Benutzer:Taraxacum/Spielwiese
Ubiquitin ist ein Protein, das in allen eukaryotischen Zellen, also ubiquitär zu finden ist. Das Protein selbst hat keinerlei Einfluss auf die Physiologie der Zelle, sondern ändert die Eigenschaften anderer Proteine, an die es umkehrbar (reversibel) gebunden wird. Je nach Art und Anzahl der Ubiquitin-Bindungen werden dadurch deren Halbwertszeit, Funktion oder Verteilung innerhalb der Zelle (Lokalisation) reguliert. Dieses Ubiquitin-System ist unter anderem an den zellulären Prozessen des Protein-Abbaus, der Signaltransduktion allgemein und der Zell-Zyklus-Kontrolle beteiligt. Es dient somit der Veränderung bereits translatierter Proteine („post-translationale Modifikation“) und kann des Weiteren an der Entstehung verschiedener Krankheiten beteiligt sein. Zusammen mit ähnlich modifizierenden Proteinen wie Sumo1, Nedd8 und Anderen gehört Ubiquitin zur namensgebenden Ubiquitin-Protein-Familie. In Prokaryoten ist bisher kein Protein gefunden worden, dessen Funktion analog zu Ubiquitin ist.[1]
Für die Erforschung der Grundlagen des Ubiquitin-Systems Anfang der 1980er Jahre wurde Aaron Ciechanover, Avram Hershko und Irwin Rose 2004 der Nobelpreis für Chemie verliehen. [2]
Aufbau
Ubiquitin besteht aus 76 Aminosäuren und hat eine Molekülmasse von 8,5 kDalton. Dessen Struktur blieb im Laufe der Evolution nahezu unverändert, es ist somit hoch „konserviert.“ So unterscheidet sich das Protein beim Menschen und bei der Hefe in 3 der 76 Aminosäuren. Ubiquitin selbst hat eine globuläre Form, lediglich die letzten vier C-terminalen Aminosäuren ragen hervor. Als bekannte funktionelle Aminosäuren dienen das C-terminale Glycin an der 76. Stelle (G76) und die Lysine an der 48. und 63. Stelle der Kette (K48 und K63). Über das Glycin wird Ubiquitin an das zu markierende Protein kovalent gebunden. Über die Lysine können weitere Ubiquitinmoleküle an ein bereits markierendes Ubiquitin gebunden werden und so eine Ubiquitinkette bilden. Da Ubiquitin gesamt sieben Lysine enthält, sind mindestens sieben verschiedene Verbindungsarten zwischen Ubiquitinen möglich. Die humane Aminosäuresequenz für Ubiquitin im Einbuchstabencode (K48, K63 und G76 sind hervorgehoben):
N-Terminus MQIFVKTLTGKTITLEVEPSDTIENVKAKIQDKEGIPPDQQRLIFAGKQLEDGRTLSDYNIQKESTLHLVLRLRG C-Terminus |
Mechanismus der Ubiquitinierung
Der Prozess des Markierens von Zielproteinen wird Ubiquitinierung oder auch Ubiquitinylierung genannt. Dementsprechend spricht man bei der Modifikation von Proteinen durch Sumo1 und Nedd8 von Sumoylierung und Neddylierung. Der Mechanismus bleibt bei allen drei Proteinen gleich und wird von drei Enzymen katalysiert, die nach der Reaktionsfolge als E1, E2 und E3 (auch E3-Ligase) bezeichnet werden. Beim ersten Schritt wird Ubiquitin (durch eine Thioesterbindung mittels Cystein) an die C-terminale Carboxylgruppe des Enzyms E1 gebunden und dadurch „aktiviert“. Diese Aktivierung ist Energie-abhängig, die in Form der Spaltung von ATP zu AMP und Pyrophosphat bereitgestellt wird. Für jedes modifizierende Protein gibt es genau ein E1-Enzym, was spezifisch für dessen Aktivierung ist. Lediglich in Pflanzen gibt es für Ubiquitin zwei E1-Enzyme.[3] Anschließend wird das Ubiquitin an das Enzym E2 überführt. Während für Sumo1 und Nedd8 je ein spezifisches E2-Enzym existiert, sind für Ubiquitin allein in der Hefe über elf verschiedene E2-Enzyme gefunden worden. In höheren Organismen ist ihre Anzahl noch höher.[4] Als letzter Schritt wird das Ubiquitin durch die E3-Ligase auf das Zielprotein übertragen. Hierbei entsteht eine Isopeptid-Bindung zwischen einem Lysin des Zielproteins und dem C-terminalen Glycin des Ubiquitins. Sie unterscheidet sich von einer klassischen Peptidbindung dadurch, dass nicht der α-Aminorest, der für alle Aminosäuren charakteristisch ist, sondern der ε-Aminorest des Lysins als Bindungspartner dient. Davon abweichend wurde auch auf andere Ubiquitinierungen, verbunden durch Aminosäuren wie Cystein, Serin und Threonin, geschlossen.[5][6] Die Viefalt der von Ubiquitin modifizierten Zielproteine spiegelt sich in der Anzahl verschiedener E3-Enzyme wider. Berücksichtigt man alle Enzyme, die strukturell zu den drei Unterfamilien der E3-Enzyme (HECT, RING und U-Box) gehören, ist bei höheren Organismen von einer Zahl zwischen mehreren Hundert und Eintausend auszugehen.[7]
Arten der Ubiquitinierung
Je nach Anzahl der verbundenen Ubiquitin-Moleküle unterscheidet man zwischen einer Mono-, Oligo-, Multi- und Poly-Ubiquitinierung.[8] Wenn mindestens 5 Ubiquitinmoleküle als Kette mit einem Zielprotein verbunden sind, spricht man von einer Poly-Ubiquitinierung. Sind bei dieser die Moleküle durch das 48. Lysin miteinander verknüpft, wird das Zielprotein hauptsächlich dem Abbau durch das Proteasom zugeführt. [9] Sind bei einer Poly-Ubiquitinierung diese durch Lysin63 verbunden, kann dies zum lysosomalen Abbau des Proteins führen.[10]Des weiteren wurde beobachtet, dass diese Modifikation Einfluss auf die zelluläre Toleranz von DNA-Schäden, entzündliche Immunantworten, endozytotische Prozesse und die ribosomale Protein-Synthese hat.[11] Mono- und Multi-Ubiquitinierungen hingegen beeinflussen weniger die Stabilität einzelner Proteine, als deren intrazelluläre Verteilung und Vermögen, mit anderen Proteinen zu interagieren.[12] Oligo-Ubiquitinierung hat beispielsweise Einfluss auf die Aktivität eines Transkriptionsfaktors, ohne dessen Abbau zu initiieren.[13]
Beispiele für Ubiquitinierungen
Degradierung fehlerhafter Proteine
Das Ubiquitin-Proteasom-System spielt eine bedeutende Rolle in der „Qualitätssicherung“ intrazellulär hergestellter Proteine.[14] Proteine sollten während und nach ihrer Produktion richtig gefaltet werden, damit sie funktionieren. Bei einigen Proteinen ist die Faltung so komplex und fehleranfällig, dass zum Beispiel im Falle des Chlorid-Ionenkanals CFTR in Epithelzellen bis zu 60 - 80% der hergestellten Proteine fehlerhaft gefaltet sind.[15] Diese fehlerhaften Proteine werden von sogenannten Chaperonen gebunden. Diese Enzyme können unter Umständen die richtige Faltung des Proteins fördern. Ist eine Missfaltung „irreparabel“, ist die Bildung eines Protein-Chaperon-Ubiquitin-E3-Ligase-Komplexes beobachtet worden, der das fehlgefaltete Protein poly-ubiquitiniert und damit die Degradierung durch das Proteasom ermöglicht. [16] Auf diese Weise wird dafür gesorgt, dass strukturell entartete Proteine (cytosolisch als auch Membran-assoziiert) die Zellbiologie nicht beeinflussen.
Ereignet sich aber im Falle des Ionenkanals CFTR in der codierenden DNA eine Mutation, die sich in einer Mutation des Phenylalanins an Position 508 (F508) niederschägt, führt dies zur Poly-Ubiquitinierung und dem vorzeitigen Abbau aller produzierten CFTR-Proteine.[17] Die Folge ist das Krankheitsbild der Mukoviszidose. Eine ordnungsgemäße Funktion des mutierten Ionenkanals ist prinzipiell nicht ausgeschlossen. In diesem Beispiel wird gezeigt, dass sich das eigentlich positiv wirkende, strikte Kontrollsystem des Ubiquitin-vermittelten Abbaus struktuell falscher Proteine auch negativ auf den Organismus auswirken kann.
Regulation der Transkription
Der erste Schritt der Proteinsynthese ist die Transkription. Hierbei wird DNA über ein Enzym, die RNA-Polymerase, in RNA umgeschrieben. Für den Transkriptinsstart der Polymerase werden an der DNA verschiedene Transkriptionsfaktoren benötigt. Die Zugänglichkeit der DNA für die Transkriptionsfaktoren und die Polymerase kann von permanent DNA-gebundenen Proteinkomplexen, den Histonen, reguliert werden. Histone, die von DNA „umwickelt“ sind, werden Nukleosomen genannt. In der Backhefe wurde das Ubiquitin-konjugierende Protein Rad6 entdeckt, welches die Transkription eines anderen Gens, ARG1 (Argininosuccinat-Synthase-Gen1), beeinflusst.[18] In der Abwesenheit von Rad6 können die Transkriptionsfaktoren und die Polymerase an eine „Promotor“ genannte regulatorische DNA-Sequenz vor dem ARG1-Gen binden und die Transkription starten. In der Gegenwart von Rad6 verknüpft dieses ein Ubiquitin-Molekül mit dem Lysin K123 einer Histon-Untereinheit H2B. Dies führt über einen bisher ungeklärten Prozess zu Modifikationen eines H3-Histons im Nachbar-Nukleosom: Das Histon H3 wird an den Lysinen K4 und K49 methyliert. Infolge dessen wird der nachstehende Promotor ruhiggestellt, sodass keine Transkriptionsfaktoren binden können. Durch dieses Gen-Silencing wird nun das Enzym Argininosuccinat-Synthase in der Zelle nicht mehr hergestellt.[19]
Darüber hinaus war das Histon H2A aus der Taufliege das erste ubiquitinierte Protein, was beschrieben wurde.[20][21] In Säugetieren wurde der Ubiquitinierungszustand der Histone H2A und H2B zum ersten Marker für transkriptionell aktives Chromatin, der Gesamtheit aus DNA und derer assoziierter Proteine.[22]
Ubiquitin als Teil der Signaltransduktion
Ubiquitin ist ebenfalls an der intrazellulären Signal-Weiterleitung von äußeren Stimuli beteiligt, so zum Beispiel beim NFKB-Signalweg (engl. nuclear factor kappa B).[23] Er kommt unter anderem zum Tragen, wenn Zellen mit dem Tumornekrosefaktor (TNF), einem Signalmolekül, stimuliert werden. Bindet TNF an den TNF-Rezeptor der Zellmembran, wird durch dessen Änderung der Konformation die E3-Ligase TRAF2 an den intrazellulären Teil des Rezeptors „rekrutiert“. Diese poly-ubiquitiniert sich selbst und das Protein RIP über K63-Verbindungen[24] Durch die ubiquitinierten Proteine RIP und TRAF2 werden verschiedene Kinasen, phosphorylierende Enzyme, aktiviert. Die IK-Kinase β letztendlich phosphoryliert das Protein IKB. Dieses setzt nun den vorher gebundenen und inaktiven NFKB frei. NFKB wandert in den Zellkern und dient dort als Transkriptionsfaktor für die Aktivierung bestimmter Gene.[25] IKB hingegen wird über K48 poly-ubiquitiniert und über das Proteasom abgebaut.[26]
Weitere Beispiele für Ubiquitinierungen
- Nach Ende der Mitose wird das am Zellzyklus beteiligte Cyclin durch Ubiquitinierung abgebaut.[27]
- Bei der HIV-Infektion werden anti-virale Enzyme der Zelle (ABOBEC3G) durch ein virales HIV-Protein (Vif) gebunden. Vif vermag gleichzeitig Teile der Ubiquitinierungs-Maschinerie zu binden. Vif wird dadurch ubiqitiniert und zusammen mit APOBEC3G degradiert, wodurch die Effizienz der HIV-Infektion gesteigert wird.[28]
Genetische Erkrankungen
- Mutationen im Gen der E3 Ubiquitinligase E6-AP wurden bei Patienten mit Angelman-Syndrom identifiziert
- im dominant vererbten von Hippel-Lindau Syndrom führt eine Mutation im Gen der VHL Ubiquitinligase zu einer Akkumulation des Transkriptionsfaktor Hypoxia inducible Factor (HIF) und Tumorenstehung.
- Mutationen der Ubiquitinligase Parkin wurde bei bestimmten Formen der Parkinson-Krankheit nachgewiesen. [29]
- Mutationen der Cullin7 E3 Ubiquitinligase wurden als Ursache der autosomal-rezessiven Wachstumsstoerung 3-M Syndrom identifiziert [30]
Weblinks
- Informationen zu Ubiquitin an der Universität Nottingham (englisch)
- Biochemische Eigenschaften von Ubiquitin (englisch)
- Ubiquitin - Informationen zu Ubiquitin an der Universität Wroclaw (englisch)
Literatur
- Jeremy M. Berg, Lubert Stryer et al.: Biochemie. 6. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, 2007, ISBN 3827418003
Einzelnachweise
- ↑ Pickart CM, Eddins MJ.:Ubiquitin: structures, functions, mechanisms. Biochim Biophys Acta. 2004 Nov 29;1695(1-3):55-72. Review. PMID 15571809
- ↑ [[http://nobelprize.org/nobel_prizes/lists/2004.html Offizielle Seite des Nobelpreis-Komitees; Liste der Gewinner 2004
- ↑ Pickart CM, Eddins MJ.:Ubiquitin: structures, functions, mechanisms. Biochim Biophys Acta. 2004 Nov 29;1695(1-3):55-72. Review. PMID 15571809
- ↑ Pickart CM. Mechanisms underlying ubiquitination. Annu Rev Biochem. 2001;70:503-33. Review. PMID 11395416
- ↑ Cadwell K, Coscoy L. : Ubiquitination on nonlysine residues by a viral E3 ubiquitin ligase. Science. 2005 Jul 1;309(5731):127-30. PMID 15994556
- ↑ Ciechanover A, Ben-Saadon R. :N-terminal ubiquitination: more protein substrates join in. rends Cell Biol. 2004 Mar;14(3):103-6. Review. PMID 15055197
- ↑ Pickart CM, Eddins MJ.:Ubiquitin: structures, functions, mechanisms. Biochim Biophys Acta. 2004 Nov 29;1695(1-3):55-72. Review. PMID 15571809
- ↑ Mukhopadhyay D, Riezman H.: Proteasome-independent functions of ubiquitin in endocytosis and signaling. Science. 2007 Jan 12;315(5809):201-5. Review. PMID 17218518
- ↑ Hershko A, Ciechanover A.: The ubiquitin system for protein degradation. Annu Rev Biochem. 1992;61:761-807. Review. PMID 1323239
- ↑ Barriere H, Nemes C, Du K, Lukacs GL.: Plasticity of polyubiquitin recognition as lysosomal targeting signals by the endosomal sorting machinery.Mol Biol Cell. 2007 Oct;18(10):3952-65. PMID 17686993
- ↑ Pickart CM, Fushman D. : Polyubiquitin chains: polymeric protein signals. Curr Opin Chem Biol. 2004 Dec;8(6):610-6. Review. PMID 15556404
- ↑ Polo S, Sigismund S, Faretta M, Guidi M, Capua MR, Bossi G, Chen H, De Camilli P, Di Fiore PP.: A single motif responsible for ubiquitin recognition and monoubiquitination in endocytic proteins. Nature. 2002 Mar 28;416(6879):451-5. PMID 11919637
- ↑ Flick K, Ouni I, Wohlschlegel JA, Capati C, McDonald WH, Yates JR, Kaiser P.:Proteolysis-independent regulation of the transcription factor Met4 by a single Lys 48-linked ubiquitin chain. Nat Cell Biol. 2004 Jul;6(7):634-41. Jun 20. PMID 15208638
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