Benutzer:Mueck/MMEB

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Maas, Memel, Etsch und Belt im historisch-geographischen Kontext von 1841, dem Entstehungsjahr des Liedes

Entwurf für eine Karte und einen Text zum Hintergrund der Entstehung der grenzangaben im Deutschlandlied:

Grenzen

Das besungene „Deutschland“ wird durch den Vers „Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt“ geographisch umgrenzt. Von den genannten vier Gewässern (drei Flüsse und eine Meerenge) markiert nur eins wirklich gut auch die damalige Grenze des Deutschen Bundes. Hinter diesen vier Angaben stehen daher teilweise politische Ansprüche, die im Kontext der damaligen Zeit betrachtet werden sollten. Nationalstaaten gab es im engeren Sinne nicht auf deutschsprachigem Gebiet. Die damaligen Staaten umfassten nur Teile davon beziehungswesie sie umfassten zum Teil auch nicht-deutschsprachige Gebiete. Der Wunsch der damaligen Deutschen Nationalbewegung nach einem einheitlichen deutschsprachigem Nationalstaat symbolisiert sich auch in diesen vier Angaben. Allerdings werden teilweise auch die Schwierigkeiten deutlich, die Grenzen eines solchen Staates zu finden, allgemein und vor allem innerhalb eines Liedes, in dem man nur äußerst begrenzt Raum für Konkretisierungen hat.

Maas

Die Provinz Limburg entstand 1815 in den Niederlanden und wurde 1839 im Zuge der Belgischen Revolution geteilt. Der niederländische Teil war dann von 1839 bis 1866 als neugeschaffenes Herzogtum, das in Personalunion vom niederländischen Königshaus (gemeinschaftlich mit dem heutigen Luxemburg) mitregiert wurde, ein Staatsgebilde innerhalb des Deutschen Bundes. Dafür waren die an Belgien abgetretenen Gebiete Luxemburgs aus dem Deutschen Bund ausgeschieden.

Die Maas durchfloss diese damals zum Deutschen Bund gehörenden Provinz. Heute durchfließt sie kein deutsches Gebiet mehr, sie verläuft aber zum Teil nur wenige Kilometer westlich der Grenze.

Die Niederlande schieden nach dem Westfälischen Frieden 1648 zusammen mit der Schweiz aus dem Heiligen Römischen Reich aus, waren also 1841 schon lange unabhängig. Im Gegensatz zur Schweiz bildete sich aus dem deutsch-niederländischen Dialektkontinuum jedoch eine zweite Standardsprache heraus, die niederländische Sprache, insbesondere aus den Niederfränkische Sprachen, die in der Karte zusammen mit dem Westfriesischem heller hinterlegt sind. Die dazu passende Dialektgrenze ist weder damals noch heute mit den Staatsgrenzen identisch.

Die Maas schwenkt zwar im Unterlauf nach Westen, somit liegt ein Teil der Niederlande östlich der Maas. Da aber ein großer Teil des niederfänkischen Sprachraums westlich von ihr liegt, sind daraus kaum „Ansprüche“ aus der Verwendung der „Maas“ auf die Niederlande ableitbar. Vielmehr dürfte der Nord-Süd-Verlauf im größten Teil ihres Laufes und dies nahe der Grenze in deren westlichsten Abschnitt dominierend gewesen sein bei der Wahl der Maas für das Deutschlandlied.

Etsch

Die Etsch fließt durch Südtirol Richtung Adria, auf kompletter Länge im damaligen Kaisertum Österreich.

Die deutsche Sprachgrenze war nicht deutlich umrissen, am schärfsten aber noch in Südtirol aufgrund der klaren Ränder eines Gebirgstales und der Salurner Klause. Die Etsch als „Südgrenze“ steht vermutlich nur für Südtirol, das durch die Etsch geprägt wird.

Schon Österreich im Sinne der aber erst später eingeführten k.u.k. Doppelmonachie reichte damals weiter nach Süden, das gesamte Österreich-Ungarn, damals „Kaisertum Österreich“ sogar noch weiter. Ersteres umfasste damals auch Triest als österreichischen Hafen an der Adria. Aber auch die Lombardei und Venetien standen damals als Königreich Lombardo-Venetien unter österreichischer Verwaltung. Über eine lange Strecke bildete der Po eine klare Südgrenze des österreichischen Einflussgebietes um 1841 im Westen. Im Osten war die Save lange Zeit die österreichisch(-ungarisch)e Südgrenze. Die Wahl der Etsch könnte somit eine Beschränkung auf deutschsprachige Gebiete bedeutet haben statt auch deutschsprachig verwaltete Gebiete mit einzubeziehen, für die der Po, die Save oder die Adria eine bessere Wahl gewesen wären.

Unstrittig dürfte aber sein, dass die Etsch für den Wunsch des Dichters für eine großdeutsche Lösung für „alle Deutsche“ steht. Dies hätte aber eine Aufteilung Österreichs in seine deutschen (vermutlich aber incl. Böhmens und Triests als Adriahafen, also letzendlich inkonsequent) und nichtdeutschen Gebiete notwendig gemacht, gegen das sich Österreich aber widersetzte. Seinen ersten Erfolg errang Felix zu Schwarzenberg diesbezüglich als österreichischer Ministerpräsident gegen die Nationalversammlung 1848 in Frankfurt am Main. Deren Forderung nach Einbeziehung der deutschen Provinzen Österreichs in einen deutschen Nationalstaat setzte er im Sinne einer großösterreichischen (gegen eine großdeutsche) Lösung der deutschen Frage den Anspruch auf Beteiligung der gesamten Habsburgermonarchie an einer österreichisch-deutschen Staatenkonföderation entgegen. Österreich setzte weiter auf sein Konzept eines Vielvölkerstaates.

Belt

Die beiden anderen Gewässer begrenzten Territorien, die damals (noch) nicht zum Deutschen Bund gehörten, aber von der Deutschen Nationalbewegung aufgrund der dortigen deutschsprachigen Bevölkerung als Teil des zu schaffenden Deutschland betrachtet wurden:

Der (kleine) Belt (ursprünglich ein Begriff für die Ostsee) lag auf Höhe der seit dem Vertrag von Ripen 1460 bestehenden Nordgrenze des Herzogtums Schleswig. Im Norden war zwar das Dänische weiter verbreitet als heute, am Ufer des (kleinen) Belt war aber durchaus auch Deutsch üblich.

Heute reicht Deutschland nicht mehr bis zum kleinen Belt, sondern nur noch bis zum Fehmarnbelt, der aber in dem Lied nicht gemeint sein dürfte.

Memel

Die Memel trennte nach dem 1. Weltkrieg den dann Memelland genannten Teil Ostpreußens von diesem ab. Bis dahin lag seit 1422 die Nordostgrenze der preußischen Provinz Ostpreußen gegenüber Litauen keine 50 km von der Memel bzw. der Küste entfernt.

Entlang bzw. nördlich der Memel wurde in einigen ländlichen Gebieten auch mehrheitlich litauisch gesprochen. Im städtischen Bereichen war aber auch nördlich der Memel Deutsch verbreitet. Man kann die Memel daher durchaus als den Fluss bezeichnen, der ungefähr das nordöstlichste Vorkommen der deutschen Sprache kennzeichnet.

Obwohl zu Preußen gehörend war Ostpreußen aber nicht Teil des Heiligen Römischen Reiches und zunächst und vor allem zur Zeit der Entstehung des Liedes auch nicht Teil des Deutschen Bundes. Die Gebiete östlich der Bundesgrenze, die auch große deutschsprachige Gebiete beinhalteten, als Teil Deutschlands zu bezeichnen, war sicherlich Sinn der Wahl der Memel.

Heute befindet sich die Sprachgrenze weit von der besungenen Memel entfernt.

ungeklärte Grenzfragen

Hingegen hat der Dichter vermieden, an zwei wunde Punkte zu rühren, die damals kontrovers diskutiert wurden, nämlich an die Abgrenzung gegenüber Frankreich (Elsaß-Lothringen) im Südwesten und an die Trennungslinie zwischen den deutschsprachigen Gebieten Österreichs und den slawischen bzw. ungarischen Landesteilen der Habsburger-Monarchie im Südosten. Besonders hier erkennt man auf der Karte gut, dass zwischen Etsch und Belt eine große Distanz liegt und somit Fragen offen lässt (Böhmen etc.) Auch die Frage der Deutschschweizer blieb offen.

Ob sich alle offenen Fragen in einem Lied mit extem wenig Platz für Konkretisierungen hätten klären lassen können, selbst wenn der Dichter es gewollt hätte, wäre zu fragen. So sind mit den vier Angaben jedenfalls nur vier Bekenntnisse zu einem deutschen Nationalstaat im damaligen historischen Kontext entstanden, der an drei Stellen exemplarisch Stellung gegen die damaligen Grenzen des Deutschen Bundes eineseits und deutscher Staaten andereseits nahm.

Resumee

Hoffmann von Fallersleben wollte mit den vier Angaben unbestritten Zeichen setzen auf den Weg zu einem einheitlichen deutschsprachigen Nationalstaat, sicherlich großdeutsch und Gebiete umfassend, die zwar deutschsprachig, aber nicht Teil des Deutschen Bundes waren.

Aus dem Umstand heraus, dass (heute) die Belte größtenteils dänisch sind, die Maas auch durch Frankreich und die Niederlande, die Etsch auch durch Italien und die Memel auch durch Litauen und Weißrussland fließt, ableiten zu wollen, dass der Dichter oder heutige Sänger des Liedes Anspruch auch auf diese Länder stellen würden, wie man es gelegentlich in der Argumentation um die vier Angaben hört, wäre alledings sehr gewagt und ist nicht ableitbar aus dem historischen Kontext.

Auch heute noch Ansprüche aus diesen vier Angaben herzuleiten ist ebenfalls gewagt.

Zur Zeit der Entstehung des Liedes war die deutsche Frage noch durchaus offen und keine direkte Frage einer Nationalstaatsbildung nach dem damaligen Verständnis von Nationalstaaten, sondern eher eine Frage der Machtverteilung zwischen Preußen (Expansionsbestreben, vereinigtes Deuschland nur unter preußischer Führung) und Österreich (Beibehaltung des aus österreichischer Sicht bewährten Vielvölkerstaates, zusätzlich Führung eines geeinten Deutschlands). Hoffmann von Fallersleben setzte als Vertreter der Nationalbewegung dem auch mit diesem Lied (damals) legitim eine andere (damals durchaus verbreitete) Meinung entgegen.

Mittlerweile ist diese Frage jedoch entschieden, die Lösung hat sich bewährt und die Ostgebiete wurden im Zweiten Weltkrieg unwiderbringlich verloren. Die vier Grenzangaben spiegeln die damalige Geschichte und ihre Streifragen wider und haben daher zwar einen achtenswerten historischen Wert, nicht mehr.