Benutzer:Mautpreller/Pot
Im Unterschied zum Ähnlichkeitsprinzip, der homöopathischen Arzneiprüfung und der individualisierten Arzneiwahl war die Potenzierung nicht von vornherein ein Grundsatz der Homöopathie. Sie wird aber seit langem allgemein angewandt und dürfte heute der bekannteste und am meisten kritisierte Zug der Homöopathie sein.
Unter Potenzierung wird eine Vermischung des Arzneistoffs mit einem neutralen Trägermedium bei gleichzeitiger mechanischer Bearbeitung (Verreiben, Verschütteln) verstanden. Ausgangspunkt ist gewöhnlich die Urtinktur, ein alkoholischer oder wässriger Auszug des Stoffs, als Trägermedium dient meist Wasser, seltener Alkohol, bei zu verreibenden Feststoffen auch Milchzucker. Sie wird für gewöhnlich schrittweise vorgenommen, d.h. das Resultat des Prozesses wird so lange erneut "potenziert", bis die gewünschte Stufe erreicht ist.
Der ursprüngliche Sinn der Potenzierung bestand in der Verdünnung und damit Abschwächung der Wirkung des Arzneistoffs, die mechanischen Praktiken dienten seiner gleichmäßigen Verteilung im Verdünnungsmedium. Hahnemann hatte nämlich homöopathische Medikationen zunächst mit zeitüblichen, z.T. erheblichen Dosen vorgenommen. Um die negativen Wirkungen solcher Gaben zu vermeiden, reduzierte er die Arzneidosis durch die beschriebene Prozedur. Bald experimentierte er jedoch mit vielfachen Wiederholungen des Prozesses, die rein rechnerisch bereits extreme Verringerungen des wirksamen Anteils bedeuteten. In den 1820er Jahren schließlich begann Hahnemann eine neue Theorie der Potenzierung bzw. "Dynamisierung" zu vertreten. Er unterstellte nun eine Stärkung der therapeutischen Kräfte der Arznei durch die Potenzierung, interpretierte nun den Potenzierungsvorgang also nicht mehr in erster Linie als Wirkungsabschwächung, sondern vielmehr als Freisetzung einer "geistartigen" Arzneiwirkung durch genau vorgeschriebene mechanische Bearbeitungen (Schütteln und Reiben).[1]
Es gibt heute im Wesentlichen drei Potenzierungsverfahren: Die D-Reihe (Dezimalpotenzen), bei der ein Teil der Arznei mit neun Teilen des Trägermediums vermischt und verschüttelt wird; die C-Reihe (Centesimalpotenzen): ein Teil Arzneistoff auf 99 Teile Trägermedium; und die LM- oder Q-Reihe (Quinquagesimal-Potenzen): ein Teil Arzneistoff auf 50.000 Teile des Trägermediums). Eine nachgestellte Ziffer gibt an, wie oft die Prozedur ausgeführt wurde (etwa: D6, C30, Q12). Meist werden die D-Potenzen in akuten Fällen und von Komplementärmedizinern verordnet (etwa in Potenzierungen zwischen D3 und D12), während C-Potenzen (charakteristische Reihe nach dem einflussreichen Homöopathen James Tyler Kent: C12, C30, C200) und Q-Potenzen bei den sog. "klassischen" Homöopathen bevorzugt werden.
Da jeder Potenzierungsschritt eine Reduktion des Arzneistoff-Anteils um eine (D) bzw. zwei (C) Zehnerpotenzen bedeutet, verringert sich dessen Menge sehr schnell. So enthält ein Präparat D9 rechnerisch nur noch ein Tausendstel des Wirkstoffgehalts von D6, ein Präparat C9 sogar nur noch ein Millionstel des Wirkstoffgehalts von C6. Konzentrationen von 1:1.000 (D3) oder 1:1 Million (D6) werden durchaus auch außerhalb der Homöopathie verwendet. Sehr schnell werden jedoch Dimensionen erreicht, bei denen eine gleichmäßige Verdünnung technisch gar nicht mehr umsetzbar ist und der Arzneistoff-Anteil unter die Nachweisgrenze fällt. Bei D23 bzw. C12 ist bereits die Loschmidtsche Zahl erreicht, d.h. die Zahl der Moleküle des Stoffs in einer Einheit der Stoffmenge (mol). Eine weitere Teilung ist nun nicht nur technisch, sondern auch prinzipiell unmöglich, da das Molekül das kleinste Teilchen des Stoffs darstellt; dennoch wird in der klassischen Homöopathie die Prozedur weit jenseits dieses Punktes fortgesetzt (etwa: C30, C200). Derartige Präparate enthalten sehr wahrscheinlich überhaupt keinen Wirkstoff mehr; doch bereits weit diesseits dieser Grenze ist der Wirkstoffgehalt vernachlässigbar gering und häufig nicht mehr nachweisbar.[2]