Benutzer:Norbert Dragon/Bellsche Ungleichung

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Die Bellsche Ungleichung ist eine Schranke an Mittelwerte von Messwerten, die aus der Annahme von Realität, Lokalität und freiem Willen folgt. Die Ungleichung wurde 1964 von John Stewart Bell angegeben.

Dabei unterstellt Realität, dass jede Messung eine Eigenschaft abliest, die auch ohne Messung vorliegt, dass also der Wert jeder denkbaren Messung feststeht, selbst wenn wir ihn wegen ungenügender Kenntnis verborgener Parameter nicht vorher wissen.

Freier Wille unterstellt, dass man unabhängig vom zu vermessenden System wählen kann, dieses oder jenes zu messen.

Lokalität unterstellt, dass sich bei zwei räumlich weit getrennten Teilchen die Wahl dessen, was beim einen Teilchen gemessen wird, nicht augenblicklich auf das andere Teilchen auswirkt.

Da in der Quantenmechanik die Bellsche Ungleichung nicht ausnahmslos gilt, kann die Quantenmechanik nicht durch Hinzufügen von verborgenen Parametern zu einer realen, lokalen Theorie ergänzt werden.

Bei Photonpaaren ist die Verletzung der Bellschen Ungleichung gemessen worden. Ihre Polarisationseigenschaften sind nicht mit der Annahme von Realität und Lokalität verträglich. Dies bedeutet, dass nicht alle Messwerte vor der Messung feststehen oder dass die Meßwerte nichtlokal von weit entfernten, zufälligen Entscheidungen abhängen oder dass die Willensfreiheit, mit der man dieses oder jenes zu messen auswählt, nur eingebildet ist.

Herleitung

Wir betrachten Polarisationsmessungen an Paaren von Photonen, die von einer Quelle in entgegengesetzte Richtung emittiert werden und an zwei Orten getrennt gemessen werden.

Polarisationsfilter polarisieren Photonen in einer zur Ausbreitungsrichtung senkrechten Richtung . Sie lassen Photonen, die in Richtung polarisiert sind, ungehindert durch und absorbieren mit Sicherheit Photonen, deren Polarisationsrichtung senkrecht zu steht. Dabei ist ein Einheitsvektor in der Ebene senkrecht zur Ausbreitungsrichtung des Photons.

Dreht man den Filter in seiner Ebene, so erhält man einen Filter, der in gedrehter Richtung polarisiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon, das in Richtung polarisiert ist, ungehindert durch einen Filter geht, der in Richtung polarisiert, beträgt

Mit der Restwahrscheinlichkeit wird es absorbiert. Dabei ist der von und eingeschlossene Winkel.

Die Polarisation der untersuchten Photonpaare ist wegen ihrer Herkunft nicht unabhängig, sondern verschränkt: Stimmen die Richtungen der Polarisationsfilter an beiden Messorten überein, so wird das eine Photon genau dann absorbiert, wenn auch das andere Photon absorbiert wird.

Bei Polarisationsmessungen an Photonen unterstellt die Realitätsannahme, in jeden Fall stehe für alle Richtungen fest, ob das Photon absorbiert werde, auch wenn in jedem Einzelfall der Polarisationsfilter nur in einer Richtung messen kann. [1]

Bei den Messungen wird unterstellt, dass man die Richtung beider Polarisationsfilter frei wählen kann. Welche Richtung des Polarisationsfilters man wählt, hängt nicht vom jeweiligen Photonpaar ab.

Lokalität unterstellt beim Photonpaar, dass die Richtung des einen Polarisationsfilter sich nicht darauf auswirkt, ob das andere Photon absorbiert wird. Dies stellt man dadurch sicher, das die Richtungen erst so spät zufällig gewählt werden, dass man von dieser Wahl selbst mit lichtschnellen Signalen bei der anderen Messung noch nichts wissen kann.

Wir betrachten eine Reihe von wiederholten Messungen an Photonpaaren und nummerieren sie fortlaufend mit . Wenn bei der -ten Messung der eine Filter in Richtung polarisiert und das Photon durchkommt, schreiben wir dieses Ergebnis als auf, wird es absorbiert, setzen wir Mit bezeichnen wir das Ergebnis, das sich beim Versuch Nummer ergäbe, wenn wir am ersten Teilchen die Polarisation in Richtung messen würden. Entsprechend sind oder jenachdem ob das andere Photon des Paares im Versuch mit der Nummer durch den anderen Polarisationsfilter in Richtung kommt.

Da die Ergebnisse , Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle b_{2i}} und Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle c_{2i}} nur die Werte 1 oder -1 haben können, gelten in allen Fällen die Ungleichungen

Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle a_{1i}(b_{2i}-c_{2i})\leq 1-b_{2i}c_{2i}\,.}

Denn entweder ist Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle b_{2i}=c_{2i}} , dann sind beide Seiten gleich 0, oder es gilt Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle b_{2i}=-c_{2i}} , dann hat die rechte Seite den Wert +2 und die linke Seite den Wert 2 oder -2.

Da bei gleicher Richtung beider Filter das eine Photon genau dann absorbiert wird, wenn auch das andere Photon absorbiert wird, gilt in allen Fällen

Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle b_{2i}=b_{1i}} .

In die Ungleichungen eingesetzt, ergibt sich

Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle a_{1i}b_{2i} -a_{1i}c_{2i}+b_{1i}c_{2i}\leq 1 \,.}

Der Mittelwert Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \langle a_1 b_2\rangle} der Produkte der Messergebnisse ist die Summe der Produkte Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle a_{1i}b_{2i}} , geteilt durch die Anzahl der Versuche,

Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \langle a_1 b_2\rangle = \frac{1}{N}\sum_{i=1}^N a_{1i}b_{2i}.}

Entsprechend erhält man die Mittelwerte der Messergebnisse Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \langle a_1 c_2\rangle} und Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \langle b_1 c_2\rangle} .

Summiert man die Ungleichungen und teilt man das Ergebnis durch die Anzahl der Versuche, so erhält man die Bellsche Ungleichung[2] für Mittelwerte von Produkten von Polarisationswerten

Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \langle a_1b_2\rangle-\langle a_1c_2\rangle+\langle b_1c_2\rangle \leq 1\,.}

Rückblickend haben wir bei der Herleitung der Bellschen Ungleichung unterstellt, in jedem Versuch lägen die Ergebnisse jeder Polarisationsmessung in der Richtungen Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \mathbf a} und der Richtung Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \mathbf b} und der Richtung Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \mathbf c} fest, obwohl tatsächlich nur in jeweils einer Richtung gemessen werden kann. Wir haben auch unterstellt, dass die Ergebnisse bei einem Teilchen nicht davon abhängen, in welche Richtung am anderen Teilchen gemessen wird, dass es sich also bei den Ergebnissen am ersten Photon nicht je nach Richtung Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \mathbf b} oder Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \mathbf c} des zweiten Filters um Ergebnisse Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle a_{1ib}} oder Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle a_{1ic}} handelt. Schließlich unterstellen wir, dass der Mittelwert über alle gedachten Versuchsergebnisse mit dem Mittelwert über alle tatsächlich ausgeführten Versuche übereinstimmt und dass keine Eigenschaft des Photonspaares die freie Wahl der Messrichtungen beeinträchtigt.

Quantenmechanische Mittelwerte

In der Quantenmechanik ergibt sich für den Mittelwert der Polarisationsmessungen

Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle E[\mathbf{a}_1,\mathbf{b}_2] = \cos(2\,\theta_{ab})\,.}

Es ist aber die Linearkombination der Mittelwerte, wie sie in der Bellschen Ungleichung vorkommt,

Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \cos(2\,\theta_{ab})-\cos(2\,\theta_{ac})+\cos(2\,\theta_{bc})}

nicht für alle Richtungen kleiner als 1. Wählt man beispielsweise Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \mathbf b} als Winkelhalbierende zwischen Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \mathbf a} und Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \mathbf c\,,} die 60 Grad einschließen,

Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \theta_{ab}=\theta_{bc}=\frac{\pi}{12}} und Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \theta_{ac}=\frac{\pi}{6},}

so ergibt sich für die Linearkombination der quantenmechanischen Mittelwerte

Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle \underbrace{\cos(2\,\theta_{ab})}_\frac{1}{2}-\underbrace{\cos(2\,\theta_{ac})}_{-\frac{1}{2}} +\underbrace{\cos(2\, \theta_{bc})}_\frac{1}{2}=\frac 3 2}

im Widerspruch zur Bellschen Ungleichung für lokale, realistische Theorien.

Die quantenmechanischen Wahrscheinlichkeiten können nicht von einer vollständigeren, lokale Theorie von der Unkenntnis verborgener Parameter herrühren, die den Ausgang jeder denkbaren Messung festlegen.

Experimentelle Widerlegung der Bellschen Ungleichung

Seit Ende der sechziger Jahre wurden viele Experimente durchgeführt, um eine Verletzung einer Bellschen Ungleichung nachzuweisen:

  • Kocher und Commins (1967) beobachteten Korrelationen in Photonenpaaren, die von angeregten Kalziumatomen ausgesandt werden.
  • Freedman und Clauser (1972) benutzten diesen Prozess, um eine erste Verletzung einer Bellschen Ungleichung zu demonstrieren.
  • Aspect, Dalibard und Roger (1982) benutzten einen anderen Prozess im Kalziumatom, der höhere Zählraten und dadurch eine signifikantere Verletzung ergab. Außerdem waren beide Polarisationsfilter 12 m entfernt und die Wahl ihrer Messrichtungen erfolgte durch einen schnellen Zufallsgenerator erst nachdem beide Photonen die Quelle verlassen hatten.
  • Weihs und Mitarbeiter (1998) benutzten polarisationsverschränkte Photonen, die durch spontane parametrische Fluoreszenz erzeugt worden waren. Die Polarisationsfilter waren 400 m entfernt, so dass eine Informationsübertragung über die Messrichtung wegen der endlichen Lichtgeschwindigkeit nicht möglich war.
  • Rowe und Mitarbeitern (2001) gelang es, eine Verletzung der Ungleichung anhand von Messungen an Ionen in einer Falle zu demonstrieren. Dabei konnten alle Ereignisse detektiert werden (siehe: Kritik an den Experimenten).

Kritik an den Experimenten

Um eine überzeugende Verletzung einer Bellschen Ungleichung zu demonstrieren, muss ein Experiment einige Bedingungen erfüllen.

Die Messungen an den beiden Photonen jedes Paares müssen raumzeitlich getrennt sein, es muss ausgeschlossen werden, dass die Wahl der Messrichtung bei der anderen Messung bekannt. Dies stellte man in den Experimenten von Aspect und Weihs dadurch sicher, dass die Richtungen erst so spät zufällig gewählt werden, dass man von dieser Wahl selbst mit lichtschnellen Signalen bei der anderen Messung noch nichts weiss. Falls es aber überlichtschnelle Signale gäbe, dann wäre denkbar, dass die Entscheidung, in welche Richtung am einen Ort die Polarisation gemessen wird, sich auf das Ergebnis am anderen Ort auswirkt und die Bellsche Ungleichung deshalb verletzt ist. Für solch ein Lokalitätsschlupfloch (locality loophole) durch überlichtschnelle Signale gibt es keinen Hinweis.

Die Experimente mit Photonen werfen jedoch ein anderes Problem auf: Von einem Photonendetektor wird immer nur ein kleiner Teil der Photonen detektiert (im Experiment von Weihs nur 5 %). Man muss also zusätzlich annehmen, dass die nicht nachgewiesenen Photonen dieselben Eigenschaften haben wie die nachgewiesenen. Das ist das sogenannte Detektorschlupfloch (detection loophole). Das Experiment von Rowe schließt dieses Detektorschlupfloch.

Folgerungen aus der Verletzung der Bellschen Ungleichung

Man kann nicht einfach die Quantenmechanik als falsch abtun. Sie stimmt mit den experimentellen Befunden überein.

Man kann die Einsteinschen Postulate, insbesondere die Vorstellung verborgener Variablen, aufgeben und hinnehmen, dass die Wellenfunktion nur die Wahrscheinlichkeit der Messwerte festlegt, nicht aber, welcher Messwert in jedem Einzelfall auftritt. Dies ist die Kopenhagener_Interpretation|Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik]], die unter Physikern weitverbreitet ist. So aufgefasst ist die Quantenmechanik sowohl nicht-realistisch, im Gegensatz zu den Vorstellungen von Einstein, Podolski und Rosen (siehe EPR-Effekt), weil durch das Experiment nicht einfach existierende Eigenschaften abgelesen werden, sondern erst gemessen werden; zudem ist sie auch nicht-lokal, weil der quantenmechanische Zustand Fehler beim Parsen (MathML mit SVG- oder PNG-Rückgriff (empfohlen für moderne Browser und Barrierefreiheitswerkzeuge): Ungültige Antwort („Math extension cannot connect to Restbase.“) von Server „https://wikimedia.org/api/rest_v1/“:): {\displaystyle |\psi\rangle} des Photonpaares sich über beide Messplätze erstreckt. Die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik genügt nicht Einsteins Forderungen an eine vollständige, reale und lokale Beschreibung der Physik. Er hat erkannt, dass die Quantenmechanik nicht als klassische Theorie interpretiert werden kann und zwar sowohl im Hinblick auf die Realität als auch im Hinblick auf die Lokalität. Er irrte jedoch in der Annahme, sie könne durch Hinzufügen verborgener Variablen zu einer solchen gemacht werden.

Man kann die Lokalität aufgeben und an der Realität festhalten, wie beispielsweise die Bohmsche Mechanik. Sie deutet die Wellenfunktion als nicht-lokales Führungsfeld klassischer Teilchen. Die Bedeutung Bohmscher Mechanik ist unter Physikern strittig.

Verwandte Experimente

Die CHSH-Ungleichung (1969 von Clauser, Horne, Shimony und Holt entwickelt) verallgemeinert die Bellsche Ungleichung auf beliebige Observable. Sie experimentell einfacher zu überprüfen.

Greenberger, Horne, und Zeilinger beschrieben 1989 einen Versuchsaufbau, das GHZ-Experiment mit drei Beobachtern und drei Elektronen, um mit einer einzigen Gruppe von Messungen die Quantenmechanik von einer quasi-klassischen Theorie mit verborgenen Variablen zu unterscheiden.

Hardy untersuchte 1993 eine Situation, mit der theoretisch Nicht-Lokalität gezeigt werden kann.

Die Experimente zur Verletzung der Bellschen Ungleichung lassen offen, ob wie in der Kopenhagener Interpretation neben der Annahme der Lokalität auch die Annahme einer „objektiven Realität“ aufgegeben werden muss. Leggett formulierte 2003 eine Ungleichung, die unabhängig von der Annahme der Lokalität gilt und die Annahme objektiver Realität zu überprüfen erlauben soll.[3] Aktuelle Experimente von Gröblacher et al. deuten darauf hin, dass die Leggettsche Ungleichung verletzt wird.[4] Die Deutung der Ergebnisse ist jedoch strittig.[5]

Siehe auch

Literatur

  • J. S. Bell: Speakable and unspeakable in quantum mechanics. Cambridge University Press, Cambridge 1988 (bündelt Bells Originalaufsätze).
  • L. Hardy: Nonlocality for 2 particles without inequalities for almost all entangled states. In: Physical Review Letters. 71: (11) pp. 1665-1668 (1993).
  • A. Aspect: Bell's inequality test: more ideal than ever. In: Nature. Vol 398. 18 March 1999.
  • James T. Cushing et al. (Hrsg.): Philosophical consequences of quantum theory: reflections on Bell's theorem. Univ. of Notre Dame Press, Notre Dame, Ind. 1989.
  • Michael Redhead: Incompleteness, nonlocality and realism a prolegomenon to the philosophy of quantum mechanics. Clarendon Pr., Oxford 1987.
  • M. Kafatos (Hrsg.): Bell’s Theorem. Quantum Theory and Conceptions of the Universe. Kluwer, Dordrecht-Boston-London 1989.
  • T. Maudlin: Quantum Non-Locality and Relativity. Blackwell, Oxford U. K. and Cambridge MA, 1994.

Lehrbuchdarstellung:

  • J. J. Sakurai: Modern Quantum Mechanics. Addison-Wesley, USA 1994, pp. 174-187, 223-232.

Weblinks

  1. Eine kritische Betrachtung verschiedener gängiger Verwendungen des Begriffes „Realität“ im Zusammenhang mit der Bellschen Ungleichung und verwandten Experimenten findet sich in [1]
  2. J. S. Bell, On the Einstein-Podolsky-Rosen paradox, Physics 1 (1964) 195; Speakable and Unspeakable in Quantum Mechanics, Cambridge University Press (1987)
  3. A. J. Leggett: Nonlocal Hidden-Variable Theories and Quantum Mechanics: An Incompatibility Theorem. In Foundations of Physics 33, 1469 (2003).[2], [3]
  4. Simon Gröblacher, Tomasz Paterek, Rainer Kaltenbaek, Caslav Brukner, Marek Zukowski, Markus Aspelmeyer, Anton Zeilinger: An experimental test of non-local realism. In: Nature. Vol. 446, Nr. 7138, 19. April 2007, Seite 871-875. Nature. arxive
  5. Alain Aspect: To be or not to be local. In: Nature 446, 866 (2006). [4]; Tim Maudlin in [5]; [6]