Benutzer:Starshollow/Tuchhändlerbriefe

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Die „Tuchhändlerbriefe“ sind eine Zusammenstellung von sieben Briefe bzw. Flugschriften, welche Jonathan Swift zwischen 1724 und 1725, in seiner Zeit als Dekan der St Patrick’s Cathedral in Dublin schrieb. Sein Ziel war es, die öffentliche Meinung in Irland gegen die Einführung von privat geprägten Kupfermünzen, die seiner Meinung nach von minderer Qualität waren, aufzubringen. William Wood wurde von der britischen Regierung das Letters Patent, ein privilegiertes Recht, eingeräumt, die Münzen zu prägen, Swift erkannte die Vergabe als korrupt. Als Reaktion darauf, stellte er Irland als verfassungsrechtlich und finanziell unabhängig von Großbritannien dar. Da dieses Thema politisch sensibel war, schrieb Swift, aus Angst vor Repression und Vergeltung, unter dem Pseudonym M. B. Drapier, wobei der Name („draper“ = Tuchhändler) und angegebene Beruf des Autors auf einen Tuchhändler schließen lassen.

Obwohl die Briefe von der irischen Regierung (nach Aufforderung der britischen) verurteilt wurden, waren sie dennoch in der Lage, das Stimmung der Iren gegen Wood und sein Patent aufzubringen. Das Volksempfinden verwandelte sich in einen landesweiten Boykott, so daß sich die Regierung gezwungen sah, die Patenterteilung zurüchzunehmen. Swift wurde später für diesen Dienst an den Menschen in Irland ausgezeichnet. Viele Iren sahen in Swift einen Helden im Widerstandskampf gegen die britische Unterdrückung ihres Volkes. Abgesehen von seinem Heldenstatus, haben viele Menschen Swift in der Person des M. B. Drapier als Organisator einer ersten irischen Volksbewegung bezeichnet. Unabhängig davon was Swift bewirkt hat oder auch nicht, wurde ihm vom Erzbischof William King der Spitzname „Our Irish Copper-Farthen Dean“ (dt. in etwa: „Unser Münzen-Abwender Dekan“) verliehen, weiterhin nutzte dieser seine Verbindungen um die Kontroverse um die Schriften zu beenden.

Die erste vollständige Ausgabe der Tuchhändlerbriefe erschien in der 1734 in der George Faulkner Ausgabe von Swifts Werken zusammen mit einer sinnbildlichen Danksagung der Iren als Titelbild. Heute sind die Tuchhändlerbriefe ein wichtiger Teil der politischen Schriften Swifts, zusammen mit Gullivers Reisen (1726), Märchen von einer Tonne (1704) und Ein bescheidener Vorschlag (1729).

Hintergrund

1722 erhielt die private Münzprägeanstalt von William Wood ein Letters Patent zur Herstellung von Kupfermünzen im Werte von £108.000 (in etwa £15.209.500 bzw. 19.203.515 Euro - Stand 09/2012) für den Geldverkehr in Irland. Er erhielt dieses Privileg durch die Bestechung der Duchess of Kendal, Melusine von der Schulenburg, einer Mätresse Georg I. in Höhe von £10,000 (in etwa £1.408.300 bzw. 1.778.120 Euro - Stand 09/2012). Obwohl Wood Kupfermünzen produzierte, die deutlich zu untergewichtig, unterdimensioniert, und aus minderwertigen Materialien waren, wurden sie trotzdem vom britischen Parlament für den Einsatz in Irland genehmigt.

Die irische Proteste gegen Wood richteten sich nicht dagegen, dass sie Kupfermünzen bekamen, aber dass zu viele Münzen von minderer Qualität in die irische Wirtschaft eingeführt wurden. Diese Münzen würden wertvolle Silber- und Goldmünzen aus dem Verkehr der irischen Wirtschaft entfernen, weiterhin wurden die neuen Kupfermünzen nicht unter Aufsicht der irischen Behörden geprägt, somit gab es keine Möglichkeit für die Iren, Qualität und die Menge der Münzen zu kontrollieren. Zudem war diese Münze nur ein Beispiel für die benachteiligenden wirtschaftlichen Praktiken, welche die Rechte Irlands verletzten. Die Iren wollten ihre eigene Nationalbank und das Recht sowie die Autorität ihre eigenen Münzen zu prägen, der Protest gegen die Wood-Münze wurde somit zum Ausdruck ihrer eigenen wirtschaftlichen und nationalen Ansprüche auf Souveränität.

Die Patenterteilung wurde bald zu einem Streitpunkt zwischen dem englischen Premierminister Robert Walpole, als Vertreter des britischen Parlaments, sowie den führenden Politikern Irlands. Alle Versuche des Irish Privy Council und der Church of Ireland die Einführung der geprägten Münzen bereits im Vorfeld zu verhindern scheiterten. Es wurde bald von vielen vermutet, dass die englischen Finanzbeamten, die in Irland stationierten Soldaten mit der neuen Münze bezahlen würden, und wenn ersteinmal die Soldaten mit der Münze bezahlt wurden, dann wären die irischen Kaufleute gezwungen, die Münze von den Soldaten zu akzeptieren, wenn sie keine militärische Vergeltung oder Umsatzeinbußen erleiden wollten.

Das beunruhigte die irische Führung, und sie ersuchte um Hilfe bei der Anfechtung der Patentvergabe und der Durchführung eines Boykotts gegen die Münzen. Swift wurde Erzbischof King und Lord Chancellor Alan Brodrick (1st Viscount Midleton) gebeten, mittels Streitschriften eine Kampagne gegen die Wood'schen Münzen anzustoßen. Lord Carteret, der britische Staatssekretär, zu dessen Aufgabenbereich Irland gehörte, verteidigte in der Öffentlichkeit die Patenterteilung durch Walpole, während er privat gegen das Patent agierte, um den Ruf des Premierministers zu schädigen.

So erschien Carteret in der Öffentlichkeit als Verteidiger des Patents, weil er scheinbar versuchte einen irischen Aufstand gegen die britische Herrschaft zu verhindern (und insbesondere am Auffinden des „Tuchhändlers“ interessiert schien), aber seine wirklichen Motive waren die Förderung einer Anti-Walpole Kampagne und Unterstützung des irischen Sache.

Die Kampagne

Jonathan Swift, der Dekan der St. Patrick-Kathedrale in Dublin, war bereits bekannt durch sein Engagement für das irische Volk und für das Verfassen von politischen Pamphleten. Eine dieser Schriften „Vorschlag zu Beförderung des allgemeinen Gebrauchs der irländischen Manufakturwaaren“ hatte 1720 die britischen Behörden dermaßen erzürnt, daß der Drucker der Broschüre John Harding von ihnen verfolgt wurde Die Schrift hatte empfohlen, daß die Iren, die von Ihnen produzierten Waren lieber selber benutzen sollten, anstatt sie nach England zu exportieren.

Es war den irischen Behörden bekannt, dass die der verstorbenen Queen Anne nahestehende Tory Partei, Swifts Fähigkeiten als Agitator nutzte, um die neue von Georg I. eingesetzte Whigs Regierung unter Walpole zu diskreditieren. Swift analysierte die forensischen und wirtschaftlichen Nachteile der von Wood eingesetzten minderwertigen Münzen und beschrieb die negativen Auswirkungen deren Einführung für Irland in der ersten Broschüre „ An die Handelsleute, Krämer, Pächter, und Landesleute des Königreichs Irrland insgemein.“ (1724). Für diese Schrift nahm Swift die Person des „Drapier“ an, eines talentierten und qualifizierten Tuchhändlers (engl.:draper), eine religiös gläubige Person, die in der Schrift seine Meinung zu erkennen gibt, das man sowohl der Kirche als auch dem König von Irland gegenüber loyal sein kann. Swifts Wahl des Pseudonym verfolgt zwei wesentliche Zwecke: Zum Einen gibt es ihm eine alternative Persönlichkeit, welche ihn vor politischen Repressalien bewahrt, zweitens erlaubt es ihm eine Identität anzunehmen, die ihn eng mit dem irischen Volk verbindet.

In der Swift-Forschung des 20. Jahrhunderts warf der Gelehrte Irvin Ehrenpreis die Frage auf, inwiefern sich Swift wohl gewünscht hat, die Leser sollten ihn als Drapier identifizieren, zumal die religiös beeinflusste, bildhafte Sprache Drapiers dem Stil seiner Pedigten entsprach. Allerdings ist es auch möglich, dass er die religiöse Rhetorik lediglich benutzte, um einen irischen Aufstand gegen die Prägung zu rechtfertigen, und sie somit ein wichtiger Aspekt der Drapier-Identität ist, ohne dass es den Beweis herbeiführen sollte, dass Swift der Autor ist. Unabhängig davon, wie geheime Swift seine Identität halten wollte, ist es sicher, dass die meisten Menschen in Irland, einschließlich der Mitglieder der Irish Privy Council, wussten, dass er der Autor der Briefe war.

Für die Walpole Verwaltung gab es zu ihrem Unglück allerdings nur wenige Indizien einer Beziehung zwischen den beiden, die Beweisen konnten, dass Swift der Autor ist. Im Laufe eines Jahres folgten der ersten Schrift vier weitere Flugblätter, mit Beschimpfungen und Beschwerden gegen Wood und sein Patent. Die Kampagne war erfolgreich, und die öffentliche Meinung war so feindselig gegen Wood Münzwesen gestimmt, dass das Patent von 1725 zurückgezogen wurde. Zeitweise wurde von Lord Carteret und der irischen Privy Council eine Belohnung von £ 300 für Informationen über die Identität des Autors ausgesetzt, die allerdings nicht dazu führte, das Swift verhaftet wurde oder sich für seine Arbeiten rechtfertigen musste. Das Ausbleiben der Verhaftung sowie die Einheit des irischen Volkes hinter dem „Drapier“ gaben letztendlich den Ausschlag für den Widerruf des Patents.

Die irische Unabhängigkeit

Obwohl Swift wusste, dass sie Patenterteilung erst durch die Bestechung der Duchess of Kendal erfolgte, erwähnte er dieses nicht direkt in den Schriften, stattdessen nennen seine ersten drei Briefe Wood als federführenden Planer hinter der Patenterteilung. Obwohl der „Tuchhändler“ mehrfach seine Loyalität gegenüber dem König betont, verhinderten diese Worte nicht, dass er, insbesondere in den Reaktionen auf die dritte und vierte Schrift, des Verrates beschuldigt wurde. In diesen Schreiben argumentiert er, dass das irische Volk die Unabhängigkeit von England, aber nicht von deren König verdient hätte. Insbesondere diese Argumentation erregte den Unmut Walpole's, als Kopf der britschen Regierung, am meisten. So wurde der Tuchhändler wie vor ihm William Molyneux verdammt, der in seinen Case of Ireland (1698) mit den gleichen Argumenten für die irische Unabhängigkeit plädierte. Der an den Autor gerichtete Vorwurf des „Verrats am englischen Parlament“, verursachte noch mehr Unmut unter der irischen Bevölkerung, die Swifts Argument aufgriff, dass die irische Bevölkerung ihre Loyalität nur gegenüber dem König habe.

Die Briefe

Die ersten drei Briefe waren vom Autor vorgesehen und müssen als zusammengehörig betrachtet werden, sie sollten den Sachverhalt offen darlegen und die Bevölkerung aufklären. Das vierte Schreiben wurde von Swift erst als notwendig erachtet, als Carteret nach Irland gesendet wurde, um sich der Sache anzunehmen und ein Kopfgeld auf den Autor der Schreiben ausgesetzt wurde. Der fünfte Brief wurde auf dem Höhepunkt der Kontroverse über Wood Münze geschrieben und ist das letzte öffentliche Schreiben von „M. B. Drapier“. Zwei weitere Briefe wurden erst nach Beendigung des Konfliktes veröffentlicht. Der sechste an den Lordkanzler Middleton, wurde mit Swifts Namen signiert, sowie ein siebenter und letzter Brief, „An Humble Adresse“.

Erster Brief

Der erste Brief An die Handelsleute, Krämer, Pächter, und Landesleute des Königreichs Irrland insgemein.(To the Shop-keepers, Tradesmen, Farmers, and Common-People of Ireland.) wurde im Frühjahr 1724 veröffentlicht. Eine Kopie des Briefes wurde von Swift kurz nach der Veröffentlichung mit dem Datum 28. April 1724 an Lord Carteret gesendet, so dass dessen Inhalt bald bis London bekannt war. In Dublin war der Brief sehr bald bekannt und Swifts Angaben zufolge, verkauften sich mehr als 2000 Kopien des Briefes allein dort. Die Schrift wurde unter dem Namen „Fraud Detected: or, The Hibernian Patriot“ (dt. in etwa.: Schwindel entlarvt: oder Der irische Patriot.) in Faulkner's Dublin Journal erstmals veröffentlicht. Dieser Titel wurde von Faulkner später wieder verwendet, als er die ersten fünf Briefe nach Beendigung der Kontroverse als Sammelband herausgab. Der Autor führt das Thema mit einem Appell an die „Menschen, als Christen, als Eltern, und als Liebhaber euers Vaterlandes“ ein, er versucht die Leser über den Hintergrund der Wood-Münze aufzuklären und schlägt einen Boykott dieser ähnlich seinem früheren Vorschlag zum allgemeinen Einsatz irischer Waren vor. Während er durchweg monetäre Argumente gegen die Einführung anbringt, stellt er ebenso fest, daß seine Lebensituation wie die der meisten Iren bescheiden ist. Mit theologischen Anspielungen ahmt er die Situation und Wood nach. Swift gibt die Schuld für die Einführung der Münze einseitig Wood und erklärt: „...es ist kein Hochverrath, wider Wood aufrührisch zuwerden.“

Es gibt in dem Schrieben viele religiöse Andeutungen ähnlich wie in Swifts Predigten, er beruft sich auf eine Kombination der Pflicht zu Gott sowie der Pflicht gegenüber König und Land. Einige der Literaturkritiker verglichen seine Sprache und den rhetorischen Stil mit einem ersten Brief an einen hebräischen Propheten oder einer evangelischen Predigt, welche die Massen von einer unmittelbaren Bedrohung für ihre Seele warnen soll.

Der Autor argumentiert, die entgültige Entscheidung sei noch nicht herbeigeführt, aber die Halbpfennige von Wood würden die irische Wirtschaft und dazu die Seelen der irischen Bürger zerstören. Einer der Vorbehalte gegen die Münze, entspricht argumentativ dem, was als Greshamsches Gesetz bekannt ist, soll heißen: die Einführung der Münzen würde die guten Geld- und Silbermünzen aus dem Land vertreiben, schlechtes Geld verdrängt das gute Geld aus dem Umlauf, es erfolgt also eine Abwertung der Währung. Die Farmer als Pächter wären folglich nicht mehr in der Lage, ihre Verpächter zu bezahlen, dadurch wird in Irland weniger Land bewirtschaftet, der Ertrag der Landwirtschaft sinkt. Die Folgen wären eine Zunahme der Armut, Engpässe in der Nahrungsmittelversorgung und schließlich der komplette Ruin der irischen Wirtschaft.

Einige Kritiker und Historiker meinen, die verwendeten Argumente und Beispiele vom Tuchhändler und der beschriebene wirtschaftlichen Schaden sei übertrieben und schieße über das Ziel hinaus, während andere meinen, dass Swifts Prophezeiungen durchaus der Wahrheit entsprächen. Auch Swifts Satire von Woods Charakter basieren auf tatsächlichen Belegen, und nur sehr wenig war dem hinzugefügt, wie Wood der Öffentlichkeit durch seine Worte und Taten bekannt war. Obwohl Swift betont, dass Wood und nicht der König, die Schuld trug, zeigen einige Nebenbemerkungen aus dem ersten Brief, verschleierte Anspielungen auf Woods Bestechung der Herzogin von Kendal, diese zu erkennen, überläßt er dem aufmerksamen Leser. Doch der Autor respektiert immer den König als Anführer der irischen Nation und der irischen Kirche, obwohl einige Kritiker in seiner kühnen Sprache und der freigiebigen Nutzung des Königs Namen und Titel durchaus eine Untergrabung dieser Positionen erkennen wollen.

Swift stellt sicher, dass Wood das primäre Ziel der Angriffe bleibt, auch wenn er sie mit einem indirekten Angriff auf Personen an der Spitze der britischen Politik kombiniert, beruhigt die Menschen in Irland, dass sie nur gegen einen „unbedeutenden Eisenhändler“ rebellieren.

Zweiter Brief