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Suizid und Philosophie
Der folgende Artikel bietet einen Überblick über Ansichten zum Thema Suizid in Philosophie und Literatur.
Er bietet einen Überblick über die Auffassungen verschiedener großer Einzelphilosophen und Denker sowie über die Positionen der großen philosophischen Schulen von der Antike bis in die Gegenwart.
Jean Amery
Thomas von Aquin
Der mittelalterliche Kirchenvater Thomas von Aquin lehnte der Suizid nachdrücklich ab. Anknüpfend an Augustinus verschärfte Aquin die kirchliche Ächtung der Selbsttötung noch.
Aquin zu Folge ist der Selbstmord eine Todsünde gegen die Natur, die Gemeinschaft (der er schadet) und gegen Gott. In seiner Sittenlehre Summa Theologiae erklärt Aquin den Selbstmord für nicht erlaubt, weil naturwidrig: „Von Natur aus liebt jedes Lebewesen sich selbst und strebt danach, sein Leben zu erhalten – außer dem Selbstmörder, der sich deshalb versündigt.“
Ein Verbrechen gegen Gott sei der Selbstmord - so urteilt Aquin beeinflusst von Augustinus und Aristoteles - denn: „Der Mensch ist ein Teil der Gemeinschaft, und folglich gehört das, was er ist, der Gemeinschaft. Mithin begeht derjenige, der sich umbringt, gegenüber der Gemeinschaft ein Unrecht. Da der Mensch sein Leben als Geschenk von Gott empfängt und nur dieser über Leben und Tod entscheiden darf, versündigt sich der Selbstmörder gegen Gott."
Aristoteles
Aristoteles lehnt den Suizid strikt ab. Bei seinen Zeitgenossen im hellenistischen Griechenland und auch bei den Römern stieß - bei denen die Selbsttötung gang und gäbe war und sich die meiste Zeit großer gesellschaftlicher Achtung erfreute - er mit seiner Haltung auf wenig Widerhall. Erst bei den Scholasten und den Kirchenvätern des Mittelalters fand er lebhafte Resonanz und wurde als ein Gewährsmann der Ächtung des Suizids durch die katholische Kirche herangezogen.
Aristoteles meint in seiner Nicomachischen Ethik dass der Selbstmord ein Unrecht sei, weil der einzelne durch ihn seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletze. Somit sei es ein Akt der Verantwortungslosigkeit (und implizit der Asozialität) sich zu töten. Daher sei die Gesellschaft berechtigt auf ihn mit kriminalistischen Sanktionen zu reagieren.
Augustinus
Der Kirchenvater Augustinus verurteilt den Suizid in seiner christlichen Gesellschaftslehre De Civitate Dei als einen "unverzeihlichen Mord".
Die Ansichten Augustinus, entstanden unter dem Eindruck der Verwüstungen der frühchristlichen Selbstmordsekten in Nordalgerien im 5 Jahrhundert bilden den Ausgangspunkt und die Grundlage der prinzipiellen Verdammung des Freitodes im europäischen Mittelalter.
Augustinus brachte seine Abscheu vor dem Enthusiasmus der frühchristlichen Sekten für den Selbstmord zum Ausdruck indem er sein ganzes rhetorisches Geschick aufbot, um zu begründen, weshalb der Suizid nicht rechtens sein könne. Zunächst deutete er 6. Gebot um, indem er argumentierte, dass es jede Tötung eines Menschen - einschließlich der eigenen Person - als Mord verbiete. Schließlich heiße es im 6. Gebot nicht du „sollst nicht Deinen Nächsten töten“ sondern "Du sollst nicht [also niemanden] töten". Daher mache auch der Selbstmörder sich der Sünde des Mordes schuldig. Die Pflicht Gottes Gebote zu einzuhalten würde in bezug auf das 6. Gebot bedeuten auch sich selbst nicht zu töten.
Der Verstoß gegen das 6. Gebot sei außerdem, so Augustinus, eine Sünde gegen Gott, denn der Selbstmörder entziehe sich dem von Gott eingerichteten Staat. Ferner entziehe er sich der weltlichen Ordnung und seinen Verpflichtungen ihr gegenüber. Dies sei gleichbedeutend mit der Verletzung der christlichen Pflichten gegenüber Gott. Die Intention die Augustinus mit dieser Argumentation verfolgte war es, den Donatisten, Agonisten und Circumcellionen ihre Selbstmord-Freude auszutreiben.
Zur weiteren Untermauerung seiner Position deutete Augustinus auch das Leben und den Tod Christi um: Wer sich das Leben nimmt ist nach der Auffassung Augustinus kein Märtyrer sondern ein vom Teufel Besessener. Den Selbstmordkulturen käme somit kein Märtyrerstatus zu. Viel mehr erwarte den Selbstmord nach dem Tod die ewige Verdammnis. Selbstmörder würden nach dem Tod sogar schwerer bestraft werden als Mörder
Die Konzile des 5. Jahrhunderts schlossen sich den Positionen Augustinus an und setzen sie in kirchliches und kanonisches Recht um. Zunächst wurden die Totenmessen für Selbstmörder, später auch das Psalmsingen und zuletzt jede Gedächtnismesse sowie das Begräbnis von Selbstmördern in geweihter Erde verboten. 452 erklärte die Kirche, dass der Selbstmörder diabolico repletus furorere, vom Teufel besessen, sei. Das Konzil von Braga 563 verbot jedes kirchliche Begräbnis des Selbstmörders - nicht nur das in geweihter Erde. Außerdem wurde die Fürbitte für den Toten während des Gottesdienstes untersagt. Das Konzil in Toledo 693 beschloss Personen die einen Suizidversuch unternommen haben für 2 Monate aus der Gemeinschaft der Gläubigen auszugrenzen und ihnen die Kommunion zu verweigern. Das Konzil von Nimes 1248 verschloss die Friedhöfe sogar für Selbstmörder die nachweislich geisteskranke oder wahnsinnig waren. Tonangebend war dabei stets die Berufung auf das Selbstmordverbot Augustinus.
Albert Camus
Der französische Philosoph Albert Camus lehnt den Selbstmord ab, hält ihn jedoch nicht für verwerflich.
In Der Mythos von Sisyphos schreibt er: „Leben ist naturgemäß niemals leicht. Aus vielerlei Gründen, vor allem aus Gewohnheit, tut man fortgesetzt Dinge, die das Dasein verlangt. Freiwilliges Sterben hat zur Voraussetzung, dass man wenigstens instinktiv das Lächerliche dieser Gewohnheit erkannt hat, das Fehlen jedes tieferen Grundes zum Leben, die Sinnlosigkeit dieser täglichen Betätigung, die Nutzlosigkeit des Leidens. Dieser Zwiespalt zwischen dem Menschen und seinem Leben, zwischen dem Schauspieler und seinem Hintergrund ist eigentlich das Gefühl der Absurdität. Da alle normalen Menschen an Selbstmord gedacht haben, wird es ohne weiteres klar, dass zwischen diesem Gefühl und der Sehnsucht nach dem Nichts eine direkte Beziehung besteht.“
Beccaria
Beccaria nimmt den Suizid gegen Vorwurf, er schade der Gesellschaft in Schutz indem er auf das Phänomen der Emigration: Wer sich selbst töte füge der Gesellschaft einen geringeren Schaden zu als jemand der seine Heimat für immer verlasse. Denn der Selbsmörder lasse wenigstens seinen Besitz zurück, der so weiterhin zum Nutzen der Gesellschaft verwendet werden könne. Wer seinen Besitz ins Ausland trage entziehe hingegen nicht nur sich selbst sondern auch seine Habe der Gesellschaft. Der Selbstmörder raube ihr nur seine Person, der Emigrant seine Person plus seinen Besitz, schade ihr also in zweifacher Weise.
Casanova
Der Italiener Casanova verfasst eine Abhandlung über den Selbstmord. In ihr rechtfertigt er den Tod aus einer rein philosophischen Sichtweise. Die christliche Ethik lässt er dabei unberücksichtigt, greift sie aber auch nicht an.
Für Casanova entscheidet der freie Wille des Menschen darüber, ob er sich das Leben nimmt oderob er am Leben bleibt. Körper und Seele versuchen dabei in gleicher Weise den freien Willen bei seiner Entscheidung zu bedrängen. Der Körper bringt dabei die Leidenschaft in den Diskurs von Körper und Geist ein. Die Seele führt hingegen den Schutzmechanismus der Vernunft ins Feld, der vom Selbstmord abräht. Bevor der Mensch zur Tat schreitet, wägt der freie Wille die Vor- und Nachteile beider Optionen (Leben und Sterben) ab. Entscheidet er sich für die Position des Körper beziehungsweise der Leidenschaft, kommt es zum Selbstmord.
Cato
Dante
Dante platziert den Selbstmörder in seiner Göttlichen Komödie zusammen mit den Gewalttätern und Mördern im 7. Höllenkreis. Dort werden die Selbstmörder zur Strafe für ihre Verfehlungen in Bäume verwandelt, denen gierige Monster mit Frauenköpfen und Vogelkörpern die Blätter ausreißen. In dem grenzenlosen Schmerz, den die Bäume dadurch erfahren, spiegelt sich die Gewalt, die sich die Seele des Selbstmörders selbst zugefügt hat als sie sich durch den verderblichen Akt gewaltsam aus dem menschlichen Körper herausriss.
Denise Diderot
Denis Diderot sieht den Suizid vor allem unter mit Blick auf den Menschen als gemeinschaftsbezogenes Wesen. Der Selbstmord soll mach Möglichkeit unterbleiben, da derjenige der ihn begeht damit seinen Mitmenschen Schaden zufügt.
Damit folgt Diderot im wesentlichen den Auffassungen Rousseaus. Für Diderot ist der Mensch jedoch nicht der gesamten Gesellschaft (also einem abstrakten Gebilde) verpflichtet, sondern konkreten Einzelpersonen: seinen Etern, Freunden und Kindern, deren Gefühle er durch seinen Tod verletzt. Diderots Gedanke von der emotionalen Schuldigkeit des Selbstmörders gegenüber seinem gesellschaftlichen Umfeld wurde Ende des 19. Jahrhundert ein Jahrhundert nach seinem Tod, zu einem der wichtigsten Argumente gegen die Selbsttötung.
John Donne
John Donne verteidigt in seinem Werk Biathanatos das Recht auf einen eigenen Tod gegen die Verteufelung des Suizides durch die Kirche. Donne verteidigt die Willensfreiheit des Menschen und beharrt darauf, dass die Entscheidung zwischen Leben und Tod ihm überlassen bleiben muss. Den Vorwurf der Suizid sei ein Verbrechen gegen Gott entkräftet er mit Verweis auf die Tatsache, dass es in der Bibel keine Stelle gibt an der die Selbsttötung verboten wird. Ferner erinnert Donne an die Eigenschaft Gottes als gütiger Gott und stellt die Frage woher die Kleriker wissen wollen, dass Gott den Selbstmord als eine Todsünde bestraft. Im Gegenzug stellt er die Überlegung in den Raum, ob es nicht möglich sei dass er in seiner Gnade auch diese Tat verzeiht.
Joel Feinberg
Joel Feinberg lehnt den Suizid unter Berufung auf die Bill of Rights ab. Das Recht auf Leben werde dort nicht nur als "universal" sondern auch als "unveräußerlich/unverfremdbar/unentstellbar" (unalienable) gekennzeichnet. Hieraus folge, dass dieses Recht von keinem Menschen und keiner Institution in Frage gestellt werden könnte. Dies müsse logischerweise auch den Träger eines Lebens selbst einschließen. Ein Recht auf Suizid würde dem Gedanken der "Unabtretbarkeit" des Rechtes zu leben (des Anspruchs zu leben) widersprechen. Wenn niemand anderes einen Menschen töten dürfe, so dürfe dieser auch sich selbst nicht töten. Umgekehrt: Wenn er sich selbst töten dürfe, wäre "das Tor" geöffnet, um auch anderen ein Tötungsrecht zuzugestehen.
Friedrich II.
Friedrich II., der Philosoph unter den preußischen Königen, ein Freund der griechischen Stoa, gob 1751 alle Strafen für den Freitod auf. Eigenen Zeugnissen zufolge hielt er den Tag des Todes für den schönsten im Leben eines Menschen und spielte wiederholt mit dem Gedanken an den Freitod. Nach seiner Niederlage in der Schlacht von Kunersdorf 1759 schrieb er etwa: "Es ist ein grausames Missgeschick. Ich werde es nicht überleben [...] Ich halte alles für verloren. [...] Den Untergang meines Vaterlandes werde ich nicht überleben. Adieu für immer.”[1]
Um seinem Leben jederzeit ein Ende setzen zu können trug der Monarch stets eine goldene Dose mit Opium bei sich. Seinem Vorleser erklärte er: “Hier mein Freund ist alles was man braucht um dem Trauerspiel ein Ende zu machen. Diese Pillen sind Opium. Diese kleine Menge reicht völlig hin um einen zu jenem düsteren Gestade zu befördern von dem man nicht mehr zurückkehrt.”[2]
Johann Wolfang von Goethe
Hegesias
Siehe Abschnitt “Die Stoa”.
Thomas Hobbes
Siehe Abschnitt "Die Vordenker des Naturrechts".
Baron d'Holbach
Homer
David Hume
Der schottische Aufklärer David Hume gestand dem Menschen grundsätzlich das Recht zu frei über sein Leben zu verfügen und dieses auch selbst zu beenden. Die traditionelle Verurteilung des Freitods durch die Kirche attackierte Hume als Aberglauben.
In seinem Essay on Suicide erklärte Hume, weshalb der Selbstmord seiner Meinung nach nicht gegen den Willen Gottes verstoßen könne: Da in den Augen Gottes alle Ereignisse im Kosmos geich wichtig seien könne das Leben eines Menschen für Gott nicht wichtiger sein als das einer Auster. Hume kann sich daher nicht vorstellen, dass Gott sich mit Nebensächlichkeiten wie dem Selbstmord abgibt. Deswegen durchkreuze der Freitod die göttliche Vorsehung nicht und könne er somit auch kein Verbrechen gegen Gott sein. Denn, so Hume Argument, wenn ein Eingriff in die Gesetze der Natur eine Sünde wäre, dann müsste nicht nur der Selbstmord, sondern müsse auch jede andere Einmischung in die Natur frevelhaft sein. Wenn der Suizid als eine Transgression des Menschen in die göttliche Sphäre wäre, dann müssten auch die Erhaltung der Gesundheit, der Bau von Häusern, die Landwirtschaft oder die Seefahrt - die ja ebenfalls in die Natur als dem Werk göttlicher Schöpfung eingreifen - als verwerflich betrachtet werden.
Ein Mensch kann nach Hume mit seiner Selbsttötung auch kein Unrecht gegen die Gesellschaft begehen. Denn er füge ihr keinen Schaden zu - er höre lediglich auf, ihr nützlich zu sein: "Nehmen wir einmal an, es stünde nicht mehr länger in meiner Macht, die Interessen der Gesellschaft zu fördern und ich würde in zunehmenden Maße eine Last für sie, ja mein Zustand würde sogar andere daran hindern [die sich meiner Pflege widmen müssen und daher keinen anderen Aufgaben erledigen können], der Gesellschaft viel nützlicher zu sein als sie es jetzt de facto sind: Wäre dann mein freiwilliger Tod nicht etwas was gerade die Interessen der Gesellschaft fördert?
Immanuel Kant
Der Königsberger Philosoph Immanuel Kant, der Begründer des Kritizismus lehnt der die Selbsttötung prinzipiell ab. Er verurteilt den Selbstmord als eine Verletzung der Pflicht, die der Mensch sich selbst gegenüber habe.
Kant beurteilte den Vorgang des Suizids mit dem Maßstab des von ihm entwickelten kategorischen Imperativs: Diesem zufolge soll der Einzelmensch stets so handeln, dass man sein Handeln per Gesetz zum Handlungsmaßstab (zur "Maxime") für alle Menschen machen könnte. Weil aber niemand die Tötung eines Menschen - also aller Menschen - als allgemein gültige Richtlinie wollen könne, folgert Kant habe auch niemand das Recht sich selbst zu töten.
Für Kant verletzt der Selbstmord sowohl die Pflicht des Menschen, sich selbst zu erhalten, als auch seine Verpflichtungen gegenüber seinem Ehepartner, seinen Kindern und Eltern sowie gegenüber dem Staat und der Gesellschaft.
John Locke
Siehe Abschnitt "Die Vordenker des Naturrechts".
Marc Aurel
Siehe Abschnitt „Die Stoa.“
Martin Luther
Philipp Mainländer
Der Philosoph Philipp Mainländer respektierte den Selbstmord und versuchte ihn ausgehend von der Philosophie Schopenhauers zu rechtfertigen.
Friedrich Nietzsche
Cesare Pavese
Platon
Platon verurteilt den Suizid als ein Eingriff in die Rechte der Götter: Da der Mensch in der Macht der Götter steht sei es ihm, so Platon, erst erlaubt das Leben zu verlassen, wenn die Götter es ihm befehlen.
Die Pythagoreer
Die Pythagoreer, die Anhänger des Pythagoras von Samos, vertraten eine entschieden ablehnende Haltung zum Thema Suizid. Ihrer Auffassung zufolge ist die menschliche Seele durch eine Ursünde im Körper eingeschlossen ist und dort sühnen muss. Wer sich das Leben nimmt entziehe sich dieser Buße zu der ihn die Götter verdammt hätten. Dies sei eine Form von Gotteslästerung und verbiete sich somit.
Jean Jacques Rousseau
Jean Jacques Rousseau sieht den Suizid vor allem als eine soziale Frage. Er hält den Freitod für zulässig wenn der Mensch der Gesellschaft durch widrige Umstände oder Krankheit nicht mehr von Nutzen sein kann. Er meint dass der Mensch sein Leben zwar nicht leichtfertig (undurchdacht) wegwerfen dürfe - grundsätzlich gilt der selbstgewählte Tod dem französischen Philosophen jedoch als Erlösung von unerträglichen Qualen.
Jean Paul Satre
Friedrich Schiller
Arthur Schopenhauer
Arthur Schopenhauer ist der Suizid ein natürliches und willkommenes Erleichterungsmittel mit dessen Hilfe sich der Mensch der Entfremdung vond er Welt und ihren psychischen Qualen entziehen könne.
Dem 19. Jahrhundert lieferte Schopenhauer eine philosophische Erklärung und Rechtertigung dafür, weshalb der Mensch seinem Leben ein Ende setzen dürfte, wenn die moralischen Zwänge der Gesellschaft ihm unerträglich werden oder die Unterordnung unter die vorherrschende soziale und politische Ordnung nicht gelingt oder die Entfremdung von Mensch und Natur nicht länger auszuhalten ist. Verwerflich sei die Selbsttötung nach Schopenhauers Beobachtung nur für Christen - die das Leiden für den wahren Lebenszweck halten. Die Leiche des Selbstmörders bestrafen zu wollen hält Schopenhauer für lächerlich. Lediglich den Suizidversuch könnte man bestrafen – dies sollte man jedoch nicht tun, weil ein Mensch sich das Leben nehmen wollte, sondern weil ihm dies aufgrund seiner Ungeschicklichkeit nicht gelungen ist.
In "Die Welt als Wille und Vorstellung" von 1818 zeigt Schopenhauer großes Verständnis für den Selbstmörder. Dort fordert er psychisch leidende Menschen geradezu dazu auf, den freiwilligen Tod als natürlichen letzten Schritt ihres Lebens zu vollziehen: „Wenn in schweren grausenhaften Träumen die Begünstigung den höchsten Grad erreicht, so bringt eben sie selbst uns zum Erwachen durch welche alle jene Ungeheur der Nacht verschwinden. Dasselbe geschieht im Traum des Lebens, wann der höchste Grade der Beängstigung uns nötigt, ihn abzubrechen.“
Der Mensch will, so Schopenhauer, das Leben, will das ungehinderte Dasein und die Bejahung des Leibes: „Die Verflechtung der Umstände" lasse dieses aber nicht zu und so entstehe dem Menschen ein "großes Leid.“ Aus dieser Zwangslage versuche sich der Selbstmörder durch seine Tat zu befreien. Mehr als seinen Körper könne er allerdings nicht zerstören. Der Wille zu Leben und damit die Seele lässet sich laut Schopenhauer nur durch den asketischen Hungertod vernichten.
Melancholiker und Kranke kostet der Suizid so meint der Weimarer Philosoph so gut wie keine Überwindung: „[Sie]brauchen keinen Anlauf [zu] nehmen sondern sobald der ihnen beigegebene Hüter sie auf zwei Minuten allein lässt machen sie rasch ihrem Leben ein Ende.“
Seneca
Siehe Abschnitt "Die Stoa".
William Shakespeare
Sokrates
Die Stoa
Die Philosophen der sogenannten Stoa (Epiket, Kleanthes, Mark Aurel, Seneca, Zenon u.a.), einer Philosophen-Schule des antiken Griechenlands, die auch Anhänger im kaiserlichen Rom gewinnen konnte, gelten als entschiedene Verteidiger und Freunde der Selbsttötung.
Die Stoa geht von der Annahme aus, dass alle Gegenstände und Vorgänge auf der Welt aus der göttlichen Urkraft der Vernunft hervorgehen. Der gesamte Kosmos ist ihnen zufolge von einem belebenden göttlichen Atem (Pneuma) durchdrungen. Die menschliche Seele ist für die Stoiker das Abbild des Logos. Durch seine Vernunft ist es dem Menschen nach Auffassung der Stoiker möglich an der göttlichen Vernunftkraft zu partizipieren. Da das Wesen des Menschen mit dem Wesen der Natur übereinstimme, habe der Mensch die Pflicht, im Einklang mit der Natur zu leben. Und weil es zwischen der Vernunft und der Natur keinen Unterschied bestehen soll, müsse auch der Mensch ein von der Vernunft geleitetes Leben führen.
Wenn ein Mensch unheilbar krank wird oder unter unerträglichen Schmerzen leidet, wenn er körperlich versehrt oder verstümmelt wird oder er gezwungen ist, in Armut zu leben, ist es ihm nach Meinung der Stoiker nicht mehr möglich ein vernunftmäßiges Leben zu führen. Dann, so lehren sie, gebiet der Logos es geradezu, das Leben freiwillig zu verlassen.
Ein Beispiel hierfür ist der Stoiker Zenon, der sich einer Legende nach achtundneunzigjährig selbst erwürgt haben soll, als er beim Verlassen der Akademie in Athen stürzte und sich ein Bein brach. Auch Seneca und Kleanthes töten sich selbst mit "stoischer Gelassenheit". Seneca pries den Suizid in diesem Sinne als eine Erlösung von den Qualen der physischen Existenz: „Der Ausgang aus dem Leben ist euch leichter gemacht als der Eingang. Jeder Augenblick jeder Ort kann euch lehren, wie leicht es sei, der Natur den Dienst aufzukündigen und ihr geschenk heimzuzahlen. [...] Sieh dich nur um, überall kannst du dein Elend endigen. Siehst du jene steile Stelle? Dort hinab geht’s in die Freiheit! Siehst du jenes Meer, jenen Fluss, jenen Brunnen? Auf ihrem Grund wohnt die Freiheit! Siehst du jenen kleinen, dürren, verkrüppelten Baum? An ihm hängt die Freiheit! Dein Hals, deine Kehle, dein Herz: lauter Wege, der Sklaverei zu entrinnen. Sind dir diese Auswege zu qualvoll, fordern sie zuviel Mut und Kraft, fragst du nach dem leichtesten Weg zur Freiheit: Jeder Ader deines Körpers ist ein solcher Weg.“ Dem Stoiker Hegesias wurde wiederum der Spitzname Peisithanatos (griechisch „der zum Tode übberedende") gebeben, weil sich viele seiner Schüler im Anschluss an seine Vorträge - in denen er für den Freitod eintrat - das Leben nahmen.
Die Stoiker unterteilen die Welt grundsätzlich in drei Aspekte: In gute, böse und unbedeutende Dinge. Leben und Tod ordnen sie den unwichtigen Gütern zu. Demnach gehen diese den Menschen auch nicht wirklich etwas an. Einen vernünftigen Grund, weshalb der einzelne an seinem Leben festhalten und den Tod fürchten sollte gibt es in ihren Augen nicht. Ebensowenig wie ein Gut in seinem Wert dadurch gesteigert werden kann, dass es längere Zeit andauert, wird nach ihrer Einschätzung das Leben dadurch besser, dass es länger währt. Auch bei Speisen, so erklärt die Stoa käme es schließlich nicht darauf an, wieviel davon man isst, sondern darauf, wie intensiv sie schmecken. Der Mensch soll sein Leben tugendhaft, vernunftmäßig und intensiv leben, solange ihm dies möglich ist. Wenn das Fest zu Ende ist, dann sei es besser für den Gast zu gehen als länger zu verharren als er erwünscht ist. Einen Grund sich vor dem Tod zu fürchten gebe es nicht, da dieser, wie Zenon erklärt, die Chance der Verschmelzung mit dem Kosmos eröffnet. Denn beim Tod des Menschen trennen sich Seele und Körper: Die Seele zieht sich zur Kugelgestalt zusammen und lebe hernach als Pneumakugel unter dem Mond weiter bis ihre Spannkraft nachlasse und sich allmählich in Nichts auflöse.
Die Stoiker glauben, dass der Mensch den Tod fürchtet, weil er den Prozess des Sterbens für schmerzhaft hält. Außerdem bange es ihm vor dem Leben nach dem Tod und der Aussicht nach dem Leben empfindungslos zu sein.
Die Stoa räumt dem Menschen allerdings kein schrankenloses Recht zur Selbsttöung ein: Sie gesteht dem Menschen die Freiheit sich selbst das Leben zu nehmen nur in ganz besimmmten Situationen zu. Beispielsweise, wenn er zur Rettung des Vaterlands oder eines Freundes geboten ist. Auch unter der Herrschaft eines Tyrannen leben zu müssen oder von Krankheiten und Schmerzen geplagt zu werden oder in Armut oder Nahrungsnot zu darben kann ein legitimer Grund sein, sich selbst zu "entleiben". Unter den genannten Voraussetzungen ist es für die Stoa allerdings mehr eine Pflicht als ein Recht des Menschen sein Leben zu lassen. Inwieweit daher im Falle der Stoa davon gesprochen werden kann, dass sie dem Menschen die "Freiheit" zugesteht, sein Leben zu lassen - also er eine freie Entscheidung über das eigene Leben und den eigenen Tod (d.h. ohne äußeren Druck oder Zwang) treffen kann - ist dementsprechend umstritten.
Voltaire
Voltaire stellt sich auf den Standpunkt, dass der Entschluss eines Mitmenschen, sein Leben zu lassen, anzuerkennen ist. Dennoch setzt er in seiner Philosophie alles daran, damit dieses grausame Vorhaben nicht umgesetzt wird.
Im Dictionnaire Philosophique schlägt Voltaire körperliche Ertüchtigung, Musik, die Jagd und Theaterbesuche als Mittel gegen den Freitod vor. Zwischen der Entscheidung sich zu töten und der Ausführung des Vorhabens soll der Selbstmörder, so empfiehlt Voltaire, unter allen Umständen acht Tage Zeit verstreichen lassen. Wenn er nach einer Woche des Wartens immer noch den Wunsch verspüre zu sterben, dann sei der Sebsterhaltungstrieb wirklich nicht mehr in der Lage sich gegen den Todeswunsch durchszusetzen - somit spricht nichts mehr dagegen, diesem Wunsch nachzugeben und sich zu töten.
Voltaires Einstellung zum Suizid ist kennzeichend für das Kima seiner Zeit: Wenn das Leben für ihn unerträglich wird, gesteht die aufgeklärte Gesellschaft dem Menschen das Recht auf einen freien Tod zu.
Die Vordenker des Naturrechts
Die Vordenker des Naturrechts wie die Engländer Thomas Hobbes und John Locke lehnen den Suizid tendenziell eher ab. Hobbes und Locke gehen davon aus, dass der Mensch von Natur aus danach strebt, sich selbst zu erhalten und sein Leben zu verteidigen. Nur weil die Gemeinschaft mit anderen die Erreichung dieses Ziel erleichtere gründet der Mensch überhaupt Staatswesen und Gesellschaften. Der Freitod widerspricht nach der Einschätzung von Hobbes und Lock dem Vernunftgebot der Selbsterhaltung und ist für sie deshalb ein Unding.
Ludwig Wittgenstein
Der Österreicher Ludwig Wittgenstein verurteilt den Suizid. Der Suizid ist für ihn im Sinne der Ethik die Eementar-Sünde, denn: wenn der Selbstmord erlaubt sei, dann sei alles erlaubt. Wenn es also eine Sache gäbe, die nicht erlaubt werden könne, so müsse dies der Selbstmord sein.
Christian Wolff
Für Christian Wolff den Naturrechtsprofessor des 18. Jahrhunderts, der die Einstellung zum Suizid in der Philosophie der Aufklärung maßgeblich prägte, ist die Sebsttötung lediglich in zwei - sehr theoretischen - Fällen erlaubt: Einmal im Angesicht eines schrecklichen Todes oder wenn das Schicksal zu schmerzvoll und unerträglich wird um es weiter tragen zu können. Beide Möglichkeiten können jedoch, so Wolff, im wirklichen Leben niemals eintreten.
Als Rechtsgelehrter kann sich Wolff nur die bevorstehende Hinrichtung eines Verbrechers als " Aussicht auf einen schrecklichen Tod" vorstellen, jede andere Todesart, der mit der ein Mensch sich konfrontiert sehen kann, sieht er als erträglich an. Außerdem dürfe ein Gesetzesbrecher sich seiner gerechten Strafe nicht entziehen. Ein rundum unertägliches Schicksal ist für Wolff ebenso unvorstellbar. Er geht viel mehr davon aus, dass die Welt, wie sie nun einmal ist, die beste aller denkbaren Welten ist. Weil Gott gütig und wohlwollend ist, kann es in der von ihm geschaffenen Welt kein vollkommenes Leid geben. Jeder Schicksasschlag habe, so Wolff, außerdem auch seine guten Seiten, die es zu entdecken gelte.
Literatur
- Friedhelm Decher: Die Signatur der Freiheit. Ethik des Selbstmords in der Abendländischen Philosophie, 1999.
- Georges Minois: Geschichte des Selbstmords, Zürich 1996.
- Gerhard Mischle: Von der Freiheit, das Leben zu lassen. Kulturgeschichte des Suizids, 2000.
- Jay F. Rosenberg: Thinking Clearly About Death, 1998.
- Roger Willemsen: Der Selbstmord. In Berichten, Briefen, Manifesten, Dokumenten und literarischen Texten, 1989.