Benutzer:Syrcro/USR-Ch

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Der Play-off UEFA/CONMEBOL zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974 im Herbst 1973 zwischen Chile und der Sowjetunion wurde durch den Putsch in Chile 1973 gegen die Linksregierung unter Allende wenige Tage vor dem - torlosen - Hinspiel in Moskau zu einem Spielball des Ost-West-Konflikts.[1] Die Sowjetunion verweigerte das Rückspiel am 21. November im Estadio Nacional de Chile, das in der Zwischenzeit als Konzentrationslager der chilenischen Militärjunta diente, so dass Chile kampflos in die Endrunde der Weltmeisterschaft einziehen konnte. Innenpolitisch profitierte das Chilenische Regime von dem Zwischenfall, außenpolitisch lenkte das Boykott weltweit Empörung auf das Regime, sowie die FIFA, auf lange Sicht hatte die Ereignisse großen Einfluss darauf, dass der chilenische Nationalstadion zum Symbol des Terrors der chilenischen Diktatur wurde.[2]

Die Sowjetunion hatte sich bereits in Jahren zuvor mehrfach des Mittels des Sporboykotts in der Außenpolitik bedient, zuerst 1959 bei der Basketball-Weltmeisterschaft in Chile mit der Weigerung gegen die als „Formosa“ antretenden Republik China als „Satelliten der USA“ anzutreten; 1966 sagte sie aus Protest gegen den Vietnamkrieg den alljährlichen Leichtathletik-Länderkampf mit der USA ab und boykottierte die Sommer-Universiade 1967 in Tokio aus „Solidarität mit den nordkoreanischen Studenten“.[3]

Die DDR wendete sich mittels eines die sowjetische Position unterstütztenden Brief des Deutschen Fußball-Verbandes an die Fifa, es könne „von keinem Menschen [...] verlangt werden, in einem Stadion zu spielen, das mit dem Blut edler und couragierter Menschen befleckt ist“. Einen Boykott schlossen DDR und Polen aber bereits vor dem Nichtantritt zum Rückspiel aus.[4]

Die sowjetischen Medien unterstellten, dass Grund des Ausschlusses auch die Möglichkeit war, dass sich die anderen WM-Teilnehmer des Ostblocks sich dem Boykott anschlossen und die so freiwerdenden Plätze von anderen europäischen Mannschaften - namentlich die Heimat des FIFA-Chefs Rous England - eingenommen werden könnten.[5] Ein Solidaritätsboykott durch die DDR, Polen und Jugoslawien fand jedoch nicht statt, der DDR war ihre Teilnahme sogar so wichtig, dass sie dafür das seit mehr als 10 Jahre bestehendes Sportboykott gegen West-Berlin beendete und im Berliner Olympiastadion ausgerechnet gegen Chile antrat.[6]

In der Folge untersagte die UdSSR unter Hinweis auf die Entscheidung der Fifa die Rallye London-Moskau.[7]

Durch die Entscheidung brachte der Fifa-Präsident Stanley Rous die UdSSR gegen sich auf, die nun beim Fifa-Kongress den Kandidaten der Dritten Welt João Havelange unterstützte, mit dessen Wahl die Dominanz Europas im Weltfußballverband gebrochen war.[8]

Literatur

  • Georg Ismar: „Der Ballsport im Dienst der eigenen Sache - Die Politisierung des Fußballs in Südamerika“. In: Jürgen Mittag und Jörg-Uwe Nieland (Hg.): „Das Spiel mit dem Fußball - Interessen, Projektionen und Vereinnahmungen“, Klartext Verlag, Essen 2007, ISBN 978-3-89861-635-5, S. 237ff.

Einzelnachweise

  1. Ismar, S. 242.
  2. Ismar, S. 246.
  3. Barukh Ḥazan: „Olympic sports and propaganda games: Moscow 1980.“ Transaction Publishers, New Brunswick, New Jersey 1982, ISBN 0-87855-436-X, S. 54.
  4. „Das Todesstadion“. In: Der Spiegel 46/1973 vom 12.11.1973, S. 172 (online).
  5. Ḥazan, S. 55.
  6. „Aber wir haben den Krieg gewonnen - Fußball auf dem Spielfeld der Politik, Teil 1“. In: Der Spiegel 21/1974 vom 20.05.1974, S. 102ff. (online).
  7. Ḥazan, S. 56.
  8. Tony Mason: „Passion of the people?: Football in South America.“ Verso, London 1995, ISBN 0-86091-403-8, S. 133.