Benutzer:Sylbendrechsler/Strukturwandel in der Kohleindustrie

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Lock-in-Effekt (Wirtschaftsgeographie)

Als Lock-in-Effekt bezeichnet man in der Wirtschaftsgeographie die Beobachtung, dass Spezialisierung und Clustering die Innovations- und Anpassungsfähigkeit einer Region an geänderte politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen beeinträchtigen können. Ein Lock-in-Effekt tritt auf, wenn eine nicht mehr wettbewerbsfähige Wirtschaftsstruktur den benötigten Strukturwandel hinauszögert und die Kosten für die wirtschaftliche Transformation im Vergleich zu Regionen ohne diese Spezialisierung erhöht.

Der Lock-in-Effekt ist somit ein Beispiel von Pfadabhängigkeit in der Standortentwicklung.

Wirkmechanismen

In der Literatur werden drei Arten von Wirkmechanismen für Lock-in-Effekte genannt: (ref: Grabher, Gernot. (1993). The Weakness of Strong Ties: The Lock-in of Regional Development in the Ruhr Area.)

  • Funktionaler Lock-in: Langanhaltende, partnerschaftliche Beziehungen zu Lieferanten oder Kunden machen Ausgaben für Schnittstellenfunktionen wie Forschung und Entwicklung, Marktbeobachtung, Marketing oder Vertrieb weniger notwendig und führen zu einseitigen Abhängigkeiten zwischen Firmen der Region und zu einer Abkopplung vom technologischen und wirtschaftlichen Umfeld.
  • Kognitiver Lock-in: Binnenkommunikation und soziale Verstärkung führen zur Entstehung einer spezifischen Weltsicht der Akteure, die die Wahrnehmung und Interpretation äußerer Signale bestimmt (siehe auch: Gruppendenken). Dies reicht bis zur Festigung einer regionalen Identität, die sich mit der regionalen Wirtschaft und Produktionsweise identifiziert.
  • Politischer Lock-in: Das regionale politisch-administrative Umfeld unterstützt die bestehende Wirtschaftsstruktur. Politische Parteien sind ihren bestehenden Wählergruppen verpflichtet, Gewerkschaften benötigen eine homogene Mitgliederbasis als Bedingung für Solidarität, Arbeitgeber vereiteln die Ansiedlung neuer Betriebe, um bei Arbeitskräften nicht in Konkurrenzdruck zu geraten.

Lock-ins stellen somit eine Kehrseite der Effizienzgewinne bei der Entstehung neuer Wirtschaftscluster durch informellere Kommunikationsstrukturen, niedrigere Transaktionskosten, Anpassung an das direkte wirtschaftliche Umfeld und politische Unterstützung dar.

Beispiel: Lock-in-Effekt in der Stahl- und Kohleindustrie des Ruhrgebiets

Anfang der 1970er Jahre sah sich die Stahlproduktion im Ruhrgebiet einem Preisverfall durch die zunehmende internationale Konkurrenz und Produktivitätsfortschritte bei gleichzeitig gedämpfter Nachfrage ausgesetzt (Stahlkrise). Das Problem wurde in veralteter Produktionstechnik gesehen (kognitiver Lock-in), sodass in der Folge massive private Investitionen und öffentliche Subventionen in die Erneuerung der Anlagen und Technologieprogramme flossen (politischer Lock-in). Maschinenbauer in der Kohle- und Stahlbranche hatten zwar bereits vor der Konkurrenz in anderen Branchen computerunterstützte Methoden in Design und Fertigung eingesetzt, aber diesen Wettbewerbsvorteil aufgrund ihrer Fixierung auf den regionalen Kohle- und Stahlsektor und das Fehlen von Vertriebswegen nicht auf langfristig vielversprechenderen Märkten zur Geltung gebracht (funktionaler Lock-in).

Siehe auch: Sailing-Ship-Effekt

Einflussfaktoren

Als Faktoren, die Lock-in-Effekte begünstigen, wurden wirtschaftlich-strukturelle Faktoren wie die räumliche Konzentration oder Kapitalintensität der Branche sowie politisch-institutionelle Faktoren vorgeschlagen. Zu letzteren gehört beispielsweise die Frage, ob eher ein korporatistisches oder ein entwicklungsorientiertes, interventionistisches Staatsverständnis zugrunde liegt. Die wirtschaftsgeographische Literatur deutet aber auf eine kontingente Abhängigkeit von vielen Einzelfall-Faktoren hin. (ref: https://www.researchgate.net/publication/283833018_Locked_in_decline_On_the_role_of_regional_lock-ins_in_old_industrial_areas?enrichId=rgreq-0b68c79fb0b77cb03380f3c7acb95a17-XXX&enrichSource=Y292ZXJQYWdlOzI4MzgzMzAxODtBUzozNzU3MzE1NjI1MzI4NjRAMTQ2NjU5Mjc5MzUwMQ%3D%3D&el=1_x_3&_esc=publicationCoverPdf)

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