Benutzer:NorJu/ MakroErgo Produktionsergonomie

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Produktionsergonomie

Simulation und Evaluation ergonomischer Aspekte einer Montagetätigkeit in ViveLab

Die Produktionsergonomie ist ein Teilgebiet der Ergonomie. Durch das Optimieren von Arbeitsbedingungen wird hierbei versucht Belastungen und die Ermüdung von Mitarbeitern vor dem Hintergrund von Umgebungseinflüssen verschiedener Dimensionen (physisch, psychisch, technisch, organisatorisch) auf ein Mindestmaß zu begrenzen und Gesundheitsschäden zu vermeiden. Weiterhin geht es der Produktionsergonomie darum die Effizienzierung von Fertigungs- und Montageprozessen weiterzuentwickeln.

Verzahnung der Ergonomie-Segmente

Mitunter wird speziell zwischen der Produkt- und der Produktionsergonomie unterschieden. Das vorrangige Ziel der Produktergonomie ist es, einen möglichst benutzungsfreundlichen Gebrauchsgegenstand für eine variiierende, meist unbekannte Nutzerschaft anzubieten. Bei der Produktionsergonomie geht es hingegen darum, humanzentrierte Arbeitsplätze in Produktions- und Dienstleistungsbetrieben zu schaffen. Insbesondere besteht hier das Interesse darin, mögliche Belastungen und Schädigungen der Mitarbeiter zu reduzieren und zugleich die Arbeitsleistung zu optimieren. In den meisten Fällen handelt es sich folglich um Fragen der Zumutbarkeit, Erträglichkeit sowie Effizienz. Im Gegensatz zur Zielstellung innerhalb der Produktergonomie sind die Nutzer (sprich Mitarbeiter) bekannt, wodurch individuell auf deren Bedürfnisse eingegangen werden kann. Das "Produkt" des einen Herstellers ist jedoch oftmals auch unweigerlich das "Arbeitsmittel" des andern (wie z. B. ergonomische Werkzeuge). Zudem kommen sowohl bei der Produkt- wie auch bei der Produktionsergonomie Methoden der allgemeinen Ergonomie zum Einsatz. Eine exakte Differenzierung zwischen diesen beiden Teilbereiche ist daher impraktikabel.

Einflussgrößen produktionsergonomischer Aspekte

Der menschliche Bewegungsapparat

Belastungen und Krankheiten

Physische Belastungen sind oft Gegenstand des beruflichen Alltags an Montage- und Fertigungsarbeitsplätzen und können vorwiegend zu Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems führen. Diese stellen eine häufige Ursache von Arbeitsunfähigkeiten und anerkannten Berufskrankheiten im Bereich der mechanischen Einwirkungen dar. So konnten im Jahr 2018 in entsprechenden Tätigkeitsbereichen beispielsweise 24,4% aller Tage von Arbeitsunfähigkeiten mit dem Muskel-Skelett-System und dessen Bindegewebe in Verbindung gebracht werden.[1][2]

Physiologische Erkrankungen können allerdings neben dem Muskel-Skelettsystem zahlreiche weitere Bestandteile des Bewegungsapparates betreffen. Neben den Erkrankungen der Muskeln (z. B. Muskelentzündungen) und Gelenken (z. B. Gelenkkapselentzündung) kann es auch zu Erkrankungen der Sehnen und Sehnenscheiden sowie Nerven (z. B. Karpaltunnelsyndrom) oder auch der Gefäße (z. B. Hand-Arm-Vibrations-Syndrom) kommen.[3]

Gestaltungsprinzipien zur Prävention

Um die körperliche Belastung zu minimieren sowie Erkrankungen und Verletzungen zu vermeiden, gelten vor allem bei Belastungsschwerpunkten (z. B Heb.en und Tragen beim Palettieren oder Ziehen und Schieben von Lasten beim Transport von Behältern) und iterativen, monotonen (Hand-) Bewegungen (z. B. Abpacken von Produkten) generelle Prinzipien der Arbeitsplätzgestaltung von Montage- und Fertigungsplätzen:

  • Belastungen vermeiden beziehungsweise minimieren
  • Arbeitsaufgaben an die (individuellen) Körpermaße (s. Anthropometrie) und Körperkräfte anpassen
  • ausreichenden Bewegungsfreiraum gewährleisten
  • Gefährdungen durch festgelegtes Arbeitstempo und durch einen geeigneten Arbeitsrhythmus vermeiden

Zusätzlich gilt für die Minimierung des Unfalls- und somit Verletzungsrisikos im Umgang mit technischen Systemen:

  • Notwendigkeit der uneingeschränkten und kontinuierlichen Aufmerksamkeit bei Bedien- und Überwachungstätigkeiten vermeiden
  • Mensch-Maschine-Schnittstelle an die voraussehbaren Eigenschaften der Nutzer anpassen
Berücksichtigung der Körperwerte durch Normen und Messungen

Die Berücksichtigung von körperlichen Gesichtspunkten in Bezug auf die Ergonomie bei Bewegungen und Kräfteeinübung und -ausübung kann anhand der entsprechenden Normen erfolgen[4]:

  • DIN 33402
  • DIN 33406
  • DIN EN ISO 7250-1
  • DIN EN ISO 14738

Eine weitere Möglichkeit zur Berücksichtigung der entsprechenden Parameter ist, diese in der jeweiligen Tätigkeit zu messen. Dazu können biomechanische Messmethoden oder Simulations- und Modellberechnungen verwendet werden.

Als biomechanische Messmethoden im Bereich der mechanischen Physik werden Belastungen anhand der Kinematik (durch die Kenngrößen Geschwindigkeit, Winkel sowie Beschleunigungen) oder der Kinetik (durch die Kenngrößen Kraft, Moment sowie Druck) gemessen. Des Weiterer kann die Elektromyiographie als Messmethode der Elektrophysiologie zuverlässige Ergebnisse zur muskulären Beanspruchung bei den jeweiligen Tätigkeiten liefern. Der Erhebungsansatz durch Simulations- und Modellberechnungen verwendet biomechanische Modelle, die die Gesetzmäßigkeiten der allgemeinen Physik und Mechanik sowie die Gegebenheiten des Menschen (skeletal, muskulär) berücksichtigen. Die Gutekriterien der Messungen durch solche artifiziellen Analysen sind äquivalent zu realen Erhebungen.[5]

Einflussgrößen der Technik

Einflussgrößen der Organisation

Arbeitsabläufe
Arbeitzzeiten
Wirtschaftlichkeit

Verschmelzung von Einflussgrößen durch die Arbeitspatzgestaltung

Produktionsergonomie in der Industrie 4.0

Digitalisierung
Individualisierung der Arbeitsplatzgestaltung
Demographischer Wandel

Einzelnachweise

  1. 20 Jahre Hochschule der Gesetzlichen Unfallversicherung. 2014, doi:10.5771/9783845259369 (doi.org [abgerufen am 19. Juli 2020]).
  2. Steinberg, Ulf,: Leitmerkmalmethode Manuelle Arbeitsprozesse 2011 : Bericht über die Erprobung, Validierung und Revision ; Forschung Projekt F2195. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund 2012, ISBN 978-3-88261-722-1 (worldcat.org [abgerufen am 19. Juli 2020]).
  3. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V: Muskel-Skelett-Erkrankungen der oberen Extremität (BGIA-Report 2/2007). Abgerufen am 19. Juli 2020 (deutsch).
  4. BGHM: Ergonomie - Leistungsvoraussetzungen des Menschen. Berufsgenossenschaft Holz und Metall, abgerufen am 21. Juli 2020.
  5. D. Ohlendorf: Einsatz bewegungswissenschaftlicher Messmethoden bei der Gefährdungsbeurteilung physischer Belastungen. In: Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie. Band 66, Nr. 2, 8. Februar 2016, ISSN 0944-2502, S. 105–107, doi:10.1007/s40664-016-0089-5 (doi.org [abgerufen am 21. Juli 2020]).

Literatur

  • Bargstädt, H. J., & Steinmetzger, R. (2013). Grundlagen des Baubetriebswesens. Bauhaus-Universitätsverlag Weimar.
  • Bonin, D. Entwicklung eines Verfahrens zur digitalen Erfassung von Körperhaltungen und Bewegungsmustern. doi:10.21934/baua:bericht20190301
  • Brandl, C., Bonin, D., Mertens, A., Wischniewski, S., & Schlick, C. M. (2016). Digitalisierungsansätze ergonomischer Analysen und Interventionen am Beispiel der markerlosen Erfassung von Körperhaltungen bei Arbeitstätigkeiten in der Produktion. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 70(2), 89-98.
  • Liebers, F., Brendler, C., & Latza, U. (2016). Berufsspezifisches Risiko für das Auftreten von Arbeitsunfähigkeit durch Muskel-Skelett-Erkrankungen und Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems-Bestimmung von Berufen mit hoher Relevanz für die Prävention: Forschung Projekt F 2255. baua, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
  • Ohlendorf, D. (2016). Einsatz bewegungswissenschaftlicher Messmethoden bei der Gefährdungsbeurteilung physischer Belastungen. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie, 66(2), 105-107.
  • Schindler, H. (2017). Ergonomie-Navigator für die alters- und alternsgerechte Produktion : Abschlussbericht des Forschungsvorhabens. https://doi.org/10.2314/GBV:889288933
  • Schlick C., Luczak H., Bruder R. (2010) Ergonomische Gestaltung. In: Arbeitswissenschaft. Springer, Berlin, Heidelberg