Benutzer:Metastasio~dewiki/Makrokosmos I & II (Crumb, George)

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Makrokosmos I & II ist ein zweiteiliger Werkzyklus des us-amerikanischen Komponisten George Crumb (*1929) für präpariertes und verstärktes Klavier aus den Jahren 1972 (Makrokosmos I) und 1973 (Makrokosmos II). Die jeweils zwölf Sätze orientieren sich in ihrer Einteilung an den zwölf Tierkreiszeichen. Der Zyklus wird weithin als Kompendium der experimentellen Klavierspieltechniken des 20. Jahrhunderts, sowie als Summe von Crumbs multi-traditionellem Kompositionsstil aufgefasst.[1] Makrokosmos I ist dem Pianisten David Burge[2] gewidmet, der das Werk am 8. Februar 1973 in Colorado Springs, Colorado, zur Uraufführung gebracht hat, Makrokosmos II dem Pianisten Robert Miller, der diesen am 12. November 1974 in der Alice Tully Hall, New York City, zur Uraufführung brachte.[3] Den ursprünglich zweiteilig angelegten Werkzyklus ergänzte Crumb später um Makrokosmos III (1974) und Makrokosmos IV (1979), deren Anlage von den ersten beiden Teilen jedoch stark abweicht.

Anlage des Zyklus Makrokosmos I & II

Volume/Band 1

Part/Teil 1
1. Primeval Sounds (Genesis I) Cancer. Darkly mysterious (G.R.)
2. Proteus Pisces. Very fast, whimsical, volatile (W.R.C.)
3. Pastorale (from the Kingdom of Atlantis, ca. 10,000 B.C.) Taurus. Moderately, with incisive rhythm (J.B.)
4. Crucifixus [SYMBOL] Capricorn. Darkly mysterious (R.L.F.)
Part/Teil 2
5. The Phantom Gondolier Scorpio. Eerily, with a sense of malignant evil (G.H.C.)
6. Night-Spell I Sagittarius. Poised, expectantly (A.W.)
7. Music of Shadows (for Aeolian Harp) Libra. Gracefully, with elastic rhythm (P.Z.)
8. The Magic Circle of Infinity (Moto Perpetuo) [SYMBOL] Leo. Joyously, like a cosmic clock-work; with mechanically precise rhythm (C.D.)
Part/Teil 3
9. The Abyss of Time Virgo. Dark, with sense of profound mystery (A.S.)
10. Spring-Fire Aries. Prestissimo; breathlessly, with élan (D.R.B.)
11. Dream Images (Love-Death Music) Gemini. Musingly, like the gentle caress of a faintly remembered music (F.G.L.)
12. Spiral Galaxy [SYMBOL] Aquarius. Vast, lonely, timeless (B.W.)

Volume/Band 2

Part/Teil 1
1. Morning Music (Genesis II) Cancer. Exuberantly, with primitive energy (J.DeG.W.)
2. The Mystic Chord Saggitarius. Adagio molto; serene, desireless, like a Nirvana-trance (R.M.)
3. Rain-Death Variations Pisces. Crystalline, with elegance (F.C.)
4. Twin Suns (Doppelgänger aus der Ewigkeit) [SYMBOL] Gemini. Majestic (E.A.C. II)
Part/Teil 2
5. Ghost-Nocturne: for the Druids of Stonehenge (Night-Spell II) Virgo. Dark, fantasmic, subliminal (A.B.)
6. Gargoyles Taurus. Marcia grottesca; savagely, with irony (P.P.)
7. Tora! Tora! Tora! (Cadenza Apocalittica) Scorpio. Dramatic, with great intensity; violent, relentless (L.K.)
8. A Prophecy of Nostradamus [SYMBOL] Aries. Stark, powerful; molto pesante (H.W.)
Part/Teil 3
9. Cosmic Wind Libra. Ghostly, shadowy, tremulous (S.B.)
10. Voices from "Corona Borealis" Aquarius. Passacaglia: very slow, with majestic calm (E.M.C.)
11. Litany of the Galactic Bells Leo. Jubilant; metallic, incisive, echoing (R.V.)
12. Agnus Dei [SYMBOL] Capricorn. “Prayer-wheel” – Very slow; like a vision; as if suspended in endless time (R.W.)


Konzeption

Die Titel und ihre Auswirkungen auf die Notation

Der Untertitel der beiden Bände I und II des Zyklus lautet Twelve Fantasy-Pieces after the Zodiac, was sich als „12 Fantasiestücke nach dem Tierkreis“ übersetzen lässt, woraus man eine Referenz an Schumanns op.12 (Fantasiestücke für Klavier) bzw. op. 73 (Fantasiestücke für Klarinette und Klavier) ableiten könnte. Nach Crumbs eigener Auskunft in den Vorbemerkungen des Partiturdrucks spiegelt Betitelung und Anlage seine Bewunderung für die Klavierkomponisten Bartók und Debussy, an deren Werke sein eigener Zyklus angelehnt ist, nämlich: Bartóks Mikrokosmos und Debussys 24 Präludien. Jede Satzbezeichnung enthält dem Untertitel entsprechend den Namen eines Sternzeichens. Jeder vierte Satz (jeweils der letzte Satz eines jeden Teils) trägt zudem den Zusatz „Symbol“, der Titel des jeweiligen Satzes bezeichnet das jeweils gemeinte Symbol, welches sich in der Notation des jeweiligen Satzes niederschlägt:

Die "Symbole"

Makrokosmos I, 1. Teil, 4. Satz: Die Noten sind entsprechend des Titels Crucifixus als Kreuz angeordnet, wobei Abschnitt A und B die beiden auch musikalisch deutlich aufeinander bezogenen Hälften des Querbalkens bilden (sie nehmen den Eröffnungsabschnitt des ersten Satzes, "Primeval Sounds (Genesis I) Cancer", wieder auf), während Abschnitt C den aus differentem musikalischem Material gestalteten Längsbalken bildet. Nimmt man den Titel des Satzes ernst, so ist in der Konzeption des Satzes der entsprechende Abschnitt, "Crucifixus etiam pro nobis", aus dem Credo der katholischen Messe als konzeptioneller Hintergrund mitzudenken, dessen Text den Kreuzestod Jesu Christi als erlösendes Opfergeschenk an die Menschen behandelt und der damit ein zentrales Element der lateinischen Liturgie ist. Zu Beginn der Akkolade, die den vertikalen Balken des Kreuzes bildet (Abschnitt C), ist der Pianst angewiesen "Christe!" zu rufen, womit auf einen weiteren Messteil, die Anrufung "Christe eleison" ("Christus, erbarme dich (unser)!"), Bezug genommen wird.

Bildliche Notationsformen sind nicht Crumbs Erfindung. So gibt es bereits im Barock Figurengedichte geistlichen Inhalts, die in Kreuzform notiert werden, wie beispielsweise das Gedicht "Uber den gekreutzigten JESUS" Catharina Regina von Greiffenbergs.[4] Darüber hinaus hat Victoria Adamenko darauf verwiesen, dass es im Barock auch bildliche Notation von Musik bereits gegeben hat.[5] Beispiel hierfür kann der Kupferstich sein, den Adam Gumpelzhaimer dem Haupttext seines Buches Compendium musicae latino-germanicum (1611) voranstellt.

Makrokosmos I, 2. Teil, 8. Satz: Der Titel (The Magic Circle of Infinity”) bedingt auch hier die Notation: Der längere Abschnitt B ist kreisförmig um den kürzeren Abschnitt A angeordnet. Die Anweisung Crumbs zur Spielweise lautet: After playing A, proceed to B and play 3_ revolutions of Circle-music (ending at “Fine”). (“Nach dem Spielen von A gehe man über zu B und spiele 3_ Umdrehungen der Kreis-Musik (bei “Fine” endend)”. Der Kreis gilt ebenso wie das Kreuz C.G. Jung zufolge als Archetypus [Wiki-Link] und ist in vielen Kulturen ein bedeutendes Symbol, welches häufig mit Ganzheitlichkeit verbunden wird . Tatsächlich hatte Crumb ein Werk mit dem Titel Mandala geplant. Mandala bedeutet auf Sanskrit so viel wie “Kreis” . Auch in anderen Werken Crumbs spielt die Kreisnotation eine große Rolle, so etwa im zentralen Satz der Ancient Voices of Children, welcher mit Dance of the Sacred Life-Cycle überschrieben ist. Dass sowohl Crumbs Lehrer als auch Komponisten der Renaissance und des Barock Stücke (meist Kanons) im Kreis notiert hatten, sei Crumb nach eigener Aussage zum Zeitpunkt der Komposition nicht bekannt gewesen, wohl aber Stockhausens Refrain aus dem Jahre 1959, welches ebenfalls im Kreis notiert ist (ÜBERPRÜFEN).

Makrokosmos I, 3. Teil, 12. Satz: In Spiral Galaxy ist das Notensystem als Spirale angeordnet. Der Spieler beginnt außen und endet im Zentrum der Spirale.

In allen drei Fällen stellt sich das Problem der Aufführung: Da die allermeisten Pianisten wohl nicht auf dem Kopf oder seitlich stehende Noten lesen können, muss die Partitur entweder gedreht oder umnotiert bzw. kopiert und zurechtgeschnitten werden. Dieses Problem hat Adamenko 2005 dazu veranlasst, von einer mytischen Welt von zyklischer Zeit und symbolischen Raum zu sprechen, die nicht kompatibel mit unserer linear verstandenen Welt sei („This act [of cutting the score] would only prove that the world of mythic imagination, with its cyclic time and symbolic space, [which] is not exactly compatible with our world of linear reading, measured in conventional categories of time and space.“)


Innere kompositorische Struktur

Ungeachtet der verschiedentlich geäußerten Einschätzung, Crumbs Musik sei nicht primär nach Tonhöhenstrukturen (pitch structures) organisiert[6], hat Richard Bass in mehreren umfassenden Studien Werke Crumbs mithilfe der sogenannten pitch class set theory (Set theory) analysiert und ist dabei zu überzeugenden Ergebnissen die innere Organisation der Stücke betreffend gelangt.[7] So weist er beispielsweise nach, dass dem gesamten ursprünglichen Makrokosmos-Zyklus einige wenige basale Akkorde zugrundeliegen (konkret die Trichorde [0,2,6], [0,1,6], [0,2,5], [0,1,4]), aus denen sich durch Reihungen und Schachtelung wiederum basale Skalen ableiten lassen. Dieses Basismaterial hat dabei die Eigenschaft, dass sämtliche Intervalle in ihm völlig gleichmäßig jeweils zwei Mal enthalten sind und bietet so für ein intervallisch konzeptioniertes Kompositionsverfahren eine ideale Voraussetzung.

In den einzelnen Sätzen variiert dabei jedoch das Ausmaß der Integration des Basismaterials. In der Analyse der jeweiligen Sätze ist der jeweilige Tonvorrat damit entweder als zum basalen Tonvorrat gehörig identifizierbar oder, im Gegensatz, als darüber hinausgehend, wobei Bass im letztgenannten Fall vom "ornamentalen" Charakter der jeweiligen Tongruppen spricht. Für den ersten Satz von Makrokosmos I, "Primeval Sounds (Genesis I) Cancer", kann Bass den Nachweis führen, dass dieser expositorischen Charakter im Bezug auf das verwendete akkordische Material des Zyklus hat. Die eröffnende, aus sieben Akkorden bestehende Figur unterliegt dabei strengsten Symmetrien, wobei die Intervallik der genutzten Basalakkorde sogar in den durch die Akkordfolgen entstehenden Ober- und Unterstimmen wiederkehren. Die meisten Figuren des Stückes erweisen sich bei näherer Untersuchung als planvoll und symmetrisch strukturiert.


Celestial Mechanics (Makrokosmos IV)

Im Jahr 1979 veröffentlichte Crumb mit Celestial Mechanics (Makrokosmos IV). Cosmic Dances for Amplified Piano eine weitere Fortsetzung seines Makrokosmos-Zyklus. Dieser vierte Teil des Makrokosmos ist für Klavier zu vier Händen sowie einen "Blätterer" komponiert, der schließlich in das musikalische Geschehen einbezogen wird und das Stück so zu einem sechshändigen Werk werden lässt. Er ist es auch, der die letzten Töne zu spielen hat.

Das Werk enthält folgende Sätze:

1. Alpha Centauri
2. Beta Cygni
3. Gamma Draconis
4. Delta Orionis

Der Titel des Werks ist deutlich an die Idee der Sphärenharmonie angelehnt und stellt damit einen der für den Komponisten typischen Bezüge auf die ältere europäische Musiktradition dar. Die Betitelung als Sphärenmechanik, im Gegensatz zur Sphärenharmonie, ist dabei jedoch eine deutliche semantische Verschiebung, die auf das hinter der Idee einer Sphärenharmonie stehende mechanistische Konzept des Funtkionieren des Kosmos verweist. Nach der alten Theorie verhalten sich die Himmelskörper entsprechend bestimmter mathematischer Proportionen zueinander, die sich in den Proportionen der Musik natürlich abbilden. Durch die in den Titeln enthaltene thematische Verortung in den Bereich des "Kosmos" erfährt das Stück seine Einordnung in den vorangegangenen Makrokosmos-Zyklus.

Ist Makrokosmos III, trotz seiner differierenden Besetzung, durch seine musikalische Substanz und die aus der Planungsphase der ersten beiden Teile herstammende Konzeption, in die Ideen einflossen, die Crumb für Makrokosmos I & II verworfen hatte, noch stark an den ursprünglichen, zweiteiligen Zyklus angebunden, so scheint der vierte Teil nur noch lose mit den den übrigen verknüpft zu sein. Bereits David Burge, der Widmungsträger des Makrokosmos I, wies darauf in seiner Rezension der Celestial Mechanics darauf hin, dass wesentliche Elemente, die Crumbs Musik in den ersten beiden Zyklus-Teilen prägte, hier im Wesentlichen keine Verwendung finden, so zum Beispiel mystisch-religiöse Bezüge aber auch musikalische Mittel wie das Pfeifen, Singen, Sprechen und Schreien der Instrumentalisten, die in den ersten drei Teilen zu den charakteristischen Elementen des Crumb'schen Klangbildes gehören.[8]

Burge, der mit Crumb persönlich bekannt ist, führt den grundlegend schnellen Impetus des vierten Teils indirekt auf Crumbs, schließlich vergebliches, Ringen um die Intergration schneller Passagen in Makrokosmos III zurück.


Einzelnachweise

  1. Krämer, Jörg: Art. "George Crumb (2008)", in: Heister/Sparr (Hg.), Komponisten der Gegenwart, München 1992.
  2. http://en.wikipedia.org/wiki/David_Burge
  3. Burge, David: "Fantasy by Lawrence Moss; Para Alicia, música para piano by Manuel Enríquez; Tre breve dra den ukendte soldat by Paul Ruders; Gaudi (1970), Study no. 3 by John McCabe; African Sonata in Four Movements for Piano, 1966 by Roy Travis; Piano sonata (1965) by Edward Applebaum; Sonatine Bitonale by Hugo Pfister; Scherzo (1958) by Lejaren Hiller; Klaviersonate by Martin Doernberg; Four Studies on Basic Rows for ... Review by: David Burge", in: Notes, Second Series, Vol. 32, No.1 (Sep., 1975), S. 149-152.
  4. Vgl. Maché, Ulrich/Meid, Volker (Hg.): Gedichte des Barock, Reclam,Stuttgart 1980, darin: S. [248].
  5. Adamenko, Victoria: "George Crumb's Channels of Mythification", in: American Music, Vol. 23, No. 3 (Autumn, 2005), S. 324-354, darin: S. 330: Adamenko unterläuft dabei ein grober Fehler, indem sie, eine deutschsprachige Quelle falsch interpretierend, von der Kanonkompostion eines Komponisten Namens Stich von Wolfg berichtet. Tatsächlich bezieht sie sich auf Kompositionen Adam Gumpelzhaimers, die in einem Stich von Wolfgang Killian realisiert sind.
  6. Vgl. bspw. Wolf, R. Peter/Gamer, Carlton: "Current Chronicle", in: The Musical Quarterly, Vol. 59, No. 3 (Jul., 1973), S. 462-473, darin: S. 466.
  7. Bass, Richard: "Sets, Scales, and Symmetries: The Pitch-Structural Basis of George Crumb's Makrokosmos I and II", in: Music Theory Spectrum, Vol. 13, No. 1 (Spring, 1991), S. 1-20; ders.: Pitch Structure in George Crumb's Makrokosmos, Volumes I and II, Ph.D. dissertation, University of Texas, 1987.
  8. Burge, David: "Celestial Mechanics (Makrokosmos IV): Cosmic Dances for Amplified Piano, 4 Hands by George Crumb" (Review), in: Notes, Second Series, Vol. 45, No. 4 (Jun., 1989), S. 859-860.