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Giovanni Pierio Valeriano Bolzanio (eigentlich Giovan(ni) Pietro dalle Fosse, lat. Jo(h)annes Pierius Valerianus Bolzanius; * 3. Februar 1477 in Belluno; † 1558 in Padua) war ein italienischer Humanist und Dichter.

Leben

Herkunft

Giovan Pietro, oder Pierio, wie er sich später nannte, war der Sohn eines Schmiedes mit Namen Lorenzo dalle Fosse, eines Bruders des nachmals bekannten Gräzisten Urbano dalle Fosse (1442-1524). Die Familie war wahrscheinlich aus Bozen zugezogen, da der Großvater väterlicherseits urkundlich auch als magister Petrus de Bolzano (1475) und ein Bruder Pierios als magister Jobatas a Fossis de Bolzano (1544) bezeichnet werden, es bestand jedoch keine Verwandschaft mit der Belluneser Adelsfamilie da Bolzano.

Pierio wuchs in kleinen Verhältnissen auf. Der Vater hielt sich häufig in venezianischen Kriegsdiensten fern von zu Hause auf, und als er 1492 starb, ließ er die Witwe Domenica Ballerini mit vier Kindern in ärmlichen Verhältnissen zurück. Pierio als dem ältesten Sohn fiel nach Erlangung der Volljährigkeit die Rolle des Haushaltsvorstandes und damit die wirtschaftliche Verantwortung für die Mutter und für die Mitgift seiner Schwestern zu.

Name

Sein bürgerlicher Name war Giovan(ni) Pietro dalle Fosse. Die Namensform Pierio wählte er erst später in Venedig, "Pietro in Pierio ... riconciando" ("Pietro zu Pierio aufhübschend"), wie Ariost (Sat. VI,62f.) über solche Namensänderungen spottete. Pierio folgte dabei einer Anregung seines Freundes und Lehrers Marcantonio Sabellico und wählte diese Namensform in Anspielung auf die Pieriden, die aufgrund ihrer Herkunft aus dem thrakischen Piera oder als Töchter des Pieros so genannten "pierischen" Musen. Ebenso diente ihm der antikisierende Zuname Valeriano und der schmückende Zusatz Bolzanio, die er beide auch seinem Onkel Urbano beilegte, zur Überspielung der niederen Herkunft der Familie, in der Bolzanio dann später den eigentlichen Namen dalle Fosse als Familienname verdrängte.

Venedig und Padua (1493-1506)

Pierio erhielt seine erste Ausbildung in Belluno in der dortigen Lateinschule von Giosippo Faustino und zog dann 1493 als Sechzehnjähriger nach Venedig, wo sein Onkel Urbano sich seit 1490 einen Namen als Griechischlehrer machte und als Mitarbeiter Aldo Manuzios wirkte. Als Franziskaner dem Armutsgelöbnis unterworfen, konnte Urbano den Neffen zwar nicht finanziell unterstützen, er förderte ihn aber als Lehrer und führte ihn in die Welt seiner gelehrten und einflußreichen Bekannten ein. Pierio trat, als seine Mittel nach zehn Monaten erschöpft waren, in die Dienste einer venezianischen Familie ein und mußte dort offenbar Arbeiten in der Buchhaltung verrichten, konnte die Jahre in Venedig jedoch auch für Studien nutzen und, wie er später berichtete, von Lehrern wie Benedetto Brugnoli ("Prunulus"), Marcantonio Sabellico, Lorenzo Valla und Andreas Johannes Laskaris profitieren.

Wohl im Rahmen seiner Studien ergab sich die Beziehung zu dem Mitstudenten und späteren Kardinal Gasparo Contarini, den er später mit der Rolle des Sokrates in seinem Dialog De litteratorum infelicitate ehrte. Als Förderer und Helfer in finanziellen Nöten scheint ihm zu dieser Zeit zuweilen Gasparos Vetter Marcantonio Contarini gedient zu haben, dem er unter anderem ein Gedicht über seine Jugendjahre widmete.

Mit dreiundzwanzig Jahren, also um 1500, wie sich aus einer Versepistel an seinen früheren Lehrer Faustino ergibt, wechselte er nach Padua, um bei Niccolò Leonico Tomeo Philosophie zu hören. Auch Marco Musuru und Giovanni Calfurnio gehörten zu seinen dortigen Lehrern. In den folgenden Jahren scheint er in Padua ebenso wie in Venedig engagiert gewesen zu sein und seine gesellschaftliche Stellung verbessert zu haben.

Er war für Manuzio als Korrektor tätig und für Giovanni Tacuino als Herausgeber von Lactantius und von Lorenzo Vallas Übersetzung der Ilias (beide 1502 im Druck erschienen). Zu seinen Förderern gehörte in dieser Zeit der spätere Doge Andrea Gritti, der 1502 mit dem Onkel Urbano eine Gesandtschaft nach Konstantinopel unternommen hatte und Pierio, wohl zwischen 1502 und 1504, mit der Erziehung seines Sohnes Francesco (1476/77-1506) betraute. Zeitweise gehörte Pierio in Padua auch als Hauslehrer dem Haushalt von Frizzerino Capodivacca an, der später (1509) eine führende Rolle beim Aufstand gegen Venedig spielte und 1512 im Gefängnis starb. Als im Januar 1506 Girolamo dalla Torre, der Vizerektor der Universität von Pauda, verstarb, wurde Pierio die besondere Ehre zuteil, die Trauerrede halten zu dürfen. Im Druck mit einer Widmung an Capodivacca versehen, ist diese Oratio in funere Hieronymi Turriani Veronensis wahrscheinlich Pierios erstes gedrucktes Werk.

In die Zeit zwischen 1504 und 1506 fiel auch Pierios Bekanntschaft mit Laskaris, der in dieser Zeit als französischer Gesandter in Venedig war. Laskaris hatte in der Vergangenheit schon Urbano unterrichtet, als dieser auf der Rückkehr von seinen Reisen durch Griechenland, Palästina, Arabien und Ägypten vor 1484 einige Zeit in Messina verbrachte. Zum Gefolge Laskaris' gehörte Antonio Agnello, mit dem Pierio Freundschaft schloß und mit dem er das Interesse an ikonographischen Fragen und an ägyptischen Hieroglyphen und Inschriften teilte. Urbano hatte solche Inschriften auf seinen Reisen aufgezeichnet, und durch Manuzios Druck des Horapollon (1505) wurden die Deutungs- und Enträtselungsversuche humanistischer Kreise nachhaltig gesteigert.

Olivé (1506-1509)

Unter dem Druck seiner wirtschaftlichen Verhältnisse ("necessitate vi") zog Pierio 1506 nach Olivé bei Verona und war dort für drei Jahre als Notar oder Hauslehrer tätig. Er knüpfte in dieser Zeit Beziehungen zu Veroneser Humanisten an, darunter Dante III. Alighieri (ein Nachfahre Dante Alighieris) und dessen Sohn Pietro, Virgilio Zavarese, Giacomo Conte Giuliari und Girolamo Fracastoro, dem er später das 50. Buch seiner Hieroglyphica widmete.

Rom (1509-1527)

Als 1509 die Liga von Cambrai Venedig den Krieg erklärte, den Venezianern in der Schlacht von Agnadello (14. Mai 1509) eine vernichtende Niederlage bereitete und anschließend den Veneto und die Romagna verheerte, mußte auch Pierio als Flüchtling ein neues Auskommen suchen. In Padua war die Universität geschlossen, in Venedig konnte er zwar im August 1509 noch seine Praeludia, eine Sammlung seiner lateinischen Gedichte, bei Tacuino im Druck herausbringen, aber eine Existenzgrundlage war dort für ihn nicht mehr zu hoffen, und Belluno, das er für kurze Zeit besuchte, war vom Krieg verwüstet. In dieser Situation begab sich Pierio nach Rom, um dort sein Glück zu versuchen.

In Rom fand er Unterstützung bei Egidio da Viterbo, Ordensgeneral der Augustiner-Eremiten, als Prediger berühmt, aber auch als Dichter bekannt, den er für seine Studien über die ägyptischen Hieroglyphen zu interessieren vermochte, und der ihm Zugang zum familiären Umfeld von Papst Julius II. vermittelte. Schon im Oktober 1509 erhielt er, ohne ordiniert zu sein, vom Papst eine Pfarre in Limana bei Belluno, deren Besorgung er seinen Verwandten überließ, um die Einkünfte in Rom zu verzehren. Bei einem Vetter des Papstes, Bartolomeo Grosso della Rovere, den er später in seinem Dialog De litteratorum infelicitate mit großer Verachtung bedachte, hatte er zeitweise eine Stellung als Erzieher der Söhne. In besonders guter Beziehung stand er zu einem anderen Mitglied der Familie, Giovanni Francesco della Rovere, Bischof von Turin und Kastellan der Engelsburg. Dieser und Pierios Zögling Giovanni Battista della Rovere steuerten lobende Einleitungstexte bei zu seinem Versuch, mit einem Epos über die christlichen Märtyrer die Gunst des Papstes zu erlangen. Der erste Teil (Ioathas Rotatus), über San Gioata, den Patron von Belluno, erschien 1512 im Druck, das Werk wurde jedoch nach dem Tod Julius' II. (21. Februar 1513) nicht mehr fortgesetzt.

Literatur

  • Julia Haig Gaisser: Pierio Valeriano on the ill fortune of learned Men: a Renaissance humanist and his world. University of Michigan Press, Ann Arbor 1999, ISBN 0-472-11055-1 (mit zweisprachig lateinisch-englischer Ausgabe des Textes und gut informierter einleitender Darstellung zu Biographie und Werk Pierios)
  • Lucia Gualdo Rosa: Art. Dalle Fosse (Bolzanio), Urbano, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Band XXXII, 1986, S. 88-92 (Online-Version)
  • Vera Lettere: Art. Dalle Fosse, Giovanni Pietro (Pierio Valeriano; Bolzanio Pierio, Valeriano), in: Dizionario Biografico degli Italiani, Band XXXII, 1986, S. 84-88 (Online-Version)
  • Paolo Pellegrini (Hrsg.): Umanisti bellunesi fra Quattro e Cinquecento: Atti del Convegno di Belluno, 5 novembre 1999. Olschki, Florenz 2001 (= Biblioteca dell'"Archivum Romanicum", I/299), ISBN 88-222-5063-x, enthält:
    • Manlio Pastore Stocchi, Pierio Valeriano e l'Umanesimo (S. 1-14)
    • Marco Perale, 1517: L'istituzione dell'arcipretura della cattedrale nei nuovi equilibri postcambraici a Belluno (S. 15-36; zu dem von Leo X. am 27. Juli 1527 für P. V. geschaffenen Amt eines Erzpriesters an der Kathedrale von Belluno)
    • Anita di Stefano, Pierio Valeriano e la nascita della critica catulliana nel secolo XVI (S. 137-176; Praelectiones in Catullum, römische Vorlesungen von Ende 1521 bis Frühjahr 1523)
    • Vincenzo Fera, Dai Miscellane alle Castigationes virgilianae (S. 119-136)
    • Stéphane Rolet, Genése et composition des Hieroglyphia de Pierio Valeriano: essai de reconstitution (S. 211-244)
    • Ernesto Riva, Medicina e simboli nei Geroflifici di Pierio Valeriano (S. 245-257)
    • außerdem vorwiegend zu Urbano: Piero Scapecchi, Vecchi e nuovi appunti su frate Urbano (S. 107-118: Urbanos erster Griechischlehrer, Beziehungen zu den Medici, zu Bembo und zu Manuzio und Tacuino), und Antonio Rollo, La grammatica greca di Urbano Bolzanio (S. 177-209)
  • Paolo Pellegrini: Pierio Valeriano e la tipografia del Cinquecento: Nascita, storia e bibliografia delle opere di un umanista. Forum, Udine 2002 (Libri e Biblioteche, 11), ISBN 88-8420-065-2
  • Paolo Pellegrini (Hrsg.): Bellunesi e feltrini tra Umanesimo e Rinascimento: filologia, erudizione e biblioteche. Atti del Convegno di Belluno, 4 aprile 2003. Antenore, Rom/Padua 2008 (= Medioevo e Umanesimo, 113), ISBN 88-8455-604-X, enthält:
    • Kenneth Gouwens: L'Umanesimo al tempo di Pierio Valeriano: la cultura locale, la fama, e la Respublica litterarum nella prima metà del Cinquecento (S. 3-10)
    • Julia Haig Gaisser: Pierio Valeriano's De litteratorum infelicitate: A Literary Work Revised by History (S. 122-153)
    • Maria Agata Pincelli: Un profilo dell'interpres nel Rinascimento: l'orazione in ingressu di Pierio Valeriano (S. 179-217 über die Anfangsvorlesung des Kurses über Catull 1520/21)
    • Marco Perale: 1556: Pierio Valeriano, Paolo IV e la doppia edizione degli Hieroglyphica
  • Stéphane Rolet: D'étranges objets hiéroglyphiques. Les monnaies antiques dans les Hieroglyphica de Pierio Valeriano (1556). In: Wolfgang Harms / Dietmar Peil (Hrsg.), Polyvalenz und Multifunktionalität der Emblematik: Akten des 5. Internationalen Kongresses der Society for Emblem Studies, Peter Lang, Frankfurt u.a. 2002 (= Mikrokosmos, 65; ISBN 978-3-631-36137-5), S.813-844

Weblinks

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