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Sowjetisches bemanntes Mondprogramm
Mondlandungsprogramm N1-L3
In der Sowjetunion fiel die Entscheidung zu einer bemannten Mondlandung erst 1964. Das gesamte Projekt litt unter zu geringer Finanzierung und wurde durch die widerstrebenden Interessen der beteiligten und teilweise um Mittel konkurierenden OKBs behindert. Unter dem Zeitdruck des Wettlaufes mit der NASA überforderte das Projekt einer bemannten Mondlandung nicht nur die technologischen Möglichkeiten der sowjetischen Raumfahrtindustrie sondern reichte auch über die ökonomische Leistungsfähigkeit der gesamten sowjetischen Industrie hinaus. Zur gleichen Zeit liefen die umfangreichen Rüstungsprogramme zur breiten Ausstattung der strategischen Raketentruppen mit Interkontinentalraketen und zur Schaffung der strategischen U-Boot-Flotte. Daneben befand sich die sowjetschen Luft- und Raumfahrtindustrie mit der Entwicklung der Tupolew Tu-144 als Konkurrenzentwurf zur französisch-britischen Concorde zeitgleich im mit hoher Prorität betriebenen Wettlauf um das erste einsatzfähige Überschallpassagierflugzeug, wodurch insbesondere bei Zulieferfirmen für die Mondprojekte wichtige Kapazitäten und Ressourcen gebunden wurden. So entwickelte das OKB Kusnezows neben den Triebwerken Kusnezow NK-15 bzw. Kusnezow NK-33/NK-43 für die Trägerrakete N1 zeitgleich auch die Triebwerke NK-144 für die Tu-144.
Technik
Trägerrakete N1
Für eine bemannte Mission waren die 5 t Nutzlast der bisher im bemannten Programm eingesetzten R-7 bei weitem nicht ausreichend. Mit der Großrakete N1 sollten 95 t für den niedrigen Erdorbit (LEO) erreicht werden, knapp 30% weniger als die 133 t der amerikanischen Mondrakete Saturn V leistete. Trotzdem strebte man einen technisch weitgehend parallelen Ablauf der Missionen unter Nutzung eines Einzelstarts und des auch für Apollo gewählten Mondumlaufbahn-Rendezvous' (LOR) an. Für alle Teilprojekte bedeutete die geringe Nutzlast einen enornem Druck zur Massereduktion. Das wirkte sich gravierend auf die Redundanz und die generelle Zuverlässigkeit der Teilsysteme aus. Reserven, die zusätzliche Masse erforderten, wie sie beispielsweise bei der Mission Apollo 13 für die erfolgreiche Rettung der Besatzung genutzt werden konnten, wären bei einer bemannten Nutzung der N1 faktisch nicht vorhanden gewesen.
Als eines der schwierigsten Probleme erwies sich nun, dass in der Sowjetunion nach den frühen Erfolgen in der Raumfahrt, welche unter Nutzung der immer weiter verbesserten R-7 erreicht wurden, die Entwicklung ausreichend schubstarker Triebwerke vernachlässigt worden war. Dagegen konnte die NASA bereits Anfang der 1960er Jahre auf Triebwerke mit einem breiten Leistungsspektrum (F-1, J-2) zurückgreifen, welche für die Saturn V bereits verfügbar waren oder sich in der Erprobung befanden. Zu dem Triebwerksproblem der N1 trug insbesondere auch der unversöhnliche Streit zwischen Koroljow und dem Triebwerkskonstrukteur Walentin Gluschko über den grundlegenden Entwurf (Einkammer- gegen Vierkammertriebwerk) und die zu verwendende Treibstoffkombination (RP-1/LOX und LH2/LOX gegenüber der von Gluschko favorisierten toxischen Kombination UDMH/Distickstofftetroxid) bei. Von den nunmehr noch durch eine Entscheidung Koroljows für die N1 vorgesehenen Triebwerke Kusnezow NK-15 mit je 1,44 MN Schub (für Starts ab 1974 waren verbesserte Triebwerke NK-33 mit 1,51 MN Schub vorgesehen) mussten daher in der ersten Stufe dreißig dieser NK-15 parallel eingesetzt werden. Dies machte die Montage und Tests komplizierter, bedingte eine komplexe Steuerung und Treibstoffversorgung und verursachte bisher unbekannte dynamische Probleme in der Struktur der Stufe und der Aerodynamik von Abgas- und Luftströmung. Daneben standen weder genügend Zeit noch ausreichende materielle Ressourcen für den Bau eines Prüfstands zur gründlichen Bodenerprobung der hochkomplexen ersten Stufe zur Verfügung. Man entschied sich notgedrungen, die Erprobung "im Flug" vorzunehmen. Nach vier Fehlstarts im Zeitraum 1969 bis 1972 wurden im Jahre 1974 das Entwicklungsprogramm der N1 und das darauf basierende bemannte Mondlandungsprojekt endgültig eingestellt.
Der Mondflugkomplex L3
Die ersten drei Stufen der Tragerrakete sollten den Mondflugkomplex L3 in einen LEO bringen. Nach Erreichen des LEO sollte die zweiköpfige Besatzung den Weg zum Mond mit einem Komplex aus zwei Raumfahrzeugen und zwei Antriebsstufen antreten. Zum Erreichen der Transferbahn zum Mond hätte der Block G gedient. Für alle Bahnkorrekturen bis zum Mond, dem Einschwenken in den lunaren Orbit und den ersten Teil des Abstiegs des Landers LK sollte der Block-D genutzt werden. Als Mutterschiff war mit der Version 7K-LOK eine stark modifizierte Variante aus der Sojus-Familie vorgesehen.
Block-G
Um den gesamten Mondflugkomplex auf die Transferbahn zum Mond zu bringen, fand der Block-G Verwendung. Seine Startmasse betrug 62 t. Als Antrieb diente ein Triebwerk Kusnezow NK-19 mit 446 kN Vakuumschub, das die Treibstoffkombination RP-1/LOX nutzte.
Blok-D
Blok-D wurde vom OKB-1 für die Mondflugprojekte der Sowjetunion entwickelt. Diese Stufe war mit einem Haupttriebwerk vom Typ RD-58 ausgestattet, das bei Nutzung der Treibstoffkombination RP-1/LOX einen Vakuumschub von 84 kN erzeugte. Bei einer Leermasse von 1.800 kg besaß Blok-D eine Startmasse von 17,3 bis 17,8 t. Neben dem ursprünglich geplanten Einsatz im Mondlandeprogramm N1-L3 fand der Blok-D auch Verwendung im Mondumrundungsprojekt Zond und steht bis heute (Stand Januar 2022) in modernisierter Form als Oberstufe der Trägerraketen Proton, Zenit-3 und Angara-5 im Einsatz.
Raumschiff 7K-LOK
Das LOK (Lunnyi Orbitalnyi Korabl ‚Mondorbitalraumschiff‘) war eine Weiterentwicklung des Sojus-Raumschiffs und sollte als Mutterschiff für die Mission dienen. Es wies den bei der Sojus-Familie üblichen dreiteiligen modularen Aufbau auf:
- die Orbitalsektion, die am Bug neben dem Kopplungsadapter Kontakt vier zusätzliche Lagereglungs- und Korrekturtriebwerke für das Kopplungsmanöver mit dem Lander LK besaß;
- die Landekapsel, die auf Grund der höheren Wiedereintrittsgeschwindigkeit mit einem stärkeren und daher schwereren Hitzeschild versehen wurde;
- die im Vergleich mit der üblichen Sojus größere Gerätesektion mit Triebwerken, Tanks und Brennstoffzellen.
Die Energieversorgung sollte wie bei den Apollo-Raumschiffen durch Brennstoffzellen und nicht wie sonst üblich mit Solarauslegern bzw. erweiterten Akkumulatoren an Bord erfolgen. Die Brennstoffzellen sollten gleichzeitig Wasser für die Kosmonauten und Geräte liefern. Im Mutterschiff war der Platz für zwei Kosmonauten mit Raumanzügen vorgesehen. Bei einem Gesamtgewicht von ca. 10t war das LOK um ca. 50% schwerer als die Standardausführungen der Sojus-Raumschiffe.
Landefähre LK
Der sowjetischen Mondlander Lunniy Korabl („Mondschiff“, LK) war 5,20 m hoch und bestand aus einer 1440 kg schweren kugelförmigen Kabine, einem 2950 kg schweren Triebwerksblock (Block E) und einem 1260 kg schweren Landegestell. Er wog damit gerade ein Drittel seines amerikanischen Gegenstücks und bot nur einem Kosmonauten Platz. Der Abstieg zur Mondoberfläche aus dem Mondorbit sollte im ersten Teil mit dem Antriebsblock D erfolgen, der ca. 1 km über dem Mond abgeworfen worden wäre. Das restliche Landemanöver sollte dann mit dem regelbaren, internen Triebwerk des Blocks E vollzogen werden. Im Gegensatz zur Apollo-Mondlandefähre wäre beim Rückstart vom Mond nur das Landegestell zurückgeblieben, während das Triebwerk nun auch zum Rückstart genutzt werden sollte. Der Lander besaß als Reserve ein weiteres nichtregelbares Triebwerk gleichen Maximalschubs, da bei der Landung das Risiko der Beschädigung des Haupttriebwerkes bestand.
Der Mondlander wurde, getarnt als Satellit der Kosmos-Serie, drei Mal unbemannt im Erdorbit getestet: Kosmos 379 im November 1970, Kosmos 398 im Februar 1971 und Kosmos 434 im August 1971. Die Starts erfolgten mit einer speziell für diesen Zweck angepassten Version Sojus-L aus der Rakentefamilie R-7. Alle drei Tests verliefen erfolgreich, somit erreichte neben dem Blok-D nur die Landefähre die Einsatzreife, flog aber nie zum Mond.
Ein Nachbau der Landefähre befindet sich im Euro Disney bei Paris.
Raumanzug Krechet
Für die Mondmission wurde durch NPP Swesda der Raumanzug Krechet entwickelt, der den Kosmonauten für den Aufenthalt auf dem Mond dienen sollte. Im Unterschied zum amerikanischen Modell A7L war der Einstieg von hinten vorgesehen. Dazu konnte die Lebenserhaltungseinheit zur Seite geschwenkt werden. Funktionsbedingt bestanden jedoch weitgehende Ähnlichkeiten in wichtigen technischen Daten. So betrug das Gewicht des Kretchet mit rund 80 kg nur 10 kg weniger als beim amerikanischen Gegenstück AL7. Ähnlich wie beim amerikanischen Modell wurde die maximal abzuführende Wärme mit 580 Watt dimensioniert.[1] Die Arbeiten am Raumanzug wurden nach dem Ende des Mondprogramms nicht eingestellt, sondern der erreichte Stand floss in die Entwicklung des heute noch genutzten Anzugs Orlan ein. Ein bereits fertiggestelltes Modell ist im National Air and Space Museum in Washington, D.C. (USA) ausgestellt.
Einzelnachweise
- ↑ Mark Wade: More Details for 1969-01-29. Lunar systems status. In: Encyclopedia Astronautica. Abgerufen am 7. März 2022 (englisch): „Review of spacesuit development at Zvezda Factory with Gay Severin. The specifications for the moon suit are 10 hours life, 80 kg mass, able to handle a heat load of 500 kcal/hour. But this load is insufficient for heavy work. By comparison, the suits used by Leonov and Khrunov could only handle 200-250 kcal/hour.“