Benutzer:Uhleb/Artikelentwurf
Das Zellulare Energiesystem bzw. der zellulare Ansatz ist ein neues Organisationsmodell für die Energieversorgung. In diesem interdisziplinären Modell werden technische, wirtschaftliche, juristische und politische (und gesellschaftliche) Belange berücksichtigt. Im Zellularen Energiesystem wird nach dem Subsidiaritätsprinzip die physikalische Balance zwischen Energieangebot und -nachfrage soweit wie möglich bereits auf regionaler, lokaler Ebene hergestellt. Eine Energiezelle besteht aus der Infrastruktur für verschiedene Energieformen, in der durch ein Energiezellenmanagement in möglicher Koordination mit Nachbarzellen der Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch über alle vorhandenen Energieformen organisiert wird. Der zentrale Baustein dieses Modells ist die Energiezelle.
Unabhängig davon, wie sich der Bedarf an Endenergie in Zukunft entwickeln wird, für Energietransport und -speicherung wird es unumgänglich werden, weitere Energieträger einzubeziehen. Angebot und Nachfrage müssen bei elektrischer Energie im Gegensatz zu den Energieträgern Gas und Wärme zu jedem Zeitpunkt ausgeglichen sein. Mit der zunehmen-den Volatilität der Erzeugung auf Basis Erneuerbarer Energien wachsen die Ausgleichsanforderungen bei elektrischer Energie, die durch die Einbeziehung der Speicherfähigkeit von Gas und Wärme oder der zeitlich steuerbaren Nutzung von Ladeinfrastrukturen zu bewältigen sind.
Definition
Eine Energiezelle besteht aus der Infrastruktur für verschiedene Energieformen, in der durch ein Energiezellenmanagement in möglicher Koordination mit Nachbarzellen der Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch über alle vorhandenen Energieformen organisiert wird.[1]
1. Zur Infrastruktur werden alle Betriebsmittel gezählt, die zur Wandlung von Energie, zu deren Transport und Verteilung, sowie zur Speicherung eingesetzt werden.
2. Die betrachteten Energieformen umfassen u.a. Elektrizität, Gas, Wärme sowie Mobilität. Eine Zelle kann auch nur eine Energieform enthalten.
3. Zum Energiezellenmanagement (EZM) zählen alle Einrichtungen der Leittechnik einschließlich der benötigten Kommunikationstechnik
4. Nachbarzellen können hierarchisch angeordnet sein. Es gibt somit Zellen auf der gleichen Ebene sowie auf überlagerten und unterlagerten Ebenen.
5. Beim Ausgleich, der sowohl saisonal oder auch dynamisch durchgeführt werden kann, können sich die drei Zustände: ausgeglichen, überversorgt oder unterversorgt über alle vorhandenen Energieformen ergeben. Die Energiezellen werden genutzt, um das Energiesystem aufzubauen. Dabei wiederholt sich die Struktur auf allen Netzebenen.
Konzept
Während bei einer zentralen Erzeugung von elektrischer Energie diese nur von höheren zu niederen Spannungsebenen transportiert wird, erfolgt bei der dezentralen Erzeugung auch ein Energietransport in die entgegengesetzte Richtung. Die ursprüngliche Planung des deutschen elektrischen Versorgungssystems erfolgte aber unter den Prämissen eines Sys-tems mit unidirektionalem Energietransport. Eine stabile Stromversorgung erfordert zu jedem Zeitpunkt die Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch. Dies gilt selbstverständlich auch für die Stromversorgung innerhalb einer Zelle bzw. innerhalb eines zellularen Energiesystems. Demzufolge muss auch dort ein schwankender Strombedarf durch den Einsatz regelbarer Stromerzeuger oder durch das gezielte Zu- bzw. Abschalten von Verbrauchern ausbalanciert werden. In Abbildung 4-1 ist schematisch dargestellt, welche Komponenten erforderlich sind, um ein zellular aufgebautes Energiesystem in die bestehenden Infrastrukturen, von Strom-, Gas- und Wärmenetzen zu integrieren.
Sektorenkopplung
Unter dem Begriff Sektorenkopplung wird gemeinhin die energietechnische und energiewirt-schaftliche Verknüpfung von Strom, Wärme, Gas sowie Energieträgern für Mobilität und in-dustrielle Prozesse verstanden. Allgemeiner formuliert können darunter alle Technologien und Prozesse fallen, mit denen verschiedene Arten von Energie miteinander ausgetauscht werden können oder der Gesamtenergieverbrauch durch Verschiebung zwischen Energie-formen optimiert werden kann. Die aktuellen Treiber der Sektorenkopplung sind Wärmepum-pen (Power-to-Heat) und Elektrofahrzeuge (Power-to-Mobility) [12]. Darüber hinaus bestehen noch weitere Power-to-X-Technologien wie Power-to-Gas, Power-to-Liquid und Power-to-Chemicals.
Planung der Energiezellen
Die unabhängige Planung der Sektoren Strom, Gas und Wärme führt zu einer suboptimalen Gesamtgestaltung der Energieinfrastruktur. Das Stromnetz wird voraussichtlich durch die Erneuerbaren Energien, Elektromobilität und die steigende Anzahl an Wärmepumpen sowie KWK-Anlagen immer mehr an die Grenzen gebracht. Das Gasnetz hingegen erlebt diese extremen Veränderungen nicht. Die Netze werden nach Worst-Case-Situationen ausgelegt [7]. Das bedeutet aktuell für Batteriespeicher, Power-to-Gas-Anlagen und anderen Flexibilitä-ten, dass sie für die Netzplanung als maximale Last oder maximale Einspeisung berücksich-tigt werden müssen.
Kenndaten von Energiezellen | Parameter für die Planung |
---|---|
Strukturtyp | Wohnbebauung, Gewerbe, Industrie oder Mischgebiete |
Maximale Leistung | Last und Einspeisung (alle Sektoren) |
Jahresenergie | Last und Einspeisung (alle Sektoren) |
Speicher | Leistung und Kapazität |
Netzdaten | Strom, Gas und Wärme |
Sektorenkopplung | Power-to-Gas, Power-to-Heat etc. |
Flexible Lasten | z.B. E-Autos, Wärmepumpen |
Betrieb der Energiezellen
Um eine Vielzahl von dezentral verteilten Anlagen, Teilnehmern und Aufgaben zu organisie-ren bietet sich im Sinne der Automatisierungstechnik ein mehrstufiges Managementsystem an, in dem je nach Netzzellstufe lokal, regional, überregional, national und international Netzparameter geregelt werden. Zu Grunde liegt das Prinzip der Subsidiarität, welches definiert, dass auftretende Regelabweichungen oder Probleme primär direkt an der Quelle des Problems behandelt und erst sekundär in den nächst-benachbarten vor- oder nachgelagerten Netzgebieten behoben werden.
Digitalisierung in Energiezellen
Der sinnvolle Betrieb von Zellen setzt ein Mindestmaß an Beobachtungs- und Steuermöglichkeiten voraus. Aufgrund der ungenügenden Ausgangssituation ist die Forderung nach einer vollständigen Digitalisierung in den Mittel- und Niederspannungsnetzen illusorisch. Interessant ist jedoch die Frage nach den Minimalanforderungen an die Digitalisierung in zellularen Strukturen.
Dabei ist keine hundertprozentige Ausstattung aller Haushalte mit Mess- und Steuertechnik erforderlich. In bisherigen Forschungsarbeiten haben 5 - 10 Prozent aller Messpunkte in einem Ortsnetz ausgereicht, um vollständige Transparenz über Spannungen und Ströme im Netz zu erhalten [2]. Dabei reichen Spannungsmessdaten von einem geringen Prozentsatz intelligenter Messsysteme bezogen auf die jeweilige Zahl von Anschlusspunkte zur Netzbeurteilung aus, sodass der Aufbau separater Messstellen im Netz nicht erforderlich ist. Voraussetzung ist jedoch die Zugriffsmöglichkeit des Netzbetreibers auf die ausgewählte Messdaten (Spannung).
Mit dieser minimalen Ausstattung der Mittel- und Niederspannungsnetze mit Mess-, Steuer- und Regelungstechnik kann klassischer Netzausbau vermieden werden. Die Leistungsflüsse werden in Abhängigkeit der Last- und Erzeugungsprognosen mithilfe von innovativer Technik gesteuert, z.B. RONT Regelbarer OrtsNetzTrafo.
Energiezellenmanagement
Das Herzstück der Zellstruktur bildet das EZM (Energiezellenmanagement), siehe auch Abbildung 4.1. Dieses Gerät sammelt pro Zelle im einfachsten Fall alle notwendigen Informationen und ist mit Algorithmen ausgestattet, die in unterschiedlichen Szenarien eine möglichst eigenverbrauchsoptimierte Fahrweise der Zelle ermöglicht. Im zweiten Schritt kann auch die Kommunikation von Zellen untereinander abgebildet werden, wobei mit übergeordneten Algorithmen weitere Ausgleichsvorgänge möglich werden.
Mit dem EZM können u.a. folgende Ziele erreicht werden [2]:
- Netzoptimierung im Verteilnetz durch Steuerung von schwankenden regenerativen Einspeisungen und Lasten, wobei auch in der Niederspannung Erzeugungs- und Lastspitzen durch Lastverschiebung und bestenfalls sogar Zwischenspeicherung reduziert werden können,
- Nutzung dezentral erzeugten „grünen Stromes“ direkt vor Ort,
- Entlastung der Mittelspannungsnetze durch die Steuerungen im Ortsnetz,
- Gezielte interzellulare Abregelung von Einspeiseanlagen bei Spannungsüberschreitungen.
- Mit der EZM werden Leistungs- und Energiebilanz (Eigenversorgungsgrad) der Zelle sichtbar.
- Die Steuerzentrale kann in günstigen Fällen (mind. Frequenzregeleinrichtung im Netz) für einen Schwarzstart der Zelle verwendet werden.
Informationssicherheit
Die Informationssicherheit erlangt in zellularen Energiesystemen eine sehr große Bedeutung, da die Kommunikationsstrukturen mit der wachsenden Anzahl von einzubindenden Anlagen zunehmend komplexer werden. Dabei sind die Sicherheitsanforderungen von Anfang an zu berücksichtigen, weil sie vielfach nachträglich nicht mehr oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand einzubeziehen sind. Auch die Architektur der IT- und Kommunikationssysteme und die Systeme selbst müssen so ausgerüstet und verbunden sein, dass ein zellulärer Betrieb möglich ist. Zunächst einmal ist es erforderlich, dass alle für den Betrieb einer Zelle notwendigen IKT-Komponenten mit Strom versorgt werden können, der daher entweder aus entsprechend zu dimensionierenden Backup-Lösungen (Akkumulatoren, Dieselgenerator, etc.) bzw. aus der Zelle selbst kommen muss. Dabei ist darauf zu achten, dass nicht nur die primären IKT-Komponenten wie etwa Steuerrechner berücksichtigt werden müssen, sondern auch sekundäre IKT-Komponenten, wie beispielsweise Router oder Switches, die insbesondere für die Aufrechterhaltung der Kommunikation notwendig sind. Hierbei ist zu beachten, dass unterschiedliche Kommunikationstechnologien (drahtgebunden, Funk, etc.) unterschiedliche Anforderungen bezüglich der minimal notwendigen Komponenten zur Gewährleistung der Kommunikationsverbindung haben [1].
Fallbeispiele und Projekte für Zellulare Energiesysteme
Es wurden und werden richtungsweisende Projekte durchgeführt, die sich vor allem mit der Integration von Speichern, der Sektorenkopplung, der Digitalisierung und der Erschießung neuer Geschäftsfelder beschäftigen. Privatwirtschaftlich wird das das zellulare Prinzip längst ausgiebig genutzt, indem intelligente Energiemanagementsysteme und Energiespeicher Versorgungssicherheit gewährleisten, die Eigenverbrauchsquote zu steigern und die Netzanschlussleistung zu minimieren.
- C/sells – Zellularität, Partizipation und Vielfältigkeit
- Zellulares System – Werk Max Bögl Neumarkt / Oberpfalz
- IREN2 Wildpoldsried
- Smarte Netzzelle SoLAR – Allensbach-Radolfzell
- Portal Green
- LINDA Niederschönfeld
- Bordesholm VBB
- Kopernikus ENavi
- SWARM
- SmartRegion Pellworm
- PolyEnergyNet
Literatur
- VDE, Der zellulare Ansatz: Grundlage einer erfolgreichen, Regionen übergreifenden Energiewende. Studie der Energietechnischen Gesellschaft im VDE (ETG). Frankfurt am Main: VDE e.V., 2015
- VDE, Zellulares Energiesystem: Ein Beitrag zur Konkretisierung des zellularen An-satzes mit Handlungsempfehlungen. Studie der Energietechnischen Gesellschaft im VDE (ETG). Frankfurt am Main: VDE e.V., 2019
- Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Fünfter Monitoring-Bericht zur Energiewende, 2016, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/fuenfter-monitoring-bericht- energie-der-zukunft.pdf?__blob=publicationFile&v=24 [Zugriffsdatum: 05.04.2018]
- Hoppe-Oehl, H.; Kleineidam, G.: „Ist das Energiesystem der Zukunft zellular?“, Bericht vom Workshop „Der zellulare Ansatz – Digital-Dezentral-Dekarbonisierend“, ETG journal 02/2018, S.38-39
Weblinks
[[Kategorie:Energie]] [[Kategorie:Sektorenkopplung]]
- ↑ VDE/ETG-Studie "Zellulares Energiesystem". Abgerufen am 3. April 2019.