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Cairn-Architektur

Cairns sind die ältesten Steinarchitekturen Europas und repräsentieren damit eine den Hochkulturen der Alten Welt vergleichbare Zivilisationsstufe.

Sie werden mit der C14-Methode konventionell bis zu 4135 v. Chr. datiert (Cairn von Barnenez). Jedoch gibt es Dolmen, deren Bau man auf ~5800 v. Chr. taxiert, und Dolmen sind nicht nur freistehende Steintische aus tonnenschweren Felsplatten; Mancher Dolmen bildet die Steinkammer oder den -gang eines stehenden oder abgetragenen Cairns (Steingrabhügel) bzw. Tumulus (Erdgrabhügel). Mit dem Begriff Dolmen bezeichnet deshalb die französische Archäologie alle Gänge in Cairns, auch wenn diese in eine Kammer mit Kraggewölbe münden.

Dolmen besitzen nicht durchweg, wie freistehende Dolmen, Wände aus senkrecht gestellten Felsplatten. Oft wurden sie aus durchgehend mit Bruchsteinen trocken gesetzten Mauern gebaut, die sporadisch mit tragenden Felsplatten alternieren können. In diesem Fall bilden die Bruchsteinwände nur das Füllwerk. Aber auch Bruchsteinwände mit allein tragender Funktion sind häufig. Dabei beweist sich die ausgeklügelte Statik der Trockenmauerarchitektur schon am Beginn menschlicher Zvilisation, denn die Deckplatten aus massiven Fels wiegen jeweils über eine Tonne und das Vielfache.

Vergleich zu Stufenpyramiden

Französische Archäologen, die einen großen Teil der entsprechenden Forschungsarbeit geleistet haben, stellen die Frage, ob es sich bei Cairns nicht um west- und nordeuropäische Formen von Stufenpyramiden handelt. Die architektonischen Ähnlichkeiten zu Grabmonumenten der alten Hochkulturen sind offensichtlich. Nicht nur, dass sie meist durchgehend aus Stein bestehen, auch die Konstruktionsprinzipien von Cairns und Stufenpyramiden decken sich. Entgegen der Auffassung des Laien, die Stufen einer Pyramide seien horizontal aufeinander gesetzt, hat das stellenweise Abtragen der Bauwerke ein völlig anderes Bild ergeben. Um einen zentralen Turm, der durchaus die Form eines Obelisken gehabt haben konnte, wurden ringsum stufenweise niedriger werdende Stützmauern angebaut (Bild 1). Ebenso verfuhren die Cairnbauer Europas (Bild 2).


Vergleich der Cairn-Kraggewölbe mit etruskischen und mykenischen

Cairns können Grabkammern in Dolmenbauweise oder mit Kraggewölbe besitzen. Diese freitragende Kuppel aus überkragend gesetztem Bruchgestein aber weist auch das mykenische Tholos-Grab und der etruskische Tumulus auf (Bild 3, 4, 5). Vergleicht man die Grundrisse dieser chronologisch z. T. durch Jahrtausende getrennten Grabarchitekturen, erkennt man eine große Ähnlichkeit, die auf ein gemeinsames Vorbild schließen läßt.

Ein architektonisches Detail etruskischer und römischer Rundbauten sind die konzentrisch aufeinander folgenden runden Mauern zum Zentrum des Bauwerks hin. Man vermutet, dass sie jeweils zur Mitte hin höher werdende Stufen bildeten. Im Zentrum stand ein zentraler großer Pfeiler.

Auch beim Augustus-Mausoleum ist dieses architektonische Merkmal hervorstechend: Der große Stützpfeiler im Zentrum des Bauwerks. In ihm vermutet der Bauhistoriker Mark Johnson das Fundament für die große Augustus-Statue, die laut Strabo aus Bronze gewesen sein soll. Solche Stützpfeiler kommen aber auch in etruskischen Tumuli vor (Tomba della Montagnola/Quinto Fiorentino, Tomba von Casal Marittimo).

Da dort keine Stützfunktion für die Gewölbe der Grabkammern ersichtlich ist, wurde an eine kultische Bedeutung gedacht. Alternativ dazu die Idee, dass die Tumuli der Etrusker schon zu Beginn der baulichen Entwicklung mit großen Statuen bekrönt waren.

Auch die Tumuli der Kelten hatten eine steinerne oder hölzerne Statue des Bestatteten auf dem Grabhügel stehen


Interkontinentale Bauprinzipien

Es ergeben sich also interkontinentale Relationen, die zumindest auf Kulturkontakte schließen lassen. Allerdings irritieren die enorm großen Zeitdifferenzen. Nach dem gegenwärtig gültigen chronologischen Schema sind die Cairns um mehrere Jahrtausende älter als die Grabmonumente der alten Hochkulturen. Folglich muss man die Cairns Europas als die Archetypen ägyptischer Stufenpyramiden und evtl. auch mesopotamischer Zikkurats (Stufentempel) betrachten.

Ob sich an die gemeinsame Grabarchitektur auch gleiche oder ähnliche Glaubensvorstellungen knüpften, bleibt Forschungsgegenstand der damit befassten Fachschaften.

Eine Entwicklungslinie von europäischen Cairns zu ägyptischen Pyramiden ist aufgrund gemeinsamer Konstruktionsprinzipien wahrscheinlich, jedoch fehlen in Ägypten die typischen Cairns als Vorläuferbauten bzw. man hat sie bisher noch nicht als solche erkannt. Völlig unvermittelt tritt der Pyramidenbau gleich mit den monumentalsten Stufenpyramiden (Saqqara) ins Licht der Geschichte.

Nun könnten die in Deutschland entdeckten Cairns das „missing link“ liefern. Die Erforschung der seit 1990 entdeckten megalithischen Hälden, wohl das süddeutsche Pendant der norddeutschen Hünengräber, ergab, dass auch in Deutschland Bauwerke existieren, die nach den Bauprinzipien der Cairns errichtet wurden und aus Strebemauern aufgebaut sind (Bild 6).

In den Mittelgebirgsregionen Deutschlands wurden Cairns aber offenbar ausschließlich in die Hänge Landschaft überragender Berge hineingebaut. Das vermittelt den Eindruck, die Ruinen seien lediglich Halden stillgelegter alter Steinbrüche (Bild 7).

In Ägypten gibt es ebenso eine Vielzahl aufgelassener Steinbrüche, die dank der Untersuchungen des Ehepaar Klemm als uralte Pyramidensteinbrüche identifiziert wurden. Hier begegnen wir der Umwandlung von Steinbrüchen in Nekropolen. Nach der Ausbeutung wurden noch in pharaonischer Zeit waagrechte Grabstollen in die Felswände gehauen. Senkrechte Grabschächte führten zu Grablegen. Die Kopten verwandelten einige dieser Galeriesteinbrüche zu christlichen Kirchen.

In Dschabal as-Silsila, El Ramadi Gibla und Nag El-Hamam (Bild 8), 18 km nördlich Kom Ombo, jedoch finden wir links und rechts des Nil dieselben Einbauten wie in Deutschland. Auch dort die parallel aneinander gereihten langen Strukturen, die europäischen Langcairns verblüffend ähneln.

Der Geologe Klemm beschreibt diese angeblichen Schutthalden als „sorgfältig geschichtete Schuttmauern auf den Steinbruchwänden aufgesetzt“. Klemm berichtet zudem von einer „römischen Blockhalde“, wohl ein Cairn, der mit seinen großen Baublöcken noch mehr den Tumuli der Etrusker entspricht. Neben einem Felstempel des Haremhab, Scheingräbern und Stelen des Neuen Reiches beschreibt er auch eine Sphinx, die Wächterin des Totenreiches und damit das beste Indiz für eine Fels-Nekropole, der jedoch - bis jetzt - die Gräber fehlen. Es besteht somit eine große Wahrscheinlichkeit, dass die Halden diese Grabmonumente sind, also Hälden bzw. Cairns, welche noch ihrer genaueren Untersuchung durch Cairnologen warten.