Benutzer:Vsop/Baustelle
Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
Das Bonmot spitzt die populäre Überzeugung, mit Statistik lasse sich alles beweisen, zynisch in paradoxer Weise zu.[1] Sein Ursprung ist ungeklärt. Oft wird Winston Churchill als Urheber ausgegeben, doch hat sich dafür bisher noch kein Beleg angefunden. In Churchills Heimat ist das Zitat gänzlich unbekannt. 2004 publizierte Werner Barke folgende Hypothese:
- Churchill war überzeugt, dass Hitlers Erfolgsstatistiken nicht zu glauben sei. Auf Goebbels’ Weisung sollte die deutsche Presse Churchill als Lügner vorführen, der selbst Zahlen fälschte. Diese beiden widersprüchlichen Aussagen paradox als Spitze gegen Churchill zu verbinden in der Formulierung „Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe“ ist nur ein kleiner Schritt.
- Wer als erster die beiden Aussagen zusammenführte und publizierte, ist derzeit noch unbekannt. Auch welche verschlungenen Wege den Grundgedanken, dass Statistik – durch bzw. laut Churchill – zur Fälschung missbraucht werden könne, schließlich in die Presse der Nachkriegszeit Eingang finden ließen, von dort in Nachschlagewerke, von dort wieder in Zeitungen und Reden, das lässt sich heute noch nicht nachzeichnen.[2]
In einem weiteren Artikel zum Thema konstatiert Barke später noch pointierter:
- Das in Reden und Schriften immer wieder benutzte angebliche Churchill-Zitat „Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe“ (...) hat mit großer Wahrscheinlichkeit seine Wurzel im deutschen Reichspropagandaministerium 1940/41. In seinen heute noch dokumentarisch erhaltenen Anweisungen an die Presse sowie in seinen Tagebuchaufzeichnungen finden sich mehr als zwei Dutzend Aussagen des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels, die in der Beschuldigung der Fälschung mit dem „Zitat“ übereinstimmen.[3]
Allerdings bezogen sich die ersten Publikationen des Bonmots vom Glauben nur an selbst gefälschte Statistiken erkennbar weder auf Churchill noch auf Goebbels und sein Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. In der, soweit ersichtlich allerersten, einem Aufsatz Ameisenstaat oder Sintflut von Hanns-Erich Haack, den die Deutsche Rundschau 1946 veröffentlichte, heißt es lediglich:
- Was nutzt es also, wenn gewisse deutsche Regionen versuchen, die Welt zu überzeugen, sie seien an dem nazistischen Unheil „weniger“ schuld als ihre Brüder jenseits des Flusses? So viel haben sie schon gelernt, daß sie nur den Statistiken glauben, die sie selbst gefälscht haben.[4]
In einem 1967 veröffentlichten Buch wurde das Bonmot als Ausspruch des am 31. Januar 1967 verstorbenen Bischofs Otto Dibelius ausgegeben:
- „Kirchliche Statistik.“ […] „So etwas muß es geben. Man hat immer mal einen Pfarrer, der nicht gut getan hat. Der kann dann so etwas machen. Im übrigen glaube ich nur an die Statistik, die ich selbst gefälscht habe.“ - Wolf-Dieter Zimmermann: Anekdoten um Bischof Dibelius. Geist und Witz eines großen Kirchenmannes. Bechtle 1967.[5]
In der Sitzung des Deutschen Bundestages am 29. November 1979 erwähnte der Abgeordnete Werner Broll (CDU) bei Beratungen über das Bundesstatistikgesetz und das 1. Statistikbereinigungsgesetz noch ohne Benennung eines Autors den
- „alten Spruch, der Ihnen sicher auch bekannt ist, man solle nur der Statistik glauben, die man selbst gefälscht hat.“[6]
Erst 1980, 35 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und 15 Jahre nach Churchills Tod, wurde dieser „Spruch“, soweit feststellbar, zum ersten Mal mit Churchill in Verbindung gebracht, und zwar in einer Debatte im schweizerischen Nationalrat:
- Diese Statistik ist sicher seriös geführt. Ich zweifle nicht daran, aber bei solchen Statistiken wäre man versucht, mit Churchill zu sagen: «Ich traue nur jenen Statistiken, die ich selbst gefälscht habe.»[7]
Ein Beleg wurde nicht mitgeteilt. Das gilt auch für die drei Zuschreibungen an Churchill im folgenden Jahr 1981, die deshalb ebenfalls samt und sonders nicht ernst genommen werden können:
- Wie hatte schon Winston Churchill gesagt? „Ich glaube nur den Statistiken, die ich selbst gefälscht habe.“ - Peter Koch: Wahnsinn Rüstung. stern-Buch im Verlag Gruner + Jahr Hamburg 1981.[8]
- Wie es um den Informationsgehalt von Statistiken steht, ist jedem bekannt. Churchill sagte einmal: »Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.« - Marianne Kohnen: Zusammenhang von Lohn und Produktivität. Deutsche Bauzeitung 1981, S. 110.
- "Churchills kluges Bonmot über die Statistik – nur solchen Statistiken könne man glauben , die man selber gefälscht habe – kann auf alle menschlichen Erkenntnisse angewandt werden." - Alberto Manguel, Gianni Guadalupi: Von Atlantis bis Utopia. Ein Führer zu den imaginären Schauplätzen der Weltliteratur. Christian Verlag München 1981, S. 5.[9]
- ↑ vgl. dazu: Auszug aus Gerd Bosbach, Jens Jürgen Korff: Lügen mit Zahlen. Wie wir mit Statistiken manipuliert werden. 2011
- ↑ Werner Barke: Churchill: »Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe…«, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Monatsheft 2004-11.
- ↑ Werner Barke: Ich glaube nur der Statistik... Was Winston Churchill über Zahlen und Statistik gesagt haben soll – und was er wirklich sagte. (25-seitiges Heft). Hg.: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. Artikel-Nr.8055 11001. ISBN 3-923292-58-9. 2011, 6. Auflage. S. 8
- ↑ Deutsche Rundschau 1946, S. 137–147, S. 139 books.google.
Hanns-Erich Haack (1906-1975) war 1968/70 der erste ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Unesco, vgl. Handbuch der Diplomatie S. 136 books.google - ↑ S. 79 books.google
- ↑ Plenarprotokoll 8/189, S. 14918 (B)
- ↑ Amtliches Bulletin der Bundesversammlung, 1980, S. 1116 books.google
- ↑ S. 92 books.google
- ↑ books.google