Benutzer:Zuviele Interessen/Land der Trauben
Auch aus der kartographischen Darstellung wurde auf die Unechtheit der Vinland-Karte geschlossen. Die Karte bilde geographische Gegebenheiten ab, die den Seefahrern des 9. bis 15. Jahrhunderts noch nicht bekannt seien. Besonders die Darstellung Grönlands als Insel wirke anachronistisch, da andere Karten Grönland noch Jahrhunderte später als nach Norden hin unbegrenzt zeigten. Die nördliche Erstreckung der Insel sei erst im 19./20. Jahrhundert kartographisch erfasst worden. Während Island und Grönland sehr treffend wiedergegeben seien, zeige Skandinavien die typisch mittelalterlichen Verzerrungen und Verschiebungen. Auch die zeichnerische Binnengliederung Vinlands mit zwei Buchten oder Fjorden wird für höchst untypisch angesehen; andere Inseln und Küstenlinien seien demgegenüber sehr undifferenziert wiedergegeben. Auch würden die drei Inseln außerhalb der ansonsten durch die Küstenlinien vorgegebenen Begrenzungen, einer ovalen Form, zu liegen. Sogar die moderne Ausrichtung der Karte (Orientierung nach Norden) wäre in der lateinischen Tradition vor dem 15. Jahrhundert ohne Beispiel.
Demgegenüber ließe sich unschwer anführen, dass sich die Darstellungen dieser Karte, sofern sie aus aus dem 15. Jahrhundert stammen soll, sich durchaus auf dem Niveau vergleichbarer Karten aus diesem Jahrhundert bewegen. So weisen der Atlas des Andrea Bianco, die Genuesische Weltkarte des Niccolò de' Conti oder die Weltkarte des Fra Mauro einen vergleichbaren Detailreichtum auf. Dass Grönland von allen Gelehrten des Mittelalters und der frühen Neuzeit als mit dem eurasischen Festland verbunden angesehen wurde, erscheint nicht zutreffend, beispielsweise wird Grönland in der Magna Marina als Insel dargestellt. Die spitz zulaufende Form Grönlands wird von Olauf Magnus in der...zutreffend dargestellt; ferner weiß dieser die Entfernung einigermaßen richtig darzustellen, indem er Grönland außerhalb der eigentlichen Karte in der Umrandung unterbringt. Auch die Darstellung Islands gelingt ihm aufgrund seiner geographischen Herkunft gut. Letzteres mag einem Zeichner, dem die Berichte um Leif Eriksson bekannt sind, ebenfalls besser gelingen als einem südeuropäischen Kartenzeichner, der auf Berichte aus dritter Hand angewiesen ist. Sofern man dem Zeichner der Karte zugesteht, dass ihm die Berichte um die Vinland-Fahrten, auf die er in der Beschriftung abhebt, bekannt sind, erklärt sich ohne weiteres, dass er die "Insel Vinland" mittels Einbuchtungen in die drei Bereiche Hellu-, Mark- und Vinland unterteilt. Dass sich der Zeichner an der Form einer Mappa Mundi orientierte, also eine ovale Form angestrebt hätte, erscheint nicht zwingend. Selbst wenn man dies annimmt, wäre diese ovale Form gleichwohl gewahrt. Denn diese ovale Form müsste von der Mitte der Karte aus gedacht werden, von wo sie auf die Nordküste der verzeichneten Inseln Grönland und Vinland trifft. Andernfalls hätte der Zeichner die Küsten Norwegens und Islands nämlich wider besseres Wissens als nicht vom Ozean umgeben, zeichnen müssen. Auch lassen sich für das 15. Jahrhundert durchaus nach Norden ausgerichtete Karten finden, wie dies etwa bei der Genuesischen Weltkarte des Niccolò de' Conti der Fall ist. Dies erklärt sich ohne weiteres, da bereits die kartographische Werk des Ptolemäus eine genordete Darstellung vorschlägt. Ptolemäus wurde spätestens im 14. Jahrhundert in Europa "wiederentdeckt", sodass eine genordete Darstellung in einer karte aus dem 15. Jahrhundert alles andere als unwahrscheinlich ist.