Benutzer:Spechtundigel/Animal-Aided Design

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Um neuen Wohnraum zu gewinnen, werden in Städten zunehmend Grünflächen oder Brachen bebaut, wodurch der Freiraum für viele Tiere verschwindet. Um angestammte Tierarten zu schützen oder neue anzusiedeln, haben Dr.-Ing. Thomas E. Hauck von der Universität Kassel und Prof. Dr. Wolfgang W. Weisser von der Technische Universität München das Konzept von Animal-Aided Design (AAD) entwickelt. Es integriert die Bedürfnisse dieser Tiere von Beginn eines Bauprojekts an in die Städte- und Freiraumplanung. So lassen sich nicht nur wertvolle Nischen für Vögel, Reptilien, Insekten oder Säugetiere schaffen - auch die Lebensqualität der Städter steigt.[1]

Animal-Aided Design

Die Kernidee der Methode Animal-Aided Design (AAD) ist, das Vorkommen von Tieren als Teil der Gestaltung von Freiräumen integrativ zu planen. Am Anfang der Planung mit AAD steht die Frage, welche Tiere in einem Freiraum vorkommen und an welchen Ökosystemleistungen sie beteiligt sein sollen. Die Tierarten, die später an einem Ort leben sollen, werden also bereits zu Beginn der Entwurfsplanung nach ganz unterschiedlichen Kriterien ausgewählt: etwa der ästhetischen Qualität einer Art (wie dem Gesang der Amsel), um eine Art zu schützen (FFH-Art Zauneidechse) oder aus einem praktischen Zweck (Schädlingsvertilgung an Bäumen durch die Blaumeise).

In dem Forschungsprojekt Animal-Aided Design wurde eine Methode entwickelt, um das Wissen über den Lebenszyklus von Tierarten für Gestalter so aufzubereiten, dass es ohne detaillierten Kenntnisse der Art in den Entwurf integriert werden kann. Die sogenannten Kritischen Standortfaktoren leiten sich aus dem Lebenszyklus ab und können je nach Lebensphase unterschiedlich sein. Detaillierte Beschreibungen der kritischen Standortfaktoren geben Anhaltspunkte für eine artgerechte Planung, anhand derer das bevorzugte Umfeld für der Tiere im jeweiligen Planungsgebiet gestaltet werden kann. Wie bei jedem Entwurf gleicht der Gestalter die funktionalen Ansprüche, also auch die Bedürfnisse der Zielart, in einem iterativen Gestaltungsprozess mit seinen gestalterischen Ideen ab und vereint diese im Entwurf. AAD ist dabei keine Planung allein für Tiere. Die Bedürfnisse der Tiere können dazu dienen, die Gestaltung selbst zu inspirieren.

Entscheidend für den Erfolg von AAD ist die Erkenntnis, dass Tiere nicht in "Naturbildern" leben, sondern dass einzig und allein ihre Bedürfnisse erfüllt werden müssen. Viele Arten haben sich in Städten Ersatz zur natürlichen Umgebung gesucht. So brütet das Rotkehlchen auch in einem umgefallenen Gummistiefel auf dem Balkon, anstatt unter dichten Horsten von Gräsern. Der Specht bevorzugt den Hartschaum in neugedämmten Fassaden als Ort für seine Höhle. Spatz, Mauersegler, Star und Meisen nisten an Gebäuden. Auch "künstliche" Elemente erfüllen also die Bedürfnisse der Tiere. Eine Zauninstallation für Bodenbrüter in Berlin, Fassadendesign für Gebäudebrüter und Fledermäuse in München oder eine überdimensionierte Baumskulptur in London: Die im Forschungsprojekt durchgeführten Testentwürfe zeigen, wie Bedürfnisse von Tierarten auch mit neuen Gestaltungsideen, jenseits traditioneller Naturbilder erfüllt werden können.[2]

Hintergründe

Da in Europa Städte als Wohnort immer beliebter werden, ihr Wachstumspotenzial innerhalb der Stadtgrenzen aber beschränkt ist, führt das zu einer höheren baulichen Dichte. Dies wirkt sich auch auf bestehende Freiräume aus, wie etwa städtische Brachen. Über Jahrzehnte entwickelten sie sich zu Nischen für viele verschiedene Tierarten. Auch für solche, die im intensiv bewirtschafteten ländlichen Raum keine Lebensgrundlage mehr finden. Parks und Grünzüge werden als Folge der Nachverdichtung und durch steigende Freizeitaktivitäten im Grünen intensiver genutzt. Als Folge nimmt die Artenzahl in der Stadt ab. Gleichzeitig wird in Zeiten des Klimawandels das „Stadtgrün“ mit seinen Ökosystemleistungen immer wichtiger. Eine nachhaltige Stadtplanung muss diesen Zielkonflikt lösen, um leistungsfähige grüne Infrastrukturen zu schaffen. Aktuell dominieren in der Praxis Konflikte zwischen Stadtplanung und Naturschutz, die sich am Vorkommen von geschützten Arten in Planungsgebieten entzünden. Wird ein Vorkommen entdeckt, ist die Planung meist bereits so weit fortgeschritten, dass sie erheblich geändert werden muss, um den Artenschutz zu berücksichtigen. Eine Lösung wäre, die biologische Vielfalt und das Vorkommen erwünschter Tierarten von vornherein in die Planung einzubeziehen.[3]

Praxisprojekte

Brantstraße in München

Das bauliche Nachverdichtungsprojekt in München befindet sich derzeit in Umsetzung. Auf einer vormaligen Grünanlage zwischen den bestehenden Bauten werden Wohnungen und ein Kindergarten errichtet. Der Verlust der Grünfläche bedeutet normalerweise einen Verlust an Habitat für die dort lebenden Tiere. Zudem gehen die Ökosystemleistungen dieses Freiraums verloren. Durch die Anwendung der Methode Animal-Aided Design sollen Grünanlagen und Architektur so angepasst werden, dass sie Lebensräume für die betroffenen Arten liefern. Ein Teil der Maßnahmen wurden bereits im Rahmen des Hochbaus ausgeschrieben, weitere Maßnahmen werden vor allem im Rahmen der Landschaftsbauarbeiten im Jahr 2017 geplant und ausgeschrieben.Ein wichtiger Projektpartner ist der Landesbund für Vogelschutz Bayern e.V. (LBV), insbesondere die Geschäftsstelle München, die ihre Erfahrungen mit Fassadenbrütern und der ökologischen Bauüberwachung in das Projekt einbringen.

Stadtpark Donau in Ingolstadt

Im Rahmen einer klimagerechten Stadtentwicklung plant die Stadt Ingolstadt die stärkere Einbindung der Donau, um das Kulturangebot und die Erholung, aber auch Frischluftschneisen und die grüne Infrastruktur (GI) insgesamt zu verbessern. Es grenzen zwei Donau-FFH-Gebiete (Flora-Fauna-Habitat) direkt an die Stadt, so dass alle Planungen auch eine Durchgängigkeit für verschiedene Tierarten berücksichtigen sollten. Bisher existieren nur Vorentwürfe bzw. ein Leitbild für die Entwicklung des Donauparks. Bei Planungen von GI stehen die Funktionen von GI für den Menschen im Vordergrund. Die Rolle von GI für Biodiversität insbesondere ihre Habitat-Funktionen für Tiere werden kaum beachtet. In Ingolstadt wird im Rahmen von AAD eine Methode dafür entwickelt, wie mit der Optimierung der Funktionen für Menschen eine Verbesserung der Habitat-Funktionen und der Durchgängigkeit für Tierarten verbunden werden kann.

Einzelnachweise