Benutzer:Yoky/naturschbio
Die Naturschutzbiologie ist ein multidisziplinär angelegtes Wissenschaftsgebiet, welches sich mit der Analyse der weltweit vorhandenen biologischen Vielfalt sowie deren Rückgang, Gefährdung und der Erarbeitung sinnvoller Erhaltungs- und Schutzmassnahmen befasst. Den Hauptanteil der wissenschaftlichen Disziplinen bildet die Biologie, aber auch Elemente anderer Bereiche, beispielweise der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, machen wesentliche Bestandteile aus. Die Entstehung der Naturschutzbiologie gründet hauptsächlich auf das in den letzten Jahren stark angestiegene wissenschaftliche, staatliche und öffentliche Interesse an der Thematik der Nachhaltigkeit. Unter diesem Aspekt soll sowohl die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse gewährleistet als auch die Zerstörung oder irreversible Veränderung der Natur verhindert werden.
Hintergrund
Spätestens seit im Jahre 1992 die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro stattfand, erfuhr der Naturschutz ein nie vorher dagewesenes Interesse. Erstmals wurde der Öffentlichkeit bewusst, dass sich in den letzten hundert Jahren aufgrund menschlicher Aktivitäten weltweit ein umfassendes Artensterben zugetragen hatte. Zwar gab es auch in vorhergehenden Zeitaltern immer wieder bedeutende Aussterbeereignisse (wie beispielsweise das Massenaussterben gegen Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren), diese waren jedoch stets durch ein natürliches, zeitlich punktuelles Vorkommnis bedingt. Dazwischen gab es mehrere zehn Millionen Jahre andauernde Zeitperioden, während derer eine Erholung der geschädigten und Evolution neuer Arten erfolgen konnte. Das derzeitige Artensterben hingegen ist auf einen andauernden, anthropogen verursachten Prozess zurückzuführen. Geschädigte Arten haben kaum Möglichkeiten, sich zu regenerieren, da sie entweder direkt (zum Beispiel durch Bejagung) oder indirekt (zum Beispiel durch Zerstörung ihres Lebensraumes) mehr und mehr dezimiert werden. Regenerationsphasen wie bei den durch natürliche Ereignisse hervorgerufenen Artensterben gibt es nicht, da die anthropogene Veränderung der Umwelt ein kontinuierlich fortschreitender Vorgang ist. In diesem Zusammenhang wird die Naturschutzbiologie auch als Krisendisziplin bezeichnet.
Mittlerweile hat man erkannt, dass der Mensch sich durch Zerstörung seiner Umwelt auch selbst schädigt. Hierunter fällt nicht nur die Übernutzung und Erschöpfung natürlicher Ressourcen, sondern auch die Verhinderung der Entdeckung neuer und möglicherweise bedeutsamer Errungenschaften (beispielsweise wurde zufällig entdeckt, dass ein Schimmelpilz das hochwirksame Antibiotikum Penicillin produziert und man weiß nicht, ob andere Lebewesen eventuell ähnlich medizinisch oder anderweitig bedeutsame Stoffe produzieren). Es wird derzeit angenommen, dass der Großteil an Arten (dies betrifft insbesondere die Insekten) bis heute unbekannt ist. Viele Arten wurden vermutlich schon vor ihrer Entdeckung durch den Menschen ausgerottet.
Da jede Art mehr oder weniger vernetzt in ihren Lebensraum eingebunden ist, kann nur schwer abgeschätzt werden, welche Konsequenzen für das jeweilige Ökosystem aus dem Verschwinden der Art hervorgehen. Handelt es sich um eine unentdeckte Art, deren Ausrottung dementsprechend nicht registriert wird, kommt erschwerend hinzu, dass hieraus resultierende Umweltveränderungen nicht oder nur falsch zugeordnet werden können.
Sämtliche traditionelle Wissenschaften waren nicht umfassend genug, als dass sie alle Faktoren, die sich negativ auf die Erhaltung der Biodiversität auswirken könnten, berücksichtigen würden. So befasste sich beispielsweise die Forstwissenschaft mit der Erhaltung der für sie wirtschaftlich oder Freizeit relevanten Arten des Ökosystems Wald (Ressourcenmanagement) und betrachtete alle anderen Arten dieses Lebensraumes als zweitrangig. Hierdurch wurden insbesondere ökonomisch weniger, jedoch für die Ziele des Naturschutzes sehr wertvolle Arten oftmals ignoriert. An diesem Punkt setzt die Aufgabe der Naturschutzbiologie an. Sie umfasst die Aufstellung von Theorien und Modellen (beispielsweise im Bereich der Populationsökologie), Grundlagenforschung, angewandte Forschung und Öffentlichkeitsarbeit. Neben der Erforschung des anthropogenen Einflusses auf Ökosysteme in ihrer Gesamtheit werden theoretische und praktische Konzepte erarbeitet, die Biodiversität erhalten und im günstigsten Falle vergrößern sollen. Gleichzeitiges Ziel ist auch die Erfüllung der Bedürfnisse der am Orte ansässigen menschlichen Bevölkerung, so dass eine nachhaltige Lebensweise erreicht wird.
Die Zielsetzung der Naturschutzbiologie verlangt eine multidisziplinäre Auslegung. Bedingt durch ihren Hauptgegenstand wird der größte Anteil durch die Biologie abgedeckt. Jedoch müssen auch ökonomische Bewertungen der Natur vorgenommen, jahrhunderte alte Kulturen und deren Einfluß berücksichtigt und weitere Vorkehrungen getroffen werden, damit letztendlich ein Erfolg erzielt wird. Hierzu werden Elemente aus Geschichte, Philosophie, Wirtschaftswissenschaften, Anthropologie und Politik hinzugezogen.
Geschichte
Es gibt zwei historisch bekannte Betrachtungsweisen der Rolle des Menschen in seiner Umwelt. So wird er von Naturreligionen (wie beispielsweise den indianischen) als ein Teil der Natur und somit in sie und ihre Abläufe eingebettet betrachtet. Weitere Religionen wie Taoismus, Schintoismus, Hinduismus und andere, zumeist im asiatischen Raum praktizierte Glaubensrichtungen sehen physische und spirituelle Verbindungen zwischen Mensch und Natur. Es gibt strenge Regeln, inwieweit und ob der Mensch in den Naturhaushalt eingreifen darf. Zuwiderhandlungen werden oft als Ursache für Dürren, Erdbeben und andere Naturkatastrophen beschrieben, durch die sich göttlicher Zorn äussert.
Vor allem in Europa herrschte hingegen die Meinung, der Mensch müsse sich die Natur untertan machen und soviel Nutzen wie möglich aus ihr ziehen. Auch hier wurde dies mit göttlichen Absichten gerechtfertigt, da der Mensch Gottes Ebenbild sei und die Natur nur für ihn zur Befriedigung seiner Bedürfnisse (von Gott) geschaffen wurde. Die Ausbeutung natürlicher Ressourcen war die Folge und insbesondere die europäischen Kolonialländer wurden Opfer dieser Denkweise. Erst nachdem naturkundliche Wissenschaftler in die Kolonien entsandt wurden und dort statt der erwarteten blühenden Gärten nur verwüstete Landschaften vorfanden, kamen die ersten Gedanken zu einer Bewahrung und zum Schutz der Natur auf.
Seither haben viele Menschen zu naturschutzrelevanten Erkenntnissen beigetragen. Anfangs geschah dies aus einer rein anthropozentrischen Sichtweise (subjektiv schöne Landschaften sollten zur Erholung des Menschen erhalten werden, erste Ansätze hierzu fanden sich in Deutschland im von Ernst Rudorff geprägten Heimatschutz und ähnlich formuliert von Aldo Leopold in den USA). Mittlerweile liegt der Fokus auf dem Erhalt der Natur um ihrer selbst Willen - da der Mensch sich mit seinen bisherigen Verhaltensweisen gegenüber der Umwelt letztendlich selbst Schaden zufügt, spielt der Anthropozentrismus auch heute noch eine gewisse Rolle, wird aber in die Idee der Natuschutzbiologie so eingegliedert, dass letztendlich der Mensch als Teil der Natur berücksichtigt wird.
Heute ist Naturschutz - allein oder als Bestandteil der Nachhaltigen Entwicklung - ein öffentlich präsentes Thema. Viele Länder der Erde haben Naturschutzgesetze erlassen (in Deutschland das Bundesnaturschutzgesetz), Naturschutzgebiete und Wildreservate ausgewiesen und es gibt weltweit tätige Naturschutzorganisationen wie zum Beispiel den WWF oder die IUCN.
Bedrohung der biologischen Vielfalt
Meist liegt die Ursache der Bedrohung der Arten in der Gewinnung natürlicher Ressourcen, mit denen die Ansprüche der wachsenden Weltbevölkerung befriedigt werden sollen. Hierunter fällt vor allem die Zerstörung von Lebensräumen, wie sie durch Bergbau, Plantagenwirtschaft, Betrieb von Industrieanlagen und dem Bau von Staudämmen verursacht wird. Aber auch andere menschliche Aktivitäten stellen eine Gefährdung dar, als Beispiele seien hier nur einige genannt:
- Rodung der tropischen Regenwälder zur kommerziellen Gewinnung von Holz, Brennholz und Umwandlung in landwirtschaftlich genutzte Flächen (Äcker und Weiden)
- Fragmentierung der Lebensräume durch Straßen- und Siedlungsbau und Umwandlung von Wiesen und Wäldern in Äcker und Weiden (aus einem ursprünglich großen, zusammenhängendem Gebiet werden so zwei oder mehrere kleine, zwischen denen Barrieren liegen, die nicht von allen dort lebenden Arten überwunden werden können)
- Einführung gebietsfremder Arten durch den Menschen (Neobiota)
- Einführung und Verbreitung von Krankheiten
- Übernutzung und Überjagung - die Dezimierung von Arten und Lebensräumen zu einer Verkleinerung von Populationen und damit einhergehend zu einem Rückgang der fortpflanzungsfähigen Individuen. Dies führt zu einer verminderten Reproduktionsrate, letztendlich auch dadurch bedingt, dass potentielle Geschlechtspartner weniger leicht aufzufinden sind. Kleine Populationen bergen ausserdem zusätzliche Risiken wie eine höhere Inzuchtwahrscheinlichkeit und hohe Anfälligkeit gegenüber Krankheiten, da Resistenz in einem kleinen Genpool vermutlich nicht mehr erworben und schließlich vererbt werden kann.
- Nutzung von Pestiziden und anderen Chemikalien (So stellte man beispielsweise fest, dass die Schalen der Eier von mit DDT belasteten Greifvögeln nur noch einen Bruchteil so dick waren wie bei unbelasteten Tieren. Viele Eier zerbrachen, die Reproduktionsrate ging bedrohlich zurück. Bewiesen wurde der Zusammenhang durch die Beobachtung, dass sich die Bestände nach dem Verbot von DDT ungewöhnlich schnell wieder erholten.[1])
Auch die anthropogen verursachte Globale Erwärmung spielt eine bedeutende Rolle. Diese schreitet schneller voran, als dies bei einer natürlichen Erwärmung der Fall wäre. Die Wüstengebiete wachsen (Desertifikation) und die Klimazonen verschieben sich in Richtung der Pole. Die darin lebenden Arten müssten ihnen mit einer Geschwindigkeit von 500 bis 1000 Kilometern pro Jahr folgen - bei den bisher nachgewiesenen natürlichen Erwärmungen waren es nur 100 bis 400 Meter pro Jahr [2]. Eine solche Wanderung ist in Verbindung mit der bestehenden Fragmentierung der Lebensräume nur für wenige Arten möglich.
Oftmals hat schon die Bedrohung einer einzigen Art weitreichendere Folgen als auf den ersten Blick zu erwarten wäre. So hatte die Jagd auf den Seeotter die Folge, dass nicht nur dieser fast ausgerottet wurde, sondern beinahe auch ein ganzes Ökosystem. Seeotter fressen Seeigel, welche wiederum Braunalgen fressen. Braunalgen bilden unterseeische Tangwälder und bieten vielen Fischen, Schalentieren und anderen Wirbellosen Schutz und Nahrung und verhindern Erosion an den Küsten [3]. Verschwindet mit dem Seeotter der einzige Fressfeind des Seeigels, kann dieser ungehindert die Algen verspeisen und sich vermehren. Dies funktioniert so lange, bis die Tangwälder und alle darin lebenden Arten verschwunden sind und letzten Endes der Seeigel verhungert. In diesem Fall wurde der Seeotter rechtzeitig unter Schutz gestellt und sein Bestand konnte sich mittlerweile einigermaßen erholen. An diesem einfachen Beispiel wird deutlich, dass zum erfolgreichen Schutz der Biodiversität umfassende Kenntnisse über Arten und deren Rolle in ihrem Lebensraum erworben werden müssen.
Probleme in der Praxis
Obwohl inzwischen viele Funktionszusammenhänge in natürlichen Lebensräumen bekannt sind, gibt es noch immer viele unbekannte und unerforschte Faktoren. Diese Tatsache macht es unmöglich, Ökosysteme bis ins Detail zu verstehen und dementsprechend ihren Schutz gewährleisten zu können.
Naturschutzgebiete und Wildreservate sind ein erster Ansatz, jedoch hält sich auch ihre Wirksamkeit in Grenzen. Fehlt das Management, wird auch innerhalb eines Schutzgebietes gewildert und gerodet. Zudem haben auch Vorgänge ausserhalb des Schutzgebietes Einfluss auf die Vorgänge darin. Einigen, wie den eben angeführten, kann man mittels Pufferzonen einen gewissen Einhalt gebieten, jedoch können beispielsweise Wasser- oder Luftverschmutzung nicht am Eindringen in das geschützte Gebiet gehindert werden. Die Möglichkeiten der Schutzgebietsausweisung sind begrenzt: zum Einen, da der Großteil aller Landflächen bereits durch den Menschen genutzt und überformt wurde, zum Anderen, da Uneinigkeit und Unklarheit darüber besteht, welche Flächen in welcher Form unter Schutz gestellt werden sollen. Diese Situation ist als „SLOSS“-Diskussion bekannt und ihre Fragestellung besteht darin, ob es für die Erhaltung der biologischen Vielfalt sinnvoller ist, eine große Fläche oder mehrere kleine Flächen zu schützen („SLOSS“ bezieht sich hierauf und ist die Abkürzung für „Single Large Or Several Small“ aus dem Englischen). Da die Lebensraumansprüche der schutzwürdigen Arten verschieden sind, gibt es keine allgemein gültige Lösung. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. So ist einerseits der Fortbestand der Art in großen Populationen, die nur auf entsprechend großen Flächen bestehen können, wahrscheinlicher (vergleiche Genetischer Flaschenhals), andererseits kann ein zufälliges Aussterbeereignis wie eine Epidemie die gesamte Population auslöschen - war es die letzte ihrer Art, stirbt mit ihr die Art aus. Für ein solches Ereignis sind mehrere kleine Population weniger anfällig, hingegen sind sie gegenüber der genetischen Verarmung empfindlicher.
Neben diesen steht die Planung der Beantwortung weiterer Fragen gegenüber, die für jede Art und jedes Schutzgebiet neu und individuell beantwortet werden müssen. So muss beispielsweise geklärt werden, wie viele Individuen nötig sind, um das Aussterben einer bedrohten Art zu verhindern, wie groß das Schutzgebiet midestens sein muss, damit es eine sich selbst erhaltende Population auf Dauer tragen kann und vieles mehr. Leider können, meist wegen der unzureichenden Kenntnisse, nicht alle diese Fragen beantwortet und damit ein Schutz sicher gestellt werden.
Siehe auch
- [[Portal:Umweltschutz|Portal Umwelt- und Naturschutz]
- [[Biodiversität]
- [[Naturschutz]
- [[Artenschutz]
- [[Artensterben]
- [[Liste ausgestorbener Tiere und Pflanzen]
Quellen
- ↑ Richard B. Primack: Naturschutzbiologie. Spektrum akademischer Verlag, Heidelberg Berlin Oxford, 1995, Seite 174ff ISBN 3-86025-281-X
- ↑ Richard B. Primack: Naturschutzbiologie. Spektrum akademischer Verlag, Heidelberg Berlin Oxford, 1995, Seite 192 ISBN 3-86025-281-X
- ↑ http://www.uni-goettingen.de/downloads/wissenschaftsmagazin/ausgabe_2002_1/menschen_und_werte.pdf.
Literatur
- Richard B. Primack: Naturschutzbiologie. Spektrum akademischer Verlag, Heidelberg Berlin Oxford, 1995. ISBN 3-86025-281-X
[[Kategorie:Naturschutz] [[Kategorie:Ökologie]
[[en:Conservation biology] [[da:Bevaringsøkologi] [[fr:Biologie de la conservation] [[hu:Természetvédelmi biológia] [[ja:保全生態学] [[pt:Biologia da conservação] [[sl:Varstvena biologija]