Benutzer:RadekC/Barrierefreie Informationstechnik

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Barrierefreie Informationstechnik ist eine Form der Informationstechnik die von möglichst vielen Menschen mit und ohne Behinderung ohne besondere Hilfsmittel oder Anpassungen im Sinne eines Universellen Designs benutzt werden kann.

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Die gesetzliche Grundlage für barrierefreie Informationstechnik in Deutschland ist auf Bundesebene das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) des Bundes vom 27. April 2002. In diesem ist in §4 Barrierefreiheit näher definiert. Barrierfreie Informationstechnik ist in §11 als eigenständiger Bereich angegeben, für den eine Verpflichtung zur Gleichstellung und Barrierefreiheit besteht. Für Träger öffentlicher Gewalt sind in einer dem BGG nachgeordneten Rechtsverordnung Geltungsbereich und anzuwendende Standards näher angegeben. Diese Rechtsverordnung, die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) ist in einer ersten Version seit dem 24. Juli 2002 in Kraft. Die Bundesländer haben entsprechende Gleichstellungsgesetze und Verordnungen erlassen, die weitgehend den Anforderungen der BITV des Bundes entsprechen. Auch auf kommunaler und auf Landesebene besteht daher für Träger öffentlicher Gewalt eine Verpflichtung zur Einhalt von Barrierefreiheit bei informationstechnischen Angeboten.

Die anzuwendenden Standards sind in der Anlage zur BITV ausführlicher beschrieben. Die BITV lehnt sich hier stark an die Richtlinien für barrierefreie Webinhalte (Web Content Accessibility Guidelines - WCAG) des W3C an. Die Anlage (Teil 1) zur ersten Fassung der BITV entspricht den WCAG 1.0. Eine Überarbeitung der BITV im Hinblick auf die am 11. Dezember 2008 veröffentlichte WCAG 2.0 [1] steht aus. Ein Entwurf für die ab Sommer 2011 zu erwartende überarbeitete Version der BITV, die BITV 2.0, [2] sowie eine Begründung zur BITV 2.0 [3] lag der Europäischen Kommission zur Notifizierung [4] in mehreren Sprachen in der Zeit vom 14.02.2001 bis 16.05.2011 bereits vor.

Auch das VN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen fordert in Artikel 9 die Zugänglichkeit von Informations-, Kommunikations- und andere Diensten.

Für die Privatwirtschaft besteht in Deutschland zwar keine Verpflichtung zur Einhaltung von Barrierefreiheit in der Informationstechnik, die Privatwirtschaft kann jedoch über das in §5 BGG definierte Instrument der Zielvereinbarungen einbezogen werden. Im Bereich der Softwareentwicklung liegen darüber hinaus einige ISO-Richtlinien als Empfehlung vor.

Anwendungsbereiche

Mit der Rechtsverordnung "BITV" soll sichergestellt werden, dass bei Veröffentlichung von Information durch den Bund in Inter- und Intranet niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt wird. Mit der engen Anlehnung der Anlage zur BITV an die Richtlinien für barrierefreie Webinhalte (WCAG) wird Barrierefreie Informationstechnik häufig mit Barrierefreiem Internet gleichgesetzt oder darauf reduziert. Dies greift etwas kurz, Barrierefreie Informationtechnik geht weit über Webseiten hinaus.

Digitale Dokumente

Digitale Dokumente können neben Text auch komplexere Elemente wie Tabellen, Grafiken und Multimediainhalte enthalten. Während Webseiten von vornherein als verteilte Dokumente mit mehreren Bestandteilen (X/HTML-Inhalt, CSS-Layout, ...) zur Speicherung auf einem Server und späterem plattformunabhängigem Interpretieren durch beliebige clientseitige Browser erstellt werden, sind andere Dokumentarten ursprünglich eher an bestimmte Tätigkeiten, Aufgaben und bestimmte Programme gebunden. So sind mittels Textverarbeitungsprogrammen erstellte Dokumente eher für Austausch und Weiterverarbeitung vorgesehen, mittels DTP-Programmen erstellte Dokumente eher für den Druck auf Papier, Präsentationen eher für eine lokale Vorführung. Mit zunehmender Digitalisierung der Arbeitsplätze verschwindet die Begrenzung auf bestimmte Situationen und Ausgabemedien zusehends.

Werden in vernetzten Arbeitsumgebungen digitale Dokumente ausgetauscht, sollten diese daher für alle zugänglich sein. Das mit einem Textverarbeitungsdokument sollte zum Beispiel für die blinde Kollegin mittels eines Vorleseprogramms auslesbar, die Präsentation auch für den körperbehinderten Kollegen, der keine Maus bedienen kann, bedienbar bleiben usw.

Unabhängig vom verwendeten Format des digitalen Dokumentes sollten dabei grundlegende Anforderungen an Barrierefreiheit so weit erfüllt werden wie diese vom Ursprungsprogramm unterstützt werden. Die einzuhaltenden grundlegenden Prinzipien sind (in Anlehnung an die WCAG 2.0 bzw. BITV 2.0):

  • Wahrnehmbarkeit - Die Informationen und Komponenten der Benutzerschnittstelle sind so darzustellen, dass sie von den Nutzerinnen und Nutzern wahrgenommen werden können
  • Bedienbarkeit - Die Komponenten der Benutzerschnittstelle und die Navigation müssen bedient werden können
  • Verständlichkeit - Die Informationen und die Bedienung der Benutzerschnittstelle müssen verständlich sein
  • Robustheit - Inhalte müssen so robust sein, dass sie von möglichst allen Benutzeragenten, einschließlich assistiver Technologien, zuverlässig interpretiert werden können

Software

Damit digitale Dokumente für alle zugänglich sind, müssen die Ursprungsprogramme die grundlegenden Anforderungen an Barrierefreiheit zunächst einmal bereit stellen. In der Mensch-Computer-Interaktion werden dabei bestimmte Anforderungen an die Benutzerschnittstellen gestellt. Anwendungsprogramme können hierbei zum Teil auf bestimmte Schnittstellen und Elemente der jeweiligen Betriebssysteme zurückgreifen. Werden bei der Softwareentwicklung bereits Richtlinien zur Software-Ergonomie sowie zur Benutzerfreundlichkeit und Gebrauchstauglichkeit beachtet, sind Grundsteine für die barrierefreie Nutzung mit unterschiedlichen Hilfsmitteln gelegt.

Richtlinien

Neben den Richtlinien des W3C für Webapplikationen sind bei der Entwicklung von Software hinsichtlich Barrierefreiheit insbesondere die folgenden ISO-Richtlinien zu berücksichtigen:

  • ISO 9241: Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten, insbesondere:
    • EN ISO 9241-20:2009 - Teil 20: Leitlinien für die Zugänglichkeit der Geräte und Dienste in der Informations- und Kommunikationstechnologie
    • EN ISO 9241-151:2008 - Teil 151: Leitlinien zur Gestaltung von Benutzungsschnittstellen für das World Wide Web
    • EN ISO 9241-171:2008 - Teil 171: Leitlinien für die Zugänglichkeit von Software
  • ISO/IEC 10779: Informationstechnik - Leitfaden für den barrierefreien Zugang zu Bürogeräten für ältere Menschen und Personen mit Behinderungen
  • ISO/IEC 13066-1: Information Technology - Interoperability with Assistive Technology (AT) - Part 1: Requirements and recommendations for interoperability
  • ISO/IEC TR 19766: Informationstechnik - Richtlinien für die Gestaltung von Icons und Symbolen, die für alle Nutzer zugänglich sind einschließlich ältere Menschen und Personen mit Behinderungen
  • ISO 24751: Individuelle Anpassbarkeit und Barrierefreiheit für E-Learning, Ausbildung und Weiterbildung
  • ISO 24786: Informationstechnik - Zugänglichkeit - zugängliche Benutzungsschnittstellen für Zugänglichkeitseinstellungen
  • ISO/IEC TR 29138: Informationstechnik - Berücksichtigung der Zugänglichkeit für Personen mit Behinderungen

Informationsterminals und Automaten

Immer häufiger werden Dienstleistungen mit Hilfe von Selbstbedienungsautomaten angeboten. Auf Anbieterseite steht dabei meist die Einsparung von Personal im Vordergrund. Auf Seite der Kunden können sich daraus Vorteile ergeben, da die Angebote unabhängig von Öffnungszeiten jederzeit genutzt werden können. Solange die Nutzung eines Automaten parallel bzw. zusätzlich angeboten wird, steht Menschen mit Behinderungen lediglich dieser Vorteil nicht zur Verfügung. Handelt es sich jedoch um ein Angebot, das ausschließlich per Automat angeboten wird, was zukünftig aufgrund der aktuellen Entwicklung verstärkt der Fall sein wird, werden Menschen mit Behinderungen von der Nutzung des Angebots ausgeschlossen, wenn das Angebot nicht barrierefrei bzw. enstprechend eines Universellen Designs für möglichst viele Menschen gestaltet worden ist. Die Teilhabe dieser Personen ist daher zukünftig in vielen Bereichen gefährdet, wenn das Thema nicht stärker berücksichtigt wird. Beispiele für Dienstleistungen, die über Selbstbedienungsautomaten angeboten werden, sind:

  • Selbstbedienungsfilialen der Banken und Sparkassen
  • Packstation der DHL
  • Fahrscheinautomaten der Deutschen Bahn und der regionalen Verkehrsverbünde
  • Anzeigetafeln an Flughäfen und Haltestellen mit aktuellen Informationen

Anzeigetafeln

Eine Anzeigetafel stellt Informationen nur visuell zur Verfügung. Einsatzgebiete sind aktuelle Informationen an Haltestellen im Öffentlichen Personennahverkehr oder an Flughäfen. Ein Universelles Design muss insbesondere berücksichtigen:

  • Möglichkeit die visuellen Informationen auch akustisch wiedergegeben zu lassen. Zum Beispiel durch einen Taster, der mit Brailleschrift in der Nähe der Anzeigetafel für blinde Menschen verfügbar ist (Beispiel: Haltestellen in Kassel).
  • Kontrastreiche und ausreichend große Darstellung der Informationen. Wichtig für Menschen mit einer Sehbehinderung, dies hilft aber auch allen anderen Menschen, wenn beispielsweise
  • ...

Geldausgabeautomaten

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) veröffentlichte 2007 einen überarbeiteten Anforderungskatalog für die Gestaltung von barrierefreien Geldautomaten[5].

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • Jan Eric Hellbusch, et al.: Barrierefreies Webdesign – Praxishandbuch für Webgestaltung und grafische Programmoberflächen. dpunkt.verlag, Heidelberg November 2005, ISBN 3-89864-260-7.

Einzelnachweise

  1. WCAG 2.0
  2. Entwurf für die BITV 2.0
  3. Begründung zur BITV 2.0
  4. Veröffentlichung der BITV 2.0 zur Notifizierung durch die Europäische Kommission
  5. Anforderungskatalog an barrierefreie Geldautomaten auf der Seite des DBSV (Stand: 12. April 2011)

Kategorie:Barrierefreiheit