Benutzer:Sven.lie/Helmuth Burckhardt (erneuter Versuch)

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Helmuth Burckhardt (*05. November 1903 in Berlin-Friedenau; † 14. April 1984 in Bardenberg bei Aachen) war ein deutscher Spitzenmanager im Steinkohlebergbau und ab 1953 erster Vorsitzender des beratenden Ausschusses des EGKS (Montanunion; Vorgänger der EU).

Elternhaus

Burckhardt wurde am 5. November 1903 in Berlin-Friedenau als Sohn des Ernst Hieronymus Burckhardt und seiner Ehefrau Martha, geb. von Poser und Groß-Naedlitz geboren. Im Jahre 1916 wurde Ökonomierat Ernst Burckhardt als Vortragender Rat mit dem Titel „Geheimer Regierungsrat“ in das Preußische Landwirtschaftsministerium berufen.

Schulzeit und vormilitärische Ausbildung

In Helmuth Burckhardts Berliner Gymnasialzeit fiel auch die Absolvierung einer vormilitärischen Ausbildung im Kadettenhaus Potsdam und später in der Hauptkadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde, die als Grundstock der militärischen Kader-Ausbildung in Preußen galt. Während des Kapp-Putsches tat er zeitweise Dienst in einem Freikorps zum Schutz von Berlin und verließ das Freikorps als Unteroffizier.

Bergbaustudium

Nach Ende des 1. Weltkriegs war für Helmuth Burckhardt eine militärische Laufbahn uninteressant geworden und so entschloss er sich nach dem Abitur, den Bergmannsberuf zu ergreifen. Die Beflissenenzeit absolvierte er in Vorbereitung auf das Bergbaustudium in Waldenburg auf dem Fürstlich- Plessischen Tiefbau. Die Betriebe standen damals unter der Leitung seines Onkels Arwed Pistorius.

Im Sommer 1921 nahm er - 18-jährig - das Studium des Bergfachs an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg auf. 1925 bestand er im Sommersemester sein Diplomexamen. Als Referendar beim Oberbergamt Breslau als „jüngster Bergreferendar des Preußischen Staates“ mit 21 Jahren absolvierte er die Steigerzeit auf verschiedenen Zechen des Ruhrgebiets. Schon während seiner Studienzeit widmete sich Burckhardt journalistischen und schriftstellerischen Aufgaben. 1927 erschien von ihm die Ausarbeitung „Das Studium des Bergbaus in Deutschland“.1

Erste Berufsstationen

Nach seiner Assessor-Prüfung 1928 in Berlin (mit Staatsauszeichnung) wurde er 1929/1930 mit verantwortungsvolleren Aufgaben in der Bergwerksdirektion des Fürsten Pleß in Waldenburg betraut. 1930 wechselte er als „Hilfsarbeiter“ - so nannte man damals die jungen Bergassessoren - zur Mansfeld AG nach Eisleben. Hier betreute er neben Kupferschiefer- und Kaligruben auch die Schachtanlagen Mansfeld (Bochum-Langendreer) und Sachsen (Hamm-Heessen) im Ruhrgebiet.

Eschweiler Bergwerks-Verein

Im September 1933 begann er seine Karriere bei der Eschweiler Bergwerks-Verein AG (EBV) als Betriebsdirektor und wurde bereits 1935 Bergwerksdirektor und 1938 stellvertretendes Vorstandsmitglied des EBV. Hier wurde er insbesondere mit der wichtigen Aufgabe des Aufbaus der Schachtanlage Emil Mayrisch (Siersdorf bei Aldenhoven / Aachen) betreut. Ab 1. Juli 1943 war Burckhardt ordentliches Vorstandsmitglied des EBV.

Unter seiner maßgeblichen Mitarbeit wurde ab 1942 beim Glückauf Verlag Essen mit den Schriften zur Betriebswirtschaft der erste Band „Das betriebsnotwendige Kapital bergbaulicher Unternehmen“ begonnen. Da die bisherigen betriebswirtschaftlichen Veröffentlichungen mehr oder weniger auf die Verhältnisse der Fertigungsindustrie abgestellt waren, wurde damit auch den modernen betriebswirtschaftlichen Aufgaben des Bergbaus Rechnung getragen.

Wehrmacht und Kriegsgefangenschaft

Im September 1944 wurde Burckhardt zur Wehrmacht eingezogen und geriet nach Einsätzen an West- und Ostfront in der Nähe von Berlin am 19. April 1945 in russische Gefangenschaft. Als Kriegsgefangener verbrachte er vier schwere Jahre in Arbeitslagern in der Nähe von Moskau. Nach einer sehr problematischen Wundinfektion an der linken Hand wurde er im März 1949 als „Invalide“ aus der Gefangenschaft entlassen.

Rückkehr zum Eschweiler Bergwerks-Verein

Am 11. April 1949 gab Heinrich Kost als Generaldirektor der Deutschen Kohlenbergbauleitung dem EBV auf dessen Antrag die Genehmigung, Burckhardt sofort wieder als Vorstandsmitglied einzustellen. Die ARBED – ein luxemburgischer Stahlkonzern, seit 1913 (bis 1993) zwecks Koksversorgung durch einen Interessenvertrag mit dem EBV verbunden - hatte seinen Posten für vier Jahre freigehalten. Neben seinen Aufgaben als Bergwerksdirektor widmete sich Burckhardt nun auch dem Vertriebssektor. Burckhardt berichtete: „Einarbeitung in den Verkaufssektor; aktive Mitwirkung beim Aufbau der Aachener Kohlen-Verkauf GmbH durch Heinrich Wienke sowie bei der Wiederschaffung unserer Auslandsbeziehungen, Zusammenarbeit mit George Courtois und Henry Thouvenet“. Im Jahre 1951 wurde Burckhardt als Nachfolger von Paul Becker Generaldirektor des EBV. Von 1957 an gehörte er für fast 20 Jahre dem Verwaltungsrat der ARBED in Luxembourg an.

Montanunion

Als die Montanunion (EGKS) ihre Tätigkeit aufnahm, wurde Burckhardt 1953 der erste Vorsitzende des „Beratenden Ausschusses der EGKS“. Dies war eine besondere Auszeichnung für Burckhardt, denn damit gehörte er mit zu dem Kreis von engagierten Europäern, die mit der praktischen Durchsetzung eines neuartigen politischen Kohle-Stahl-Verbunds die Grundlagen für ein friedliches geeignetes Europa schafften. Diese Aufgaben brachten weltweite Anerkennung.

Es folgten Einladungen zu internationalen Vortragsreisen. Verschiedentlich nahm er solche auch auf den Wunsch des Präsidenten der Montanunion, Jean Monnet, an, der den sprachkundigen Kohlefachmann Helmuth Burckhardt sehr schätzte. Burckhardt hatte dabei die Aufgabe, den politisch Interessierten auch den Unterschied zwischen einem gewaltigen Kohlekartell und der Montanunion zu erklären. Burckhardt referierte selbst in den USA, z.B. vor dem feinen Duquesne Club in Pittsburg. Die „Zeit“ brachte alles auf einen Nenner: „Der Schlüssel zum Erfolg dieses hünenhaften 54ers liegt in seiner profunden Sachkenntnis, Logik, Energie und Menschlichkeit.“ Nach einer Studienreise durch Großbritannien war der Europäer Helmuth Burckhardt davon überzeugt, dass die Briten noch keineswegs willens waren, der Montanunion beizutreten.

Bei dem Wiederaufbau der in deutschen Besitz zurückgekehrten Saarbergwerke beriet Burckhardt die deutsche Bundesregierung. Bergassessor Burckhardt wurde bei der Gründung am 1. Oktober 1957, des neuen Unternehmens für den Saarbergbau, der Saarbergwerke AG, auf Vorschlag des Bundesministers der Finanzen in den Aufsichtsrat dieser Gesellschaft gewählt.

Die Kohlekrise

Als die Kohle 1958 ihre erste große Krise erlebte, wurde Burckhardt zum Vorsitzenden des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau gewählt. Es folgten für Burckhardt harte Arbeitsjahre. Die von nun an fortwährenden Absatzprobleme der deutschen Kohle brachten ihn in ständige Verbindung zur Ministerialbürokratie des Wirtschaftsministeriums und zur politischen Spitze der Bundesrepublik Deutschland. Burckhardt betonte dabei die Wichtigkeit, die Kohlenkrise auf privatwirtschaftlicher Basis zu lösen, dem Staat oblag die Aufgabe die „richtige“ energiepolitische Rahmensetzung zu schaffen.

Zu diesem Maßnahmenkatalog gehörte auch eine privatwirtschaftliche Entscheidung für die Ablösung bestehender amerikanischer Importkohlenverträge. Diese Verträge waren auf langfristiger Basis zu Preisen abgeschlossen worden, die diejenigen des deutschen Steinkohlenbergbaus deutlich überschritten. Ermöglicht wurde diese Aktion durch die Gründung der „Notgemeinschaft deutscher Steinkohlenbergbau GmbH“. Als wichtige Argumente konnte Burckhardt (nebst Vorstandskollegen) in den USA dringende wirtschaftliche, politische aber auch sozialpolitische Argumente vorbringen.

Schließlich waren über 400.000 Arbeitsplätze im Ruhrbergbau in Gefahr. Der Industriekurier, Düsseldorf, signalisierte vorausschauend dazu am 7. Januar 1959: „Strukturanpassung brauchte Jahre. (…) Drei maßgebende Vertreter des Ruhrbergbaus sind nach Amerika geflogen, um in Verhandlungen mit den amerikanischen Kohleexporteuren und dem amerikanischen Bergbau zu prüfen, wie die langfristigen Kohleneinfuhrverträge nach Deutschland und die Charterverträge auf ein erträgliches Maß gebracht werden könnten“. Anzumerken verbleibt, dass der Aufwand zur Importablösung zunächst (Ende Februar 1959) auf bis zu 250 Millionen DM geschätzt wurde.

Ebenfalls hielt Burckhardt von einer Verstaatlichung des deutschen Steinkohlebergbaus nichts. So blieb er später auch für sein Unternehmen den Plänen des staatlich begleiteten Auseinanderreißens vom Kohle- und Stahl-Verbund fern und trat dabei nach wie vor für die Selbständigkeit des Aachener Bergbaus und den Konzernverbund ARBED/EBV ein. In Gegenwart von Dr. Strauß und Dr. Stoltenberg verkündete er am 7. November 1967 seine „Sechs Thesen zur Energiepolitik“. Burckhardt erkannte dabei, dass den Bemühungen um eine Zusammenfassung der Bergbaubetriebe nur dann ein Erfolg beschieden wäre, wenn nach erfolgter Anpassung der Förderkapazität an den gesunkenen Absatz eine Vollauslastung der verbleibenden Anlagen gelang.6

Verbandstätigkeit

In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts gehörte Burckhardt u.a. längere Zeit dem Präsidium des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), also der „Elite des großindustriellen Managertums“ (Pritzkoleit) an. Hier hatte Burckhardt Gelegenheit mit den Präsidiums- Kollegen, so zum Beispiel mit Heinrich Nordhoff (VW), Hans Günter Sohl (Thyssen) oder Peter von Siemens Gedanken zur deutschen Wirtschaft und Politik auszutauschen.7

Auf die Bedeutung seines Unternehmens (Eschweiler Bergwerks-Vereins AG) und der Muttergesellschaft ARBED ging auch der bekannte Wirtschaftshistoriker Kurt Pritzkoleit mit einem bemerkenswerten Aufsatz ein: „Mit einer Belegschaft von mehr als 31.000 Mann, einer Förderung von 7,23 Millionen Tonnen Kohle und einer Produktion von 2,31 Millionen Tonnen Koks im Jahre 1958 gehört die Gruppe Eschweiler-Lothringen nach der GBAG und der staatseigenen Hibernia, aber noch vor der Harpener Bergbau AG zu den drei Größten des westdeutschen Steinkohlenbergbaus. Bezeichnend für die Bedeutung der ARBED-Zechen ist übrigens, dass Bergassessor a.d. Dr.Ing. E.h. Helmuth Burckhardt, Vorstandsvorsitzender des Eschweiler Bergwerks-Vereins und Aufsichtsratsvorsitzer der Bergbau-AG Lothringen, als Vorstandsvorsitzer des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau, des Unternehmensverbandes des Aachener Steinkohlenbergbaues und des Vereins für die bergbaulichen Interessen amtiert“.

Anzumerken ist noch: Der EBV arrondierte seinen Zechenbesitz (je nach Bedarf) ständig: Dies führte zum Beispiel zu dem Kauf der Zechen Erin (Castrop-Rauxel) und Westfalen (Ahlen). Die beiden Zechen förderten eine hochqualitative Kokskohle. Mit der Erweiterung der Förder- und Verkokungskapazität auf Erin wurde den Anforderungen der ARBED besonders entsprochen. Bereits 1972 konnte auf Erin eine neue Koksofenbatterie mit 620 Öfen Bauart Still in Betrieb genommen werden. 1973 erzielte Erin eine Spitzenförderung von 1.480.855 Tonnen Steinkohle. Außerdem wurde den staatlichen Vorstellungen von einer „optimalen Unternehmens-Größe“ im Bergbau Rechnung getragen.

Auch in der Stadt Aachen fand der Bergbau seinen Markstein. Mit dem Bau eines hochmodernen Verwaltungsgebäudes (1964), dem Haus der Kohle, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Aachener Dom und zum Rathaus, wollte Helmuth Burckhardt u.a. seinen Glauben und den seines Unternehmens an die Zukunft des Steinkohlenbergbaus bekunden.9

Nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmensverband Ruhrbergbau wurde Burckhardt im November 1967 zum „Präsidenten der Wirtschafts- Vereinigung Bergbau gewählt“, dieses Amt übte er bis 1977 aus; 1965 wurde Burckhardt zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Eschweiler Bergwerks-Verein AG gewählt. Seine vielseitige Tätigkeit auf wirtschaftspolitischem und technischem Gebiet fand zahlreiche Anerkennung durch deutsche und internationale Ehrungen. Zu seinem 60. Geburtstag befassten sich die „Ruhr Nachrichten“ ausführlich mit dem Lebensweg des RWTH-Ehrenbürgers Helmuth Burckhardt und hoben hervor: „Burckhardt tritt für eine sinnvolle Energiepolitik im nationalen und internationalen Rahmen ein. Sein besonderes Interesse ist die Erhaltung eines leistungsfähigen europäischen Kohlenbergbaus (…)“

Familie

Eine besondere Freude stellte für Burckhardt dar, sich der Historie seiner aus Basel stammenden renommierten Familie zu widmen. Was Basel prägte, das gilt auch für seine Patrizier, wie die Burckhardts: Basel macht in allen seinen Zügen den Eindruck eines behäbigen Handelsherrn von altem Schrot und Korn, der einen gewissen Arbeitsernst in seinem Antlitz und das Bewusstsein hat, sein Haus auf festem Grunde erbaut zu haben…“ (Woldemar Kaden)10 Die Monographie seines Baseler Verwandten Carl J. Burckhardt „Memorabilien, Erinnerungen und Begegnungen“, fand dementsprechend einen Ehrenplatz in Burckhardts Büchersammlung. 11

Hemuth Burckhardt war seit 1935 mit Luise Burckhardt, geb. von Poser und Groß-Naedlitz, verheiratet. Aus der Ehe stammen fünf Kinder: Gerda Liegmann (* 1936), Hieronymus Burckhardt (*1937), Ute von Bernuth (*1940), Arno Burckhardt (1943 – 2007) und Gisela Burckhardt (*1951).

Der große alte Mann des deutschen Steinkohlebergbaus „Helmuth Burckhardt“ verstarb am 14.4.1984 im Knappschaftskrankenhaus in Bardenberg bei Aachen. Im Gedächtnis bleibt er insbesondere der Öffentlichkeit und der Wissenschaft durch den „Helmuth Burckhardt-Preis“, der seit 1971 für außerordentlich gute Examens- und wissenschaftliche Leistungen verliehen wird.