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Die Hiketiden (Tragödie)

Die Hiketiden, Die Schutzflehenden ist eine Tragödie des griechischen Dichters Aischylos. Das Entstehungsjahr dieser Tragödie ist nicht eindeutig belegt. Während lange angenommen wurde, dass es sich bei den Hiketiden um eine der ältesten Tragödien handelt, hat ein Papyrusfund bewiesen, dass es sich um ein späteres Stück handeln muss und wahrscheinlich auf 463 v. Chr. zu datieren ist. Unumstritten, ist, dass das Stück Teil der Danaiden-Triologie war, deren andere beiden Stücke „Aigyptioi“ und „Danaides“ jedoch nicht erhalten sind. [1] Die Tragödie stellt das älteste, so genannte Hikesie-Drama dar.

Personen

  • Danaos
  • Pelasgos (König von Argos)
  • ein Herold der Aigypter
  • Chor, die Danaiden

Aufbau und Inhalt

Die Tragödie beginnt ohne vorangestellten Prolog, was eigentlich eine ältere Form darstellt.

  • Parodos
  • (Vers 1-39)

Die Danaiden, die sich beim Altar in Argos befinden, stellen sich als Schutzflehende vor.

  • 1. Stasimon (Vers 40-175)

Der Chor singt ein achtstrophiges Lied in dem sie sich und ihre Abstammung vorstellen, den Grund ihrer Flucht benennen und Zeus anrufen für ihre Aufnahme zu sorgen. Die Danaiden, d.h. die Töchter von Danaos stammen laut Mythologie ebenso wie die Aigypter, die Söhne des Aigyptos von Io ab. Die Danaiden sind geflohen um einer Heirat mit ihren Vettern den Aigyptern zu entgehen und bitten nun in Argos um Hikesie, d.h. um Schutz und Aufnahme.

  • 1. Epeisodion (Vers 176 - 520)

Es beginnt mit einem Gespräch zwischen Danaos und den Danaiden, dann erscheint Pelasgos, der König von Argos. Die Danaiden wenden sich an ihn und bitten ihn sie aufzunehmen. Pelasgos ist bewusst, dass die Aufnahme der Danaiden Krieg mit ihren Verfolgern zur Folge hat und so befindet er sich in einem Konflikt zwischen dem Gastrecht und dem Wohl der Stadt. In dem Dialog bringen die Danaiden verschiedene Argumente und berufen sich auf ihre Abstammung von Ion. Die Entscheidung erfolgt schließlich nachdem die Danaiden mit Selbstmord drohen und so den Altar beflecken. Pelasgos sagt ihre Aufnahme zu, möchte das jedoch zuerst von der Volksversammlung bestätigen lassen und geht ab.

  • 2. Stasimon (Vers 520 - 599)

Der Chor singt ein Lied über Zeus und Io.

  • 2.Epeisodion (Vers 600 - 629)

Danaos berichtet seinen Töchter, dass die Volksversammlung für die Aufnahme gestimmt hat.

  • 3. Stasimon (Vers 630 - 710)

Der Chor singt ein Freuden- und Segenslied für Argos.

  • 3. Epeisodion (Vers 711 - 776)

Danaos berichtet in Form einer Mauerschau von der Landung der Schiffe der Aigypter und verlässt die Bühne um Hilfe in Argos zu holen.

  • 4. Stasimon (Vers 777-837)

Die Danaiden, alleine am Altar zurückgelassen, singen ein angsterfülltes Lied.

  • 4. Epeisodion (Vers 838-963)

Die Aigypter erscheinen und wollen die Danaiden mit Gewalt wegschleppen. Im letzten Augenblick erscheint Pelasgos mit einigen Männern. Es folgt ein Dialog zwischen Pelasgos und dem Herold der Aigypter, an dessen Ende der Herold mit Krieg droht.

  • Exodos (Vers 964-1079)

Danaos sagt den Danaiden, wie sie sich in Argos verhalten sollen. Der Chor teilt sich auf. Die Halbchöre führen einen Chordialog über die Ehe.

Deutungsebenen

politisch-historisch

In der Entscheidung des Pelasgos, die Volksversammlung letztendlich über die Aufnahme der Danaiden entscheiden zu lassen, sehen einige Interpreten eine Anspielung auf das demokratische Athen, dass sich in Argos erkennen lässt, andere erkennen athenische Bestrebungen zu einem Bündnis mit Argos im 461 v. Chr. [2] Eine andere Deutungsmöglichkeit, wäre es, die Szene als Kritik am Demagogentum zu verstehen. Pelasgos kann vor der Abstimmung schon fast die Zusage geben, weil er weiß, dass die Volksversammlung im eh zustimmen wird.

religiös-kultisch

Die Hikesie, also das zentrale Motiv der Tragödie ist eine kultische Handlung. Formal lief eine Hikesie ab, in dem man mit Binden und Fäden umwickelte Stöcke auf den Altar legte, und sich an den Altar setzte. Wenn die Bitte gewährt wurde, wurden die Zweige entfernt. Diese kultische Handlung stellt gewissermaßen einen Schutz dar, den gerade diejenigen Nutzen konnten, die keine rechtlichen oder Machtmittel besaßen. Die Gewährung von Hikesie stellte auch keine rechtliche sondern vielmehr eine religiös-ethische Verpflichtung dar. [3] Für Athen und seinem Selbstverständnis als moderne, freiheitliche Demokratie stellt Hikesie einen wichtigen Punkt Selbstbild dar. [4]

Anthropologisch

Ein zentraler Aspekt der Tragödie ist die Thematisierung von kultureller Fremdheit. Während Pelasgos, als Sohn des erdgeborenen Palaichthon, die größtmögliche Angestammtheit vertritt, stellen die Danaiden, eine Zwischenposition dar und die Aigypter stehen für das total Fremde. Die Zwischenposition der Danaider resultiert zu einem daher, dass sie (mythologisch) über Io mit den Argivern verwandt sind, andererseits sich aber erheblich unterscheiden. So sagt Pelasgos, dass sie eine andere Hautfarbe und einen anderen Körperbau besitzen, und Vergleicht sie mit Nomadinnen, Amazonen, Indierinnen, Lybiereinnen und Äthiopierinnen. [5] Wenn man bedenkt, dass selbst die ganz Fremden Ägypter die naheliegendste Kultur waren und auch die Entfernung von Griechenland nach Ägypten nicht so groß ist verwundert, die übermäßige Betonung ihrer kulturellen Fremdheit. Mudimbe, zeigt in seinem Buch „Greek Paradigm“ [6] auf, wie die Sicht der Griechen auf kulturell Fremde, geprägt war. Sie unterschieden zwischen Griechen und nicht greichisch-sprechenden (=Barbaren), so dass alle Fremden als gleich fremd gesehen wurden, unabhängig ihrer tatsächlichen Fremdheit. Über den Einfluss, den die Ägypter auf die Griechen hatten lässt sich bei Martin Bernal lessen. [7] In diesem Buch wird deutlich, dass viele Aspekte der greichischen Kultur ursprünglich aus Ägypten stammen.

Psychologisch

Im Gegensatz zu den anderen Tragödien des Aischylos ist in den Hiketiden die Entscheidung ein grundlegendes Motiv. Im Gegensatz zu Homer wird hier erstmals das Ringen um eine Entscheidung zentral thematisiert. Das erste Epesodion ist deshalb so ausführlich, um Zweifel und das Entstehen der Entscheidung aufzeigen zu können. Deutlich wird, dass es sich nicht um Schicksal oder göttliche Vorherbestimmung handelt sondern um eine von persönlich getroffene Entscheidung, die nachträglich vom Volksversammlungsbeschluss auch äußerlich bestätigt wird. [8] gender

Form

Theatertechnik

Es ist nicht genau überliefert, wie die kulturelle Fremdheit der Hiketiden theatertechnisch illustriert wurde. Anzunehmen ist aber, dass wohl vor allem die Kostüme und Masken dies leisteten.

Tragischer Held

Als tragischen Helden nach aristotelischem Konzept lässt sich in diesem Stück Pelasgos ansehen. Denn wenn man den weiteren Verlauf der Geschichte aus dem Mythos anschaut, erfährt man dass Argos bei dem erfolgenden Angriff der Aigypter verliert.

Chor

Die frühere Einordnung des Stückes als besonders alt wurde unter anderem mit der großen Rolle, die der Chor spielt begründet. Er kommentiert nicht nur die Handlung sondern ist, besonders durch die Chorführerin im 1. Epeisodion selbst aktiv in die Handlung involviert.

Rezeption

Ausgaben

Venedig 1518. in: „Tragodiai hex. Hg. Franciscus Asulanus. Berlin 1914 in „Tragodiae“. Hg. U. v. Wilamowitz-Moellendorf.

Übersetzungen

"Die Tragödien und Fragmente", übersetzt von Johann Gustav Droysen, durchgesehen und eingeleitet von Walter Nestle, Nachwort von Walter Jens, Stuttgart: Alfred Kröner 1962. "Die Tragödien", übersetzt von Emil Staiger und Walter Kraus, Nachwort von Bernhard Zimmermann, Stuttgart: Reclam 2002.

Bearbeitungen

Über eine Wideraufführung des Stückes ist nichts bekannt. Und es gibt auch keine Bearbeitungen, wenn man von Euripides Stück mit demselben Titel absieht, das zumindest dasselbe Thema bearbeitet.

Einzelnachweise

  1. Schadewaldt, Wolfgang (1991): Die griechische Tragödie. Suhrkamp. Frankfurt am Main. S. 116-117
  2. Bernek, Rüdiger (2004): Dramaturgie und Ideologie. K. G. Saur Verlag. München und Leipzig. S. 52-53.
  3. Schadewaldt, Wolfgang (1991): Die griechische Tragödie. Suhrkamp. Frankfurt am Main. S. 127-129
  4. […] as part od the Athenian self-image, thecity was especially willing to harbour suppliants and to back this policy up with force. S. 116 Carter, D.M. (2007): „The Politics of Greek Tragedy“. Bristol Phoenix Press. Exeter.
  5. Aischylos Z: 279-293
  6. V. Y. Mudimbe, „The Power of the Greek Paradigm“, in "The Idea of Africa", Bloomington: Indiana University Press 1994, S. 71-104.
  7. Bernal, Martin "Black Athena" Rutgers University Press, New Brunswick, NJ, 1991)
  8. Schadewaldt, Wolfgang (1991): Die griechische Tragödie. Suhrkamp. Frankfurt am Main. S. 131-132

Quellen/Bibliografie

Schadewaldt, Wolfgang (1991): Die griechische Tragödie. Suhrkamp. Frankfurt am Main.

Bernek, Rüdiger (2004): Dramaturgie und Ideologie. K. G. Saur Verlag. München und Leipzig.

Carter, D.M. (2007): „The Politics of Greek Tragedy“. Bristol Phoenix Press. Exeter.

Bernal, Martin "Black Athena" Rutgers University Press, New Brunswick, NJ, 1991.

V. Y. Mudimbe, „The Power of the Greek Paradigm“, in "The Idea of Africa", Bloomington: Indiana University Press 1994. S. 71-104.