Benutzer:Rita2008/Benno Biebel

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Benno Biebel (* 23. Mai 1911 in Berlin; † 24. Mai 2007 )

Buchenwaldhäftling Nummer 2790

Biebel wurde am 23. Mai 1911 als Sohn des Kutschers Hermann Biebel und seiner Ehefrau, der Fabrikarbeiterin Hedwig Biebel, im Berliner Wedding geboren. Sein Vater arbeitete bei einer Berliner Speditionsfirma. Als Soldat im Ersten Weltkrieg fiel er 1916 bei Verdun.

Biebel besuchte bis 1925 die achtklassige Volksschule in der Weddinger Schulstraße und erhielt in den Jahren 1925 bis 1928 bei der Firma Orenstein und Koppel in Berlin-Spandau eine Berufsausbildung als Installateur. Nach Beendigung der Lehrzeit wurde er entlassen und musste als Fabrikarbeiter seinen Lebensunterhalt verdienen. Seine Mutter arbeitete aktiv im Internationalen Bund der Opfer des Krieges und der Arbeit, einer der KPD nahestehenden Massenorganisation, und in der Roten Hilfe Deutschlands. Zu den vom Internationalen Bund und der KPD organisierten Demonstrationen nahm sie oft auch ihren Sohn Benno mit. Später trat Hedwig Biebel der KPD bei und gehörte von 1946 bis zu ihrem Tode 1958 im West-Berliner Stadtbezirk Wedding der SED Westberlins an.

Biebel wurde 1928 Mitglied des Deutschen Metallarbeiterverbandes. Er trat am 2. August 1928 in den Kommunistischen Jugendverband (KJVD) ein, in dem er bald in Funktionen auf Zellen- und Unterbezirksebene im „Roten Wedding“ gewählt wurde. Als im Oktober 1930 mehr als zehntausend Metallarbeiter gegen die vom Verband Berliner Metall-Industrieller geplante fünfzehnprozentige Lohnsenkung streikten, fuhr Biebel mit seinen Jugendgenossen aus auf einem Lastkraftwagen aufs Land und sammelten bei den Bauern von Zehdenick in großen Mengen Kartoffeln und Gemüse für die Streikküchen.

1932 erhielt Benno Biebel den Auftrag, als Wanderreferent des KJVD in der Grenzmark 1 für seine Partei aufzutreten. Er sprach in Schneidemühl, in Deutsch Krone und zahlreichen Dörfern. In Schneidemühl hatte der Polizeipräsident die KPD-Versammlung mit der Maßgabe genehmigt, den eben gewählten Reichspräsidenten Paul von Hindenburg nicht zu verunglimpfen. Biebel beachtete die Forderung und konnte unbeanstandet vom anwesenden Kriminalkommissar die Versammlungsteilnehmer für sich begeistern. Für Kommunisten war es außerordentlich schwer, sich in diesen Dörfern Gehör zu verschaffen. Zahlreiche Güter waren Standorte der reaktionären illegalen Verbände der Schwarzen Reichswehr.

Im Mai 1932 wurde er als Politischer Leiter im Industrieunterbezirk Siemensstadt eingesetzt. Hier erlebte er den faschistischen Terror aus allernächster Nähe. Die Nazis hatten, um die Belegschaft des Siemenskonzerns einzuschüchtern, ihre SA-Kasernen in gemieteten Kellern und in Nebenräumen einiger Bierlokale direkt neben den einzelnen Werken errichtet, von wo aus sie ihre Terroraktionen gegen die revolutionären Arbeiterfunktionäre vornahmen. So richtete sich der Terror auch gegen Biebel. Er wurde mehrmals überfallen und schwer misshandelt, was ihn aber nicht davon abhielt, seine politische Tätigkeit in Siemensstadt verstärkt fortzusetzen. Biebels Aufgabe bestand darin, die Siemens-Jugendbetriebszelle Elmowerk (Elektromotoren) des KJVD im Dynamowerk und im Kleinbauwerk zusammenzuhalten. Sie sammelten aus dem Betriebsgeschehen Material für den »Siemens-Lautsprecher«, eine Betriebszeitung, die von der KPD-Betriebszelle herausgegeben wurde.

Nach der Errichtung der Nazi-Diktatur 1933 setzte Biebel den antifaschistischen Kampf in der Illegalität fort.

„In den folgenden Wochen gab es im Wedding von Seiten des KJVD, die Faschisten hatten den Reichstag am 27. Februar in Brand gesteckt, sowie vor und nach der Reichstagswahl am 5. März, trotz ständig zunehmender Massenrepressalien und Festnahmen, viele illegale politische Aktivitäten. Im Rahmen von Flugblatt-, Mal- und Klebeeinsätzen wurden neuartige Agitationsmethoden angewandt. Die Wand einer größeren Konservendose wurde kurz über dem Boden angebohrt. Das kleine Loch aber zunächst mit einem Nagel (Blaupinne) verschlossen. Diese Dose wurde mit Wasser gefüllt und auf ein kleines Brett gestellt, das aus dem Bodenfenster eines Hauses ragte. Auf das der Straßenseite zugerichtete Ende des Brettes kam ein Packen Flugblätter. Dann wurde der Nagel herausgezogen, damit das Wasser in haarfeinem Strahl aus der Dose entweichen konnte. War das Wasser aus der Dose ausgelaufen, bekam der Packen Flugblätter das Übergewicht, senkte sich, und die Flugblätter flatterten auf die Straße, als wären sie von einem Flugzeug abgeworfen worden. So lange warteten die beteiligten Jugendgenossen aber nicht. Sie verschlossen, nachdem sie den Nagel aus der Dose herausgezogen hatten, die Bodentür von außen, verließen das Haus und hielten sich in einiger Entfernung auf der Straße auf, um die Wirkung ihrer Aktion zu beobachten. Diese Methode wurde gegen den faschistischen Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 sowie vor allem in Vorbereitung des 1. Mai 1933 an zahlreichen belebten Straßenkreuzungen und Plätzen praktiziert.“

Benno Biebel: Persönliche biographische Notizen, 1985

Am 2. Juni 1933 wurde Benno Biebel in der Weddinger Gerichtsstraße von SA-Leuten festgehalten, die ihn in ihr SA-Sturmlokal verschleppen wollten. Eine vorbeigehende Polizeistreife verhaftete Benno Biebel. Da man ihm den Straftatbestand des Hochverrats nicht nachweisen konnte, wurde er wegen illegalen Waffenbesitzes zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Diese Strafe verbüßte er in Berlin-Plötzensee und in Eberswalde.

Anfang 1934 war er erneut illegal aktiv und wurde im Sommer in Chemnitz als Instrukteur des KJVD eingesetzt. Hier verhaftete ihn die Gestapo am 9. August, und der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden verurteilte ihn wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus und vier Jahren Ehrverlust. Er wurde in das Zuchthaus Waldheim/Sachsen eingewiesen. Nach Strafverbüßung wurde er am 24. März 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert. Wie die meisten neuen Gefangenen musste Biebel anfangs im Steinbruch arbeiten. Die schwere körperliche Arbeit war er nicht gewohnt. Er erkrankte schon nach vierzehn Tagen an einer doppelseitigen Lungenentzündung und wurde in den Häftlingskrankenbau eingeliefert, in dem sich sein Genosse Willi Dehnert, der hier als Sanitäter wirkte, um ihn kümmerte und ihn gesund pflegte.

Noch im Krankenrevier wurde Benno Biebel von Albert Kuntz aufgesucht, der ihn aus der politischen Arbeit in der KPD-Bezirksorganisation Berlin kannte. Albert Kuntz, der auf dem Ettersberg mit Walter Stoecker und Theo Neubauer das Führungszentrum der illegalen KPD im Lager bildete und den Widerstand im KZ Buchenwald organisierte, versorgte Biebel mit wichtigen Informationen zum Leben im Lager und über die politischen Ereignisse in Deutschland und der Welt. Er verschaffte und knüpfte auch die Kontakte zu anderen Berliner Kommunisten. So kam Benno auch mit Rudi Arndt zusammen. Albert Kuntz konnte mit Hilfe der illegalen Organisation dafür sorgen, dass Biebel nach seiner Genesung nicht zurück in den Steinbruch musste, sondern als Installateur in den Handwerkerkommandos der Deutschen Ausrüstungswerke arbeiten konnte. Hier war er mit polnischen und tschechischen Zwangsarbeitern zusammen. Die tägliche Arbeit schuf die Grundlage für den gemeinsamen Kampf der antifaschistischen Häftlinge aus vielen europäischen Ländern. Als am 18. Oktober 1941 etwa 2000 sowjetische Kriegsgefangene in das Lager gebracht wurden, verließen viele Häftlinge ihre Unterkünfte und bezeugten mit kleinen Dingen, wie einem Stück Brot oder einem Tuch, ihre Solidarität.

Benno Biebel durfte als Handwerker das so genannte Russenlager betreten. So konnte er seinen sowjetischen Gefangenen Esswaren oder Kleidung zustecken. Er sorgte mit seinen Kollegen von der Installateurkolonne dafür, dass in einer Baracke illegal ein Elektroboiler und ein Handwaschbecken eingebaut wurden. Auch konnten aus dem Häftlingskrankenbau einige Medikamente in das „Russenlager“ geschmuggelt werden.

Im Häftlings-Arbeitskommando musste Benno Biebel auch in dem SS-Bereich arbeiten, der für Ausrüstung und Kraftfahrzeuge zuständig war. Kraftfahrzeuge der SS wurden in verschiedenen Weimarer Werkstätten zur Reparatur gebracht. Von einem SS-Mann bewacht, hatten beauftragte Häftlinge die schriftlichen Aufträge und anderen Schriftverkehr bei den betreffenden Firmen abzugeben und abzuholen. Eines Tages wurde Benno Biebel eine solche Aufgabe übertragen. In Weimar lief er in Begleitung eines mit einem Karabiner bewaffneten SS-Mannes zu mehreren Werkstätten. Die beiden kamen an einer Papierhandlung vorbei, in der auch Bücher verkauft wurden. Benno entdeckte im Schaufenster ein Lehrbuch »30 Stunden Russisch für Anfänger«. Kurz entschlossen sagte er seinem Bewacher, dass er in den Laden müsse. Der SS-Mann ließ ihn gewähren. Von der überraschten Verkäuferin kaufte er blitzschnell das Buch und verließ den Laden wieder, ohne dass der Bewacher argwöhnte. Im Lager diente das Buch Benno und seinen Genossen dazu, sich Kenntnisse in der russischen Sprache anzueignen, was der Verständigung mit den gefangenen Rotarmisten dienlich war. Damit das Buch durch den häufigen Gebrauch keinen Schaden nahm, wurde es in der Häftlingsbibliothek mit einem festen Umschlag versehen. Das Buch gehört heute noch zum Bestand in Benno Biebels Bibliothek.

Ab Mitte Februar 1943 arbeitete Biebel für das Internationales Lagerkomitee. Zu seinen Aufgaben gehörte es vor allem, das Eindringen von Spitzeln und Verrätern in die illegalen Organisationen zu verhindern. Häftlinge überprüften die Neuzugänge, um sich vor Denunzianten zu schützen. Um dies wirksam tun zu können, rangen die deutschen Häftlinge, vor allem der Kapo Hans Neumeister, der SS die Genehmigung ab, auch ausländische Kameraden in der Schreibstube arbeiten zu lassen. In den letzten Jahren des KZ war die Häftlingsschreibstube international zusammengesetzt. In ihr nah- men Deutsche, Tschechen, Polen, Sowjetbürger, Österreicher, Franzosen und Niederländer ihre Aufgaben wahr. Benno und Albert Kayser, ein in der Berliner Arbeiterbewegung bekannter und beliebter Kommunist und Gewerkschaftsfunktionär, gehörten zur gleichen Fünfergruppe von Genossen aus dem Berliner Wedding. Albert Kayser wurde 1943, aus dem Zuchthaus Brandenburg kommend, in Buchenwald eingelie- fert. Im Oktober 1944 erkrankte er schwer an Fleckfieber und verstarb. Seine Genossen richteten für ihn eine illegale Totenfeier aus, an der Benno Biebel teilnahm. Er erinnerte sich an die von Karl Schnog gesprochenen Worte: »… Mensch, man konnte mit Dir Pferde stehlen, warst een Kämpfer, warst een Aktivist. Und dem Roten Wedding wirste fehlen, wo Du erster Mann gewesen bist.« Unruhe erfasste Benno jedes Mal, wenn ihm ein Brief seiner Mutter ausgehän- digt wurde. Am 20. Januar 1945 schloss Mutter Biebel den Brief an ihren Sohn mit den Zeilen: »Ja, mein lieber Junge, wir hoffen doch, dass das neue Jahr uns den Sieg bringt. Wir müssen eben Geduld haben und ausharren. Das neue Jahr hat mit dem Luftterror gleich gut angefangen … bleib Du weiterhin gesund. Es grüßt Dich herzlich Deine liebe Mutter sowie alle anderen Trabanten und Ver- wandten.«  Mit dem Datum vom 27. Februar 1945 schrieb sie: »Mein lieber Sohn! … Am 29. Januar abends ist unser Haus erneut getroffen worden, und am 3. Februar48 brannte mittags wieder der Dachstuhl … Man kann das Leben satt bekommen bis dort hinaus. Aber ich weiß, dass noch jemand in der Ferne sich nach seiner Heimat sehnt. Und nun, mein lieber Junge, bleib gesund. Es grüßt nun herz- lich Deine liebe Mutter.« Während Hedwig Biebel im von Bombenangriffen und den Kampfhand- lungen schwer getroffenen Berlin ausharrte, ahnte sie nicht, dass ihr Sohn Benno in den ersten Apriltagen 1945 aktiv an der Selbstbefreiung der Häftlinge be- teiligt war. Dazu schrieb er 1979: »An der Rettung der sechsundvierzig Todes- kandidaten am 5. und 6. April 1945 war ich wie folgt beteiligt: Am späten Abend des 5. April 1945 bekam ich vom Kapo der Häftlingsschreibstube, dem Ge- nossen Hans Neumeister, eine Namensliste, die er vorher vom Rapportführer erhalten hatte, mit dem Auftrag, die auf derselben stehenden Häftlinge zum 6. April 1945 um 8.00 Uhr an das Schild III zu bestellen. Nach einem Blick auf die Liste stellte ich fest, dass sie überwiegend bekannte, langjährig in Buchen- wald einsitzende und leitende Lagerfunktionen ausübende Häftlinge enthielt. Genosse Neumeister befand sich darunter. Es bestand für mich nicht der ge- ringste Zweifel daran, dass die SS-Lagerführung beabsichtigte, die sechsund- vierzig Häftlinge zu liquidieren. Deshalb erklärte ich, dass ich die sechsund- vierzig Häftlinge nicht bestellen würde, um an dem von der SS-Lagerführung geplanten Verbrechen nicht mitschuldig zu werden. Die Liste übergab ich dann über den im Kommando Pathologie tätigen Berliner Genossen Richard Groß- kopf der illegalen Parteileitung der KPD.« Auf Betreiben der Deutschen beschloss das illegale Internationale Lagerko- mitee, die sechsundvierzig Kameraden nicht auszuliefern und sie im Lager zu verstecken. »Am 6. April 1945 wurde ich um 14.00 Uhr über die Lautspre- cheranlage zum Rapportführer befohlen. Auf seine Frage, wo denn eigentlich der Kapo Neumeister sei, antwortete ich kurz, dass ich das nicht wüsste. Auf seine weitere Frage, warum die bestellten Häftlinge nicht am Schild III ange- treten wären, erwiderte ich kaltblütig, dass mir von einer Bestellung derselben nichts bekannt sei (denn der Rapportführer hatte ja nicht mir, sondern dem Kapo Neumeister die Liste der sechsundvierzig ausgehändigt und Neumeister sowie alle anderen gesuchten Häftlinge waren nunmehr dem Zugriff der SS-Verbrecher entzogen). Darauf wurde ich vom Rapportführer mit den Worten entlassen: ›Sie sind mir ab heute für die Häftlingsschreibstube verantwortlich. Dass mir die Evakuierungstransporte in Ordnung gehen, wenn nicht, können Sie was erleben.‹ Diese Funktion habe ich in den letzten Tagen des KZ Buchenwald nur in dem Sinne ausgeübt, dass ich gemeinsam mit den auf der Häftlingsschreib- stube und der Arbeitsstatistik für die Aufstellung von Transporten verant- wortlichen Kameraden sowie den Lager- und Blockältesten bemüht war, die Evakuierungstransporte zu verzögern bzw. eine Gesamtevakuierung des La- gers zu verhindern.49 An der bewaffneten Selbstbefreiung am 11. April 1945 nahm ich, gemein- sam mit den Kameraden der Häftlingsschreibstube, in der Weise teil, dass uns alle gefangen genommenen SS-Leute übergeben wurden. Da in kurzer Zeit die Häftlingsschreibstube von den SS-Gefangenen überfüllt war, dort aber keine Sicherungsmaßnahmen getroffen werden konnten, um eine eventuelle Flucht derselben zu verhindern, ging ich zu dem so genannten Quarantäneblock 17, der mir für diesen Zweck besser geeignet erschien. Der Blockälteste Genosse Otto Storch und der im Stubendienst tätige Genosse Ottomar Rothmann ließen einige im Block befindliche kranke Häftlinge zum Krankenbau bringen. Der Block 17 bot nunmehr die besten Voraussetzungen für eine sichere Unter- bringung der über einhundert SS-Gefangenen (zu denen in der Nacht zum 12. April 1945 und am 12. April 1945 selbst noch fast weitere einhundert SS-Ge- fangene hinzukamen), da er durch einen gesonderten Stacheldrahtzaun vom übrigen Lager getrennt war. Ich holte mir von der sowjetischen militärischen Sektion vier Bewaffnete, ließ die SS-Gefangenen vor der Häftlingsschreibstube antreten und marschierte mit ihnen zum Block 17. Hier wurden die deutschen SS-Leute im A-Flügel und die so genannten Wlassow-SS-Leute im B-Flügel untergebracht. Die vier bewaffneten sowjetischen Häftlinge nahmen auf den beiden Seiten nördlich und südlich des Blocks (noch innerhalb des separaten Zauns) Aufstellung. Nach Ankunft der Einheiten der 3. US-Armee am 13. April 1945 wurden die rund zweihundert Gefangenen von ihnen übernommen und abtransportiert.« Benno erlebte die ersten Stunden und Tage der erkämpften Freiheit gemein- sam mit seinen Kameraden. Er nahm am Freiheitsappell teil und an der Trauer- feier, die mit dem Schwur von Buchenwald beendet wurde. In der Folgezeit bestand seine Aufgabe vor allem darin, mit anderen Kameraden zu sichern, dass die Buchenwalder geordnet und sicher in ihre Heimatländer zurückkehren konnten. Das wichtigste Entlassungspapier für jeden Heimkehrer wurde die amtliche Legitimation des Internationalen Häft- lingskomitees. Wichtig war auch die Ausstattung mit Bekleidung, die aus den Magazinen der US-Armee kam. Nicht die eigene Heimkehr nach Berlin stand im Vordergrund seiner Tätigkeit, sondern die Sorge um die Kameraden, und so erlebte Benno, wie eine nationale Gruppe nach der anderen das Lager ver- ließ und die Heimreise antrat. Endlich frei, unternahmen die ehemaligen Häftlinge individuelle Wanderun- gen in die Stadt Weimar am Fuße des Ettersberges. Sie wollten die Stadt, die sie nur im Gefangenentransport wahrgenommen hatten, für sich erkunden, mit Menschen frei ins Gespräch kommen. Benno traf mit seinem Kameraden Osche auf zwei junge Frauen aus Berlin, Schwestern. Sie waren wegen der Bombenangriffe auf die Reichshauptstadt nach Weimar evakuiert worden. Es brauchte nicht viel Zeit, und sie fanden Gefallen aneinander. Der Abschied von Kameraden, mit denen er Seite an Seite gearbeitet und manche gefährliche50 Bescheinigung über die Lagerhaft im KZ Buchenwald für Benno Biebel Nachweis über die Mitarbeit im Parteiaktiv der KPD während der Lagerhaft im KZ Buchenwald für Benno Biebel

52 Situation überstanden hatte, fiel trotz der Freude auf die Heimat und die Fa- milien nicht leicht. Erst am 12. Juni konnte Benno Biebel, gemeinsam mit vierundzwanzig Ber- liner Genossen, die Reise in seine Vaterstadt antreten. An eine Eisenbahnfahrt war nicht zu denken. Zugverkehr gab es nicht. Aus dem Bestand des SS-Fuhr- parks hatten sie einen Omnibus zugeteilt bekommen. Sieben Tage waren sie durch das kriegszerstörte Deutschland unterwegs. Ihre Reiseroute führte durch Dörfer und Städte, eben von den USA-Truppen geräumt, nun von den Sowjettruppen besetzt. Schlagbäume vor und hinter jeder Stadt. Gesperrte Landstraßen und gesprengte Brücken machten die Reise zu einem Abenteuer. Endlich wieder im Wedding angekommen, stand Benno nicht allein vor der Wohnungstür seiner Mutter. Er hatte Gertrud aus Weimar mitgebracht. Im Ok- tober 1945 heirateten sie. Das junge Ehepaar erhielt in der Wohnung eines geflohenen Nazis ein Zimmer zugewiesen, wo sie zur Untermiete wohnten. Ihr gemeinsamer Sohn Gerhard kam am 2. April 1946 zur Welt. Berlin wurde fortan Bennos Arbeitstätte. Es bedurfte keiner Überzeugungs- kraft, dass es für ihn nur darum gehen konnte, die Wurzeln des Faschismus auszurotten und in Deutschland antifaschistische und demokratische Verhält- nisse zu entwickeln. Selbstverständlich stand er mit in der ersten Reihe, denn er hatte die Grausamkeit und Unmenschlichkeit des Faschismus in seiner un- verhüllten Art und Weise am eigenen Leibe erlebt und erlitten. Kaum angekommen, stellte er sich in seinem Heimatstadtbezirk Wedding der eben geschaffenen Stadtbezirksleitung der KPD für die Parteiarbeit zur Verfügung. Er wurde als Instrukteur eingesetzt. Im September 1945 von sei- ner Partei benannt, wurde er Mitarbeiter in der Deutschen Zentralverwaltung für Land- und Forstwirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone Deutsch- lands. 1947 verließ die junge Familie Biebel den zu den Westsektoren zählenden Wedding. Sie bekamen im Stadtbezirk Mitte, im sowjetischen Sektor, in der Schröderstraße eine Dreizimmerwohnung. In der Zentralverwaltung Land- und Forstwirtschaft entwickelte sich Benno Biebel zu einem geschätzten Personalleiter. Ob in der Deutschen Wirtschaftskommission, der Hauptver- waltung Land- und Forstwirtschaft, im Ministerium für Land- und Forstwirt- schaft, in der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe/Bäuerliche Handels- genossenschaft (VdgB/BHG), als Instrukteur der Abteilung Landwirtschaft im ZK der SED in den Jahren 1953 bis 1956 oder danach im Dietz Verlag, an al- len Arbeitsplätzen wirkte er im Sinne des Schwurs von Buchenwald. Als in den Junitagen des Jahres 1953 eine Krise in der DDR offen zum Aus- bruch kam, gehörte Benno zu denen, die auf der Straße für ihren Staat ein- standen. In der Nähe des Frankfurter Tors wurde er aus einer Kolonne heraus angegriffen. Die Leute waren offensichtlich aus Westberlin gekommen. Ein Mann mit einem Schlagring schlug ihn nieder. Er wurde schwer am Kopf ver-53 letzt. Sowjetsoldaten retteten ihn und brachten ihn in das Krankenhaus der Volkspolizei, wo er sich einer schweren Schädeloperation unterziehen musste. Fünf Monate dauerte der Klinikaufenthalt, die Folgen der schweren Verlet- zung wirkten noch lange nach. In den fünfziger Jahren verfolgte Benno beharrlich sein Ziel, Bildung zu erwerben, die ihm durch die Nazis versagt geblieben war. So besuchte er Bil- dungsstätten der Partei und wurde 1961 trotz seines angegriffenen Gesund- heitszustandes Diplom-Wirtschaftler am Institut für Gesellschaftswissenschaf- ten beim ZK der SED. 1963 wurde seine Ehe geschieden. Der Sohn erlernte den Beruf eines Schlos- sers und Drehers. Später wurde er Offizier. Benno Biebel heiratete 1966 ein zweites Mal. Mit seiner Frau Ilse lebte er bis zu ihrem Tod 1990 zusammen. Von 1964 bis 1976 arbeitete Benno als wissenschaftlicher Mitarbeiter am In- stitut für Marxismus-Leninismus der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine reichen Lebens- und politischen Erfahrungen, sein ständiges Mühen um Bil- dung und sein von tiefem Humanismus geprägter Charakter befähigten ihn, seine Lehr- und Erziehungsaufgaben erfolgreich zu erfüllen. Der langjährige Institutsdirektor sagte anlässlich einer öffentlichen Würdi- gung: »Benno war vor allem im Kreis jüngerer Mitarbeiter ein unaufdringli- cher, zurückhaltender, aber äußerst wirksamer Erzieher und Persönlichkeits- bildner. Nicht, dass er große Reden über Persönlichkeitsbildung und Moral gehalten hätte. Große Reden und Moralpredigten lagen ihm ohnehin nicht. Er erzog vor allem durch die Art und Weise, wie er auftrat, wie er lebte, welche Forderungen er an sich selbst stellte, wie er sich im Kollegenkreis gab … Theo- retische Erkenntnisse, politische Einsichten waren und sind für Benno niemals Selbstzweck oder bloßer Lehrgegenstand. Praktisch tätig werden, aktiv sein, politisch verantwortungsbewusst und äußerst zuverlässig zu wirken, das ist ein Persönlichkeitszug, den man Benno nicht ausdrücklich bescheinigen muss. Das gehört unabdingbar zu ihm, zu seiner Weise zu leben, zu seinem Wesen. Er ist stets da, wo Leben und Kampf dies erfordern, einsatzbereit und aktiv, auch ohne Auftrag und dienstliche Verpflichtung.« 1976 hatte Benno Biebel das Rentenalter erreicht, er schied aus dem Berufs- leben aus und engagierte sich fortan verstärkt für die Wahrung und Pflege der antifaschistischen Werte aus der Zeit des KZ Buchenwald. Unermüdlich war er als Zeitzeuge tätig, um insbesondere jungen Menschen das antifaschistische Erbe zu vermitteln. Nach 1990 wehrte Benno Biebel mit seinen ehemaligen Bu- chenwalder Kameraden wie Reinhold Lochmann, Gerhart Zschocher, Günter Pappenheim und anderen mit Entschiedenheit geschichtsrevisionistische Ver- suche ab, das faschistische Konzentrationslager Buchenwald mit der Nach- kriegsnutzung gleichzusetzen. Die von bundesdeutscher Politik und Wissen- schaft betriebene Geschichtsfälschung widerlegte Benno Biebel konsequent. Im Kreise seiner Buchenwalder Kameraden und jüngerer Antifaschisten, die dieSache Buchenwalds zu der Ihren gemacht haben, wirkt er in der Lagerarbeits- gemeinschaft Buchenwald-Dora aktiv mit. Großvater wurde er mit seinen Enkelinnen Jana und Nicole. 1995 wurde sein Urenkel Florian geboren. Sein Sohn Gerhard arbeitet in einer Auto- und Maschinenfirma, repariert Autos und technische Großgeräte. Der Schwur sei- nes Vaters vor 60 Jahren auf dem Appellplatz des Konzentrationslagers Bu- chenwald ist ihm teuer, es bestimmt sein Denken und Handeln. Benno Biebel war bis ins hohe Alter ein gesuchter Partner in Foren mit Jüngeren, wenn es über Leben und Kampf im KZ Buchenwald zu berichten galt.

Biebel wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in der Gräberanlage für die Opfer und Verfolgten des Naziregimes begraben.[1]

Literatur

  • Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen, Hrsg. Rosa-Luxemburg-Stiftung Peter Hochmuth und Gerhard Hoffmann. Lebensbilder, Karl Dietz Verlag Berlin, 2007 und 2015 ISBN 978-3-320-02100-9, S. 41-54

Einzelnachweise

  1. Benno Biebel auf billiongraves.com