Benutzer:Otfried Lieberknecht/27
(Entwurf)
Andreas Philipp Christoph Weiß (Pseudonym C. Blumau; * 21. Oktober 1813 in Ermreuth, † 2. Oktober 1883 in Nürnberg) war ein Nürnberger Kunstdrechsler und Dichter.
Leben
Kindheit in Ermenreuth
Weiß war der Sohn des Barbiers und Wundarztes Johann Georg Weiß aus Ermreuth, seine Mutter Babette geb. Wirthmann stammte aus dem unterfränkischen Marktbreit.[1]Nachdem der Vater während der Völkerschlacht bei Leipzig wenige Tage vor der Geburt des einzigen Kindes gefallen war, wuchs Weiß als Halbwaise bei seiner Mutter und der Mutter seines Vaters in Ermenreuth auf. Eine Schwester seiner Mutter namens Margarethe war in morganatischer Ehe mit Christian Karl Graf Pückler-Limpurg verheiratet und lebte mit diesem auf Burg Farnbach, wo auch Weiß mehrere Aufenthalte verbrachte und nach eigener Darstellung von dem Grafen die Zusage erhielt, daß dieser für seine Ausbildung sorgen wollte.[2] Die Hoffnung zerschlug sich jedoch, als der Graf am 30. März 1820 verstarb[3] und die Witwe, die seit 1815 den Titel einer Freifrau von Grodiska führte,[4] Burg Farnbach mit ihren beiden nicht lehnsberechtigten Kindern verlassen mußte und sich mit einem Witwengehalt der gräflichen Erben in Nürnberg niederließ.
Schul- und Lehrjahre in Nürnberg und Fürth (1820-1832)
1820 zog auch die Mutter zu ihrer Schwester nach Nürnberg, um als Angestellte in deren Haushalt zu arbeiten, während Weiß selbst seit 1821 als Kostkind bei wechselnden Zieheltern unter anderem in der Vorstadt St. Johannis lebte und den schon in Ermenreuth für ein Jahr begonnenen Schulbesuch wieder aufnahm. Um 1827, nach der Konfirmation und dem Abschluß der Schule, war es sein Wunsch, Maler zu werden, aber auf Verlangen der Familie mußte er eine Lehre als Barbier bei einem Onkel in einem Dorf bei Nürnberg antreten. Als er diese nach wenigen Wochen wieder abbrach, fand seine Mutter einen Drechslermeister in Fürth, der bereit war, den Jungen unentgeltlich für vier Jahre in die Lehre zu nehmen. Während die Tante bald darauf nach München verzog und die Mutter in Nürnberg von Näharbeiten und dem Rest eines väterlichen Erbes lebte, verbrachte Weiß seine Lehrzeit unter großen Entbehrungen in Führth. Die Ausbildung, die er dort erhielt, erwies sich später als unzureichend, da er in Fürth vorwiegend mit Teilarbeit in der Fertigstellung von Tabakspfeifen beschäftigt war, deren eigentliche Herstellung außerhalb der Werkstatt von "armen Meistern" in Heimarbeit geleistet wurde.[5]
Nachdem er im September 1831 sein Gesellenstück fertiggestellt hatte, verließ er die ungeliebte Lehrstätte und brachte einige Monate mit Gelegenheitsarbeiten zu. Im Frühjahr 1832 ließ er sich zünftig zum Gesellen sprechen und erhielt den Gesellenschein, eine wesentliche Vorbedingung, um die seit langem ersehnte Wanderschaft anzutreten.
Wanderjahre
Coburg, Jena, Meißen (1832-1833)
Ende Mai brach er dann, weitgehend mittellos und deshalb von Anfang an auf Betteln angewiesen, von Nürnberg auf und wanderte über Erlangen, Forchheim und Bamberg nach Coburg. Eine dort gefundene Anstellung mußte er umgehend wieder verlassen, als sich herausstellte, daß die in Fürth erworbenen Fäigkeiten in der Teilarbeit für die selbständige Fertigung ganzer Stücke nicht ausreichten. Von Coburg zog Weiß weiter nach Ilmenau und schloß sich dort einem älteren Fahrensbruder an, um nach dessen Vorbild nicht weiter nach Arbeit zu suchen, sondern als "Stromer" nur noch vom Betteln zu leben. Nachdem er den Entschluß bald wieder bereut und sich in Rudolfstadt von seinem Gefährten getrennt hatte, absolvierte er in einer hauptsächlich mit der Herstellung von Pfeifen beschäftigten Werkstatt in Jena eine Probezeit, an deren Ende er wegen unzureichender Fähigkeiten erneut weiterziehen mußte. In Gera fand er für zwei Wochen aushilfsweise Beschäftigung in einer Werkstatt, die Regenschirme herstellte, und zog dann über Altenburg und Rochlitz nach Freiberg, anschließend über Dresden nach Meißen. Dort kam er unter in einer Werkstatt, die in Stückarbeit Pfeifen herstellte, und deren Meister wegen einer voraufgegangenen Kündigung seiner Gesellen besonders dringenden Bedarf für eine neue Arbeitskraft hatte. Diesmal bestand Weiß die Probezeit und und nutzte in der Folge dann die sich zum ersten mal bietende Gelegenheit, seine handwerklichen Fähigkeiten zu verbessern, indem er sich von den Nebengesellen im Austausch gegen andere Dienstleistungen unterweisen ließ. Nach etwa einem Jahr nahm er seinen Abschied und wanderte weiter nach Berlin, wo er am 21. Oktober 1833, seinem zwanzigsten Geburtstag, eintraf.
Berlin (1833-1835)
In Berlin wurde Weiß zum Zeugen und Betroffenen des Strukturwandels, in dem sich die traditionellen Handwerksbetriebe in der Folge der preußische Einführung der Gewerbefreiheit der Konkurrenz kapitalfinanzierter Fabrikbetriebe und beginnender industrieller Fertigungsmethoden ausgesetzt sahen. Obwohl Weiß sich dem traditionellen Zunftwesen und Brauchtum eng verbunden empfand, schlug er bei der Ankunft in Berlin nach seiner Darstellung mehrere Einladungen anderer Gesellen zur Bewerbung in ihren Werkstätten aus und zog stattdessen die Anstellung in einem Fabrikbetrieb zur Pfeifenherstellung vor. Er erhielt dort die unter den Gesellen angesehene Stellung eines Abgußmachers, der den als Auffang für Kondensflüssigkeit und Speichel vorgesehenen Saftsack der Tabakspfeife herstellt. Der Betrieb war allerdings schlecht geführt, die Löhne wurden unregelmäßig gezahlt, und als die Firma nach drei Monaten in Konkurs ging, verdingte er sich nach einigen Wochen bei einem Meister, der ihn mit einer eigenen Drehbank in der Wohnung eines verheirateten Gesellen arbeiten ließ, während Weiß selbst für ein halbes Jahr eine Schlafgelegenheit in der Kneipe eines Elendsquartiers im Milieu der Brettschneider hatte. Auch in seiner neuen Stellung geriet Weiß durch ausbleibende Lohnzahlungen in Not und mußte seine Kleider im Pfandhaus versetzen, er betont aber selbst, daß er auch mit dem wenigen empfangenen Geld nicht zu wirtschaften vermochte, sondern es auf Zechtouren im Kreis anderer Gesellen sofort wieder ausgab. Um diesen Verhältnissen zu entkommen suchte Weiß sich eine neue Anstellung in einem Meisterbetrieb, brach mit den alten Freunden und Gewohnheiten und sparte während des Winters 1834/35 Reisegeld für eine Wiederaufnahme seiner Wanderschaft an.
Leipzig (1835)
Nach der Fastnacht 1835 verließ er Berlin und kam, nachdem er unterwegs eines Nachts nur mit knapper Not vor dem Tod durch Erfrieren gerettet worden war, in Leipzig an, wo er Aufnahme in der Lindenauer Werkstätte eines Meisterbetriebes fand und seine Fähigkeiten in der Verarbeitung von Perlmutt zum Einsatz brachte. Auf Wunsch seiner Mutter, die ihn brieflich um Rückkehr nach Nürnberg bat, gab er diese Stellung nach einigen Monaten wieder auf und wanderte mit einem Zwischenbesuch in Ermenreuth zurück nach Nürnberg. Obwohl er eigentlich vorhatte, bei nächstbester Gelegenheit die Wanderzeit fortzusetzen, war damit das Ende seiner ungefähr dreijährigen Wanderschaft erreicht.
Nürnberg (1835-1883)
Da er in Nürnberg anfangs keine Anstellung fand, verdingte er sich zunächst widerwillig bei seinem früheren Meister in Fürth, bis er seit 1836 in wechselnden Nürnberger Werkstätten sein Auskommen fand. Nach der Rückkehr scheint er auch seinen Militärdienst verrichtet zu haben,[6] den er in seiner Lebensbeschreibung unerwähnt läßt. Um 1837 begann er, sich erste literarische Kenntnisse anzueignen und eigene Verse zu dichten. Mit einem seiner Gedichte erregte er das Interesse des Buchhändlers Julius Merz, seines späteren Verlegers (Bauer & Raspe), der ihn 1840 in den von diesem im selben Jahr gegründeten "Litterarischen Verein" in Nürnberg einführte und mit den literarisch und philologisch interessierten Kreisen Nürnbergs bekannt machte.
1841 verstarb seine Mutter. 1842 wurde er Meister, nachdem er sein Meisterstück schon 1837 vollendet hatte. Am 8. Mai 1844 heiratete er die aus dem sächsischen Altgiesing stammende Schichtmeistertochter Johanna Beata Gerisch,[6] die er 1840 in Nürnberg als Angestellte eines Strohhuthändlers kennengelernt hatte, und mit der eine bereits am 22. Juni 1841 geborene Tochter Bertha hatte.[7]
Seit der Heirat verlief sein Leben, wie er schreibt, "stiller und einförmiger"[8], mit regelmäßig vierzehnstündigen Arbeitszeiten an der Drehbank, wo er vor allem Arbeiten aus Perlmutt anfertigte, mit ausgedehnten Wanderungen in das Nürnberger Umland, und mit emsiger Lektüre und Dichtungen. Nach eigenen Angaben seit etwa 1842, bibliographisch nachweisbar seit 1849, veröffentlichte er, zum Teil unter dem Pseudonym "C. Blumau", eine größere Anzahl von Versdichtungen für Kinder. Auf den Sitzungen des literarischen Vereins, auf denen die Mitglieder Vorträge und eigene Gedichte vortrugen, war Weiß regelmäßig mit eigenen Gedichten vertreten: das Album des literarischen Vereins, das die vorgetragenen Texte seit 1844 alljährlich einem größeren Publikum bekannt machte, druckte von 1844 bis 1869 insgesamt 55 Gedichte von ihm ab.
1845 erschien seine erste eigene Gedichtsammlung (Gedichte), der bis 1863 zwei lyrisch-epische Zyklen (Blüthen und Dornen, 1853; Der lustige Essenschmied, 1858), ein Zyklus von 47 Epigrammen auf Bilder Hans Holbeins (1858), eine zweite umfangreiche Sammlung von Gedichten (Aus dem Leben der Natur) und ein gemeinsam mit Julius Merz verfaßter Liederzyklus (Dir, 1863) folgten. Ebenfalls 1863 erschien seine Autobiographie Aus dem Volksleben, nach Ausweis der Vorrede ursprünglich verfaßt nur für die eigene Familie, dann aber veröffentlicht aufgrund des mittlerweile schon "culturhistorischen Interesses", das dem auf seiner Wanderschaft erlebten, mit dem Forschritt der Zeit im Schwinden begriffenen "Handwerksburschentum" im Freundeskreis entgegengebracht wurde.[9]
Werke
Für Kinder
- (C. Blumau:) Der brave Fritz. Bunte Bilder und Erzählungen zur angenehmen Unterhaltung für brave Kinder. Nürnberg: Renner, [1849?][10]
- (C. Blumau:) Der Tugendspiegel oder Moralische Beispiele, den Kindern zur Anschauung und Belehrung gewidmet. Mit 12 gemalten Bildern. Nürnberg: Renner [1849?][10]
- (C. Blumau:) Das Vater unser in Bildern und Erklärungen in Versen, für die Jugend. Nürnberg: Renner, [1849?];[10] auch Unser Vater. Das Gebet des Herrn. In Bildern für gute und fromme Kinder gezeichnet von Ferdinand Rothbart, Stuttgart: Gebr. Scheitlin, 1853; New York: Radde, o. J.
- Munterer Knaben Kriegs-Spiele. Ein Bilderbuch mit Text. Stuttgart: Gebr. Scheitlin, 1853
- Bilder aus dem Jugendleben des Christkindleins. Ein Bilderbuch für gute Kinder. Nürnberg: Jungmann, Leipzig: Rocca, 1855
- Der kleine Käsperle. Eine ernste und lustige Geschichte zur Belehrung und Unterhaltung für brave Kinder. Mit 8. colorierten Bildern in Tondruck, Fürth: Löwensohn, 1857
- Kinderfreuden. Ein Bilderbüchlein für die lieben Kleinen. Mit 8 in Ton gedruckten colorirten Bildern und passenden Gedichtchen. Nürnberg: J. L. Lotzbeck, 1867, Neuaufl. ca. 1880
Gedichte
- Gedichte. Nürnberg: Bauer und Raspe, 1845 (Digitalisat, mit falscher Katalogangabe, der Bayerischen Staatsbibliothek); 2, vermehrte Aufl. ebenda 1848 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek)
- ("Carl" Weiss, mit Julius Merz:) Dir. Ein Liederzyclus. Nürnberg: Bauer und Raspe, 1857 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek)
- Blüthen und Dornen. Ein lyrisch-episches Zeitbild aus dem XVI. Jahrhundert. Nürnberg: Bauer und Raspe, 1853 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek); 2. Aufl. ebenda 1854
- Der lustige Essenschmied. Ein Wander- und Stromerleben in poetischen Bildern. Nürnberg: Bauer und Raspe, 1858 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek)
- Der Todtentanz oder Triumph des Todes von H. Holbein, mit 48 getreu nach den Original-Holzschnitten in Kupfer gestochenen Blättern von Chr. Mechel. Mit Text begleitet von C. Weiss. Uttweil: Uhler, 1858
- Aus dem Leben der Natur. Dichtungen in hochdeutscher Sprache und Nürnberger Mundart. Nürnberg: im Selbstverlag, 1863 (Digitalisat, mit falschem Katalogeintrag, der Bayerischen Staatsbibliothek)
Autobiographie
- Aus dem Volksleben. Autobiographie. Nürnberg: Bauer und Raspe, 1863 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek), auszugsweise wieder in: Auf der Walz vor 100 Jahren. Selbsterlebtes erzählt vom Nürnberger Drechslermeister C. Weiß, ausgewählt und herausgegeben von Otto Zimmermann, München: Verlag der Jugendblätter, Hamburg: Deutsche Dichter-Gedächtnis-Stiftung, o. J. [1928]
Sonstiges
- (Mit A. Kraus und Illustrationen von August Gaber:) Das Stadt-Thor in Wort & Bild. Glogau: Flemming, 1861[11]
- Sprachproben in Nürnberger Mundart. In: Die deutschen Mundarten 6 (1859), S. 260-264
- Nürnberger Mundart. Redensarten und Schnaderhüpfel, aus dem Volksmunde gesammelt. In: Die deutschen Mundarten 6 (1859), S. 415-417
- [Wörterverzeichnis der "stromersprache der wandernden handwerksburschen" für Georg Karl Frommann], hrsg. von Josef Maria Wagner, Rotwelsche Studien, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, Jg. 18, Bd. 33 (1863), S. 197-246, hier S.
Literatur
- Franz Brümmer, Art. "Weiß, Andreas Christoph, in: Allgemeine Deutsche Biographie 41 (1896), S. 563-564 (Online-Version)
- Werner Wilhelm Schnabel, Die Stammbücher und Stammbuchfragmente (= Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg, Sonderband), Teil 3, Harrassowitz, Wiesbaden 1995, S. 1043-1047
Einzelnachweise
- ↑ Weiß, Aus dem Volksleben (1863), S. 1ff., Vorname der Mutter nach Schnabel, Die Stammbücher (1995), S. 1043
- ↑ Weiß, Aus dem Volksleben (1863), S. 21, S. 27f.
- ↑ Münchener politische Zeitung, Nr. 86, 11. April 1820, S. 420
- ↑ Königlich Baierisches Regierungsblatt, Jg. 1816, 1. Stück, 13. Januar 1816, S. 15 (Adelsdiplom vom 20. April 1815)
- ↑ Weiß, Aus dem Volksleben (1863), S. 61
- ↑ a b Schnabel, Die Stammbücher (1995), S. 1043
- ↑ Weiß, Aus dem Volksleben (1863), S. 151, S. 156; das Jahr der Trauung gibt er S. 154 mit 1842 an.
- ↑ Weiß, Aus dem Volksleben (1863), S. 154
- ↑ Weiß, Aus dem Volksleben (1863), S. V
- ↑ a b c Verzeichnis der Bücher, Landkarten etc., welche vom Januar bis Juni 1849 neu erschienen oder neu aufgelegt worden sind [= 102. Fortsetzung], hrsg. u. verlegt von der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung, Leipzig 1849, S. 30
- ↑ Verzeichnis der Bücher, Landkarten etc., welche vom Januar bis Juni 1861 neu erschienen oder neu aufgelegt worden sind [= 126. Fortsetzung], hrsg. u. verlegt von der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung, Leipzig 1861, S. 137