Turniermodus nicht ausgeschlossen. In den meisten Fällen werden die Spiele auch in diesen Konstellationen gemäß dem Fairplay-Gedanken durchgeführt und es gibt keine Auswirkungen für die anderen Mannschaften in der Gruppe. Trotzdem ist diese Möglichkeit vorhanden, das kann zu Irritationen im Umfeld der Spiele führen. Bisweilen sehen sich die betroffenen Mannschaften in diesen Fällen sogar gezwungen zu versichern, dass keine Absprachen getroffen werden, wie zum Beispiel bei der WM 2014 vor dem letzten Gruppenspiel Deutschland - USA.[12]
3. Bei einer anderen Art der Konstellationen können die schon qualifizierten Mannschaften in dem dritten Gruppenspiel noch ein vermeintliches Ziel haben: erster Platz in der Gruppe. Aber der mögliche erste Gegner in der Finalphase ist nur für die Mannschaften bekannt, deren drittes Spiel nach den Spielen in der Parallelgruppen stattfindet. Auch die Gegner in dem eventuellen weiteren Verlauf der Finalphase sind schwer einzuschätzen. Deswegen gibt es in vielen Fällen keinen Grund, im dritten Spiel unbedingt zu gewinnen und Gruppenerster zu werden. Solche Spiele fungieren eher als eine Art der zusätzlichen Auslosung. Das Ergebnis hat für die betroffenen Mannschaften keine sportliche Signifikanz, somit sind diese Spiele für die betroffenen Mannschaften bedeutungslos und führen unter Umständen zu "fairplaymäßig problematischen" Konstellationen.
Aktuelle Beispiele:
- Russland - Uruguay (WM 2018)
- Frankreich - Dänemark (WM 2018)
- Kroatien - Island (WM 2018)
- Belgien - England (WM 2018)
- Italien - Wales (EM 2021)
- Belgien - Finnland (EM 2021)
- England - Tschechien (EM 2021)
- Schweden - Polen (EM 2021)
- Frankreich - Portugal (EM 2021)
4. In einigen Fällen könnte es allerdings doch eine Motivation für Mannschaften geben, Gruppenerster zu werden, insbesondere falls ein Topfavorit auf den Gruppenzweiten wartet. Falls aber der Topfavorit in seiner Gruppe überraschenderweise Zweiter wurde und jetzt auf den Gruppenersten treffen sollte, dann wird es von Vorteil sein, Gruppenzweiter zu werden. Laut dem Turnierformat verringert der Sieg in diesem Fall paradoxerweise die Chancen für das Weiterkommen. Das war im Skandal beim olympischen Badmintonturnier 2012 (Olympische Sommerspiele 2012/Badminton)[13][14] besonders deutlich veranschaulicht. Mehrere Teilnehmer des Badmintonturniers wurden disqualifiziert, weil sie versucht hatten, durch die Niederlage leichtere Konkurrenten beziehungsweise eine bessere Ausgangsposition für die Finalphase zu bekommen. Manchmal war keines der beiden Teilnehmer wirklich gewillt, als Sieger das Feld zu verlassen. Die Meisterschaften aller Sportarten sind vor solchen Konstellationen nicht gefeit.
5. Noch ein allgemeines Problem des Turniermodus in der Gruppenphase konnte bei der WM 2018 beobachtet werden. Wenn zwei oder mehr Teams aufgrund der auf den Spielergebnissen basierenden Kriterien (Anzahl Punkte, Tordifferenz usw.) gleich abschneiden, wird ihre Platzierung gemäß sonstigen Kriterien ermittelt. In der Gruppe H wurde Senegal aus der Finalphase ausgeschlossen, nur weil das Team zwei Gelbe Karten mehr als Japan kassierte.[15]
6. In der Finalphase wird das Turnierformat K.-o.-System verwendet. Dieses Turnierformat ist am effizientesten, um den Sieger schnell mit möglichst kleiner Anzahl der Spiele zu ermitteln. Und das ist am ineffektivsten, um die tatsächlich beste Mannschaft als Sieger mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit zu ermitteln. Die schlechte Performance des K.-o.-Systems kann damit erklärt werden, dass eine Mannschaft nach einer einzigen Niederlage aus dem Turnier ausscheidet. Dabei kann auch die beste Mannschaft gelegentlich verlieren, zum Beispiel im Elfmeterschießen. Außerdem können die stärkeren Mannschaften in den früheren Runden aufeinander treffen und sich gegenseitig aus dem Turnier eliminieren. Somit wird die Anzahl der "besseren" Mannschaften reduziert und eine schwächere Mannschaft bekommt mehr Chancen, mit Glück Turniersieger zu werden.
7. Die Ergebnisse in der Gruppenphase und in den früheren Runden der Finalphase werden in keiner Weise berücksichtigt. Das führt zu paradoxen Effekten und intransparenten Endplatzierungen. Zum Beispiel, bei der EM 2021 hat Dänemark mit insgesamt drei Niederlagen das Halbfinale erreicht, während Belgien nach Siegen in allen ersten vier Spielen (auch gegen Dänemark) schon im Viertelfinale nach einziger Niederlage gegen den späteren Europameister Italien ausgeschieden war.
8. Der Anteil der Spiele zwischen den besten Mannschaften ist zu gering im Vergleich zur Gesamtzahl der Spiele. Zum Beispiel, bei den Fußball-Weltmeisterschaften werden insgesamt 64 Spiele durchgeführt. 57 Spiele davon werden in der Gruppenphase (darunter etliche bedeutungslose und "fairplaymäßig problematische"), im Achtelfinale und um den unbedeutenden 3. Platz ausgetragen. Für die spannenden und hochklassigen Begegnungen zwischen acht letzten um den Meistertitel kämpfenden Mannschaften sind nur 7 Spiele reserviert.
9. Für die zukünftigen Fußball-Weltmeisterschaften gibt es keine positiven Entwicklungen. Die FIFA plant die WM 2026 mit 48 Mannschaften.[16] In der Gruppenphase sollen 16 Gruppen je 3 Mannschaften gebildet werden, danach folgt die Finalrunde mit 32 Teilnehmern. Auch in den Gruppen mit drei Teilnehmern sind "fairplaymäßig problematische" Konstellationen und bedeutungslose Spiele möglich. Und im Fall des K.-O-Systems mit 32 Mannschaften wird die Ermittlung des Weltmeisters noch mehr von zufälligen Faktoren beeinflusst.
Die FIFA und die UEFA als Veranstalter der Fußball-Welt- und Europameisterschaften sind aufgefordert, die Turnierformate grundlegend zu überarbeiten, um deren Qualität der großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung des Fußballs anzupassen.
Evaluation of the current multi-stage tournaments
In many international team events, such as World Cups or Olympic tournaments, different variants of the combination of the group stage (round-robin tournament) and the knockout stage (single-elimination tournament) are used. Such tournaments have significant structural problems that lead, among other things, to the violation of fair play. The following classification of these problems, with examples from football championships, applies in principle to tournaments in all other sports.
1. In the group stage, it often happens that some teams have already reached the knockout stage after two match days or can no longer qualify for the knockout stage. Consequently, the result of the last group match has no meaning for these teams.
If two such teams meet in the last group match, then it will not have a major tournament impact. It is just a training match with no relevance to the championship. However, such meaningless matches are not always advantageous for the already qualified teams. The game rhythm is lost and the team may have difficulties finding it in the next game.
Current examples from the last FIFA World Cup or UEFA European Championship:
- Egypt - Saudi Arabia (World Cup 2018)
- Panama - Tunisia (World Cup 2018)
- Netherlands - North Macedonia (Euro 2020)
2. More problematic are the constellations in which the game has no meaning for only one team. The lack of motivation of this team can influence the result of the match and thus lead to unfair competition.
In other problematic constellations, it is possible that a certain result is enough for both teams to qualify for the final stage regardless of the other group match.
The best-known examples of these types of constellations:
- Argentina - Peru (World Cup 1978)[17]
- Germany - Austria (World Cup 1982)[18]
- Sweden - Denmark (Euro 2004)[19]
- Spain - Croatia (Euro 2012)
Current examples:
- Spain - Morocco (World Cup 2018)
- France - Denmark (World Cup 2018)[20]
- Australia - Peru (World Cup 2018)
- Switzerland - Costa Rica (World Cup 2018)
- Poland - Japan (World Cup 2018)
- Italy - Wales (Euro 2020)
- Belgium - Finland (Euro 2020)
In such "fair play potentially problematic" constellations, the violation of fair play in one way or another is possible and not excluded by the rules of the tournament format. In most cases, even in these constellations, the matches are played according to fair play and there are no repercussions for the other teams in the group. Nevertheless, this possibility exists, which can lead to irritations around the matches. Sometimes, in these cases, the teams concerned even feel compelled to assure that no arrangements are made, as was the case at the 2014 World Cup before the final group match between Germany and the USA.
3. In another type of constellations, the already qualified teams can still have a supposed aim in the third group match: first place in the group. But the possible first opponent in the knockout stage is known only for the teams whose third match will take place after the matches in the parallel groups. The opponents in the possible further course of the knockout stage are also difficult to estimate. Therefore, in many cases, there is no reason to win the third match at all costs and become the group winner. Such matches function more as a kind of additional draw. The result has no sporting significance for the teams concerned, so these matches are meaningless and may lead to "fair play problematic" constellations.
Current examples:
- Russia - Uruguay (World Cup 2018)
- France - Denmark (World Cup 2018)
- Croatia - Iceland (World Cup 2018)
- Belgium - England (World Cup 2018)
- Italy - Wales (Euro 2020)
- Belgium - Finland (Euro 2020)
- England - Czech Republic (Euro 2020)
- Sweden - Poland (Euro 2020)
- France - Portugal (Euro 2020)
4. In some cases, however, there might be a motivation for teams to finish first in their group, especially if a top favorite is waiting for the group runner-up. If, however, the top favorite surprisingly finished second in its group and now faces the group winner, then it will be an advantage to finish second. According to the tournament format, winning in this case paradoxically reduces the chances of advancing. This was particularly illustrated in the scandal at the 2012 Olympic badminton tournament.[21] Several participants in the badminton tournament were disqualified because they had tried to get easier competitors or a better starting position for the final stage by losing. Sometimes neither of the participants was really willing to leave the field as the winner. The championships of all sports are not immune to such constellations.
5. Another general problem of the group stage could be observed at the 2018 World Cup. If two or more teams are equal based on the results criteria (number of points, goal difference, etc.), their ranking is determined according to other criteria. In Group H, Senegal was eliminated from the knockout stage only because the team conceded two more yellow cards than Japan.[22]
6. In the knockout stage, the format single-elimination tournament is used. This format is most efficient to determine the winner quickly with the smallest possible number of matches. And it is the most ineffective to determine the actual best team as the winner with the highest possible probability. The poor performance of the single-elimination tournament can be explained by the fact that a team is eliminated from the tournament after a single defeat. Even the best team can occasionally lose, for example in a penalty shoot-out. In addition, the stronger teams can meet in the earlier rounds and eliminate each other from the tournament. Thus, the number of "better" teams is reduced and "weaker" teams get more chances to become tournament winner.
7. The results in the group stage and in the earlier rounds of the knockout stage are not taken into account in any way. This leads to paradoxical effects and non-transparent final rankings. For example, at the 2020 European Championship, Denmark reached the semifinals with a total of three losses, while Belgium, after winning all of its first four games (including against Denmark), was already eliminated in the quarterfinals after its only loss against the future European champion Italy.
8. The proportion of matches between the best teams is too small compared to the total number of matches. For example, in the World Cup there are 64 matches in total. 57 matches of them are played in the group stage (including several meaningless and "fair play problematic" ones), in the round of 16 and for the insignificant 3rd place. Only 7 matches are reserved for the exciting and high-class encounters between eight last teams fighting for the championship title.
9. There are no positive prospects for future World Cups. FIFA is planning the 2026 World Cup with 48 teams. In the group phase, 16 groups of 3 teams each are to be formed, followed by the knockout stage with 32 participants. In the groups with three participants, "fair-play problematic" constellations and meaningless matches are also possible. And in the case of the single-elimination tournament with 32 teams, the determination of the world champion is influenced even more by random factors.
- ↑ Peter Maxwill: Argentiniens skandalöser Triumph Spiegel.de 28.05.2014
- ↑ Jörg Wolfrum: Kartell des Schweigens in Argentinien Frankfurter Allgemeine.net 15.01.2001
- ↑ Tom Mustroph: Sechs Tore, sechsmal Bestechung Taz.de 17.03.2018
- ↑ Die Schande von Gijón Stern.de 23.06.2014
- ↑ Das langweiligste WM-Spiel aller Zeiten Spiegel.de 06.02.2008
- ↑ „Sieg gegen Österreich: Kein Grund zur Freude“ dfb.de
- ↑ Euro 2004: Sweden v Denmark – they said it would not end 2-2 … but it did,Guardian 18.06.2012 (englisch)
- ↑ Italien fürchtet "skandinavische Verschwörung" Stern.de 22.06.2004
- ↑ 2:2 half Dänen und Schweden Spiegel.de 22.06.2004
- ↑ Tödliches Remis Spiegel.de 18.06.2012
- ↑ Gellende Pfiffe der Fans: Frankreichs 0:0 gegen Dänemark erinnert an „Schande von Gijon“. Stern.de 26.06.2018
- ↑ 0:0 würde reichen: Portugal fürchtet deutsch-amerikanischen WM-Nichtangriffspakt. Focus Online 23.06.2014
- ↑ Manipulation – Alle acht Athleten ausgeschlossen Welt.de 01.08.2012
- ↑ Badminton-Skandal bei Olympia Spiegel.de 01.08.2012
- ↑ Das hat mit Fußball nichts zu tun Spiegel.de 28.06.2018
- ↑ WM mit 48 Teams - Infantinos Gießkanne Spiegel.de 29.06.2018
- ↑ David Winner: But Was This The Beautiful Game's Ugliest Moment?. In: Financial Times, 21 June 2008.
- ↑ World Cup 1982: Germany v Austria. Guardian, 25 February 2014.
- ↑ Euro 2004: Sweden v Denmark – they said it would not end 2-2 … but it did. Guardian, 18 June 2012.
- ↑ Euro 2004: Denmark v France. Guardian, 26 June 2018.
- ↑ Olympics 2012: Badminton. Guardian, 1 August 2012.
- ↑ Tyler Lauletta: Controversial tiebreaker rule eliminated Senegal from the World Cup. In: Insider, 29 June 2018.