Benutzer:Otfried Lieberknecht/22

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Herkunft und Ausbildung

Johann Christoph Harenberg wurde als Sohn eines Landwirts geboren und absolvierte seine schulische Laufbahn im Gymnasium in Hildesheim. 1715 ging er an die Universität in Helmstedt und studierte dort klassische und morgenländische Sprachen, Theologie, Philosophie, Archäologie und Geschichte. Im Jahr 1719 ging er zum weiteren Studium an die Universitäten in Jena und Halle. Besonders als Historiker erwarb er sich herausragende Kenntnisse und Fähigkeiten, die er dann allerdings auch für Fälschungen und im Dienst politischer Opportunität für Beweisführungen wider eigenes besseres Wissen einsetzte.

Gandersheim

Verpflichtung als Rektor

1720 wurde er mit nur 24 Jahren Rektor der Stiftsschule in Gandersheim. Die Schule unterstand dem von der Fürstäbtissin Elisabeth Ernestine geleiteten Generalkapitel des Stifts Gandersheim, dem auch der Rektor der Schule und die beiden ihm als Konrektor und Kantor unterstellten Schulkollegen als Stiftsvikare angehörten, woraus ein Teil ihrer Einkünfte und auch ihre Pflicht zum regelmäßigen Chorgang mit den Mitgliedern des Kapitels resultierte. Als Rektor unterrichtete Harenberg die oberste (Latein-) Klasse und bereitete außerdem Privatschüler auf den Universitätsbesuch vor, während Konrektor und Kantor den Unterricht in der Mittel- und Unterstufe versahen.

Das Verhältnis Harenbergs zum Generalkapitel war bald von Spannungen geprägt. Schon 1726 wurde er zu fleißigerem Schulehalten und regelmäßigerem Chorgang ermahnt. Als er sich um diese Zeit und erneut 1728 um zusätzliche Einkünfte aus der Vikarie St. Peter und Paul bemühte, wurden seine Gesuche vom Kapitel jeweils abgelehnt, 1728 mit der Begründung, daß er "an der Schule schon genug Arbeit" habe. Wie die Fürstäbtissin später ausführte, soll er "der Jugend gahr zu viel Willen gelassen und zumahl in den letzten Jahren mehr Zeit auf Bücherschreiben als auf die Information gewendet" haben.

Entstehung der Historia ecclesiae Ganderhemensis

Tatsächlich erarbeitete er während dieser Jahre eine umfangreiche Geschichte der Kirche und des Stifts Gandersheim, in der er das Anliegen verfolgte, den in der Vergangenheit zwischen Stift und Herzogtum immer wieder mehr oder minder strittig gewordenen Anspruch des Stifts auf Reichsunmittelbarkeit -- direkte Unterstellung unter den Kaiser und Unabhängigkeit von der Jurisdiktion des Herzogs -- durch historische Quellenbeweise zu stärken. Für diese Arbeit verschaffte er sich ohne offizielle Erlaubnis des Kapitels Zugang zu den Archivalien des Stifts, die nur zum Teil schon veröffentlicht waren, und von denen er auch unveröffentlichtes Material in großem Umfang heranzog. Um seine Arbeit nachträglich zu legalisieren, stellte er 1730 einen Antrag beim Generalkapitel, in dem er den tatsächlichen Stand seines Werkes verschleierte, dessen rechtspolitische Intention im Sinne des Stifts darlegte und Zugang zu den tatsächlich bereits benutzten und weiteren Urkunden und Quellenmaterialien erbat. Die Antwort des Kapitels ist nicht erhalten, es stand dem Vorhaben aber offenbar nicht ablehnend gegenüber, da die Fürstäbtissin sich anschließend ihrerseits beim Domkapitel von Hildesheim für die Bereitstellung von Materialien für Harenbergs Werk verwandte.

Erster Skandal um die Historia

Harenberg ließ sein Werk bereits seit 1730 in mehreren Tranchen bei Arnold Jakob Keitel in Braunschweig drucken und gab es dann 1734 unter dem Titel Historia ecclesiae Ganderhemensis cathedralis ac collegiatae diplomatica mit einem Portrait der Äbtissin als Titelkupfer und einer an sie gerichteten Widmung heraus, ohne es jedoch vorher förmlich zur Prüfung und Zensur vorgelegt und eine offizielle Druckerlaubnis eingeholt zu haben. Einflußreiche Mitglieder des Kapitels, darunter der Senior Herman Curdt Schrader und der Subsenior Anthon Ulrich Burchtorff -- zugleich herzoglicher Drost und Oberamtmann zu Gandersheim --, beauftragten daraufhin den Stiftssyndikus Christoph Friedrich Schrader, Sohn des Seniors, und Burchtorffs Neffen Johann Albrecht Berkelmann mit einer kritischen Prüfung. Diese erfolgte vornehmlich unter rechtlichen Gesichtspunkten und kam zu dem für Harenberg vernichtenden Ergebnis, daß seine Arbeit die Rechtstellung des Stifts nicht etwa stärke, sondern sie in noch nicht dagewesener Weise gefährde und deshalb eine "besondere Ahndung" erfordere. Auch von wissenschaftlicher Seite wurde bald nach Erscheinen seines Werks Kritik vorgebracht, so vor allem von dem königlich englischen Hofhistoriographen Johann Daniel Gruber, dem Hildesheimer Superintendenten Jacob Friedrich Reimmann und dem Gandersheimer Compastor Johann Wilhelm Bokel, denen Harenberg seinerseits rein persönliche Motive und u.a. die Absicht unterstellte, seine Berufung auf den historischen Lehrstuhl der neu gegründeten Universität Göttingen verhindern zu wollen.

Ende des Rektorats

Harenberg war mit seiner Stellung in Gandersheim seit langem unzufrieden. 1734 hatte er sich schon vor Erscheinen seines Werks mit Unterstützung der Fürstäbtissin, die nicht zur Partei seiner Gegner im Kapitel gehörte, um die Pfarrstelle von Clus und Dankelsheim beworben und war am 23. Juni 1734 in sicherer Erwartung der neuen Stelle mit Wirkung zum Michaelistag (29.9.) von seinem Rektorat zurückgetreten. Nach der Präsentation durch die Fürstäbtissin, die Patronatsherrin der Pfarre war, wurde er vom herzoglichen Konsistorium in Wolfenbüttel am 31. August geprüft und zugelassen, aber durch den Skandal um die zwischenzeitlich erfolgte Veröffentlichung wurde im September sein Antritt der Stelle vereitelt. Harenberg blieb als Rektor zunächst weiter im Amt und versah außerdem vertretungsweise die Pfarstelle von Brunshausen mit Altgandersheim und Wolperode. Mit dem Freiwerden der Pfarrstelle in Bornhausen bot sich der Fürstäbtissin 1735 eine neue Möglichkeit, Harenberg aus seiner unhaltbar gewordenen Stellung in Gandersheim wegzubefördern. Er wurde von ihr am 27. Mai für die Stelle benannt und dem Konsistorium präsentiert, und am 13. Juni verabschiedete er sich von seinem Rektorat mit einer gereimten Rede über die Gandersheimer Literatur des Mittelalters.

Denunziant und Schulinspektor in herzoglichen Diensten

Den Antritt der für seine Vorstellungen und familiären Bedürfnisse nicht ausreichend dotierten Pfarrstelle scheint er jedoch nicht ernsthaft beabsichtigt zu haben, stattdessen betrieb er im Juni 1735 bereits seine Aufnahme in herzogliche Dienste. Der Skandal um seine Veröffentlichung hatte auch die herzogliche Regierung aufmerksam werden lassen, da diese Arbeit in offenbar bedenklicher Weise das schwierige Rechtsverhältnis zwischen Stift und Herzogtum berührte. Erhalten ist ein eigenhändiges Schreiben Harenbergs vom 28. Juni 1735, in dem dieser erklärt, sich durch seinen Rücktritt aller Pflichten gegenüber dem Kapitel entledigt zu haben, und in dem er sich gegenüber Herzog Ferdinand Albrecht verpflichtet, zweckdienliche Aufklärung über alle "Sachen" in seinem Buch zu leisten, von denen herzogliche Rechte betroffen sein könnten. Er wollte dazu ein auf dem Rand annotiertes Exemplar des Buchs mit genauen Angaben zu allen dort angeführten Urkunden, einschließlich darunter befindlicher Fälschungen, liefern, auch Informationen über ihm sonst noch bekannt gewordene Urkunden und schließlich den Nachweis erbringen, daß die vermeintliche Reichsunmittelbarkeit des Gandersheimer Stifts "sich auf einen Irrthum (...) gründe". Das fragliche Handexemplar ist ebenfalls erhalten und zeigt, wie Harenberg seine ursprüngliche Beweisabsicht nunmehr in ihr genaues Gegenteil verkehrte, liefert aber darüber hinaus auch wichtigen Aufschluß darüber, welche Dokumente Harenberg im Interesse seiner ursprünglichen Absichten eigenhändig gefälscht oder in Kenntnis ihrer Unechtheit als echt ausgegeben hatte.

Der Sekretär Schilling zu Greene übersandte das Schreiben Harenbergs mit einem begleitenden eigenen Empfehlungsschreiben vom 28. Juni 1735 an den Kanzleidirektor und späteren Vizekanzler Friedrich Adam von Zenck in Wolfenbüttel. Dort zeigte man sich dann weniger an Harenbergs wissenschaftlichen Fähigkeiten, sondern vor allem an seiner intimen Kenntnis der Personen und Verhältnisse im Gandersheimer Stift interessiert, und an seiner rückhaltlosen Bereitschaft, jede dem Herzogtum dienliche Information zu liefern. Wenig später begann Harenbergs Tätigkeit als Informant und Denunziant, und zwar zunächst als Freelancer ohne herzogliches Amt. Am 20. September erklärte er seinen Verzicht auf die Bornhausener Pfarre, und als das Stiftskapitel ihn vorladen wollte und die Herausgabe aller etwa noch in seinem Besitz befindlichen Stiftsakten verlangte, wies er das Ansinnen schroff zurück mit der zu dieser Zeit noch wahrheitswidrigen Erklärung, daß er "in herzoglichem Schutz, Eid und Dienst", aber in keiner rechtlichen Bindung mehr zum Stift stehe. Am 15. Oktober übergab er von Zenck ein umfangreiches Dossier mit Denunziationen gegen Personen des Stifts, die sich nach seiner Darstellung der Verletzung herzoglicher Rechte schuldig gemacht hatten, und verband dies mit der Bitte um eine Anstellung und einer Entschuldigung dafür, daß er sich in Gandersheim zu seinem Schutz bereits als in Diensten des Herzogs stehend ausgab. Am 5. November wurde er schließlich zum Generalinspektor für das Schulwesen mit dem Recht auf Visitation aller Schulen des Fürstentums berufen und am 13. Dezember vor dem Konsistorium vereidigt. Die offizielle Bestallung wurde ihm jedoch nicht ausgehändigt, auch nicht nach einem ausdrücklichen Gesuch vom 20. Februar 1736, und auch seine wiederholten Bitten um Beförderung im Juni und September 1738 blieben unerhört, weil man offenbar interessiert war, ihn so lange wie möglich und in größtmöglicher Abhängigkeit als Informanten in Gandersheim zu behalten.

Die Erzeugnisse seiner tagtäglichen, zuweilen in Tagebuchform dokumentierten Tätigkeit als Denunziant während dieser Jahre füllen mehrere Bände im Niedersächsischen Staatsarchiv. Mit größtem Eifer verfolgte er dabei seine früheren Gegner im Stiftskapitel, aber auch unzählige andere Personen, darunter seinen Nachfolger im Rektorat und den Komponisten und Kapellmeister Nicolaus Ephraim Bach. Durchschlagenden Erfolg hatte er dabei anscheinend nur gegen Burchtorff, der sich Harenberg schon um 1726 durch die Ablehnung eines seiner Gesuche um Verbesserung seiner Stiftseinkünfte zum Feind gemacht hatte. Gegen ihn erreichte er mit seinen Anschuldigungen wegen Eidbruch, Unterschlagung und anderer Rechtsverletzungen die Einsetzung einer Untersuchungskommission, die wegen des frühzeitigen Todes des Beschuldigten (15. Oktober 1736) zu keinem abschließendem Ergebnis kam, aber der Landesregierung Material an die Hand gab, um die Witwe und Erben des Verstorben noch jahrzehntelang mit Schadensersatzforderungen zu verfolgen. Anscheinend glaubte Harenberg nach dem Tod Burchtorffs zeitweise sogar, als dessen Nachfolger im Amt des Oberamtmanns in Betracht gezogen zu werden, da er im Juni 1337 in zwei Schreiben an Vizekanzler von Zenck erklärte, das Amt nur übernehmen zu wollen, wenn es ihm befohlen werde, im übrigen aber den Sekretär Schilling für geeignet zu halten.

Visitationen als Schulinspektor

(...)

Hildesheimische Historie

Schon 1735 begann er mit einer neuen wissenschaftlichen Arbeit, der Hildesheimischen Historie und Staats- und Geographischen Beschreibung, in der er nach eigenem Bekunden die Absicht verfolgte, alle diejenigen Urkunden und Diplome, mit denen das Stift seine Reichsunmittelbarkeit nachweise, als Fälschungen zu entlarven. Das Manuskript in drei Foliobänden legte er am 11. April 1337 den Geheimen Räten in Wolfenbüttel zur Zensur vor, erhielt es aber nach wiederholten Bitten erst neun Jahre später zurück. In seinem Gutachten erklärte der Zensor, daß das Werk zwar viele für das fürstliche Haus nützliche Dinge enthalte, aber auch viele Injurien, die eine Veröffentlichung nicht geraten erscheinen ließen. Die Arbeit blieb ungedruckt, wurde nach Harenbergs Tod mit dem Nachlaß versteigert und ist seither verschollen.