Benutzer:Sipalius/RadOnk/NHL
Non-Hodgkin-Lymphom (Non-Hodgkin lymphoma)
Allgemeines
In der Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) werden zahlreiche Lymphome zusammengefasst. In zwei Hauptgruppen unterscheidet man
- Aggressive (synonym: hochmaligne) Lymphome mit hoher Wachstumsrate
- Indolente (reife; niedrigmaligne) Lymphome mit niedriger Wachstumsrate
Auszug aus der vereinfachten WHO-Klassifikation der Lymphome von 2016, hier beschränkt auf die Lymphome, bei denen eine strahlentherapeutische Behandlung eher eine Rolle spielt:
- Reifzellige B-Zell-Lymphome
- MALT-Lymphom
- Follikuläres Lymphom (FL)
- Diffus großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL)
- Reife/periphere T-Zell-Lymphome und neoplastisch NK-Zell-Erkrankungen
- Mycosis fungoides
- Hodgkin-Lymphom
Stadieneinteilung
primär nodaler Befall
- I: Befall einer LK-Region
- II 1: Befall zweier benachbarter LK-Regionen (oder einer LK-Region mit lokalisiertem Übergang auf benachbartes Organ (II 1 E)) auf einer Seite des Zwerchfells
- II 2: Befall zweier nicht benachbarter oder mehr als zwei LK-Regionen einschließlich lokalisierten Befalls eines extralymphatischen Organs (II 2 E) auf einer Seite des Zwerchfells
- III: Befall von LK-Regionen beiderseits des Zwerchfells einschließlich lokalisierten Befalls eines extralymphatischen Organs (III E) oder der Milz (III S)
- IV: LK-Befall mit diffusem oder disseminiertem Befall extralymphatischer Organe
primär extranodaler Befall
- I E: lokalisierter Befall eines extralymphatischen Organs oder Gewebes
- II 1 E: lokalisierter Befall eines extralymphatischen Organs und regionärer LK oder mehrerer extralymphatischer Organe auf einer Seite des Zwerchfells
- II 2 E: lokalisierter Befall eines extralymphatischen Organs und LK-Befall über die regionären LK hinaus oder mehrere lokalisierte Organbefälle auf einer Seite des Zwerchfells
- III E: lokalisierter Befall eines extralymphatischen Organs und LK-Befall oder zweier extralymphatischer Organe beidseits des Zwerchfells (bei Milzbefall III SE)
- IV: Diffuser oder disseminierter Organbefall mit oder ohne LK-Befall
B-Symptomatik
Der Zusatz A oder B in der Ann-Arbor-Klassifikation erzeugte den Ausdruck „B-Symptomatik“; eine sogenannte B-Symptomatik liegt vor, wenn mindestens einer der folgenden Punkte zutrifft:
- (unbeabsichtigter) Gewichtsverlust (mehr als 10 % in den letzten 6 Monaten)
- Fieber > 38° Celsius
- Nachtschweiß, der einen Wechsel der Nachtwäsche nötig macht
Klinik
Symptome
- Leitsymptome: schmerzlose, oft tastbare, oft über lange Zeit zunehmende LK-Schwellungen
- bei aggressiven Lymphomen schnelle AZ-Verschlechterung
- bei extranodalem Befall vielfältige Symptomatik
- oft Gewichtsabnahme, Abgeschlagenheit, Juckreiz, manchmal Fieber
Diagnostik
- Goldstandard: LK-Exzision mit immunhistologischer und molekulargenetischer Aufarbeitung; seltener Organbiopsien
- Stanzbiopsie eines LK nur, wenn Exzision nicht möglich; Feinnadelbiopsie/Aspirationszytologie in der Regel unzureichend
- Untersuchung: LK-Palpation; HNO-Untersuchung
- Labor: großes Blutbild, LDH, Harnsäure, Immunglobuline, Hepatitis-Serologie, HIV-Serologie
- Bildgebung: statt Röntgen besser gleich CT Thorax/Abdomen, US Hals und Abdomen, ggfs. cMRT, ggfs. Skelettszintigraphie; nach Abschluss Therapie oft PET/CT (könnte man auch initial machen)
- Invasive Untersuchungen: Knochenmarkpunktion, ggfs. Liquorzytologie, ggfs. ÖGD/Koloskopie
Therapie
- individuell nach Histologie, genetischen Risikofaktoren, Ausbreitung, Alter, Nebenerkrankungen im Tumorboard besprechen
- Behandlung in Zentren empfohlen
Diffus großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL)
Allgemeines
Klassifikation
Klinik
Therapie
Nachsorge
Externe Links
Studien
Follikuläres Lymphom (FL), Follicular lymphoma
Allgemeines
- in den Industrieländern nach dem DLBCL häufigstes malignes Lymphom
- häufigstes indolentes Lymphom
- Inzidenz: etwa 4 pro 100.000 pro Jahr, zunehmend
- Erkrankung vor allem des höheren Lebensalters, Erstdiagnose meist im Alter > 60 a
- individuell sehr heterogene Klinik und stark variierende Prognose
Klassifikation
Zentroblasten
- Nach Anteil der Zentroblasten: Grad 1: 0-5 %, Grad 2: 6-15 %, Grad 3a > 15 %, Grad 3b: lokal bis 100 %.
- Grad 1, 2, 3a sind die häufigesten indolenten Lymphome. Grad 3b wird als aggressives Lymphom behandelt.
Follicular Lymphoma International Prognostic Index (FLIPI)
- jeweils einen Punkt gibt es für: Alter > 60 a, LDH erhöht, Ann-Arbor-Stadium III oder IV, nodaler Befall an mehr als 4 Stellen, Hämoglobin < 12 g/dl. Punkte aufsummieren.
- Aus der Summe ergeben sich Risikogruppen und 5- und 10-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeiten:
- 0-1 Punkte: niedriges Risiko, 5-Jahres-Überleben 91 %, 10-Jahres-Überleben 71 %
- 2 Punkte: intermediäres Risiko, 5-Jahres-Überleben 78 %, 10-Jahres-Überleben 51 %
- 3-5 Punkte: hohes Risiko, 5-Jahres-Überleben 52 %, 10-Jahres-Überleben 36 %
Ann-Arbor-Klassifikation
E: extranodaler Befall
- Stadium I: Befall einer LK-Region. E: eine einzige extralymphatische Manifestation ohne LK-Befall
- Stadium II: Befall zweier oder mehr LK-Regionen einerseits des Zwerchfells. E: extralymphatische Manifestation und Befall eines oder mehr LK-Regionen einerseits des Zwerchfells
- Stadium III: Befall von LK-Regionen beiderseits des Zwerchfells. E: extralymphatische Manifestation mit LK-Befall beiderseits des Zwerchfells
- Stadium IV: diffuse extralymphatische Beteiligung. Leberbefall gilt immer als diffuser Befall.
Klinik
Symptome
- oft nur langsam progredient, daher sind viele Patienten vor allem in frühen Stadien asymptomatisch
- Hauptsymptom: Schmerzlose LK-Schwellung zervikal, axillär, abdominal, seltener inguinal
- Weitere Symptome: Abgeschlagenheit (etwa 40 % der Patienten), Müdigkeit (etwa 1/3 der Patienten)
- weniger als 1/4 der Patienten haben „B-Symptomatik“, dann am ehesten Nachschweiß, selten Gewichtsverlust, nur etwa jeder 12. Patient Fieber
Diagnostik
- Lange anhaltende und/oder progrediente schmerzlose LK-Schwellungen per LK-Exzision (Stanzbiopsie unterlegen) abklären.
- Immunhistochemie: CD20, CD79a; CD10, BCL6; Malignitätskriterien. Referenzpathologe für Lymphome hinzuziehen!
- Körperliche Untersuchung, Knochenmarkbiopsie, CT, ggfs. MRT, falls dadurch kein Hinweis auf Stadium III oder IV PET/CT zur zielgerichteten Bestrahlung (PET/CT nicht Gegenstand des Leistungskatalogs der Krankenkassen)
Therapie
Die Therapie richtet sich nach den Stadien sowie der klinischen Symptomatik
Frühe Stadien (Stadium I/II)
- Strahlentherapie allein ist wirksam, allerdings oft mit Rezidiven außerhalb des Bestrahlungsbereichs verbunden.
- Kombination Bestrahlung mit Systemtherapie (Chemotherapie oder Antikörpertherapie) beseitigt diesen Nachteil, davon hat die Antikörpertherapie die geringere Toxizität.
- Potenziell kurative Therapie: Rituximab (Off-Label-Use!) und Involved-Field-Bestrahlung (24-30 Gy, bei Herfarth et al. 2018: 30-40 Gy)
- Therapie nach MIR-Protokoll: 4 Zyklen Rituximab weekly, dann in 7. Woche Restaging und Planungs-CT, dann ab 9. Woche IF-Bestrahlung und bis 12. Woche 4 weitere Zyklen Rituximab weekly. Bestrahlung mit 30 Gy in jedem Falle, Boost bis 40 Gy falls im Restaging noch Lymphom vorhanden war.
- Möglich ist auch eine palliative Therapie mit 2 x 2 Gy Involved-Field-Bestrahlung. Diese kann bei Bedarf wiederholt werden.
Fortgeschrittene Stadien (Stadium III/IV)
- keine kurative Therapie
- Therapieziele: Symptomlinderung, Verlängerung von PFS und OS
- Therapiebeginn von Symptomatik und Tumorlast abhängig
- Kriterien der GELF (Groupe d'Etudes des Lymphomes Folliculaires), fehlen dieser Symptome bedeutet niedrige Tumorlast:
- B-Symptome
- Anämie mit Hb < 10 g/dl und/oder Thrombozytopenie < 100/nl
- sehr große LK-Konglomerate (> 7 cm im größten Durchmesser, sog. „bulky disease“)
- rasche Progredienz der LK
- lymphombedingtes Kompressionssyndrom
- lymphombedingter Pleuraerguss oder Aszites
Therapie bei niedriger Tumorlast und fehlender klinischer Symptomatik
- Watch and wait
- Therapie nur im Rahmen von Studien
Therapie bei hoher Tumorlast oder klinischer Symptomatik
- Therapie mit Anti-CD20-AK und Chemotherapie
- Chemotherapie:
- Bendamustin (Off-Label-Use): langanhaltende Immunsuppression, Prophylaxe gegen Pneumocystis jirovecii
- CHOP (Cyclophosphamid, Hydroxydaunorubicin, Prednison): höhere Akuttoxizität mit Neutropenie, evtl. neutropenem Fieber
- Anti-CD20-AK:
- Rituximab
- Obinutuzumab: nach aktueller Studienlage im PFS dezent besser als Rituxumab bei identischem OS
- Anschließende Erhaltungstherapie (2 Jahre lang alle 2 Monate) mit Anti-CD20-AK verbessert PFS, nicht aber OS
Therapie im Rezidiv
In Stadien III und IV keine kurative Therapie, daher ist mit Rezidiven zu rechnen.
- Bei Rezidiv erneute LK-Exzision: Transformation in ein hochmalignes Lymphom?
- Weiteres Procedere wie bei der Primärtherapie
- Nach mindestens zwei Jahren kann dieselbe Chemoimmuntherapie erneut eingesetzt werden.
- Bei Refraktärität Austausch des Antikörpers: Rituximab vs. Obinutuzumab
- Bei Progress oder Rezidiv innerhalb weniger als zwei Jahren bei geeigneten (in der Regel jüngeren) Patienten Hochdosistherapie mit nachfolgend autologer Stammzelltransplantation.
- Bei fortgeschrittenem Rezidiv und älterem Patient: Monotherapie mit Rituximab oder Idelalisib (3rd line) erwägen
Ausblick
- Zahlreiche neue Medikamente (Lenalidomid, Copanlisib, Venetoclax u. a.) in klinischen Studien. Womöglich bald chemotherapiefreie Therapie mit guter Effektivität und geringen Nebenwirkungen.
Nachsorge
- Ziel: Rezidive frühzeitig erkennen
- Nachsorge alle 3 Monate, ab dem dritten Jahr alle 6 Monate: CT, ggfs. PET/CT
- Asymptomatische Patienten: außerhalb von Studien nach zwei Jahren ohne Progress keine Bildgebung mehr
- Potentielle Langzeitfolge: Sekundärmalignom durch Therapie, daher Krebsfrüherkennung nutzen
Externe Links
- onkologie.eu
- AWMF-Leitlinie Follikuläres Lymphom
- Onkopedia-Leitlinie Follikuläres Lymphom
- Übersichtsarbeit aus dem Deutschen Ärzteblatt 2021
- ESMO-Leitlinie (2013): DLBCL, FL, CLL
Studien
Hoskin et al. 2014
Vergleich 2 x 2 Gy (4 Gy) mit 12 x 2 Gy (24 Gy). FL oder Marginalzonen-Lymphom. Fazit: 24 Gy ist effektiver und sollte der Standard bleiben. 4 Gy ist eine sinnvolle Alternative als palliative Therapiemöglichkeit.
Herfarth et al. 2018
MIR = MabThera and Involved field Radiotherapy. Prospektive, einarmige Multicenter-Studie. Getestet wurden Effektivität und Sicherheit einer Kombination von Involved-Field-Bestrahlung mit Rituximab in frühen Stadie des FL. 8 Zyklen Rituximab (375 mg/m²), IF-Bestrahlung mit 30/40 Gy (immer 30 Gy, Boost bis 40 Gy nur, wenn nach den initialen 4 Zyklen Rituximab noch Lymphom vorhanden war). Effektivität ähnlich einer aggressiveren Therapie.
Marginalzonen-Lymphom (MZL, deWP hat nur MALT-Lymphom), Marginal zone B-cell lymphoma
Allgemeines
- MZL stellen etwa 10 % aller NHL.
- Ätiologie: bei einigen MZL Zusammenhang zu Infektion (Magen: Helicobacter pylori, Milz: HCV) oder Autoimmunkrankheiten (Speichel- und Tränendrüsen: Sjögren-Syndrom)
Klassifikation
Nach WHO drei Subtypen von MZL:
- Extranodales MZL des mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebes (MALT), 8 % aller Lymphome
- Splenisches MZL, 2 % aller Lymphome
- Nodales MZL (ein reifzelliges, indolentes B-Zell-NHL, oft Ausschluss-Diagnose), < 2 % aller Lymphome, Therapie ähnlich der des follikulären Lymphoms
Die folgenden Ausführungen gelten am ehesten für das extranodale MZL (MALT-Lymphom), das häufigste MZL.
Klinik
- MALT: Uncharakteristische Magen-/Oberbauch-/abdominelle Beschwerden, die auch eine Gastritis oder ein Ulkus verursachen könnte.
- Splenisches MZL: Splenomegalie, seltener symptomatische (Infekte) Zytopenie
- Bei der Mehrzahl der Patienten liegt bei Erstdiagnose ein Stadium I oder II 1 vor.
Diagnostik
- ÖGD mit Biopsien bis Duodenum. Der Helicobacter pylori wird an unauffälliger Schleimhaut nachgewiesen.
- Endosonographie: Beurteilung der Infiltrationstiefe und lokoregionärer LK (besser als CT)
- Koloskopie mit Biopsien bis Ileum: Es gibt bisweilen einen Befall mehrerer Teile des Gastrointestinaltrakts.
Therapie
Extranodales MZL des Magens (MALT-Lymphom)
- H.p.-Eradikation grundsätzlich als erste Maßnahme bei H.p.-Positivität. Führt in der Mehrzahl der Fälle des Stadium I zur Remission. Eradikation ex iuvantibus auch bei negativem H.p.-Nachweis. Bei Fortschreiten der Erkrankung oder nach 12 Monaten ohne Remission folgt die Strahlentherapie.
- Strahlentherapie: Im Stadium I und II involved-field-RT mit 24-30 Gy a 2 Gy bei indolenten Lymphomen; auch bei aggressiven Lymphomen RT (hier zusätzlich zu 6 x R-CHOP). Keine RT in Stadien III und IV indolenter MZL des Magens, da Nutzen nicht belegt ist; hier Systemtherapie wie beim follikulären Lymphom im fortgeschrittenen Stadium.
- Chemotherapie: Bei aggressiven Magenlymphomen Stadium I/II R-CHOP + IF-RT 24-30 Gy, Stadium III/IV R-CHOP-14 ohne RT
- Operation: nur im Notfall bei Perforation oder Blutung.
Splenisches MZL
Therapieindikation bei störender Splenomegalie, deutlicher Panzytopenie oder B-Symptomatik
- Bei HCV-positivem MZL zunächst antivirale Therapie
- Rituximab mono weekly 4 x, nur bei schlechtem Ansprechen noch 4 x in Kombination mit Bendamustin
- Operation: Das splenische MZL wird operiert.
Nodales MZL
Therapie analog dem follikulären Lymphom, allerdings ohne Obinutuzumab-Gabe
Nachsorge
- Da bei Magenlymphomen zumeist Lokalrezidive auftreten, alle 3 Monate ÖGD für 2 Jahre., danach ggfs. alle 6 Monate für 3 Jahren.
Externe Links
- www.onkologie2021.eu: Marginalzonenlymphom
- Onkopedia-Leitlinie: Extranodales Marginalzonen-Lymphom (MALT-Lymphom)
- Onkopedia-Leitlinie: Nodales Marginalzonen-Lymphom
- ESMO: Clinical Practice Guideline - Marginal Zone Lymphomas
- NCCN: B-Cell Lymphomas