Benutzer:Weisserrabe/Verkündigung

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Titel: Verkündigung (Tizian, 1535)

Tizian, Verkündigung (1535), Ölbild, 166 x 266 cm, Scuola di San Rocco (Venedig, Italien)

Das Gemälde, das die Verkündigungsszene an Maria zeigt, wurde um 1535 von Tizian geschaffen. Es ist ein in Öl auf Leinwand gemaltes Bild mit einer Höhe von 166 cm und einer Breite von 266 cm. Die Darstellung der neutestamentarischen Szene zeigt den Erzengel Gabriel, sowie Maria am Betpult zur Empfängnis des Sohn Gottes durch den heiligen Geist. Das Ölbild ging 1555 in den Besitz der Scuola Grande di San Rocco in Venedig (Italien) über und wird dort an der Wand über der monumentalen Treppe zum Obergeschoss ausgestellt.

Entstehung

Das Gemälde gelangte im Jahre 1555 in den Besitz der Scuola Grande di San Rocco in Venedig (Italien) durch die testamentarische Verfügung eines Ordensbruders, des Rechtskonsulten Amelio da Cortona.[1] Seiner Anforderung nach sollte das Werk entweder im Raum Albergo oder Salla hängen.[1] Dort sind heute die Bilderzyklen von Jacobo Tintoretto zu finden. Dennoch zählt das Werk zu einem der ersten Bilder, das - 10 Jahre vor Tintoretto - in der neu errichteten Scuola aufgehängt wird.

Das Entstehungsjahr lässt sich bis heute nicht eindeutig bestimmen, kann aber auf den Zeitraum der dritten Schaffensperiode zwischen 1530-1540 eingeschätzt werden. Unter Leitung der gemeinnützigen Organisation „Save Venice“ unterlief das Bild im Sommer 2021 einer Restaurierung und wurde hinsichtlich seiner Entstehung auf Mitte der 1530er Jahre eingeschätzt.[2]

Beschreibung

Thema

Die Verkündigungsszene beschreibt das Mysterium der Inkarnation oder auch der Menschwerdung Gottes im Bauch einer Jungfrau. Das göttliche Wort oder auch der göttliche Logos wird durch Marias Empfängnis in weltliches Fleisch gewandelt.

Darstellungsweise

Das Hauptmotiv des Gemäldes stellt die Verkündigungsszene dar, die Tizian in einem architektonisch anmutenden Raum stattfinden lässt. Dem Betrachter eröffnet sich eine Situation, die von links nach rechts verläuft und mit dem herabschwebenden Erzengel Gabriel beginnt, dem Überbringer der Botschaft. Die Bildkomposition lenkt den Blick des Betrachters im Dreieck vom Erzengel über den heiligen Geist in der oberen Bildmitte mit dessen Strahl auf die unten rechts am Lesepult kniende Maria. Im Hintergrund der Figuren eröffnet sich dem Betrachter hinter einer Balustrade eine Landschaft mit Bäumen und Bergen.

Tizian nutzt für die Verkündigungsszene ikonographische Attribute. Gabriel streckt Maria die rechte Hand mit dem nach vorne weisenden Zeigefinger entgegen, während seine linke Hand eine Lilie hält. Die Lilie symbolisiert die Reinheit und Jungfräulichkeit Marias. Auch das vor dem Lesepult befindliche Rebhuhn spielt auf die Unbeflecktheit Mariens an, während der Apfel ein geläufiges Symbol Mariens als neue Eva ist. Das nebenstehende, halb geöffnete Nähkörbchen hingegen bezeichnen gemäß apokrypher Quelle Maria als Spinnerin der Purpurwolle des Tempelvorhangs.[3] Auch die architektonische Anmutung eines Innenraumes gilt als Symbol für Marias Innerlichkeit und Unbeflecktheit. Tizian hält die Verkündigung in der Phase der Cogitatio fest, die Überlegung Marias über das soeben Gesagte. Tizian bettet die Szenerie in einen zentral-perspektivisch fluchtenden Raum ein, der durch das Mosaik der rot-weißen Bodenfliesen konstruiert wird und dessen Fluchtpunkt das in Rottönen gehaltene Tuch über der Balustrade bildet.

Deutung

Tizian thematisiert mit seiner Verkündigung das medientheoretische Problem die Unsichtbarkeit Gottes und die Inkarnation Christi bildlich darzustellen.[4]

Er adressiert dieses Herausforderung mit einer indirekten Darstellung dieser beiden Topoi und unterstützt seine Umsetzung durch den gezielten Einsatz von Farbe und der Evokation von Emotionen, die beim Betrachter ausgelöst werden. Hinsichtlich der Farbe bildet der Fluchtpunkt des Bildes, das rote Tuch über der Balustrade, den Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen. Durch die Drapierung über der waagerechten Balustrade verwehrt es dem Betrachter zunächst den Blick in die dahinterliegende Landschaft. Auf der rechten Seite scheint es wie auf der in die Tiefe laufende Basis der Säulen aufgehängt zu sein. Tizian platziert es damit zwischen horizontaler und räumlicher Tiefenflucht. In Summe werden damit räumliche Tiefe, die Flächigkeit des Bildträgers und plastische Figuration vereint.[5] Durch die Unmöglichkeit als Betrachter tiefer in das Bild blicken zu können, adressiert Tizian genuin die Frage der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit. Zugleich vereint das Tuch alle Farbtöne, die zum Inkarnieren verwendet werden: dunkle, hellere und mittlere Rottöne.[6] Cennini beschreibt unter Verwendung dieser Farbtöne die Technik des Farbauftrags zur Entstehung einer lebendigen, fleischlichen Fläche wie beispielsweise einem Gesicht. Somit kann das rote Tuch in Tizians Verkündigung als Analogie zum Malprozess des Inkarnierens, der plastischen Verkörperung auf der ebenen Fläche der Leinwand interpretiert werden.[7]

Rezeption

Provenienz

Literatur

  • Daniela Bohde: Haut, Fleisch und Farbe. Körperlichkeit und Materialität in den Gemälden Tizians (= Zephir, Band 3). Edition Imorde, Emsdetten/Berlin 2002, ISBN 3-9805644-9-5. (Dissertation an der Universität Hamburg 1999).

Einzelnachweise

  1. Hans, Ost: Tizian-Studien. Böhlau Verlag, Wien 1992, ISBN 978-3-412-09891-9, S. 70.
  2. History & Preservation - Titian’s Annunciation in the Scuola Grande di San Rocco. Abgerufen am 14. April 2022.
  3. Hans, Ost: Tizian-Studien. Böhlau Verlag, Wien 1992, ISBN 978-3-412-09891-9, S. 76.
  4. Christiane, Kruse: Wozu Menschen malen : Historische Begründungen eines Bildmediums. Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2003, ISBN 978-3-7705-3798-3, S. 203.
  5. Marianne, Koos: Verkörperung – Entkörperung bei Rembrandt. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte. Band 80, Nr. 3. Deutscher Kunstverlag (DKV), S. 381, doi:10.1515/ZKG-2017-0018.
  6. Cennino, Cennini: Il Libro dell'Arte. Hrsg.: Franco Brunello. Venedig 1971, S. 79.
  7. Marianne, Koos: Verkörperung – Entkörperung bei Rembrandt. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte. Band 80, Nr. 3. Deutscher Kunstverlag (DKV), S. 385, doi:10.1515/ZKG-2017-0018.