Benutzer:Rowitha Baumeister/Reingard Jäkl

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Reingard Jäkl (geboren am 2. März 1939 in Hermersdorf, heute Temenice, Tschechien Bez. Mährisch- Schönberg, gestorben am 9. September 2015 in Berlin Schöneberg[1]) war Historikerin, Politikerin und Feministin.

Ausbildung und Werdegang

[1]Reingard Jäkl studierte von 1960 bis 1969 an der Ludwig-Maximilians-Universität München am Fachbereich Geschichte und Politische Wissenschaften.[2] Ihre Grundausbildung umfasste ein breites Spektrum von Rechtstheorie und Allgemeine Theorie der Politik bei dem deutsch-amerikanischen Politologen und Philosophen Eric Voegelin, bis zu Internationale Politik und Nachkriegspolitik nach 1945, bei Hans Maier, der den Lehrstuhl ab 1962 innehatte, 1970 bayrischer Kultusminister wurde. Hans Maier war ihr Förderer, unterstützte ein Promotionsvorhaben, noch vor ihrer Magisterarbeit, sie würde beides nicht fertigstellen. Denn mit der aufkommenden Studentenrevolution wand sie sich vom „streng hierarchisch geordneten Wissenschaftsbetrieb“ der „Ordinarienuniversität“ ab,[3]wurde in der außerparlamentarische Opposition (APO) aktiv. Die 68in war zunächst in der Arbeiterbewegung, im Gewerkschaftlichen Arbeitskreis der Studenten aktiv, mit dem sie Bildungsreisen in die DDR unternahm, dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), dem Sozialdemokratischen (später: Sozialistischen) Hochschulbund (SHB) und dem Liberalen Studentenbund Deutschlands (LSD). Bis sie sich linksdogmatischen Gruppen zuwand. Julia Paulus schreibt darüber in dem Buch Zeitgeschichte als Geschlechtergeschichte - Neue Perspektiven auf die Bundesrepublik:

Die neue Frauenbewegung ist ohne „1968“ nicht denkbar, denn die Revolte offerierte viele Chancen, unmittelbar politisch tätig zu werden. Auf die Möglichkeiten, die „1968“ gerade Frauen bot, spielte die Münchner APO-Aktivistin Reingard Jäkl an, die sich bereits seit den frühen 1960er Jahren entsprechend orientiert hatte. Zu den Gruppen, „denen ich mich als weibliche Person anschließen konnte“, zählte sie – im Gegensatz zu „traditionellen Studentenverbindungen“ – vor allem die Träger des Protests an den Münchener Universitäten: den Gewerkschaftlichen Arbeitskreis der Studenten, den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), den Sozialdemokratischen (später Sozialistischen) Hochschulbund und den Liberalen Studentenbund Deutschlands. Die Studentin fühlte sich in diesem Umfeld „gleichberechtigt und als Frau anerkannt“.[4]

Sie zog 1975, der lebenslangen Liebe zu der Biologin und Forscherin Marianne Christl wegen,nach Berlin.[3][1] Hier begann die zweite Epoche ihrer politischen Aktivitäten, historischer Studien, journalistischer Arbeiten und intensivem Engagement in der Frauen-, Lesbenbewegung, sowie bei den damals entstehenden BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.[5]


Kulturpolitisches Wirken in Berlin

Durch die Wende 1989 verschwanden die Mythen dieser linkspolitischen Dogmata. Ihre Leidenschaft für Politik blieb, wurde nur in eine andere Richtung gelenkt, jedoch eine grundsätzlich verwandte. Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus, die Sicht der Opfer, der Zeitzeug*innen und der Nachkommen der Täter*innen. Sie arbeitete mit Stadtrundgängen, Stadtspaziergängen wie "100 Jahre Frauengeschichte", Artikeln und setzte sich als Vorsitzende des Kulturausschusses für Stolpersteine in Berlin ein.[6][7] Sie suchte das Grab von Hedwig Dohm[8] im Alten St. Matthäus Friedhof und gründete die Initiative Hedwig Dohm sichtbar machen.

Von 1986 bis 1996 war sie Freie Mitarbeiterin im Kunstamt Schöneberg wo sie an der Konzeption des Recherche und Ausstellungsprojektes Wir waren Nachbarn mitwirkte

Sie arbeitete an der Kulturhistorische Ausstellung In Bewegung - Frauen einer Großstadt, die 1991 im Haus am Kleistpark, in Kooperation mit verschiedenen Schöneberger Fraueninitiativen, der Fach­hochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, des Lettevereins/Photographische Lehranstalt, Pestalozzi-Fröbel-Haus, der katholischen Mädchenschule Sankt­ Franziskus und Pelze Multimedia stattfand. Diese wurde von der Arbeits­gruppe Frauengeschichte: Reingard Jäkl, Maik Lef, Veronika Liebau, Wilfried Löhken, Petra Zwaka, konzipiert und realisiert.

Von 1990 bis 1996 war sie Vorstandsvorsitzende im Verein Pelze Multimedia[9], einem Frauen Kultur und Kunstverein wo sie mit verschiedensten Veranstaltungen präsent war. Gemeinsam und abwechselnd mit Ursula Bierther[10][11], Roswitha Baumeister[12], Traude Bührmann, Mahide Lein[13], Maik Lef, Heidi Kull[14], die Künstlerinnengruppe Schwarze Schokolade[15] un d vielen Anderen.

Sie arbeitete von 1996 bis 2010 Bezirksverordnete in der Bezirksverordnetenversammlung des Bezirks Schöneberg von Berlin. Bis 2006 BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN nach ihrem Austritt aus dieser Partei war sie für die Grauen Panther Fraktionsvorsitzende.

Ausstellungen

  • 1987: Vergnügungsgewerbe rund um den Bülowbogen Streifzug durch die Geschichte der Großstadtprostitution, Kulturhistorische Ausstellung der Reihe "Schöneberg auf dem Weg nach Berlin" (5. Baustein zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987), Projektleitung: Katharina Kaiser, Nutten und Nüttchen e.V., der MedienOperative Berlin e.V., Konzeption und Recherchen des historischen Teils: Reingard Jäkl; Katalog, Konzeption, Recherche: Reingard Jäkl, Haus am Kleistpark, Berlin[16]
  • 1991.In Bewegung -Frauen einer Großstadt, Kulturhistorische Ausstellung. 21.06. - 08.08.1991, Projektleitung: Petra Zwaka; Gesamtkonzeption und Recherche: Arbeitsgruppe Frauengeschichte: Reingard Jäkl, Maik Lef, Veronika Liebau, Wilfried Löhken, Petra Zwaka, in Kooperation mit verschiedenen Schöneberger Fraueninitiativen, der Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, des Lettevereins/Photographische Lehranstalt, Pestalozzi-Fröbel-Haus, der katholischen Mädchenschule Sankt Franziskus und Pelze Multimedia, Haus am Kleistpark, Berlin[17]

Publikationen/ Texte

  • Reingard Jäkl: Die radikalste aller Frauen. In: Gigi. Zeitschrift für sexuelle Emanzipation, September 2007
  • Reingard Jäkl: Eine kleine radikale Minderheit in: Unbekannte Wesen : Frauen in den sechziger Jahren  Berlin : Elefanten Press , 1987 , S.145-149
  • Reingard Jäkl: Ein Spaziergang durch 100 Jahre Frauengeschichte, in: FrauenStadtBuch Berlin / hrsg. von Margret Lünenborg, Berlin : Elefanten Press, 1993, S.51-57
  • Reingard Jäkl: Vergnügungsgewerbe rund um den Bülowbogen. Streifzug durch die Geschichte der Großstadt-Prostitution. Katalog zur Ausstellung 1987, Hg.:Bezirksamt Schöneberg von Berlin, ISBN: 392664303X
  • Frauenpolitik und politisches Wirken von Frauen im Berlin der Nachkriegszeit 1945 – 1949, Renate Genth, Reingard Jäkl, Rita Pwalowski, Ingrid Schmidt-Harzbach, Irene Stoehr, Hg.:Senatorin für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen, Berlin, Trafo Verlag, 1996, ISBN 978-3896261090[18]
  • Reingard Jäkl: Schöneberger Frauen: Schlaglichter aus den Nachkriegsjahren, In: In: Frauenpolitik und politisches Wirken von Frauen im Berlin der Nachkriegszeit 1945-1949 / hrsg. von der Senatsverwaltung für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen, Berlin Berlin : trafo 1996, S. 171-192
  • Reingard Jäkl, Gabriele Wohlauf: Worte der Freundinnen: Trauerfeier für Hilde Radusch, In: Blattgold : Termine und Informationen für die Berliner Frauenscene, Veröffentlicht: 1994 Heft: 11 , 2-6 S.
  • Reingard Jäkl: Ein Spaziergang durch 100 Jahre Frauengeschichte, In: FrauenStadtBuch Berlin / hrsg. von Margret Lünenborg, Berlin : Elefanten Press, 1993, S. 51-57  
  • Reingard Jäkl ; Marianne Christel: Wenn du net gehscht, geh i!, In: Courage : Berliner Frauenzeitung. - 2(1977), H. 2, S. 11 - 13 ISSN 0176-1102[19]

Interviews,Veröffentlichungen, Weblinks

  • Reingard Jäkl: Mit der Ungewissheit leben. Im Gespräch mit Sibylle Plogstedt.In: Courage, 1, 2 (1976), S.13ff
  • [1] Reingard Jäkl im Interview mit Inge Donau 1986. Original, unveröffentlicht. Siehe Anhang.
  • Reingard Jäkl im Gespräch mit Bärbel Scheider, Stadtteilzeitung, Mitglieder der BVV (Bündnis 90/Die Grünen) http://www.stadtteilzeitung-schoeneberg.de/maerz06.pdf

Würdigungen

  • Marianne I. Christel: Mit den Weltmeeren verbunden: Erzählung, neobooks, 2020, ISBN 3750235937
  • Elisa Klapheck, Rabbinerin in Frankfurt, dankte Reingard Jäkl in der Aussegnungshalle des Alten-St.-Matthäus Kirchhofs, in einem Kaddisch „für gerechte Nichtjuden“, für die besondere Lesart von Hannah Arendt, in der jene sie geschult habe.
  • Nea Weissberg dankte Reingard Jäkl, In: Der dumme Fuss will mich nach Deutschland tragen. Eine Auseinandersetzung um Deutschland. Gespräche, Gedichte, Briefe. Samson Berlin. 1990. Jörg Rensmann schreibt über ihren als Nea Wiessberg-Bob herausgegebenen Band: Was ich den Juden schon immer mal sagen wollte..."[20] :

In ihrem eigenen Beitrag zitiert Weissberg-Bob die Ausstellungsmacherin Reingard Jäkl, die zum Selbstverständnis von uns nichtjüdischen Deutschen einst anmerkte, dass wir nicht imstande zu begreifen seien, "dass Antisemitismus konstituierender Bestandteil der abendländisch-christlichen Kultur ist, des Geistes also, von dem wir geprägt sind, ob uns das nun gefällt oder nicht."[21]

Einzelnachweise


  1. a b c Traueranzeigen von Reingard Jäkl | Tagesspiegel Trauer. Abgerufen am 11. Mai 2020 (deutsch).
  2. Elisabeth Zellmer: Töchter der Revolte?: Frauenbewegung und Feminismus der 1970er Jahre in München. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2015, ISBN 978-3-486-70707-6 (google.ch [abgerufen am 11. September 2020]).
  3. a b Marianne I. Christel: MIT DEN WELTMEEREN VERBUNDEN: Reise-Tagebuch. neobooks, 2020, ISBN 978-3-7502-3593-9 (google.ch [abgerufen am 11. September 2020]).
  4. Julia Paulus: Zeitgeschichte als Geschlechtergeschichte Neue Perspektiven auf die Bundesrepublik. In: Julia Paulus, Eva-Maria Silies, Kerstin Wolff (Hrsg.): aus der Reihe Geschichte und Geschlechter. campus Verlag, ISBN 978-3-593-39742-9, S. 280/81.
  5. Reingard Jäkl. Abgerufen am 11. Mai 2020.
  6. Veranstaltungsreihe "30 Jahre BGW" - Berliner Geschichtswerkstatt. Abgerufen am 11. Mai 2020.
  7. Frauen im Bezirk sichtbar machen! 6. Oktober 2016, abgerufen am 17. Mai 2020.
  8. Gedanken zum Gedenken. Von Erica Fischer - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de. Abgerufen am 11. Mai 2020.
  9. Die Gegend ist voller Geschichte: Vier weitere Stationen von „Historische Orte sichtbar machen“ eingeweiht. Abgerufen am 17. Mai 2020.
  10. Suchergebnisse - Bierther. Abgerufen am 17. Mai 2020.
  11. kittyhawk: SZENE Zeitreise in die Schöneberger Subkultur der 80er: Der legendäre Frauen/Lesben-Aktionsraum Pelze. In: https://www.siegessaeule.de/magazin/3631-zeitreise-in-die-schöneberger-subkultur-der-80er-der-legendäre-frauenlesben-aktionsraum-pelze/. www.siegessaeule.de, 14. November 2017, abgerufen am 17. Mai 2020 (deutsch).
  12. Roswitha Baumeister. Abgerufen am 17. Mai 2020.
  13. CHRISTINA KRETSCHMER: Die Welt bin ich. In: Die Tageszeitung: taz. 18. Juni 2005, ISSN 0931-9085, S. 1005 (taz.de [abgerufen am 17. Mai 2020]).
  14. Tilman Baumgärtel: Schon mal’ne Frau geküsst? In: Die Tageszeitung: taz. 27. Februar 2018, ISSN 0931-9085, S. 24 (taz.de [abgerufen am 17. Mai 2020]).
  15. Carola Muysers: Berlin-Women: Schwarze Schokolade. 4. November 2014, abgerufen am 17. Mai 2020 (deutsch).
  16. 1987 Archiv: andere Orte. Abgerufen am 11. Mai 2020.
  17. 1991 Archiv HAUS am KLEISTPARK. Abgerufen am 11. Mai 2020.
  18. Portal für Politikwissenschaft - Frauenpolitik und politisches Wirken von Frauen im Berlin der Nachkriegszeit 1945-1949. Abgerufen am 11. Mai 2020.
  19. Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung: Courage - Online Edition. Abgerufen am 11. Mai 2020.
  20. Nea Weissberg-Bob: Was ich den Juden schon immer mal sagen wollte, Beiträge und Interviews. LICHTIG VERLAG, Berlin 2002, ISBN 3-929905-16-7, S. 270 Seiten Hardcover.
  21. "Was ich den Juden schon immer mal sagen wollte!" Abgerufen am 11. Mai 2020.