Benutzer:Phronimae/Baustelle/Lange Bewegung

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Unter "Langer Bewegung" (englisch: long distance dependencies) versteht man in der Linguistik eine bestimmte Form der W-Bewegung. Kurz hierzu: W-Bewegung (englisch : wh-movement) beschreibt die Bewegung einer Phrase mit einem (W-)Fragewort in das Vorfeld (laut Feldermodell), sprich in die sogenannten C-Position (laut X-Bar-Theorie) des Satzes. Fragewörter kennzeichen den Teil des Satzes, in dem sie in der C-Position stehen, als Fragesatz. Man spricht deshalb von Fragewörtern als Spezifikatoren (für Fragesätze) in der C-Position = SpecC. Bei komplexeren Sätzen kann es vorkommen, dass das Fragepartikel mehrmals bewegt wird (daher "lange" Bewegung), da es im Deutschen gewöhnlich immer am Satzanfang steht. Zwar gibt es auch die Möglichkeit, W-Fragewörter an einer anderen Stelle im Satz zu verorten, wie beispielsweise "du hast WEN gesehen?" oder "den Brief hast du WEM gegeben?", allerdings werden solche Fragen als "Echofragen" bezeichnet, da die Antwort schon als bekannt vorausgesetzt wird ( W. Sternefeld: Syntax, Band 1, III 5.2 (28) ).

Beispielsätze für lange Bewegung:

1. Wer wohl meint er, dass ihm seine Arbeit hier bezahlen werde?

Hier ist der ganze Satz zur Frage geworden (durch das Fragewort in C-Position des Hauptsatzes). Sinngemäß bedeuted der Satz: Wer wird ihm seiner Meinung nach seine Arbeit bezahlen? Es erscheint auf den ersten Blick problematisch, dass, durch die lange Bewegung des Frageworts "wer" aus dem Nebensatz (wer ihm seine Arbeit hier bezahlen werde) heraus in den Hauptsatz, zwei Nominative im Hauptsatz stehen: "Wer" als Subjekt der Fragesatzes, sowie "er" als Subjekt zu "meinen". Aber, wie bei Fragesätzen üblich, wird das Vorfeld des Hauptsatzes mit dem Fragewort aus dem eingebetteten Satz besetzt und bringt seinen Kasus, in diesem Fall den Nominativ, mit. Das Fragewort "wer" übernimmt hier zwei Aufgaben: Erst steht es im Mittelfeld des Satzes und weist den Kasus zu, dann wird es in die C-Position verschoben und kennzeichnet den Satz als Frage; da das "wer" kein Bestandteil der Verbphrase ist, stört sich das Verb nicht an ihm und zwei Nominative sind problemlos möglich.


2. alles, was ich dachte, dass es mich aufheitern würde

An diesem Teilsatz sieht man : W-Fragewörter kommen auch in Relativsätzen vor, denn Frage- und Aussagesätze gehören der gleichen Satzfamilie an. Zur Konstruktion des Satzes: "alles" ist eine Nominativphrase, an der ein Relativsatz hängt, dessen Aussage "tiefer" im Relativsatz steckt. Das Fragewort bewegt sich aus dem Relativsatz heraus in die C-Position des übergeorneten Teilsatzes, weil erst dort das Fragemerkmal steht (WAS dachte ich?). Die lange Bewegung hat demnach die Funktion, die Semantik des Satzes richtig zu stellen.

Dazu ein weiteres Beispiel:

3. a) Wie oft, hat sie gesagt, habe man sie angerufen?

  b) Wie oft hat sie gesagt, man habe sie angerufen?
  c) Wie oft hat sie gesagt, dass man sie angerufen habe? 

Zuerst bleibt festzustellen: Die Sätze a und b sind eindeutig in ihrer semantischen Aussage: Die Frage in a bezieht sich auf die Anzahl der Anrufe ihrer Aussage nach, die in Satz b auf die ihrer Aussage, angerufen worden zu sein. Die Aussage von Satz c könnte sowohl diejenige aus Satz a, als auch diejenige aus Satz b sein: Satz c ist semantisch ambig (= zweideutig).

Ausgehend von Satz c lassen sich folgende Bewegungen feststellen: Bei Satz b wurde das Fragewort einmal bewegt, nämlich in den SpecC des Satzes "hat sie gesagt". Bei Satz a wurde das Fragewort gleich zweimal bewegt, nämlich erst in den SpecC wie in b, dann nochmal in den SpecC des Hauptsatzes.

Man kann also abschliessend sagen: Bei der langen Bewegung wird ein W-Partikel so lange aus der dem Fragewort grammatisch zukommenden C-Position der verschachtelten Nebensätze in die C-Postionen höher geordneter Teilsätze verschoben, bis die richtige semantische Bedeutung erreicht ist. Beschränkungen ergeben sich demnach logischerweise, wenn eine C-Position eines höher geordneten Teilsatzes bereits anderweitig besetzt ist.