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Additiver Werkzeugbau (engl. Additive Tooling) beschreibt ein Anwendungsgebiet von generativen Fertigungsverfahren. Der Begriff bezeichnet den 3D-Druck von Werkzeugeinsätzen, Werkzeugen (engl. Tool) und Produktionshilfsmitteln (z.B. Vorrichtungen und Schablonen).[1] Es wird also ein additiv gefertigtes Formwerkzeug verwendet, um beispielsweise ein Bauteil zu formen oder zu gießen. Im Englischen spricht man auch von Mold Making und von Pattern Making.

Die Herstellung einsatzfähiger Werkzeuge ist direkt im generativen Prozess dem Rapid Manufacturing zuzuordnen. Sie wird Direct Tooling oder, um den generativen Charakter zu unterstreichen, Direct Rapid Tooling genannt.[2]

Struktur der Technologie der Generativen Fertigungsverfahren in Abhängigkeit von ihren Anwendungen Rapid Prototyping und Rapid Manufacturing

Während Rapid Tooling die zeitliche Beschleunigung der Werkzeugherstellung fokussiert, und Direct Manufacturing die Herstellung von Fertigteilen bezeichnet, orientiert sich Additive Tooling an der 3D-Druck gerechten Auslegung der Werkzeuge und Produktionshilfsmittel.

Das Ziel ist die Fertigung von Bauteilen mit Endprodukt-Charakter. Die Umsetzung hängt davon ab, ob die der Konstruktion zugrunde liegenden mechanisch-technologischen Eigenschaften mit den verfügbaren Materialien und Prozessen erreicht werden können, die geforderten Genauigkeiten zu realisieren sind und ob ein wettbewerbsfähiger Preis dargestellt werden kann.[2]

Mögliche Vorteile sind danach reduzierte Bauteil- oder Werkzeugkosten, kürzere Durchlaufzeiten, ein hohes Automatisierungspotenzial sowie ein maximales Potenzial zur Erhöhung der geometrischen Komplexität.

Die Reduktion der Kosten von Umformwerkzeugen durch die Substitution von herkömmlicher Werkzeugwerkstoffe durch alternative Werkstoffe ist demnach eine wichtige Forschungsgrundlage im Additive Tooling.

Kürzere Entwicklungszyklen erfordern frühe Prototypen und führen zu mehr Veränderungen. Derzeit gibt es kein wirtschaftliches Produktionsverfahren für originär tiefgezogene Blechteile in Serienqualität bei kleinen Stückzahlen.[3]

Additive Tooling bietet die Möglichkeit, im frühen Prototypenstadium die Endproduktqualität einzelner Bauteile, welche die Anforderungen an die Maßhaltigkeit und den vollen Funktionsumfang erfüllen, zu simulieren. Durch die näherungsweise gegenüber den späteren Serienteilen identischen mechanischen und thermischen Eigenschaften können z.B. Leichtbaupotenziale bereits in einer frühen Phase bewertet werden. Eine geometrie- und lastoptimierte Konstruktion, die Material und Ressourcen schont, wird somit möglich. Im Vergleich zu herkömmlichen Herstellungsverfahren im Werkzeugbau, werden im Additive Tooling durch konsistent geringe Wandstärken der komplexen Werkzeugform nicht nur der Materialeinsatz, sondern auch der Aufwand manueller Arbeitsschritte reduziert. [4]

Die technologische Reife, die bei einigen additiven Verfahren mittlerweile erreicht ist, führt das Additive Manufacturing nun in Bereiche, in denen neben dem Prototypenbau mehr und mehr auch echte Funktionsteile in den Anwendungsfokus rücken. Vor diesem Hintergrund ist eine Neubewertung der Möglichkeiten und Grenzen der wichtigsten vorhandenen additiven Verfahren geboten.[5]

Klassifizierung der Fertigungsverfahren

Fused Filament Fabrication (FFF)

FFF Umformwerkzeug (Orange) zur Beschleunigung der Produktentwicklung von Blechbauteilen im Karosseriebau

Die am weitesten verbreitete 3D-Druck Technologie ist die Fused Filament Fabrication, ein Verfahren, bei dem Thermoplaste über ihren Schmelzpunkt hinaus erhitzt und durch eine Düse schichtweise auf die Objektgeometrie aufgetragen werden. Vorteile der FFF sind, dass durch die Verwendung von Stützstrukturen sehr komplexe Geometrien geschaffen werden können, die auf herkömmliche Weise, z. B. durch Spritzgießen, nicht hergestellt werden können. Nachteilig sind eine geringere Oberflächenqualität und schlechtere mechanische Eigenschaften der Teile. FFF eignet sich aufgrund der geringen Investitions-, Prozess- und Materialkosten für die Herstellung von Umformwerkzeugen für Kleinserien und Ersatzteilanwendungen.

Stereolithografie (SLA)

Ein UV-Laser schreibt die benötigten Schichtinformationen in einem Bad aus UV-härtenden Polymeren. Nachdem die Schicht ausgehärtet ist, senkt sich die Plattform, und der Vorgang wiederholt sich, bis das Bauteil fertig ist.

Selective Laser Melting (SLM)

Schweißbare Metallpulver werden durch den Energieeintrag eines Lasers ortsaufgelöst verschmolzen. SLM bietet viele Vorteile gegenüber herkömmlichen Verfahren, z. B. die Möglichkeit, komplexe Geometrien mit inneren Hohlräumen oder Merkmalen ohne spezielle Formen oder Werkzeuge herzustellen. Und die Funktionsintegration ermöglicht beispielsweise die Schaffung konturnaher Kühlkanäle, die sich in dieser Form nicht auf herkömmliche Weise bohren lassen würden.

Selektives Lasersintern (SLS)

Teilkristalline Thermoplaste werden in Pulverform durch den Energieeintrag eines Lasers ortsaufgelöst verschmolzen. Nach jeder hergestellten Schicht wird mit einer Walze eine neue Pulverschicht auf das Bett aufgetragen, und der Vorgang wiederholt sich, bis das Bauteil fertig ist. Selektives Lasersintern (SLS) ist eines der Verfahren, welches nach aktueller Einschätzung am ehesten in der Lage sein wird, kurz- und mittelfristig die Grenze zwischen Rapid Prototyping und Additive Manufacturing zu überwinden.[5]

Polyjet-Modeling (PJM)

PJM, ein weiteres weit verbreitetes Verfahren, setzt wie bei der Stereolithografie auf Fotopolymere und erreicht damit eine höhere Genauigkeit und größere Variabilität der Druckeigenschaften, was allerdings auch höhere Kosten verursacht. Es werden geschmolzene Wachse durch einen Druckkopf geführt (analog zum Tintenstrahldruck). Das flüssige Ausgangsmaterial wird vom Druckkopf entlang der Vorgaben mit mehreren Düsen in winzigen Tropfen auf eine bewegliche Druckplatte gejettet. Gleichzeitig wird das flüssige Fotopolymer innerhalb des Arbeitsschritts mithilfe von UV-Licht ausgehärtet.

Digital Light Processing (DLP)

DLP ist eine 3D-Drucktechnologie für die schnelle Herstellung von Photopolymerteilen. Sie ist dem SLA-Verfahren sehr ähnlich. DLP-Drucker nutzen eine eine projizierende Lichtquelle, um die gesamte Schicht auf einmal auszuhärten. Der DLP-Druck kann für den Druck extrem komplizierter Kunststoffteile wie Spielzeug, Schmuckformen, Zahnformen, Figuren und andere Teile mit feinen Details verwendet werden. Da er die gesamte Schicht auf einmal aushärtet, ist er viel schneller als SLA

Anwendungsgebiete

Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen der Herstellung von Prototypen- und Serienwerkzeugen. In der Serienproduktion sind additiv gefertigte Kunststoffwerkzeuge bisher aufgrund der Werkstoffeigenschaften noch nicht im Einsatz. Insbesondere sinnvoll ist der Einsatz des additiven Werkzeugbaus bei der Herstellung von Prototypen oder in der Kleinserienfertigung. Zudem birgt der additive Werkzeugbau hohe Potenziale zur nachhaltigeren und ressourcenschonenden Fertigung.

In folgenden Bereichen wird der additive Werkzeugbau zur Herstellung von Prototypenwerkzeugen, Modellen und Einzelstücken eingesetzt:

Tiefziehen

Besonders in der Kleinserienfertigung und dem Prototypenbau finden heutzutage bereits Tiefziehwerkzeuge aus Kunststoff oder niedrigschmelzenden Legierungen Anwendung. Die Werkstoffe zeichnen sich durch eine einfache Bearbeitbarkeit und daraus resultierenden niedrigen Herstellkosten aus. Weiterhin ist im Vergleich zu konventionellen Serienwerkstoffen wie Werkzeugstahl eine schnellere Fertigung der Werkzeugkomponenten möglich.[6] In der Regel werden Epoxidharze oder Polyurethane als Ausgangsmaterial genutzt, durch den Einsatz von Füllstoffen können die Materialeigenschaften zudem zusätzlich beeinflusst werden. Allerdings werden diese Werkzeuge in einem spanenden oder gießtechnischen Verfahren hergestellt. Insbesondere bei kleinen Stückzahlen ist die Herstellung der Werkzeuge aufwändig.

Durch die additive Fertigung zur direkten Herstellung der Umformwerkzeuge können aufwändige Zwischenschritte in der Werkzeugherstellung eingespart werden. Dadurch können der Zeitaufwand und die Fertigungskosten der Werkzeugherstellung weiter gesenkt werden.[7] Zudem können durch die hohe Gestaltungsfreiheit der additiven Fertigung komplexe Geometrien schnell und einfach gefertigt werden, hierdurch werden viele Restriktionen der herkömmlichen Fertigung aufgehoben.[8] Allerdings wurde in Versuchen auch ermittelt, dass Werkzeuge aus dem für technische Kunststoffe eher weichen 3D-Druckmaterial, einer elastischen und teilweisen plastischen Verformung unterliegen.[9] Daher eignen sich additiv gefertigte Tiefziehwerkzeuge insbesondere für die Prototypen- und Kleinserienfertigung.[10]

Spritzgießen

Die Herstellung der Spritzgussformen mit polymerbasiertem additivem Werkzeugbau ist günstiger und schneller als der konventionelle Werkzeugbau.[11] Dadurch können Spritzgussformen zu früheren Entwicklungsphasen hergestellt und validiert werden. Zudem können während der Fertigung bereits komplexe Geometrien wie beispielsweise Kühlkanäle oder auch andere Zusatzstoffe in das Werkzeug integriert werden.[12] Wie bei der Herstellung von additiv gefertigten Tiefziehwerkzeugen ist auch bei den additiv gefertigten Kunststoff-Spritzgussformen ein schnellerer Verschleiß als bei herkömmlichen Spritzgussformen zu beobachten. Während der Abkühlung der additiv gefertigten Werkzeuge kommt es zudem zu leichten Schrumpfungserscheinungen, diese müssen ebenfalls bei der Auslegung der Werkzeuggeometrie berücksichtigt werden und in weiteren Forschungen genauer untersucht werden.[11]

Ausblick

Im Hinblick auf die Werkzeugherstellung sollten sich zukünftige Forschungen auf die Optimierung der Fertigungsparameter konzentrieren, um die Materialeffizienz und damit die Produktivität des generativen Prozesses zu erhöhen. Darüber hinaus sind detaillierte Kenntnisse über die Verformung der Werkzeuge während einer Kleinserienfertigung erforderlich, um die Abbildungsgenauigkeit über mehrere Produktionszyklen hinweg zu erhalten. Ein Ansatz besteht darin, die Effizienz der FEM-Simulation zu erhöhen. Insbesondere ist eine Verringerung der Rechenzeit erforderlich, um zuverlässigere Ergebnisse zu erzielen.[3]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Günther Schuh, Georg Bergweiler, Philipp Bickendorf, Falko Fiedler, Can Colag. A Review On Flexible Forming of Sheet Metal Parts. In: Proceedings IEEE IEEM 2019, Pages 1221-1225, 2019. https://doi.org/10.1109/IEEM44572.2019.8978879
  2. a b Andreas Gebhardt: Einordnung und Begriffsbestimmung. In: Generative Fertigungsverfahren. 4. Auflage. Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München 2013, ISBN 978-3-446-43651-0, S. 1–19, doi:10.3139/9783446436527.001 (hanser-elibrary.com [abgerufen am 25. November 2021]).
  3. a b Günther Schuh, Georg Bergweiler, Philipp Bickendorf, Falko Fiedler, Can Colag: Sheet Metal Forming Using Additively Manufactured Polymer Tools. In: Procedia CIRP. Band 93, 2020, S. 20–25, doi:10.1016/j.procir.2020.04.013 (elsevier.com [abgerufen am 7. Dezember 2021]).
  4. Achim Kampker, Ruben Förstmann, Sebastian Kawollek, Benjamin Bride: Additive Tooling für kunststoffbasierte Urformverfahren. In: Lightweight Design. Band 9, S2, November 2016, ISSN 1865-4819, S. 38–43, doi:10.1007/s35725-016-0057-1 (springer.com [abgerufen am 25. November 2021]).
  5. a b Manfred Schmid: Additive Fertigung mit Selektivem Lasersintern (SLS) (= essentials). Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-12288-1, doi:10.1007/978-3-658-12289-8 (springer.com [abgerufen am 25. November 2021]).
  6. Günther Schuh, Georg Bergweiler, Philipp Bickendorf, Falko Fiedler, Can Colag: Sheet Metal Forming Using Additively Manufactured Polymer Tools. In: Procedia CIRP. Band 93, 2020, S. 20–25, doi:10.1016/j.procir.2020.04.013 (elsevier.com [abgerufen am 10. Dezember 2021]).
  7. Georg Bergweiler, Frank Heinze, Kolja Lichtenthäler, Philipp Bickendorf: Ressourceneinsparung durch additiv gefertigte Umformwerkzeuge und Schweißvorrichtungen. In: ATZproduktion. Band 7, Nr. 1, März 2020, ISSN 1865-4908, S. 44–47, doi:10.1007/s35726-019-0061-8 (springer.com [abgerufen am 10. Dezember 2021]).
  8. Günther Schuh, Georg Bergweiler, Falko Fiedler, Daniel Neumann, Lennart Heetfeld: Potential Analysis Of Flexible Small Series Production Of Spare Parts By Direct Polymer Additive Tooling. 2021, doi:10.15488/11244 (uni-hannover.de [abgerufen am 10. Dezember 2021]).
  9. Aksenov, L. B.; Kononov, I. Y.: 3D Printed Plastic Tool for Al Thin-Sheet Forming. In: IOP Conference Series: Earth and Environmental Science, 337. Jg., 2019, S. 12053
  10. G. Schuh, G. Bergweiler, F. Fiedler, P. Bickendorf, P. Schumacher: Small Series Production and Geometric Analysis of Sheet Metal Car Body Parts Using Forming Tools Made of Fused Filament Fabricated PLA. In: 2020 IEEE International Conference on Industrial Engineering and Engineering Management (IEEM). IEEE, Singapore, Singapore 2020, ISBN 978-1-5386-7220-4, S. 156–160, doi:10.1109/IEEM45057.2020.9309936 (ieee.org [abgerufen am 10. Dezember 2021]).
  11. a b Günther Schuh, Georg Bergweiler, Gerret Lukas, Josef A. Abrams: Feasibility and Process capability of polymer additive injection molds with slide technology. In: Procedia CIRP (= 53rd CIRP Conference on Manufacturing Systems 2020). Band 93, 1. Januar 2020, ISSN 2212-8271, S. 102–107, doi:10.1016/j.procir.2020.03.057 (sciencedirect.com [abgerufen am 10. Dezember 2021]).
  12. Günther Schuh, Georg Bergweiler, Gerret Lukas, Matthias Oly: Towards Temperature Control Measures for Polymer Additive Injection Molds. In: Procedia CIRP (= 53rd CIRP Conference on Manufacturing Systems 2020). Band 93, 1. Januar 2020, ISSN 2212-8271, S. 90–95, doi:10.1016/j.procir.2020.03.050 (sciencedirect.com [abgerufen am 10. Dezember 2021]).