Benutzer:Solon de Gordion/Stadtrat Hamm

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1226 - 1609: Grafen von der Mark

Ursprünge, Wahl und Aufgaben des Stadtrats

Ursprünge

Es lässt sich heute nicht mehr genau bestimmen, wann genau in Hamm Bürgermeister und Stadtrat als Organe der städtischen Selbstverwaltung etabliert worden sind. Da die Verleihung des Stadtrechts die Notwendigkeit umfangreicher Verwaltungstätigkeit mit sich bringt, ist davon auszugehen, dass die Stadt bereits seit dem Jahr ihrer Gründung, 1226, über einen Stadtrat verfügte. Urkundlich belegt ist die Existenz des Rates, des Bürgermeisters und der Schöffen allerdings erst für das Jahr 1263[1].

Hamm wurde am 4. März des Jahres 1226 gegründet. Das Hammer Stadtrecht basiert auf dem Lippstädter Stadtrecht, in dessen Artikel 1 sich eine Bezugnahme auf das Soester Recht findet. Dieser erste Artikel stellt klar: "Sie" [die Stadtbewohner] "besitzen von vornherein eine freie Stadt; alsdann wählen sie sich das Recht der Soester, wenn sie nicht irgendetwas besseres und freieres sich überlegen oder ausfindig machen." Der Gründer der Stadt und Stadtherr, Graf Adolf I. von der Mark, stellte somit klar, dass die Bürger der Stadt nicht seine Leibeigenen waren und zeigte seine Bereitschaft, seine Macht mit ihnen zu teilen. Zu diesem Zweck gewährte er ihnen das Recht, die für die Regelung ihrer Angelegenheiten geltende Rechtsordnung selbst zu bestimmen. Hamm sollte ein umfangreiches Selbstverwaltungsrecht zukommen, normiert vor allem in Artikel 2 des Stadtrechts, der Ratsherren und Bürgermeister als Organe der städtischen Selbstverwaltung vorsieht.

Dies war auch im feudal geprägten Heiligen Römischen Reich des 13. Jahrhunderts kein ungewöhnlicher Vorgang. Er war vielmehr einer Entwicklung geschuldet, die schon im 11. Jahrhundert eingesetzt hatte. Das Bürgertum der Städte war wirtschaftlich erstarkt und hatte sich von der völligen Beherrschung durch einen Herrn und den damit verbundene drückenden Lasten zumindest teilweise befreit. Obwohl es Hamm niemals in den Rang einer Freien Reichsstadt brachte, musste Graf Adolf der Stadt bei ihrer Gründung doch die rechtliche Selbstbestimmung zugestehen, die bis zum 13. Jahrhundert allgemein üblich geworden war[2].

Wahl

Deshalb ist davon auszugehen, dass Rat und Bürgermeister von Anfang an von den Bürgern gewählt worden sind. Das Privileg der freien Ratswahl wurde den Bürgern der Stadt Hamm hingegen erst 1376 verliehen. Die gewählten Bürgermeister und Ratherren mussten deshalb, wie das Ratswahlprivileg vom 18. Juni 1876 deutlich zum Ausdruck bringt, durch den Stadt- bzw. Landesherren eingesetzt respektive bestätigt werden[3]. Vor diesem Hintergrund erschien der Bürgermeister, obwohl gewählt, wie ein Beauftragter, der die Interessen des Rates der Stadt Hamm und damit vor allem landesherrliche Interessen wahrnehmen sollte.[4]

Am 18. Juli 1376 erwarb die Stadt Hamm dann für 400 Mark von Graf Engelbert III. von der Mark das Privileg der freien Ratswahl. Dass Hamm erst 150 Jahre nach seiner Gründung in den Genuss dieses Privilegs gekommen ist, zeigt, dass das in wilder Wurzel[5] gegründete Hamm, dessen ursprüngliche Bevölkerung sich aus den Bürgern des geschleiften Nienbrügge rekrutierte, nach einer Zeit offensichtlicher Armut erst in diesen Jahren zu wirtschaftlicher Blüte gelangt ist. Der Erwerb derartiger Privilegien war im Mittelalter in aller Regel an die Zahlung einer größeren Geldsumme gebunden.

Bereits in Nienbrügge dürfte die Bürgerschaft in bestimmte Stände eingeteilt gewesen sein, eine Ständeordnung, die in der neuen Stadt aufrecht erhalten wurde. Eine grobe Einteilung sieht wie folgt aus:

- die wirtschaftlich stärkste Schicht der Bevölkerung, sogenannte "Erbgenossen", die über erbliches Vermögen, vor allem Grundbesitz, verfügten. Dazu gehörten bestimmte Ackerbauer, in der Stadt ansässige Ritter und sonstige Adlige, dann alle reichen Bürger, die Vermögen ererbt und/oder weiterzuvererben hatten.

- die Handwerker und ihre Bruderschaften (nach Verleihung des Zunftrechts Zünfte genannt).

- größere Kaufleute.

Das Bürgerrecht wurde nur demjenigen zugestanden, der den Bürgereid geleistet und das Bürgergeld (1674: 8 Reichstaler) gezahlt hatte. Als neue Bürger kamen in Hamm die Minsterialen (Adligen) im Dienst des Grafen von der Mark hinzu. Diese waren entweder Vollbürger mit Wohnsitz in der Stadt oder sogenannte Ausbürger, die zwar außerhalb der Stadt wohnten, ihr aber Treue geschworen hatten und somit unter ihrem Schutz standen.

  • Einwohner ohne Bürgerrecht

Andere Bewohner der Stadt waren vom Bürgerrecht ausgeschlossen. Diejenigen, die keine Bürger waren, zählten lediglich als Einwohner (im Mittelalter auch: "Eingesessene"). Hierzu zählten Tagelöhner, Handwerksgesellen und Gesinde wie Knechte und Mägde. Ihr Anteil an der Stadtbevölkerung wird von Overmann auf 1/5 bis 1/4 geschätzt. Zwischen dem 18. und dem 19. Jahrhundert dürfte ihr Anteil als Folge der Industrialisierung stark angestiegen sein. Die Einwohner sind in mancher Hinsicht mit den Schutzverwandten des späteren Preußischen Allgemeinen Landrechts, der Städteverordnung von 1808 und der Revidierten Städteordnung von 1831 zu vergleichen, denen ebenfalls das volle Bürgerrecht vorenthalten wurde. Nur wer das Bürgerrecht hatte und damit zur sogenannten "Gemeinheit" gehörte, war zur Teilnahme an der Ratswahl berechtigt. Bewohner der Stadt, die nicht zur "Gemeinheit" gehörten, hatten keinen Einfluss auf die Ratsgeschäfte.[6][7]

Es wurde vereinbart, dass die Wahl jährlich am 22. Februar, also auf Cathedra Petri, oder innerhalb von acht Tagen vor- bzw. nachher stattfinden sollte. Die Ratsmitglieder wurden in indirekter Wahl gewählt. Dazu traten die stimmberechtigten Bürger der Stadt einmal jährlich in den vier Stadtbezirken, den sogenannten "Hoven" (Nord-, Ost-, Süd- und Westhoven), zusammen und wählten je zwei Kandidaten. Die acht auf diese Weise bestimmten Kandidaten nannte man die "Kurherren". Ihre Aufgabe bestand darin, die Ratsmitglieder zu wählen.

Bis 1464 dürften überwiegend Kurherren aus dem Stand der Erbgenossen gewählt worden sein. Erst im Jahre 1464 wurde bestimmt, dass vier Kurherren aus der Reihe der Erbgenossen und vier aus den geschworenen Ämtern gewählt werden sollten, also den zur politischen Mitbestimmung zugelassenen und entsprechend vereidigten Zünften. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts setzten die Kleinhandwerker-Zünfte eine Erhöhung ihres Anteils am Kurherrenkollegium auf drei Viertel (sechs Stimmen) durch.[8][9][10]

Die Kurherren wählten jeweils Ratsherren ihres Standes. Sie bestimmten auch die Inhaber der Verwaltungsämter des Rates. Anfangs war dies nur der magister burgensium, der Bürgermeister, später auch weitere Magistratsmitglieder. Die Mitglieder des Rates durften nicht mit den Richtleuten der Zünfte und der Erbgenossen oder den als Verbindungsmänner des Rates zur Bürgerschaft tätigen Worthaltern eng verwandt oder auch verschwägert sein.[11]

War der Rat gewählt, hatte der Landesherr das Recht, zwei bei der jährlichen Ratswahl gewählte Kandidaten für unwürdig zu erklären und an ihre Stelle zwei andere zu setzen. Dieses ius reformandi genannte Recht übte der Landesherr in aller Regel durch seinen Stellvertreter aus, den Amtsmann des Amtes Hamm. Um die Ausübung dieses Rechts zu begrenzen, präsentierte die Stadt dem Amtsmann die Namen der Gewählten auf einer Tafel; wenn er wollte, konnte er zwei der Gewählten streichen und durch zwei andere ersetzen. Allerdings wurden ihm zeitgleich mit der Tafel zwei Goldgulden hingehalten. Verzichtete er auf die Ausübung seines Rechts, konnte er die zwei Goldgulden behalten, tauschte er einen Ratsherrn oder Bürgermeister aus, nur einen. Wenn er sich entschloss, zwei Ratsherrn oder einen Ratsherrn und einen Bürgermeister auszutauschen, wurde das Geld wieder eingezogen. Der Amtsmann hatte nicht das Recht, beide Bürgermeister zu ersetzen.[12][13] Erst am 13. November 1419 versprach Graf Gerhard von der Mark zu Hamm, der seinem Bruder, Herzog Adolf IV. von Kleve-Mark die Herrschaft über die Grafschaft Mark in einer langen, kriegerischen Auseinandersetzung abgetrotzt hatte, den Bürgern der Stadt Hamm, den gewählten Rat unverändert zu lassen. Doch währte dieser Zustand nur bis zum Jahr 1462, da Gerhards Nachfolger, Herzog Johann I. von Kleve-Mark, nach Gerhards Tod und dem Rückfall der Mark an Kleve davon Abstand nahm, dieses Privileg zu bestätigen und die durch Graf Gerhard erklärten Rechte in Einigung mit der Stadt als nur zu dessen Lebzeiten gültig erklärte.[14]

An die Ratswahl schlos sich die sogenannte "Ratszeche" in der Ratskammer an, die Zeche der Kurherren in einem Gasthaus und ein Geschenk von einer Tonne Bier an jede Zunft. Die jährliche Ratswahl ist also wohl als allgemeines Volksfest gefeiert worden.[15]

Organisation

Es ist nicht überliefert, wie die Verwaltungsaufgaben des Rates in den ersten Jahrhunderten auf dessen einzelne Mitglieder verteilt waren. Allerdings lassen sich aus dem Gründungsprivileg und aus den Urkunden anderer märkischer Städte entsprechende Rückschlüsse ziehen.

Im Mittelalter werden in den Urkunden Bürgermeister, Rat und Gemeinheit als Repräsentaten der Bürgerschaft benannt, seit dem 16. Jahrhundert Bürgermeister, Räte (der sitzende und der alte), Worthalter, Erbgenossen, Richtleute und die ganze Gemeinheit. Aufgrund der zahlenmäßigen Begrenztheit der Bürgerschaft der Stadt war diese gemeinsame Repräsentanz der Stadt durchaus funktionstüchtig. Hamm hatte damals etwa 2.500 Einwohner. Auf jeden Bürger kamen durchschnittlich fünf bis sieben andere Einwohner (Frauen, Kinder, Gesinde, Gesellen, Tagelöhner). Somit gehörten höchstens fünfhundert Menschen zur gesamten Gemeinheit, der Bürgerschaft. Diese waren in ständische Interessensgruppen und nach Hoven geordnet.[16]

Bürgermeister

Der Bürgermeister war der Ratsvorsitzende und somit mit den wichtigsten Selbstverwaltungsaufgaben betraut. Er vertrat als erster Repräsentant die Stadt nach außen, etwa gegenüber dem Stadtherrn, anderern märkischen Städten und der märkischen Ritterschaft. Außerdem übte er die städtische Gerichtsbarkeit aus und ermittelte für das Gericht des Stadt- bzw. Landesherrn. Für das Amt des Bürgermeisters finden sich verschiedene lateinische Bezeichnungen, nacheinander 'magister burgensium, rector consulum, magister consulum, magister civium und seit 1314 proconsul. Für das Jahr 1370 sind zum erstenmal zwei Bürgermeister belegt.

Kämmerer und Fisci-Meister

Seit 1519 sind zwei "cameraii" (Kämmerer) und seit 1665 zwei Fisci-Meister (Finanzbeamte und Ankläger im Stadtgericht) in den Urkunden genannt.

Magistrat

Spätestens im Laufe des 16. Jahrhunderts löste sich aus dem Stadtrat von Hamm ein geschäftsführender Teil heraus, der sogenannte Magistrat. Er bestand zunächst aus den zwei Bürgermeistern und vier Ratsmitgliedern, wurde dann aber später um die beiden Kämmerer und die beiden Fiscimeister ergänzt.

Richtleute

Als Vertreter der Bürgerschaft standen dem Rat die Gesamtheit der Erbgenossen und die sogenannten "Richtleute" derjenigen Zünfte gegenüber, die eine Zulassung als geschworenes Amt hatten. Die Zünfte erhielten ihre Zunftordnung und die Zulassung als geschworenes Amt durch den Rat. In klevisch-märkischer Zeit waren nur vier der Zünfte zur politischen Vertretung der Bürgerschaft berufen und daher vereidigt. Es handelt sich um die geschworenen Ämter der Bäcker, Fleischhauer, Schmiede und Wüllner (Wollweber/Wandschneider, also Tuchhändler). Die anderen Zünfte gehörten in klevisch-märkischer Zeit nicht zu den geschworenen Ämtern. Darunter waren Schuhmacher, Schneider, Höker, Kramer und Leineweber. Erst in preußischer Zeit wurde die Zahl der geschworenen Ämter auf sechs erhöht. Die Richtleute waren ursprünglich die Vorsteher der genannten vier wichtigsten Zünfte. Je zwei Vorsteher pro Zunft wurden von den Zunftmitgliedern jährlich neu gewählt und vom Rat bestätigt und vereidigt. Sie vertraten die Zunft nach außen und leiteten sie in allen internen Angelegenheiten.

Mitglieder der Zunft waren dabei nur die Meister. Schriftliche Quellen aus späterer Zeit benennen strenge Aufnahmeregeln: Wer einer Zunft beitreten wollte, musste ein ehelicher Sohn chrsitlicher, ehrbarer Eltern sein, drei Lehr- und drei Gesellenjahre "treulichen und fleißigen Dienstes" nachweisen, Bürger der Stadt Hamm sein und ein untadliges Meisterstück geliefert haben. Die Zahl der künftigen Meister war beschränkt, um jedem Meister sein Auskommen zu ermöglichen. Aus diesem Grunde durfte von den Meisterkindern nur eines heiraten und das Handwerk des Vater fortführen. Die Zunft bestimmte auch die Menge der Gesellen und Lehrlinge. Auf diese Weise sollte der Wettbewerb in Grenzen gehalten werden, damit jedem seine "bürgerliche Nahrung" gesichert blieb.

Spätestens ab 1590 wurden auch die Erbgenossen durch zwei Richtleute vertreten. Wie Rat und Magistrat zählten auch die Richtleute zu den Organen der Stadt. Parallel zum anwachsenden Einfluss der Zünfte auf die Stadtverwaltung erlangte das Amt der Richtleute nach und nach auch offizielle politische Bedeutung. Im 17. Jahrhundert war ihr Einfluss in der Stadt so groß geworden, dass die Stadt ohne sie quasi handlungsunfähig war. Die Richtleute spielten zu dieser Zeit bereits die Rolle eines Quasi-Parlaments gegenüber der Stadtverwaltung. Sie überwachten die Einnahmen und Ausgaben der Stadt. In späterer Zeit bedurften Grundstücksverkäufe der Stadt hrer Zustimmung und städtische Schuldscheine ihrer Unterschrift.

Worthalter

Rat und Magistrat blieben im Grundsatz der sogenannten "Gemeinheit" (Gesamtheit der Bewohner mit Bürgerrecht) verantwortlich. Mindestens einmal jährlich fand sich die Gemeinheit zur "Morgensprache" zusammen, in der der Rat der Bevölkerung über die städtischen Angelegenheiten Bericht erstattete und die Bürger Gelegenheit erhielten, Wünsche und Vorschläge vorzubringen. Um die politische Führung der Bürgerschaft nicht nur den Richtleuten als Interessenvertretern bestimmter Stände zu überlassen, ging der Rat schließlich dazu über, zwei sogenante "Worthalter" (ursprüngliche Bedeutung: Halter, also Besitzer eines Wortes, also eines Grundstücks) als Verbindungsmänner zur Bürgerschaft und deren Sprecher zu wählen. Die Worthalter waren zunächst beide Erbgenossen. Seit 1464 war einer von ihnen ein Erbgenosse und einer ein Zunftgenosse. Dieses Vorgehen hatte für den Rat auch den Vorteil, sich nicht unmittelbar mit den Angelegenheiten jedes einzelnen Bürger auseinandersetzen zu müssen. Die Worthalter waren die Ansprechpartner der Bürger und trugen nur wichtige Angelegenheiten und Beschwerden in geraffter Form an den Rat weiter. Darüber hinaus hielten sie Verbindung mit den Richtleuten der Erbgenossen und der Zünfte und wirkten in den Morgensprachen der Gemeinheit mit. Im Laufe der Zeit ging das Kontrollrecht über Rat und Magistrat von der Gemeinheit als solcher stellvertrtend auf die beiden Worthalter über. Auf diese Weise gelangten die eigentlichen politischen Geschäfte mehr und mehr in ihre Hände.[17][18]

Stadtschreiber

Das Amt des Stadtschreibers war nicht mit Ratsmitgliedern besetzt, ebensowenig wie das seit Anfang des 15. Jahrhunderts installierte Amt der Viererkommission zur Leitung der städtischen Finanzen, in das jeder der Hoven einen Vertreter entsandte.

Alle Ämter unterlagen dem jährlichen Wechsel, ausgenommen das des Stadtschreibers, der ein gelehrter Mann sein musste.

Sonstige Ämter

Im 16. Jahrhundert traten neben dem Rat eine Reihe anderer Verwaltungsfunktionäre in Erscheinung. Dazu zählen die vier Landherrn zur Aufsicht über die städtische Almende, die Akzise- bzw. Gademherren (Gadem bezeichnet das Zollhäuschen am Stadttor), die Sterbherren zur Einziehung des Zehnten von jeder nach auswärts gehenden Erbschaft (sog. Abschoss), die beiden Weinherren als Aufseher über den städtischen Weinhandel (Weinzapf) und die Wegeherren, denen die Instandhaltung der Wege und Flussläufe oblag. Desweiteren fanden sich Marktmeister und eigene Stadtdiener für Botengänge, Vorführungen und Vollstreckungen, Buten- und Binnenwächter an den Toren, die Türmer für die Tagwacht und nachts für jeden Hoven einen Nachtwächter. Der Abdecker war zugleich auch der Scharfrichter; der Richtort lag außerhalb der Stadt am heutigen Karlsplatz, ein Richtschwert aus dieser Zeit ist noch heute im Städtischen Gustav-Lübcke-Museum zu finden.

Urkundliche Erwähnung finden diese Ämter überwiegend erst in brandenburgisch-preußischer Zeit, doch haben sie mit Sicherheit gemäß den Bedürfnissen einer geordneten Verwaltung schon in den vorausgehenden Jahrhunderten bestanden.[19][20].

Privilegien als Grundlage der Selbstverwaltung Hamms durch den Stadtrat

Jahrhundertelang war die Stadt Hamm, ebenso wie die anderen Städte im Herzogtum Kleve und der Grafschaft Mark, dem Staatsverband nur äußerlich eingefügt.. Es gab überall eine auf Privilegien beruhende weitgehende Selbstverwaltung (in Hamm ausgeübt durch Bürgermeister und Stadtrat). Diese ermöglichte den Städten eine starke Selbstständigkeit[21]. (Zu den einzelnen Privilegien siehe: Hammer Stadtrecht#Privilegien).

Die Privilegien – und damit das Selbstverwaltungsrecht der Stadt und des Stadtrats – wurden bei jedem Regentenwechsel durch den neuen Landesherrn bestätigt.[22]

Als Folge der Reformation (ab 1517) und des Bauernkrieges (1524-1526), in deren Verlauf sich das Volk gegen die herrschende Klasse aufgelehnt hatte, verdichteten sich im 16. Jahrhundert absolutistische Herrschaftsbestrebungen des Adels. Parallel schwächte das aufkommende Wirtschaftssystem des Merkantilismus die wirtschaftliche Bedeutung der Städte. Herzog Johann von Kleve, Mark und Ravensberg nutzte um 1530 einen Streit zwischen Bäckern und Leinewebern als Vorwand, der Stadt Hamm das Privileg der freien Ratswahl zu nehmen. Zu dieser Zeit war es den Kleinhandwerkern gelungen, ihren Anteil am Kurherrenkollegium auf drei Viertel (also sechs Stimmen) zu erhöhen. Die Bäckerzunft stellte Bürgermeister und Ratsherren. Die Leineweber und ihre Meister, deren Handwerk als unehrlich galt, obwohl sie maßgeblich am Wohlstand der Stadt beteiligt waren, hatten weder Sitz noch Stimme im Rathaus. Nach einer Schlägerei der Weberknechte mit den Bäckerburschen machte der Leineweberoberzunftmeister in dieser Angelegenheit eine Eingabe an den Landesherren. Dieser nutze den Vorwand, befand die Stadt des Privilegs der freien Ratswahl für unwürdig und erkannte es ihr ab. Damit begann die Selbstständigkeit Hamms zu schwinden und machte dem aufkeimenden Absolutismus der Landesherren und dem Merkantilismus Platz, die in das Machtvakuum vorstießen[23][24].

Das ausgehende 17. Jahrhundert gilt als eine Zeit des Niedergangs des Stadtwesens. Seit Beginn der Neuzeit zeigt die spätmittelalterliche Machtstellung der Städte deutliche Verfallserscheinungen. Neben den genannten gab es noch weitere Ursachen. Die Entdeckung Amerikas ab 1492 und die damit verbundene veränderte Lage des Welthandels, der die nord- und mitteleuropäischen Handelswege an den Rand des politischen und wirtschaftlichen Geschehens rückte, aber auch die weitläufigen Zerstörungen Europas im Achtzigjährigen Krieg (1568-1648) Spaniens gegen die Niederlande sowie im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und die dadurch bedingte Verarmung ganzer Landstriche führte zum Niedergang der Hanse und der ihr angehörenden Städte. Mit der Hanse verging auch der städtische Wohlstand. Auch waren die Städte nun keine uneinnehmbaren Festungen mehr, da die Erfindung des Schießpulvers die Schutzwirkungen der Stadtbefestigungen stark reduzierte[25].

Aufgaben und Rechte

Die Zuständigkeit für nahezu sämtliche städtische Belange lag bei der städtischen Administration. Umfasst war auch das Polizeiwesen nebst zahlreicher Teilbereiche, die diesem damals noch zugeordnet waren, und weitgehende, wenn auch nicht unbegrenzte Jurisdiktionsbefugnisse[26].

Morgensprache

Zunft- und Ratsangelegenheiten waren kaum voneinander zu trennen. Über Zunftangelegenheiten berieten alle Mitglieder mehrmals jährlich in morgendlichen Versammlungen, den sogenannten Morgensprachen. Ihre Ergebnisse, die für alle Mitglieder bindend waren, wurden in Zunftbriefen zusammengefasst, die ebenfalls Morgensprachen genannt wurden. In diesen Morgensprachen wurde auch über die politische Interessenvertretung der Zunft berten und beschossen.

Mindestens einmal im Jahr versammelte sich die sogenannte "Gemeinheit", also alle Bürger, die nicht zum Rat und seinen Amtsträgern gehörten, ebenfalls zu einer Morgensprache. Darin erstatteten die Richtleute ihnen über den Stand der städtischen Finanzen und weitere wichtige Angelegenheiten Bericht. Die Bürger erhielten so die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen, Fragen zu stellen sowie Wünsche und Anregungen zu artikulieren. Am Ende jedes Amtsjahres hatte der Rat der gesamten Gemeinheit in einer Mogenansprache Rechenschaft über seine Amtsführung abzulegen. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf seine Finanzwirtschaft gelegt. Zweimal jährlich wurde den Bürgern im Rahmen der Morgensprachen eine Sammlung der wichtigsten Verordnungen der Stadt vorgelesen.

Der Rat musste außerdem in allen wichtigen Angelegenheiten die Zustimmung der Gemeinheit einholen. Einige Tage vor der Morgensprache traten die Richtleute vor den Rat und stellten vorbereitende Anträge. Der Rat fasst dann einen Beschluss, der in der nachfolgenden Morgensprache der Gemeinheit beraten und erst durch deren Zustimmung rechtswirksam wurde. Es oblag den Richtleuten, darauf zu achten, dass solche Beschlüsse umgesetzt wurden und nicht in Vergessenheit gerieten.[27]

1609 - 1806: Preußen vor den napoleonischen Feldzügen

1609 starb mit Johann Wilhelm, Herzog von Jülich-Kleve-Berg, der letzte der Grafen von der Mark. Im Jülich-Klevischen-Erbfolgestreit (1609-1614) gelangte Hamm unter die Herrschaft von Brandenburg-Preußen. Auch unter preußischer Herschaft wurde der Rat jährlich durch die Bürgerschaft gewählt. Es gelang der Stadt dabei bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, die Eingriffe der neuen Landesherren in die innerstädtischen Angelegenheit gering zu halten. Auch unter den neuen Landesherren übte der Amtsmann des Amtes Hamm das bereits erwähnte ius reformandii aus, das ihn in die Lage versetzte, zwei der bei der jährlichen Ratswahl gewählten Kandidaten durch zwei andere zu ersetzen, und die Bürger der Stadt versuchten weiterhin, ihn durch Bestechung von der Ausübung dieses Rechts abzubringen.

Um ihre Eigenständigkeit zu wahren, nutze die Stadt über eine gewisse Zeit die Differenzen zwischen der brandenburgisch-preußischen Zentrale und der für die Grafschaft Mark zuständigen Regionalregierung in Kleve aus. Außerdem kam ihr die exponierte geographische Lage der westlichen preußischen Besitzungen zugute, da es der Zentale sinnvoll erschien, die Gleichschaltungsbemühungen zunächst auf die brandenburgischen Stammlande zu begrenzen[28].

Einzelnachweise

  1. Urkunde vom 15. Juli 1263, Gerhard, Richter, genannt Vielhaber, Bürgermeister, Schöffen und Räte von Hamm bezeugen, daß Dietrich von Leithen die Güter, welche er dem Kloster Welver verkaufte, resigniert habe. Es sind die Güter: Hage und Halebruch, Humbracht und Bredelo, Stemme und Distelhof., Landesarchiv NRW Findbuch A 394 Kloster Welver, 13. Jahrhundert, Nr. 44.[1].
  2. Kewer, S. 165 und S. 179.
  3. Kewer, S. 165 und S. 179.
  4. Fritz Brümmer, 750 Jahre Hamm und wie es weiterging. Eine heitere Stadtchronik, Hamm 1975/1987, S. 21.
  5. Levold von Northof, Chronik der Grafen von der Mark.
  6. Kewer, S. 177/178.
  7. Vormbaum, S. 257.
  8. Vornbaum, S. 256/257.
  9. A. Overmann, Die Stadtrechte der Grafschaft Mark, 2. Hamm (Veröff. der Hist. Kommission für Westfalen. Westfälische Stadtrechte Abt. 1 Heft 2), 1903, S. 31/32 d. Einl.; das Statue von 1464 s. S. 73.
  10. Kewer, S. 179.
  11. Kewer, S. 180.
  12. Vornbaum, S. 256-257.
  13. Kever, S. 179.
  14. Kewer, S. 179.
  15. Kewer, S. 180.
  16. Kewer, S. 181/182.
  17. Vormbaum, S. 257.
  18. Kewer, S. 181/182.
  19. Vornbaum, S. 257.
  20. Kewer, S. 180
  21. Vornbaum, S. 256.
  22. Kewer, S. 177.
  23. Vormbaum, S. 255/256.
  24. Fritz Brümmer, 750 Jahre Hamm und wie es weiterging. Eine heitere Stadtchronik, Hamm 1975/1987, S. 28/29.
  25. Vornbaum, S. 255-256.
  26. Vormbaum, S. 258.
  27. Kewer, S. 181.
  28. Vornbaum, S. 256-257.

Literatur

  • Moritz Friedrich Essellen, Beschreibuung und kurze Geschichte des Kreises Hamm und der einzelnen Ortschaften in demselben, Hamm 1851.
  • Ludolf Kewer, Aus der Rechtsgeschichte der Sadt Hamm in der märkisch-klevischen Zeit (1226-1609). In: Herbert Zink (Hrsg.), 750 Jahre Stadt Hamm, Hamm 1976, S. 161-208.
  • Wilhelm Ribegge, Eva-Maria Schönbach, Manfred Witt, Geschichte der Stadt und Region Hamm im 19. und 20. Jahrhundert, Patmos Verlag Düsseldorf 1991, ISBN 3-491-34228-7.
  • Theodor Vornbaum, Autonomie, Zentralismus und Selbstverwaltung. Die westfälische Kommunalverfassung und ihre Anwendung in Hamm vom Ausgang der altpreußischen Zeit bis zur Einführung der Revidierten Städteverordnung (1700-1835). In: 750 Jahre Stadt Hamm. Hrsg: Herbert Zink, Hamm 1976.

Weblinks