Benutzer:Mathmon/Zweite Quantisierung
Die Zweite Quantisierung (oft auch Zweite Quantelung oder Feldquantisierung genannt) ist eine Methode zur quantenmechanischen Behandlung von Vielteilchenproblemen, insbesondere auch der Prozesse, bei denen Teilchen entstehen oder vernichtet werden. Sie wurde kurz nach der Entdeckung der Quantenmechanik (siehe Erste Quantisierung) entwickelt, um auch Photonen und deren Erzeugung und Vernichtung quantenmechanisch beschreiben zu können. Die Photonen erscheinen in der Zweiten Quantisierung als die Feldquanten des quantisierten elektromagnetischen Felds, was auf den zweiten angegebenen Namen führte. Als in den 1930er Jahren entdeckt wurde, dass auch „materielle“ Teilchen erzeugt und vernichtet werden können, wurde der Anwendungsbereich der Methode auf alle Teilchen ausgedehnt. Damit war in der Physik der anschauliche Gegensatz zwischen Teilchen und Wellen in seiner früheren grundsätzlichen Bedeutung aufgehoben.
Die Zweite Quantisierung wird im Bereich der Festkörperphysik, der Quantenfeldtheorie und anderen Vielteilchentheorien angewandt. Sie ist häufig der angemessenste Rahmen, um physikalische Probleme theoretisch zu behandeln.
Vielteilchensysteme in der Quantenmechanik
Hilbertraum und Zustände
In der Vielteilchentheorien betrachtet man verschiedene Teilchen, welche man von bis durchnummeriert. Zu jedem Teilchen gehört ein Hilbertraum , welcher die möglichen Zustände des -ten Teilchens enthält. Der Hilbertraum des Gesamtsystems ist gegeben als das Tensorprodukt der einzelnen Hilberträume:
Falls eine Basis des Raumes ist, so lässt sich eine Basis des gesamtes Hilbertraumes konstruieren als
Ein beliebiger Zustand lässt sich somit schreiben als
Eine anschauliche Interpretation eines solchen Zustandes erhält man beispielsweise durch dessen Projektion auf den Ortsraum:
Ein Vielteilchenzustand im Ortsraum ist also eine Funktion, die von verschiedenen Koordinaten abhängt. Die Teilcheninterpretation ist analog zu der Interpretation im Fall : Die Wahrscheinlichkeit, das erste Teilchen im Volumen anzutreffen, das zweite in und so weiter ist gegeben durch
In diesem Fall fordert man natürlich die korrekte Normierung der Wellenfunktion:
Liegt ein Zustand der Form vor, so hat die Wellenfunktion im Ortsraum die Gestalt
In diesem Fall vereinfacht sich die Berechnung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit, da das Integral in ein Produkt zerfällt:
Einen Zustand, welcher in dieser Form vorliegt, bezeichnet man als reinen oder separablen Zustand, während ein jeglicher anderer Zustand als gemischt oder verschränkt bezeichnet wird. Bei einem reinen Zustand sind die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten also unabhängig voneinander, während bei einem verschränkten Zustand die Aufenthaltswahrscheinlichkeit jedes Teilchens von den Aufenthaltswahrscheinlichkeiten aller anderen Teilchen abhängt.
Operatoren
Ein Operator eines Vielteilchensystems ist ein Funktional . Eine Besonderheit sind hier Operatoren aus den einzelnen Räumen : Diese werden durch Tensorprodukte zu Operatoren des Raumes gemacht. Beispielsweise wird der Ortsoperator zu
Dabei bezeichnet die identische Abbildung im Raum . Aus Gründen der Notation schreibt man die identischen Abbildungen im Allgemeinen nicht mit.
Die Dynamik eines Vielteilchensystems wird weiterhin durch die Schrödingergleichung beschrieben:
Der Hamiltonoperator hängt im allgemeinen Fall von sämtlichen Orts- und Impulsoperatoren sowie von der Zeit ab. Ein Beispiel für wechselwirkende Teilchen ist gegeben durch
Grundbegriffe
Kurze Zusammenstellung einiger der wesentlichen neuen Begriffe und ihrer unmittelbaren Folgen:
- Der Zustand des betrachteten Systems wird wie in der gewöhnlichen Quantenmechanik durch einen normierten Vektor in einem Hilbertraum angegeben, der aber jetzt Fockraum genannt wird, weil er Zustände mit unterschiedlichen Teilchenzahlen enthält.
- Es gibt einen Zustand ohne jedes Teilchen, das absolute Vakuum, Symbol .
- (Der Vakuumzustand ist normiert, , darf also nicht mit dem Nullvektor verwechselt werden.)
- Es gibt für jede Teilchenart einen Erzeugungsoperator, der es in einem definierten Zustand in die Welt setzt, Symbol (für eine andere Teilchenart etc.). Der 1-Teilchenzustand mit einem Teilchen im Zustand p ist dann gegeben durch . Der 2-Teilchenzustand mit einem zweiten Teilchen gleicher Art, aber im Zustand k, ist dann gegeben durch nochmaliges Anwenden des Erzeugers: . Für weitere Teilchen entsprechend weitere Erzeugungsoperatoren.
- Da die „a“-Teilchen unter sich identisch sind, darf bei einer Vertauschung in der Reihenfolge der Erzeugung kein anderer Zustand herauskommen. Allenfalls muss sich das Vorzeichen ändern. Das wird gewährleistet durch die Bedingungen
- Erzeuger verschiedener Teilchenarten sind immer vertauschbar. Damit ist schon früh im Formalismus zweierlei erreicht:
- Die absolute Ununterscheidbarkeit gleicher Teilchen ist eingebaut. Die Teilchen bekommen noch nicht einmal mehr eine Nummer, um ihre Koordinaten voneinander unterscheiden zu können.
- Bosonen-Zustände sind immer symmetrisch gegen Vertauschung, Fermionenzustände immer antisymmetrisch. Das Pauli-Prinzip ist automatisch berücksichtigt und die unterschiedlichen Quantenstatistiken ergeben sich zwangsläufig.
- Der Operator für die Vernichtung eines Teilchens im Zustand p ist . Ein Anwendungsbeispiel: Hier lässt die Vernichtung eines existierenden Teilchens im Vakuum das leere Vakuum zurück, . Der Vernichter ist der zum Erzeuger hermitesch adjungierte Operator. Dass das so richtig ist, sieht man z. B. beim Ausrechnen der Norm von , d.h. beim Skalarprodukt mit seinem adjungierten Vektor :
- Für die Vernichtungsoperatoren gelten deshalb dieselben Vertauschungsregeln wie für die Erzeuger. Anwendung eines Vernichters auf den Vakuumzustand ergibt Null (den Nullvektor).
- Der Übergang eines Teilchens vom Zustand p nach k wird durch den Operator bewerkstelligt. Man vernichtet das Teilchen in p und erzeugt sich ein neues in k - sie sind ja identisch. Begriffliche Vorteile:
- Die für Alltagsgegenstände so unvermeidliche Frage, ob nicht jemand den „Betrug“ bemerken könnte, dass ihm mit dem bei k auftauchenden Teilchen gar nicht das originale Teilchen untergeschoben werden soll, kann gar nicht gestellt werden.
- Die ebenso naheliegende Alltagsfrage, wo das Teilchen während des Quantensprungs von p nach k gewesen sei, kann auch nicht mehr gestellt werden.
- Vernichter k sind mit Erzeugern p vertauschbar, außer sie beziehen sich auf denselben Zustand. Dann gilt:
- für Bosonen („vertauschbar“)
- für Fermionen („antivertauschbar“)
- Der Operator, der die Anzahl der im Zustand p anwesenden Teilchen als Eigenwert angibt, ist der Teilchenzahloperator . Er ist gleich für Fermionen und Bosonen. (Für Fermionen hat er keine Eigenwerte außer 0 und 1.)
- Der Zusammenhang eines 1-Teilchenzustands mit seiner „alten“ Wellenfunktion ergibt sich, indem man sich ein am Ort lokalisiertes Teilchen erzeugt (Zustand ) und mit das Skalarprodukt bildet, das ja die Amplitude des einen Zustands im anderen angibt:
Mathematische Konstruktion
Die entscheidende Arbeit, Konfigurationsraum und zweite Quantelung[1], stammt von dem russischen Physiker Wladimir Fock aus dem Jahre 1932.
Sei eine orthonormale Einteilchen-Basis eines quantenmechanischen Systems (, d. h. ein Satz an Wellenfunktionen, nach denen sich jede beliebige Einteilchenwellenfunktion entwickeln lässt). Dann ist bekannt, dass sich jede fermionische (bzw. bosonische) Vielteilchen-Wellenfunktion, die ja von Natur aus antisymmetrisch (bzw. symmetrisch) ist, nach Determinanten (bzw. Permanenten) bezüglich dieser Einteilchenbasis entwickeln lässt: Sei antisymmetrisch (, z. B. Orts- und Spinkoordinaten eines Elektrons). Dann gibt es komplexe Zahlen (d. h. zu jeder „Konfiguration“ , worin Index in die Einteilchenbasis ist, gibt es N komplexe Koeffizienten) mit
Man kann also jede Vielteilchen-Wellenfunktion als Linearkombination solcher Determinanten-Zustände darstellen (bzw. entsprechender Permanenten-Zustände im bosonischen Fall). Diese Determinantenzustände sind neben der rein mathematischen Bedeutung als Entwicklungsbasis häufig auch von großer physikalischer Bedeutung, da sich Grundzustands-Wellenfunktionen nicht wechselwirkender Systeme als reine Determinantenzustände (bzw. Permanentenzustände) darstellen lassen.
Der Determinante/Permanente zur Konfiguration kann man nun die Bezeichnung
zuordnen, mit Anzahl Vorkommen des Wertes von in , Anzahl Vorkommen des Wertes von in , …. Die Werte nennt man Besetzungszahlen der zugehörigen Basiszustände. Die Besetzungszahlen können bei Fermionen nur 1 oder 0 sein, da sonst die Determinante verschwinden würde (zwei gleiche Spalten).
In dieser Bezeichnungsweise ist also die allgemeine Darstellung eines N-Teilchen Vielteilchenzustands :
die Besetzungszahldarstellung. Der antisymmetrische bzw. symmetrische N-Teilchen-Hilbertraum wird also durch diese Zustände mit aufgespannt. Es liegt nun nahe, einen allgemeineren Raum namens Fockraum einzuführen, der durch die -Zustände mit beliebiger endlicher Teilchenzahl aufgespannt wird:
.
Da sich Operatoren unabhängig von der konkreten Teilchenzahl darstellen lassen (s.u.), ist diese Konstruktion sinnvoll. In diesem Raum sind Zustände unbestimmter Teilchenzahl enthalten (Linearkombination von Zuständen verschiedener bestimmter Teilchenzahlen). In ihm wird Vielteilchentheorie normalerweise betrieben.
Einzelne Determinantenzustände, die wie schon gesagt z. B. besondere Zustände eines wechselwirkungsfreien Systems sein könnten, kann man in der Form eindeutig angeben, wenn man dazu sagt, auf welche Einteilchenbasis man sich bezieht.
Siehe dazu auch: Slater-Determinante
Erzeugungs-, Vernichtungs- und Teilchenzahloperatoren
Man führt nun, zunächst recht willkürlich, neue Operatoren ein, die Teilchen im Basiszustand „erzeugen“ bzw. „vernichten“ (d. h. die entsprechende Besetzungszahl erhöhen oder verringern):
Definition (auf der Basis des Zustandsraumes, auf dem Rest durch lineare Fortsetzung):
- Im bosonischen Fall
- Im fermionischen Fall
Die Vorfaktoren sorgen dabei jeweils für das Nichtauftreten unmöglicher Zustände (z. B. mit Besetzungszahlen < 0 oder > 1 bei Fermionen), für das Wegkapseln der Antisymmetrie bei Fermionen in anderen Ausdrücken und dafür, dass sich die Besetzungszahloperatoren in beiden Fällen als
ergeben. Nachrechnen zeigt, dass diese Operatoren bei Determinantenzuständen die Besetzungszahlen reproduzieren:
.
Vertauschungsrelationen
Für die so konstruierten Operatoren gelten im fermionischen Fall die Antivertauschungsrelationen
wobei den Antikommutator bedeutet.
Im bosonischen Fall gelten die Vertauschungsrelationen
Darin ist der Kommutator.
Ein- und Zweiteilchenoperatoren
Es lässt sich zeigen, dass sich sämtliche linearen Operatoren auf dem Fockraum als Linearkombination von Polynomen in den Erzeugungs/Vernichtungsoperatoren darstellen lassen. Darin liegt ein wesentlicher Aspekt ihrer Wichtigkeit. Besonders bedeutend sind dabei die sogenannten Einteilchen- bzw. Zweiteilchen-Operatoren, die ihrem Namen nach entweder Observablen einzelner Teilchen repräsentieren (z. B. kinetische Energie, Position, Spin) oder Wechselwirkungen zwischen zwei Teilchen (z. B. Coulomb-Wechselwirkung zwischen zwei Elektronen).
Es ergeben sich dabei einfache Ausdrücke: Sei
ein Einteilchen-Operator (d. h. jedes wirkt nur auf die Koordinaten des -ten Teilchens, von der Struktur her sind die s aber alle gleich), so ergibt sich (durch Ausrechnen):
wobei das Matrixelement des Einteilchenoperators ist, aus dem sich die ergeben, gebildet mit den Basiszuständen , bezüglich denen quantisiert wurde. Für Zweiteilchenoperatoren ergibt sich analog:
.
Bei den Ausdrücken handelt es sich um echte Gleichheit der Operatoren, so lange sie auf eine feste Teilchenzahl bezogen sind. Man sieht aber, dass die zweitquantisierte Form der Operatoren die Teilchenzahl nicht mehr explizit enthält. Die zweitquantisierten Operatoren nehmen in Systemen verschiedener Teilchenzahl also jeweils dieselbe Form an.
Konkrete Beispiele
Einteilchen-Operatoren
Teilchendichte in Zweitquantisierung bezüglich Impulsbasis (diskrete Impulsbasis, endliches Volumen mit periodischen Randbedingungen):
Coulomb-Wechselwirkung
In Zweitquantisierung bezüglich (diskreter) Impulsbasis.
Supraleitung
Die Zweite Quantisierung ermöglicht mit der Fock-Darstellung auch die explizite Berücksichtigung von Zuständen, die keine Eigenzustände des Teichenzahloperators sind. Solche Zustände spielen in der Theorie der Supraleitung eine große Rolle.
Transformation zwischen Einteilchenbasen
Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren bezüglich einer gegebenen Einteilchenbasis lassen sich durch entsprechende Operatoren bezüglich einer anderen Einteilchenbasis ausdrücken:
Durch diese Beziehungen ist es möglich, einen Basiswechsel im Fockraum durchzuführen und somit gegebene Ausdrücke auf für die gerade anliegende Situation besser geeignete Formen zu transformieren. Auf ähnliche Art werden aus den Erzeugungs-/Vernichtungs-Operatoren für diskrete Einteilchenbasen auch Feldoperatoren bezüglich kontinuierlicher Orts- bzw. Impulsbasen erzeugt, wie sie vor allem in den Quantenfeldtheorien verwendet werden.
Verallgemeinerung: Relativistische Quantenfeldtheorien
Als Verallgemeinerung entstehen, wie in der Fußnote [2] angedeutet, anstelle der nicht-relativistischen Vielteilchentheorie relativistische Quantenfeldtheorien.
Literatur
- Alexander Altland, Ben Simons: Condensed matter field theory, Cambridge Univ. Press, 2009, ISBN 978-0-521-84508-3
- Eugen Fick: Einführung in die Grundlagen der Quantentheorie, Wiesbaden, 1988, ISBN 3-89104-472-0
- Wolfgang Nolting: Grundkurs theoretische Physik, Band 7: Vielteilchenphysik, Berlin u.a., 2009, ISBN 978-3-642-01605-9
- Franz Schwabl: Quantenmechanik für Fortgeschrittene (QM II), Berlin u.a., 2008, ISBN 978-3-540-85075-5
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ Konfigurationsraum und zweite Quantelung - vollständiges Dokument bei springerlink.com
- ↑ Man kann die Zweite Quantisierung auch als Feldquantisierung eines bestimmten, mit der Schrödingergleichung kompatiblen klassischen Feldes, des sog. „Schrödinger-Feldes“, formulieren. Statt der Schrödingergleichung kann man auch relativistische klassische, zur Quantentheorie kompatible Gleichungen bzw. deren Feldtheorien behandeln. Die resultierenden Gleichungen wären z. B. in der Struktur analog zu denen der Maxwellschen Theorie und müssen in den Spezialfällen des Schrödingerfeldes oder der sog. QED oder QCD u.a. die Maxwellsche Feldenergie als Beitrag zur Potentiellen Energie der Elektronen enthalten, in deren kinetischer Energie aber auch die Plancksche Konstante h als Feldparameter. Es entstehen so anstelle der nicht-relativistischen Vielteilchentheorie relativistische Quantenfeldtheorien.
[[Kategorie:Quantenfeldtheorie]] [[Kategorie:Statistische Physik]] [[Kategorie:Festkörperphysik]]