Benutzer:Trackie/Bücher/Sport/Einleitung
Wozu?
Dieses Buch ist für alle Radsportler geschrieben. Aber ganz besonderen Nutzen werden berufstätige Freizeitrennfahrer finden. Für sie bietet dieses Buch die Grundlage, einen individuell abgestimmten Trainingsplan zu gestalten, dank dem ihr berufliches Engagement, familiäre und andere soziale Verpflichtungen in eine ausgewogene Balance gelangen.
Gleichwohl bieten die Trainingstipps genügend Möglichkeit mit einem sehr begrenzten Zeitbudget einen wettkampftauglichen Formstand aufzubauen.
Klassisches Radsporttraining
Das klassische Training sieht ein vorsichtiges Herantasten an intensivere, fordernde Ausfahrten vor. Damit sind Sie wochen- oder gar monatelang im Spaziertempo unterwegs. Dieser Ansatz wird auch LSD-Training (vom Englischen long slow distance - lange, langsame Distanz - oder, vielleicht etwas weniger polemisch, long steady distance - lange, gleichmässige Distanz) genannt und verlangt, mehrere tausend Kilometer im Winter und Frühjahr mit dieser wenig trainingswirksamen, aber den Körper dennoch belastenden Ãœbung unterwegs zu sein. Je weniger Zeit Sie für das Radsporttraining aufbringen können, desto länger werden Sie benötigen um mehrere tausend Kilometer zu Beginn des Trainingsjahres damit zurückzulegen und desto grösser wird der Anteil Ihres Jahrestrainings sein, den Sie mit Bummelfahrten hinter sich bringen.
Die Verfechter dieses Ansatzes nennen diese Phase Grundlage aufbauen. Auf die Frage, welche Art von Grundlage damit gemeint sein könnte, werden Sie nur nebulöse Antworten kriegen. Z. B., das sei nötig, um nicht auszubrennen oder man dürfe im Winter oder im Frühjahr nicht intensiv fahren, weil man andernfalls nicht in der Lage sei, sein Training zu steigern oder weil nur ein langsamer Trainingsaufbau wirksam sei. Auch wird die Ansicht vertreten, die langsamen Ausfahrten würden den Körper auf letztendlich "magische" Weise auf grössere Aufgaben vorbereiten.
Das ist alles Unfug. Die meisten übertrainierten Radsportler ("ausgebrannt") sind deshalb überfordert, weil sie sich nicht genügend erholen konnten. Woher die chronische Ermüdung stammt, ist dabei erstmal unerheblich. Allerdings ist meist nicht die Intensität, sondern die sture, monotone Kilometerfresserei das Probelm. Weiter stimmt die Aussage nicht, man könne sein Training nicht mehr steigern, wenn man im Frühjahr bereits intensiv unterwegs sei. Das Training kann man jederzeit steigern, wenn man genügend Erholhungszeit zur Verfügung hat. Zudem braucht man sich im Frühling und Sommer weniger zu steigern, wenn man bereits mit einer besseren Fitness aus dem Winter kommt. Zudem verläuft der Formanstieg flacher, wenn die Form Anfang Frühling bereits etwas höher ist. Und da jegliche Formsteigerung zwangsläufig belastend ist, wird damit der Körper auch weniger belastet.
Wieso trainieren die besten Fahrer denn immer noch klassisch, werden Sie fragen. Erstmal: viele Fahrer haben ihr Training langsam umgestellt. Sie fahren auch im Winter Rennen, z. B. Querfeldein, Bahnrennen oder Strassenrennen in Übersee (Australien, Quatar etc.). Zudem darf nicht vergessen werden, dass die talentiertesten Fahrer nur zu trainieren brauchen, unabhängig von der genauen Trainingsart, und sie werden dem durchschnittlich talentierten Feierabendrennfahrer immer überlegen sein.
New Age
Stellen wir uns vor, wir seien voll berufstätig (in der Schweiz bedeutet das normalerweise 42 Arbeitsstunden pro Woche), würden in einer Beziehung leben und wollten dennoch ein Rennrad flott bewegen können. Damit bleibt pro Woche nur noch relativ wenig Trainingszeit:
- zwei bis dreimal ein bis zwei Stunden pro Arbeitstag
- samstags zwei bis vier Stunden
- am Sonntag noch ca. eineinhalb Stunden
Damit landen Sie bei knapp zehn Wochenstunden. Wenn Sie radsportlich einen eher tiefen Fitnessstand aufweisen, werden Sie damit erstmal besser, egal wie Sie traineren. Allerdings werden Sie auf diese Weise relativ schnell feststellen, dass Ihre anfänglichen Fortschritte immer geringer ausfallen bis Sie sich nach einiger Zeit nicht mehr weiter entwickeln.
Intensität und Umfang
Nutzen Sie Ihre Zeit effektiv. Studien haben gezeigt, dass intensives Training, egal, ob gleichförmig hohe Belastungen oder strukturiertes Intervaltraining die Ausdauerfähigkeiten deutlich verbesseren. Eine Stunde intensivstes Training reicht, um einen sehr starken Trainingsreiz zu setzen. Wichtig ist aber, dass die Belastung wirklich stark ist. Am Ende einer intensiven Trainingsstunde müssen Sie müde ("erschöpft") sein. Sie werden sich von der Stunde schnell erholen. Sie werden auch sehen, dass Ihre Stimmung nach einer intensiven Stunde gelöst ist und Sie auch auf Ihr Umfeld gut wirken.
Im folgenden werden Trainingsformen für die intensive Stunde in der Mittagspause oder abends nach der Arbeit vorgestellt. Weiter werden auch in ihrer Intensität leicht abgeschwächte Trainings über 90 bis 120 Minuten beschrieben. Wozu 90 oder 120 Minuten, wenn doch eine Stunde reicht, werden Sie fragen. Nun, die Trainingswirkung von 90 bis 120 Minuten kann nochmals etwas grösser sein, wenn nur wenig von der über eine Stunde maximal möglichen Intensität reduziert wird. Der Ausdruck "nur wenig ... reduziert wird" ist entscheidend. Wenn Sie für das längere Training die Intensität deutlich reduzieren müssen, dann lohnt sich der Eintausch nicht. Sie werden für das Training mehr Zeit benötigen, für die Erholung möglicherweise auch und dennoch nicht mehr, vielleicht sogar weniger Trainingswirkung erzielen.
Weiter werden auch Trainingsformen für den Samstag beschrieben. Lange Trainings sind nicht vollständig wirkslos, jedenfalls dann, wenn sie nur selten angewendet und in der übrigen Trainingszeit intensiv gearbeitet wird. Deshalb werden für den Samstag (zwei bis vier Stunden) angepasste Übungen vorgestellt.
Kurze Trainings
Für Wochentags und ggf. auch sonntags sind folgnde Trainings denkbar. Sie sind jeweils für 80 Minuten beschrieben, können aber - etwas intensiver - auch kürzer in einer Stunde durchführen. Bei genügend Zeit kann das Training auch auf zwei Stunden ausgedehnt werden, in dem entweder am Schluss noch eine Sweet-spot-Einheit angehängt wird oder mehr Intervalle gefahren und die Intensität der Intervalle minimal reduziert werden
Training 1: maximale Sauerstoffaufnahme
- 80 Minuten Gesamtzeit
- 10 bis 15 Minuten einfahren
- 6 Belastungs-Intervalle à 5 Minuten (=netto Trainingszeit von 60 Minuten)
- die Intensität ist so zu wählen, dass die letzten beiden Intervalle gerade noch knapp mit der gleichen Intensität gefahren werdn können, wie die ersten; für Fahrer von Leistungsmessern bedeutet das ca. 110 % der Intensität, die während einer Stunde maximal (Zeitfahren über eine Stunde, "Stundenweltrekord") gefahren werden könnte
- entsprechend 5 Erholungs-Intervalle von 5 Minuten (=25 Minuten)
- 10 bis 15 Minuten ausfahren
Training 2: Sweet Spot
- 80 Minuten Gesamtzeit
- 10 Minuten einfahren
- 1 Intervall von 60 Minuten
- Intensität pendelt zwischen ca. 75 und 100 % der während einer Stunde maximal möglichen Intensität (Zeitfahren über eine Stunde, "Stundenweltrekord")
- 10 Minuten ausfahren
Training 3: Hour of Power
- 80 Minuten Gesamtzeit
- 10 Minuten einfahren
- 1 Intervall von 60 Minuten
- Intensität bei ca. 85 bis 90 % der während einer Stunde maximal möglichen Intensität (Zeitfahren über eine Stunde, "Stundenweltrekord")
- alle fünf Minuten ein Sprint über 15 Sekunden
- 10 Minuten ausfahren
Kontrast - der Samstag
Der Samstag ist der wenig intensive Tag. Lockere Bummelfahrt, werden Sie denken. Weit gefehlt. Der Samstag ist Ihr Renntag. Sie werden Rennen simulieren. Alleine oder mit (lies: gegen) Freunde.
Freude
Vergessen Sie nicht, dass Ihnen der Radsport Freude bereiten soll. Falls Sie z. B. nach der Arbeit in hoffentlich seltenen Fällen mal nicht motiviert sind, dann lassen Sie das Training sausen oder gehen nur auf eine lockere Runde raus. Vielleicht wechseln Sie zur Abwechslung auch aufs Mountainbike und begeben sich auf einen geniesserischen Soulride oder trainieren spielerisch Ihre Technik.Vielleicht begleiten Sie an einem solchen Tag auch Leute, die sonst nicht in der Lage wären, mit Ihnen zusammen zu fahren.
Geniessen Sie aber auch Ihre gute Form. Bolzen Sie, wie es die Verkehrssituation zulässt. Fahren Sie gelegentlich einen Sprint oder führen Sie einen spontanes Bergzeitfahren gegen sich selbst durch.
Und setzen Sie sich einfache Ziele. Z. B. an Ihrem Lieblingstrainingsberg schneller als letztes Jahr sein, einen schwierigen Marathon hinter sich zu bringen oder vielleicht auch ein Hobbyrennen zu bestreiten.