Benutzer:Neun-x/Putzfrauenaffäre

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Mit dem Begriff Putzfrauenaffäre wurden einige politische Affären bezeichnet, bei denen insbesondere prominente Spitzenpolitiker oder -manager haushaltsnahe Dienstleistungen von illegal beschäftigten Putzfrauen oder Haushaltshilfen in Anspruch nahmen oder von den Beteiligten im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses Ordnungswidrigkeiten bzw. Straftaten begangen wurden.

Zeitlich häufen sich die Affären in verschiedenen Ländern in den frühen 1990er Jahren.[1] Zum einen drängten vermehrt Einwanderinnen aus Osteuropa auf den Markt, die vergleichsweise geringfügige Löhne erzielten und der Bedarf für haushaltsnahe Dienstleistungen stieg aufgrund der höheren Berufstätigkeit von Frauen in den westlichen Industrieländern.[2]

Haushalts- und Putztätigkeiten gegen Entgelt können Schwarzarbeit sein. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können gegen arbeitsrechtliche und steuerrechtliche Vorschriften verstoßen. Diese Affären lösten regelmäßig öffentlichen Unmut aus, wobei insbesondere an hohe staatliche Repräsentanten wie Bundesminister, hohe Richter u.ä. strenge Maßstäbe angelegt werden. Oft werden solche Verstöße für ein Kavaliersdelikt gehalten.

Länderspezifische Affären

Deutschland

Am 6. Mai 1993 trat Günther Krause von seinem Amt als Verkehrsminister zurück, bald darauf auch vom Vorsitz der CDU in Mecklenburg-Vorpommern. Grund waren mehrere in der Öffentlichkeit als Affären rezipierte Vorgänge, neben dem Verkauf der ostdeutschen Autobahnraststätten die sogenannte Putzfrauenaffäre 1993, bei der seine damalige Ehefrau eine Putzhilfe mit staatlichen Geldern für Dauerarbeitslose alimentiert hatte.[3]

Walter Momper, 1989-90 Regierender Bürgermeister von Berlin, gab 1999 zu, eine Putzfrau illegal beschäftigt zu haben.[4][5] Am 10. Oktober 1999 verlor er (bzw. die SPD) die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin; Momper blieb bis 2011 im Abgeordnetenhaus.

2001 wurde dem damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf vorgeworfen, eine privat beschäftigte Putzhilfe nicht ordnungsgemäß als geldwerten Vorteil versteuert zu haben. Dies war unter anderem durch Indiskretionen aus der eigenen Partei (CDU) bekannt worden, weswegen Biedenkopf mit Rücktritt drohte.[6] Etwa zur gleichen Zeit wurde Biedenkopf vorgeworfen, er wohne zu sehr günstigen Mietkonditionen im Dresdner Gästehaus der Landesregierung (auch „Dienstvilla-Affäre“ genannt). Beides in der Gesamtschau fand viel öffentliche Beachtung[7]; am 16. Mai 2001 gab es eine Sondersitzung des sächsischen Landtages zur Rücktrittsforderung der PDS. Bei den Kommunalwahlen vom Juni 2001 verlor die CDU sicher geglaubte Wahlkreise (z.B. Dresden); im Januar 2002 gab Biedenkopf seinen Rücktritt für den 18. April bekannt.[8] 2005 trat Joachim Gessinger, damals Landeschef von Bündnis 90/Die Grünen in Brandenburg, von seinen Ämtern zurück. Kurz vor der Bundestagswahl 2005 war bekannt geworden, dass Gessinger über Jahre Russlanddeutsche als Putzfrauen „schwarz“ und für nur sechs Euro pro Stunde beschäftigt hatte.[9]

Im September 2013 meldete die Bildzeitung etwa zwei Wochen vor der Bundestagswahl 2013, Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sei erpresst worden, weil 1999 eine Zeitlang eine Filipina schwarz als Putzfrau beschäftigt worden sei. Steinbrück stellte Strafanzeige. Ex-Postvorstand Hermann Ude stellte sich kurz darauf der Staatsanwaltschaft und gab an bzw. zu, der Absender des Erpesserbriefes zu sein.[10] Tatsächlich hatte Steinbrücks Schwiegermutter die Putzfrau für ein halbes Jahr angestellt. Eine legale Verlängerung mit Steinbrücks Ehefrau Gertrud lehnte die Putzfrau ab.[11][12] 2004 gab es im Kabinett Schröder II eine Kontroverse, die von der Süddeutsche Zeitung als Putzfrauen-Affäre bezeichnet wurde. Finanzminister Hans Eichel hatte einen Gesetzentwurf vorgelegt, der illegale Beschäftigung im Haushaltsbereich wirksam bekämpfen sollte. Gerhard Schröder (Bundeskanzler 1998–2005) griff ein und entschied, dass alle, die einen Mini-Jobber illegal im Privathaushalt beschäftigen, keine Straftat begehen. Diese Form der Schwarzarbeit in Privathaushalten wurde damit zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft.[13]

Frankreich

Die französische Sprache unterscheidet nicht zwischen 'Putzfrau' und 'Haushaltshilfe'; der Begriff 'femme de ménage' umfasst beides.[14] Der Umgang mit illegalen Einwanderern (insbesondere aus den früheren französischen Kolonien) wird seit Beginn der 1990er Jahre kontrovers diskutiert (Begriffe: Sans-papiers („ohne Papiere“), immigration Sans-papiers, travail clandestin).

Jérôme Cahuzac (* 1952), zunächst Chirurg und später Politiker, geriet 2007 in die Schlagzeilen, weil er eine von den Philippinen stammende Haushaltshilfe, die 'ohne Papiere' in Frankreich lebte, von Juli 2003 bis November 2004 „schwarz“ beschäftigt hatte (250 Euro pro Monat). Cahuzac kam glimpflich davon; er zahlte in die Sozialkasse (URSSAF) die Beiträge und einen Verspätungszuschlag.[15][16][17]

Pierre Lellouche, Staatssekretär im Kabinett Fillon III (2012–2012) und Mitglied der 14. Nationalversammlung (seit Juni 2012), geriet Mitte April 2012 (kurz vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich) in die Medien; er habe eine Putzfrau aus Mauritius 'sans papiers' beschäftigt („affaire Pierre Lellouche“).[18]

USA

1993 scheiterte US-Präsident Bill Clinton mehrfach mit dem Versuch, für die Position des United States Attorney General eine (weibliche) Person zu bestimmen, die keine Probleme mit illegaler Beschäftigung von Hausangestellten oder Kinderbetreuungskräften hatte.[19] In kurzer zeitlicher Folge wurden Kandidaten wie Zoë Baird[20], Kimba Wood,[21] sowie Charles Ruff zurückgezogen, weil sie in Zusammenhang mit Hausangestellten (im Falle Ruffs einer Putzhilfe) Sozialabgaben nicht bezahlt oder illegale Anstelllungsverhältnisse eingegangen waren.[22] Weitere Ministerkandidaten Clintons mussten nachträglich Anstellungen legalisieren oder Steuern nachzahlen, so Ron Brown und Federico Peña, manche entkamen der Nachfrage, weil sie keine Kinder hatten, so Donna Shalala oder diese wie bei Hazel O'Leary und Madeleine Albright lange aus dem Haus waren. Für den Posten des Generalstaatsanwalts wurde dann mit Janet Reno eine unverheiratete, kinderlose Juristin ernannt.[23]

In der Folge wurde der Satz „Do you have a Zoë Baird problem?“ zu einem geflügelten Wort.[24] Clinton hatte die öffentliche Reaktion unter dem Motto „Everybody does it“ erheblich unterschätzt.[25]

Pigdebatten in Schweden

Ebenso 1993 kam es zu der sogenannten Pigdebatten (piga schw. für Magd, Debatte wie im deutschen) in Schweden. Die Volkswirtin Anne-Marie Palsson hatte Steuergutschriften für haushaltsnahe Dienstleistungen vorgeschlagen, wollte diese damit erleichtern und Schwarzarbeit vermindern. Es entzündete sich eine Kontroverse um den Vorschlag, der zunächst als rückständig und Rückgriff auf überwundene Verhältnisse abgelehnt wurde.[26] Der Begriff „pigdebatten gebrauchte dabei in herabsetzender Weise den Begriff Magd, der eher der Zeit bis zum ersten Weltkrieg entsprach[27] und als Rollentypus unter anderem bei den literarischen Figuren Alva in Madita oder Lina in Michel aus Lönneberga vorkommt. Es handelte sich aber keineswegs um schwedische Frauen. Nach dem Mauerfall waren Anfang der Neunziger Jahre insbesondere Osteuropäerinnen auf der Suche nach Beschäftigung in dem Umfeld vermehrt eingewandert.[2] Diese hatten auch bereitwillig Kinderbetreuung wie auch Reinigungsaufgaben übernommen, was vorher strikt getrennt gewesen war.[2] 2006 mussten zwei Ministerinnen des Kabinetts Reinfeldt, Maria Borelius und Cecilia Stegö Chilò, unter anderem wegen der damaligen illegalen Beschäftigung von Haushaltshilfen zurücktreten.[2]

Die entsprechenden Steuerreduzierungen wurden in Schweden 2007 unter der bürgerlichen Regierung Fredrik Reinfeldt eingeführt.[28]

Erotische Anspielungen

Im Englischen werden die Begriffe „cleaning lady affair“ oder „charlady affair“ verwendet. Dort bezeichnet er auch die Affäre im Sinne von Sexbeziehung.

Bereits im 19. Jahrhundert präsente, bei Wilhelm Buschs Die fromme Helene als Hang zum Küchenpersonal oder unter dem Stereotyp der Filia hospitalis thematisierte sexuelle Affären mit Dienstboten sind neuzeitlich unter anderem bei Rocco Stark, Jude Law und dem bis dahin mit einer Angehörigen des Kennedyclans verheirateten Arnold Schwarzenegger öffentlich bekannt geworden. Schwarzenegger gab im Mai 2011 bekannt, aus einer langjährigen Affäre mit einer Hausangestellten ein außereheliches Kind zu haben, was mit zur Scheidung seiner Ehe führte.[29] Im Spielfilm Küss mich, Kanzler (Deutschland 2004) wurde eine Affäre zwischen einem fiktiven deutschen Bundeskanzler und einer illegal im Bundeskanzleramt als Putzfrau tätigen Russin thematisiert.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Global Care Work: Gender and Migration in Nordic Societies Lise Widding Isaksen, Nordic Academic Press, 2010
  2. a b c d Fiona Williams 'How do we theorise the employment of migrant women in home-based care work in European welfare states?' Paper zur RC19 Conference, University of Florence, 6.–8. September 2007.
  3. Der Minister aus dem Sumpf. In: Der Spiegel. Nr. 13, 1993 (online).
  4. spiegel.de 1. Oktober 1999: Porträt
  5. [1]
  6. Putzfrauen-Affäre Biedenkopf droht, Focus 9. April 2001
  7. Sächsische Zeitung
  8. Sächsische Zeitung
  9. http://www.welt.de/print-welt/article176645/Putzfrauenaffaere-Gruenen-Chef-Gessinger-tritt-nicht-mehr-an.html Putzfrauenaffäre: Grünen-Chef Gessinger tritt nicht mehr an, von gma, Die Welt 2005
  10. Süddeutsche Zeitung: Drohbrief von Ex-Postvorstand Ude - Steinbrück-Erpresser in Erklärungsnot vom 20. September 2013
  11. SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück wegen Putzfrau erpresst, SZ, 7. September 2013
  12. Spiegel-Online: Drohbrief wegen Putzfrau: Staatsanwaltschaft entlastet Steinbrück vom 18. September 2013
  13. SZ 5. Dezember 2008: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-die-putzfrauen-affaere-1.818066 Die Putzfrauen-Affäre Hans Eichel wollte mit dem Gesetz zur Schwarzarbeit Gutes — und bewies nur seine Machtlosigkeit - ein Kommentar von Ulrich Schäfer
  14. ménage heißt Haushalt, Hausstand; faire le ménage heißt 'saubermachen, putzen'
  15. «Jérôme Cahuzac reconnu coupable, mais sans peine», La Dépêche du Midi, 10. November 2007
  16. « Cahuzac, le mec qui dit tout haut ce que Hollande fait tout bas », Rue89, 7. März 2012
  17. http://www.mediapart.fr/journal/france/050413/la-clinique-cahuzac-le-bal-des-especes « A la clinique Cahuzac, le bal des espèces »], Mediapart, 5. April 2013
  18. http://www.humanite.fr/societe/la-louche-affaire-pierre-lellouche-494711
  19. Johnston, David: Parts of Attorney General-Designate's Record Disturb Some Clinton Backers. In: The New York Times, 13. Januar 1993. 
  20. Johnston, David: Clinton's Choice for Justice Dept. Hired Illegal Aliens for Household. In: The New York Times, 14. Januar 1993, S. A1. 
  21. Berke, Richard L.: Judge Withdraws From Clinton List for Justice Post. In: The New York Times, 6. Februar 1993. 
  22. Kelly, Michael: Household Hiring Is Trickier With New Broom in Capital. In: The New York Times, 12. Februar 1993. 
  23. Ifill, Gwen: Reno Is Confirmed In Top Justice Job. In: The New York Times, 12. März 1993. 
  24. Claudia Wallis: The Lessons Of Nannygate. In: Time Magazine, 22. Februar 1993. 
  25. Smolowe, Jill: The Zoe Baird Debacle: How It Happened. In: Time, 1. Februar 1993. 
  26. Köpa städhjälp eller inte debatteras på Faktorimuseet Folket, 17.11.2001 -
  27. http://sverigesradio.se/sida/artikel.aspx?programid=2068&artikel=1914074 De osynligas historia- om svenska pigor]; Släktband; Sveriges Radio vom 25. Februar 2008
  28. Hushållsnära tjänster – mest för höginkomsttagare Pressemitteilung
  29. http://www.focus.de/panorama/boulevard/uneheliches-schwarzenegger-kind-maria-shriver-beklagt-schmerzvolle-zeit_aid_628431.html