Benutzer:Sophiechen86/Das Stuttgarter Hutzelmännlein
Das Stuttgarter Hutzelmännlein ist ein Märchen von Eduard Mörike, das neben Stuttgart auch auf der Schwäbischen Alb, in Blaubeuren, Ulm, Nürtingen und im Schönbuch spielt. Es zählt zum Spätwerk des Dichters und ist für ein Märchen ungewöhnlich lang. Geschrieben wurde es von Mörike während seiner Stuttgarter Zeit als Lehrer am Königin-Katharina-Stift. Der Erstdruck der Geschichte erschien im Jahr 1853. (Originalzitate Mörikes sind kursiv gesetzt.)
Das Wort „Hutzl“ hat im Schwäbischen mehrere Bedeutungen. Im Märchen sind mit „Hutzla" trockene Obstschnitze gemeint, insbesondere von Äpfeln und Birnen. Werden die Dörrobstschnitze mit einem speziellen Teig vermengt und im Ofen gebacken, entsteht daraus das „Hutzlbrot", eine Form des während der Advents- und Weihnachtszeit beliebten Früchtebrots. Das Märchen beginnt mit einem kleinen Gedicht, in dem sich die Titelfigur selbst vorstellt:
Ein Kobold gut bin ich bekannt
In dieser Stadt und weit im Land;
Meines Handwerks ein Schuster war
Gewiß vor siebenhundert Jahr.
Das Hutzelbrod ich hab erdacht,
Auch viel seltsame Streich gemacht.
Handlung
Auf Wanderschaft
Der Stuttgarter Schustergeselle Seppe kommt mit seinem Meister und dessen Frau nicht gut aus. Er kündigt darum seinen Dienst auf und hat vor, sich über die Schwäbische Alb auf Wanderschaft zu begeben. Sein Ziel sollen Augsburg oder Regensburg sein, zunächst allerdings möchte er sich nach Ulm begeben. Als er in seiner letzten Nacht vor der Abreise alleine in der Gesellenkammer sitzt, während die anderen Gesellen sich im Wirtshaus befinden, sieht er plötzlich ein kleines Männlein auf einer Truhe sitzen, das ihm nicht einmal bis an den Gürtel reicht. Das kleine Männlein grüßt ihn freundlich mit Namen und schenkt ihm zwei Paar Glücksschuhe und einen Laib Hutzlbrot. Das Männlein sagt ihm, er solle das eine Paar Glücksschuhe während seiner Wanderschaft tragen, das andere Paar Schuhe unterwegs irgendwo am Straßenrand heimlich abstellen. Beim Hutzlbrot solle er darauf achten es nie ganz aufzuessen, denn wenn ein wenig von dem Brot übrigbliebe, so werde immer wieder ein frischer Laib Hutzlbrot daraus nachwachsen. Zum Schluss bittet das Männlein Seppe noch, falls er auf seiner Wanderung nach Blaubeuren käme und dort ein Klötzchen Blei fände, es ihm nach Stuttgart zu bringen. Seppe verspricht es und dankt dem Männlein.
Tags darauf hat Seppe schon wieder vergessen, welche Schuhe gemeinsam ein Paar bilden, da alle Schuhe gleich aussehen. Prompt zieht er von jedem Paar einen Schuh an, was ihm bald darauf große Schwierigkeiten bereitet. Als er Stuttgart hinter sich gelassen hat und über eine Brücke läuft, stellt er die beiden anderen Schuhe auf den Brückenrand und setzt seinen Weg fort.
Auf der Schwäbischen Alb trifft er auf einen Färbergesellen, der ihm durch seine Anhänglichkeit lästig wird. Im Anschluss begegnet er einem Bauern mit einem Fuhrwerk. Der Bauer lässt Seppe ein Stück auf seinem Wagen mitfahren und erzählt ihm allerlei über die Gegend. An dieser Stelle lässt der Erzähler die beiden Figuren im Gespräch vertieft zurück und wendet sich dem Leser zu. Er erklärt, er müsse nun von anderen DIngen berichten, die sich zwar weit vor Seppes Zeit zugetragen hätten, die jedoch für den weiteren Verlauf der Geschichte wichtig seien.
Die Geschichte von der schönen Lau
Em Grafa Konrad vo Wirdaberg sei Doktr Veylland ischt em Lauf vo seim Leaba viil e dr Weltgschiicht romkomma ond hot do drbei ällrhand seltsame Sacha gsammlet ond hoimbrocht, so au an Krackafischzâh us em Rauda Meer. Wia-nr deet gwäa ischt ond hot’s Bleilot naaglau, weil’r hot wissa wella, wia diaf des Wassr ischt, noh hot sich der Fisch em Lot vorbissa ond zwoi Zeh dren glau. Dr Veylland hiadet des Erennrongsstick wia sein Augäpfel. D Zeit vorgoht, ond dr Doktr siiht sei letscht Stendle komma. Seim treia Deanr Kurt geit’r da Uftrag, des Bleilot en da Blautopf zo schmeißa, wenn’r amol wiidr en sei Hoimet noch Blaubeira kommt.
Wia abr dr Kurt am Rand vom Blautopf stoht, will’r zerscht amol messa, wia diaf der Hafa ischt. Er bendet älle Schniir, wo-nr uftreiba kâ, an des Lot nâ ond loht’s en Diafe sausa. Do drbei wuud’r ganz baff, was der Hafa fir a graußa Diafe han mueß. Er kommt em ganz bodalos vor. Dadsächlich abr isch des bassiirt:
Uf em Grond vom Blautopf haust a Wassrfrau, wo vo älle Leit bloß de Schee Lau ghoißa wuud. Dui isch vo ihrem Mâ, ama alda Donaunix vom Schwaaza Meer, an da Blautopf vorbannt worra, weil se bloß daude Kendr uf d Welt brocht hot. Des isch abr bloß do drvo komma, weil se emmr de ganz Zeit so traurig gwäa ischt. Vo ihrer Schwiagrmuedr hot d Lau da Rôt griagt, a Gleagaheit zo suecha, wo se fenf Mol herzhaft lacha kâ, nô dät’s mit deam Kendrgriaga au glabba.
Also dui Lau sitzt grad uf em Boda vom Blautopf ond loht sich vo ihrer Kammrjongfr Aleila d Negl schneida. Do kommt vo oba raa des Lot. D Aleila packt d Schnur ond zuit so lang droo, bis-se nemme nôchgeit. No nemmt se a Scher, schneidet s Lot aa, bendet ebbes andrs dranô ond loht des nuie Zuig nuffziah. Wia des dr alde Deanr âluegt, drifft en faschd dr Schlag. Er wuud ganz irr em Kopf siiba Däg lang.
A-ma andra Dag wuud Lau vo-ma frecha Hirdabua ghenslet. Drom packt se dean Kerle ganz schnell ond nemmt en mit naa en oina vo ihre nasse Stuba. Wia-nr deet alloi isch, guckt’r sich om ond fend an Stoffbeidl, wo saumäßig schwer ischt. Drom moint’r, s wär a Säckle voll Gold. Noch seira Flucht us deam nassa Element merkt’r schliaßlich, dass des „Gold“ bloß a Gletzle Blei ischt. Jetzt griagt der Kerle so a Wuad, dass’r’s so weit fortschmeißt, wia-nr grad schmeißa kâ. E dr Nähe vo-ma Bergle bleibt’s liiga.
Glei beim Blautopf isch dr “Nonnahof”, a graußa Wirtschaft, wo friher mol a Kloschtr gwäa ischt.
Dui wuud vo ra leitseliga Wirde und dera ihre Kendr betriiba. Em Lauf dr Zeit freindet sich d Lau mit dera Familie â. Wie se ama scheena Dag en dr Schbennstub zeemasitzet ond mitnandr scherzet, isch d Lau uf oimol wia vorwandlet, sodass-se lauthals lacha muaß. Am meischda gaudiirt se a schwäbischer Zongabrechr, wo ma so schnell wia meglich hersaga mueß: S leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura, glei bei Blaubeura leit a Klötzle Blei. Jetzt isch d Vorbannong vo deam Wasserweib gleest ond se derf wiidr zo ihrem Nix ans Schwaaze Meer hoimganga, wo se mit ra graußa Freid ufgnomma wuud.
Die Geschichte vom anderen Paar Schuhe
De andre zwoi Schua, wo dr Seppe bei Stuegert ufs Bruggagländr gstellt hot, wend vo ma saubra Mädle gfonda. Weil dui grad Geburtsdag hot, glaubt se, dia Schua wäret vo ihra Namensheiliga Veronika extra fir sui deet noglegt worra. Se zuit’s glei â ond griagt de gleiche Schwiirigkeida wia dr Seppe, weil nadiirlich au dia zwoi Schua et zonandr basset.
A baar Wocha schbätr wuud d Vroni vo ihror Muedr zom Schuamachr Bläse gschiggt, om sich a nuis Bärle Schua ôzmesset lau. Se hofft, e dera Werkstadd da Seppe zo dreffa, weil se dean jonga Kerle guad leida kâ. Wia-se abr vom alda Bläse heert, dass der Gsell nemme en seine Denschda stoht, no isch-e scho a gleis bissle draurig. Beim Vormessa vo dr Vroni ihre Fiaß kommt dr Moischtr Bläse us em Stauna nemme raus, wia-nr merkt, was des Mädle fir tolle Schua ôhât, nemlich ganz seldene Glicksschua. Am Ôbad vorzehlt’r ällas seim Weib ond seira Dochtr Sara. Do fordret-en dia zwoi Fraua uf, er soll a Bärle macha, wo gnauso aussiiht wia dia Glicksschua, ond wenn d Vroni wiidrkomma dät, no kennt mr dia zwoi Bärla ganz hälenga mitnandr vordauscha. Ond so bassiirt’s au. Was d Familie Bläse abr et woiß, ischt, dass deam Hutzlmännle dui ganza Lombarei et vorborga bliiba ischt. Glei nemmt’r sich vôr, zor Strôf em Bläse e dr nägschda Naacht an gheeriga Stroich zschbiilet.
D Uhr hot schau lang Middrnaacht gschlaga, do heert d Frau Bläse em Weihr, wo ans Haus ôgrenzt, a ganz args Blatscha. Se weggt ihrn Mâ ond geit em da Uftrag, em Freia noch-em Reachda zo gugga. Do siiht dr Bläse, wia aus seim Lagr em erschda Stock äll seine Vorrät an nuie Schua ond Leischda wia vo Goischdrhand aus em Fenschdr en da Weiher gschmissa wend. Schnell weggt’r älle seine Gsella. Bewaffnet mit digge Briigl ganget se noch oba ond wellt da Steerafriid vorschlaga. Abr se fendet koin. Jetzt ahnt dr Bläse, dass do s Hutzlmännle seine Hend em Schbiil han muaß ond dass’r erscht wiidr sein Friida fend, wenn’r dia z Oreacht erworbene Schua dr reachtmäßiga Besitzore zrickbrocht hot.
Wie es mit Seppe weitergeht
Wia dr Seppe noch Ulm kommt, goht’r glei ens nägschd Wirtshaus nei, wo sechs Handwerkrgsella zechet ond luschdige Liadr senget. Dia ladet en zom Mitfeira ei ond fordret en uf, z Ulm zo bleiba. Dr Wirt geit em glei d Adress vo-ra jonga Schuestrswitwe, wo dringend an weitra Gsella braucht. Am andra Dag suacht dr Seppe dui Witwe uf ond wuud au glei eigstellt. Je längr dr Seppe deet schafft, deschdo bessr gfellt em sei Chefe. Zwoi Monet noch seim Eitridd fasst’r sich schliaßlich a Herz ond macht-ra an Heiratsotrag. Ond gugg au dô: Se nemmt en ô.
Ama scheena Obad sitzet dia zwoi frisch Vorlobde bei-ma guada Fläschle Wei ond esset vom Seppe seim Hutzlbrot. Wia bloß no a Riibele drvo ibrig ischt, fällt dr Braut ei, des kennt se doch ihrem Siddich zom Fressa geaba. Villeicht wär des jo de richtig Nahrong, wo nen wiidr zom Schwätza brenga kennt. Ond dadsächlich: Kaum hot der Vogl des Riibele gfressa, fangt’r â zo blabbra: Gut, gut, gut – ist des Hutzelmanns sein Brot. Wer einen hat umgebracht und zween, schlägt auch den dritten tot. Was des mit deam Schbruch uf sich hot, merkt dr Seppe erscht, wia-nr wiidr amol en d Wirtschaft goht ond d Leit tuschla heert, sei Braut häb ihre zwoi frihore Manna mit Gift ens Jenseits beferdret, ond ihrm dridda däts so amol au ganga. Jetzt hot’r bloß no oin Wonsch: Nix wia hoim noch Stuegert.
Ondrweags kommt’r en Blaubeira vorbei. Dô dreibet en seine Schua reglreacht uf an Higl nuf. Oinr drvo macht sich frei, ruglet aabe ond bleibt em-ma Schbalt stegga. Wia no dr Seppe dean Schua wiidr hola will, endeggt’r en deam Schbalt des Gletzle Blei, wo-nr em Hutzlmännle mitbrenga soll. Er vorschdaut’s en seim Renzle ond hot ab jetzt a schwera Laschd zom schlebba.
Zurück in Stuttgart
En Stuegert goht dr Seppe glei ens Bohnavirtl, wo sei Dot wohnt. Bei dera kâ-nr so lang ondrkomma, bis’r wiidr a nuia Stell gfonda hot. Wia-nr en dr Naacht ens Bett ganga will, stoht uf oimol s Hutzlmännle vor-em ond frogt en, ob’r s Gletzle drbeihäb. Der kloine Kerle ischt ganz außr sich vor Freid, dass des dr Fall ischt. Er verhoißt em Seppe, dass’r des et bereia dät.
Uf em Marktblatz herrscht au grauß Fasnetsdreiba. S wuud viil musiziirt, gsonga, danzt ond glachet. Akrobada fiiret uf ma Hochsoil halsbrechorischa Konschtstickla uf. Kaum send dia ferdich, grebslet a kloinr Gnirbs, oozoga wia a Bergmâ, uf des Hochsoil nuf ond stellt des, was d Leit bisher zom Säha griegt hend, gladd en Schadda. Zom Schluss animiirt’r s Publikom, doch au ufs Hochsoil zkommet. Wer sich draud, däff des Säckle nemma, wo-nr oba an da Schraga noghengt hot. S isch a guads Hutzlbrot dren!
Bletzlich schbiirt dr Seppe, wia-nen seine Schua mit ällr Gwalt zom Hochsoil drenget. Ond zom graußa Erstauna vo de Zuaschauer kommt uf oimol nomol ebbr zom Soil: d Vroni! Dui hot de gleiche Schua â wia dr Seppe. Ond nô bassiirt’s: Dia Schua merget, welle zwoi jeweils zammagheeret, ond schwubb-diwubb fendet sich de richdige Bärla. Wia dia zwoi jonge Leit uf em Hochsoil romdanzet, stellet se feschd, dass-se sich ganz arg meeget. Drom dauret’s au et lang, bis se sich vorschbrechet, dass bald Hauzich sei soll.
Sprache
A viile Stella vo deam Märle setzt dr Dichtr Rickblenda ond Vorschiabonga vo de oinzlne Handlongssträng ei. Oft vorwendet’r Werdr, wo de meischde Leit heit gar nemme kennet, zom Beischbiil Guckigauch, Jäst, Spiriguckes, Kunkel, Leirenbendel, molestieren, Gschwey. Zom weitaus graischda Doil isch des Märle uf Hochdeitsch gschriiba, aber emmr mol wiidr kommet au schwäbische Dialog vor, gschbickt mit viil Humor. Als Beischbiil sei dui Stell zitiirt, wo dr Kurt an da Blautopf kommt ond deam sei Diafe messe will:
... und also ließ er das Gewicht hinunter, indem er immer ein Stück Schnur an seinem ausgestreckten Arm abmaß, drei solcher Längen auf ein Klafter rechnete und laut abzählte: „1 Klafter, 2 Klafter, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10“ – da ging der erste Schnurbund aus und musste er den zweiten an das Ende knüpfen, maß wiederum ab und zählte bis auf 20. Da war der andere Schnurbund gar. – „Heidaguguk, is dees a Tiafe!“ und band den dritten an das Trumm, fuhr fort zu zählen: „21, 22, 23, 24 – Höllelement, mei’ Arm will nimme! – 25, 26, 27, 28, 29, 30 – Jetzt guat Nacht, s Meß hot a End’! Do heißt’s halt, mir nex, dir nex, rappede, kappede, so isch ausganga!“ – Er schlang die Schnur, bevor er aufzog, um das Holz, darauf er stand, um ein wenig zu verschnaufen, und urteilte bei sich: Der Topf ist währle bodalaus.
Manchmol wuud d Prosaerzehlong ufglockret durch a Gedicht. Ond do drbei zeigt sich, dass dr Mörike au en seim Hoimatdialekt hot reima kenna. A Beischbiil do drfir isch’s Liad vom trauriga Bua:
Ufam Kirchhof am Chor
Blüeht a Blo-Holder-Strauß,
Do fleugt a weiß Täuble,
Vors taga tuet, aus.
Jetzt kenn i mein Schatz
Und sei linneweiß Gwand,
Und sei silbernes Ringle
Von mir an der Hand.
Drei Wocha vor Ostra,
Wanns Nachthüehle schreit,
Do macha mer Hochzig,
Mei Schatz hot mer’s gsait.
Es streicht wohl a Gässale
Nieder und zwua,
Es fliegt mer ins Fenster,
Es kommt auf mi zua.
Es nickt mer en Grueß,
Setzt se nieder am Bett,
Frei luegt mer’s ins G’sicht,
Aber anrüehrt me’s net.
Mer macha kein Lebtag,
Mer halta kein Tanz.
Wer goht mit zur Kircha?
Wer flicht mer da Kranz?
Literatur
Eduard Mörike: „Das Stuttgarter Hutzelmännlein“, mit 37 farbige Zoichnonga vom Karl Stirner, J. F. Steinkopf Verlag Stuttgart, 1979, ISBN 3-7984-0501-8
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