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Systemisches Anti-Gewalt-Training

Das Systemische Anti-Gewalt-Training, kurz SAGT ist ein Trainingskurs zur Vorbeugung und zum Abbau von übermäßigem und unerwünschten aggressiven Verhalten. In der Konzeption ergänzt es die Methoden und Erkenntnisse der klassischen Anti-Aggressivitäts-Trainings, betrachtet die "Aggressoren" jedoch als Indexperson eines zum Zeitpunkt dysfunktionalen Systems.

1. Hintergrund

Das SAGT liegt der lösungsorientierten Haltung zu Grunde, dass Menschen grundsätzlich gut sind und zum Zeitpunkt des aggressiven Verhaltens nicht die Möglichkeiten zum Zeigen von alternativen und funktionalen Verhaltensweisen besitzen. Ein zentraler Aspekt dabei ist die Annahme, dass jedes System prinzipiell über alle notwendigen Ressourcen zur Problemlösung verfügt, sie zum Zeitpunkt des ungewünschten Verhaltens jedoch nicht einsetzen kann.

Das Training baut auf dem Verständnis des Erziehungswissenschaftlers und Kriminologen Jens Weidner auf, dass die Aggressoren von unerwünschten Verhalten als Antagonisten ihrer Systeme verstanden werden müssen, welche jede Form von freundlichem Verhalten seitens der Pädagog*innen als Schwäche bewerten und daher eine besondere Trainingsform benötigen. Wie in der konfrontativen Pädagogik üblich, werden im SAGT die Teilnehmenden mit ihrer Aggresivität oder auch den zurückliegenden aggressiven Taten direkt konfrontiert. Dabei wird ihre Aggressivität bewusst nicht tabuisiert, sondern gemeinsam mit den Teilnehmenden reflektiert und bearbeitet. Weiter geht es darum den Teilnehmenden zu helfen ihre Aggressivität zu kanalisieren und ihnen einen funktionalen und kontrollierten Umgang mit dieser zu ermöglichen. Das Ziel ist es ihre festgefahrenen Denk- und Verhaltensmuster zu durchbrechen, damit neue attraktive Verhaltensweisen entwickelt werden können. Gleichzeitig sollen Empathie und Verständnis für ihre direkten Opfer und den anderen Betroffenen ihrer Verhaltensweisen durch Perspektivwechsel angeregt werden. Wichtig ist hierbei, dass die erlernten Inhalte sich an der Lebenswelt der Antagonisten orientieren. Nur dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die erlernten Methoden und Möglichkeiten auch wirklich ausprobiert und umgesetzt werden.

2. Anwendungsbereiche und Herangehensweise

Das SAGT wird derweil sowohl in der Arbeit mit StraftäterInnen, beispielsweise in offenen oder geschlossenen Justizvollzugsanstalten, als auch als präventive Maßnahmen in Institutionen wie Schulen oder Einrichtungen der Jugendhilfe angeboten. Die Teilnehmenden nehmen also nicht nur aus Sekundärmotivation, z.B. durch gerichtliche Anordnung oder Anweisung durch das zuständige Jugendamt, sondern auch aus Primärmotivation,also freiwillig am Training teil. Gemein ist den Kursen dabei die systemische Herangehensweise und ein konzeptionell aufeinander aufbauender Modulplan. Die präventiven Trainings PSAGT werden immer von zwei Trainern*innen umgesetzt, wobei darauf geachtet wird, dass die Trainingsteams weiblich und männlich besetzt sind. Aus der Schule muss ein Ansprechpartner teilnehmen, um nach dem Training, mit gleichen Inhalten und Strukturen, weiterzuarbeiten. Präventive Trainings dauern 20 Stunden plus schulinterner Fortbildung SCHILF, sowie einer Elternsensibilisierung, die drei Mal für drei Stunden angesetzt ist und den Eltern zu den Themenschwerpunkten Beziehungsarbeit, Grenzsetzungsverhalten und Lobkultur Wissen vermittelt. Ziel dieser Arbeitsweise ist eine verstärkte Kooperation mit den Schulen der Antagonisten und der allgemeinen Öffnung des Systems Schule für die bestehenden Helfersysteme.

Im klassischen SAGT kommt es in der Vorbereitung des Trainings zu einem Casting. Hier werden die Trainingsteilnehmende, die in den meisten Fällen aus Sekundärmotivation am training teilnehmen, zu ihrer Primärmotivation befragt. Zugelassen zum Auflagenkurs nach SAGT werden nur Teilnehmende ohne schwerwiegende psychische Erkrankungen, welche einer kognitiven und emotionalen Verarbeitung der Trainingsinhalte dysfunktional entgegenstehen würden. Ebenfalls sind gute Deutschkenntnisse eine Voraussetzung für die Teilnahme am Auflagenkurs. Nicht zugelassen sind Teilnehmende aus mafiösen Clans oder extremistischen Gruppierungen. Hier ist der Druck von außen so groß, dass ein einfaches Verhaltenstraining nicht sinnstiftend ist.

Das SAGT Training umfasst mindestens 80 Zeitstunden und wird immer von zwei TrainerInnen und drei Coaches durchgeführt.

3. Abgrenzung zu klassichen Anti-Gewalt-Trainings

Bei der Durchführung von Anti-Gewalt-Trainings in Justizvollzugsanstalten fiel dem Diplom Sozialpädagogen und Anti-Aggressivitäts-Trainer Andreas Sandvoß auf, dass die Teilnehmenden der Trainings neben den Auffälligkeiten von aggressiven Verhalten, besonders in den Lebensbereichen Arbeit, Sucht und Schulden Problematiken entwickelt hatten, die sie in der langfristigen Annahme von neu gelernten deeskalierenden Alternativverhalten hinderten. Um den besonderen lebensweltlichen Anforderungen der Teilnehmenden gerecht zu werden und einen möglichst nachhaltigen Erfolg der Arbeit zu gewährleisten, werden im SAGT diese Bereiche durch das Hinzuziehen von spezialisierten Fachcoaches mit bearbeitet. Durch die Möglichkeit der systemischen Bearbeitung von Multiproblemlagen der KlientInnen können die Bereitschaft zur positiven Mitarbeit gesteigert und zudem belastende Hindernisse im Leben der KlientInnen reduziert werden. Gleichzeitigt werden beim SAGT die gesamten Systeme der Teilnehmenden mit in die Lösungsfindung einbezogen. So werden bei präventiven Kursen in Schulen nicht nur ausschließlich mit den Klassenverbänden gearbeitet, sondern parallel auch Trainingskurse mit den Lehrenden und den Eltern durchgeführt. Beide Konzepte funktionieren nur, wenn es vor Ort und in der Nachbetreuung feste AnsprechpartnerInnen gibt, die längerfristig für Stabilisierung sorgen. Institutionen, die diesen Rahmen nicht gewährleisten, werden nicht berücksichtigt.

Kategorie:Gewaltprävention/Soziales Lernen