Benutzer:Port(u*o)s/Essays/Der lange Schwanz des WWW

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Der lange Schwanz des WWW, ein Buch des amerikanischen Autors Chris Anderson, machte 2006 Furore, weil seine These, dass man wegen der geringen Lagerhaltungs- Werbungs- und Anbieterkosten des Internet buchstäblich mit allem Gewinn machen könnte. Man müsse es nur einstellen, über kurz oder lang würde sich ein Käufer finden.

Diese These ist charmant und schlüssig, denn sie folgt Geschäftsmodellen, die eBay, Amazon und unzählige andere erfolgreich umgesetzt haben: Wenn im konventionellen Einzelhandel die Regel galt, dass man mit 20 Prozent der Ware 80 Prozent des Umsatzes mache, und dahinter dann notgedrungen den Cut vollziehen müsse, weil seltenere Waren nur noch Kosten, aber keinen Gewinn mehr verursachten, so könne man im Internet-Handel sagen: Da keine Kosten mehr entstehen, bringt auch der Ladenhüter irgendwann Gewinn. Man kann sich den langen Schwanz nicht nur leisten, man muss es sogar, um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenten zu behaupten.

Die Wikipedia und ihr Rattenschwanz

Viele argumentieren, die Wikipedia sei ein ähnliches Angebot auf dem Informationsmarkt. Man müsse nur genug bereit stellen, die Nachfrage werde dann schon kommen. Und wenn nicht, wäre das auch egal ("Die Wikipedia wird nicht auf Papier gedruckt"). Gegen diese Auffassung möchte ich mich wenden.

Meiner Meinung nach ist die ganze Relevanzdiskussion (mit Löschungen) nur unter (im wesentlichen) zwei Gesichtspunkten zu rechtfertigen:

  • der Wartbarkeit. Nur wenn man die einzelnen Begriffe genügend voneinander abgrenzt, kann man sie sinnvoll gebrauchen. Ganz nahe beieinander liegende Begriffe (die dann auch natürlich eigene Artikel bekommen), führen fast automatisch zu Redundanzen und Fehlverlinkungen. Zudem werden Falschaussagen nicht mehr entdeckt, weil die Themengebiete (und damit Beobachtungslisten) zu sehr anschwellen. Damit kann dann jeder seinen POV unterbringen (dann gibt es jeweils einen Kosovoartikel für die Serben, einen für die Albaner, die Schweizer, Deutschen und Amis, und womöglich einen für die konservativ-atheistischen LGBT-Exiltibeter).
  • der andere Punkt, der, den ich hier meine, ist die Lemmasparsamkeit. Zwei Beispiele: Wenn ich nach einem Schriftsteller Schmid suche, bin ich schon recht hilflos. Wären irrelevante Autoren dabei, könnte ich mein Informationsbedürfnis möglicherweise gar nicht befriedigen – weil ich den richtigen Autor nicht mehr finde. Das zweite Beispiel: Ich plane einen Ausbau des Bereichs Baukultur in Zürich. Dort sind meiner Ansicht nach ca. 200 Bauwerke relevant und mit Quellen belegbar (keine Angst, ich will nicht jedem einen eigenen Artikel widmen). Aber auch hier gilt: Wer die Kategorie durchforstet (oder einen Artikel nach Stadtteil sucht), erwartet Informationen über Bauwerke, die entweder für die Entwicklung Zürichs oder der Architektur wichtig waren – und möchte keine Weiterleitungen von der Gartenlaube von Onkel Reto auf Baukultur in Oerlikon (oder Begriffsklärungen der Art Kindergärten in Oerlikon (da sind, meines Wissens, zur ZEit keine relevanten dabei).

Um das auf das aktuelle Problem runterzubrechen: Wenn es eine BKL Marie Victoria mit zwei irrelevanten Einträgen gibt, haben wir keine Möglichkeit, dort Eintragungen weiterer irrelevanter Personen zu vermeiden – die dann im Falle einer etwaigen irrelevanten Schriftstellerin Marie Victoria Schmid (fiktiv!) natürlich auch berechtigterweise unter der BKL Schmid eingetragen würde.