Berliner Unterwelten

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U-Bahnhof Gesundbrunnen; Eingang mit Schriftzug und Logo

Der gemeinnützige Verein Berliner Unterwelten e. V. besteht seit 1997 und hat sich zum Ziel gesetzt, die Erforschung, Dokumentation und den Erhalt der unterirdischen Anlagen in Berlin voranzutreiben.

Geschichte

Gegründet am 22. Mai 1997 um zu verhindern, dass weitere Bunkeranlangen durch den nach der Wiedervereinigung eingesetzten Bauboom in Berlin zerstört oder verfüllt werden.[1] An die Öffentlichkeit wandte sich der Verein mit einer Presseerklärung am 23. Juli 1997, um gegen Zerstörung und Verfüllung des „völlig intakten U-Bahn-Bauwerkes“ Mühlendammtunnel zu demonstrieren, wodurch jegliche Nutzung für die Zukunft zunichte gemacht wurde. Am 5. Dezember 1997 erfolgte die Eintragung ins Vereinsregister.[2] Am 21. Januar 1998 erfolgte in der Bunkeranlage Blochplatz in Wedding die erste fachöffentliche Vorstellung und Diskussionsveranstaltung des Vereins. Die erste öffentliche Vorstellung erfolgte mit etwa 700 Besuchern am 24. Januar 1998 im Hochbunker Pallasstraße in Schöneberg.[3]

„Wir waren fast alle Berlinerinnen und Berliner und alle an der Geschichte der Stadt interessiert. Vom Historiker über den LKW-Fahrer bis hin zum Fotografen und Werkzeugmeister war alles dabei – eine bunte Mischung.“

Dietmar Arnold: „Lost Places“: Neugier, Nervenkitzel und die morbide Schönheit des Verfalls in National Geographic[4]

Nach etwas mehr als einem Jahr des Vereinsbestehens berichtete am 9. August 1998 die New York Times über den Verein und seine Aktivitäten, bereits davor erschienen Artikel in der Zeit und der FAZ,[5] was dem Verein viel Zulauf brachte: Von 2.000 Besuchern im ersten Jahr bis auf fast 17.000 mit über 130 Mitgliedern im Jahr 2002.[6]

Am 17. Mai 1999 erhielt der Verein die Anerkennung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt für Körperschaften.[7]

Die ZDF-Reportage Berliner Unterwelten – Von Nazi-Bunkern und Räuberhöhlen (2001) liefert ein Porträt über den Verein und einige seiner Mitglieder.[8] Beim Film Der Untergang (2004) waren Mitglieder des Vereins an umfangreichen Beratungen im Vorfeld und während der Produktion beteiligt. So konnte beispielsweise der Führerbunker auf Grundlage von Forschungsergebnisse des Vereins im Maßstab 1:1 originalgetreu als Kulisse nachgebaut werden.[9] Vereinsmitglieder waren am Fernsehfilm Speer und Er (2005) beteiligt. Der Tigerenten Club besuchte am 18. Mai 2005 das Unterwelten-Museum und den Flakturm.[10] Am 10. November 2010 konnte der Millionste Besucher begrüßt werden,[11] am 19. Februar 2015 der Zweimillionste.[12]

Der Verein brachte am 8. Juni 2006 eine Informationstafel am historischen Ort des Führerbunkers an, die es bis dato nicht gab, um einer Mythenbildung und nostalgischen Verklärung aktiv entgegenzuwirken.[13]

Der Deutsche Kulturrat nahm den Verein im November 2020 in Die Rote Liste 2.0 auf und stuft den Fortbestand des Vereins wegen der durch die COVID-19-Pandemie bedingten Einschränkungen und den einhergehenden finanziellen Einbußen als gefährdet ein.[14] Eine Vielzahl an Spenden, Mietpatenschaften und anderen Zuwendungen (z. B. Reduzierung oder Aussetzung der Miete sowie eine Förderung aus einem Zuschussprogramm des Landes Berlin) halfen dem Verein.[15] Am 14. Februar 2021 fand die erste öffentliche virtuelle Tour mit 360°-Aufnahmen, verschiedenem Archivmaterial und Live-Guide über die Plattform Zoom Video Communications statt.[16] Seit dem 12. Juni 2021 sind Führungen unter den Coronabestimmungen wieder möglich.[16] Am 25. Juni 2022 feierte der Verein sein 25-jähriges Bestehen in der Wartehalle des ehem. Nordbahnhofs.

Aktivitäten

Führungen

Die baulichen Anlagen werden im Rahmen von verschiedenen Besichtigungstouren in verschiedenen Sprachen (deutsch, englisch, italienisch, dänisch, niederländisch und spanisch) mehrmals täglich zugänglich gemacht. Weiterhin führt der Verein mehrtägige Seminare zu verschiedenen Themen im Bereich der deutschen bzw. Berliner Geschichte sowie zu unterirdischen Bauwerken durch. Einige Besichtigungstouren sind zusätzlich digital verfügbar.

Das Innere des Luftschutzbunkers

Der Schwerpunkt liegt aufgrund der Vielzahl noch vorhandener Bauwerke auf dem Thema Ziviler Luftschutz des Zweiten Weltkriegs. Die Vereinsmitglieder widmen sich aber auch Anlagen ohne militärischen Hintergrund, beispielsweise der Kanalisation, der innerstädtischen Rohrpost, unterirdischen Brauerei-Relikten oder unvollendeten U-Bahnhöfen.

Erhalt / Ausbau der Anlagen

Die einstige Schutzanlage unter dem Südausgang des U-Bahnhof Gesundbrunnen, die der Verein seit dem 1. März 1998 von den Berliner Verkehrsbetrieben mietet wurde durch ehrenamtlich geleistete Arbeitsstunden der Mitglieder zum „Berliner Unterwelten-Museum“ aufgebaut.[1][17]

Im Jahr 2000 übernahm der Verein die Betreuung der ABC-Schutzanlage unter dem Blochplatz am Humboldthain – einer Hinterlassenschaft des Kalten Krieges.

Die mit Trümmerschutt verfüllte Ruine des Flakturms im Volkspark Humboldthain ist von Mitgliedern des Vereins wieder zum Teil zugänglich gemacht worden, am 4. April 2004[18] kam es zur ersten öffentlichen Führung. Des Weiteren wurde unter Begleitung des ZDF ein Zugang zum mit Trümmerschutt überdeckten Flakturm im Volkspark Friedrichshain vom Verein freigelegt und das Bunkerinnere erkundet.

Seminare

Der Verein bietet auch Seminare an, die in vielen Bundesländern als Bildungsurlaub anerkannt sind.[1][19]

Eigener Verlag

Seit dem Jahr 2010 veröffentlicht der Verein seine Forschungsergebnisse im eigenen Verlag Edition Berliner Unterwelten im Ch. Links Verlag.[20]

Öffentliche Wahrnehmung

Der Verein ist an zwölf vorwiegend unterirdischen Standorten aktiv und zählte zum 31. Dezember 2021 530 Mitglieder.[21][22] Im Vorpandemiejahr 2019 besuchten rund 360.000 Besucher die rund 17.000 Führungen und Veranstaltungen des Vereins.[19] National erlangte der Verein Anerkennung durch die Verleihung des Deutschen Preises für Denkmalschutz im Jahr 2006 an den Vorsitzenden des Vereins Dietmar Arnold und seinen Bruder Ingmar am 13. November 2006 in Weimar. Der Verein hat sich nach Aussage des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz um „die pionierhafte Erschließung und Vermittlung der denkmalwürdigen unterirdischen Berliner Bauwerke“ verdient gemacht.[23] Am 1. Oktober 2018 erhielt Dietmar Arnold mit elf weiteren Berlinern den Verdienstorden des Landes Berlin für ihr bürgerschaftliches Engagement.[24]

Weblinks

Commons: Berliner Unterwelten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Berliner Unterwelten e. V.: 20 Jahre Berliner Unterwelten e. V. In: YouTube. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  2. Berliner Unterwelten: 1997. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  3. Berliner Unterwelten: 1998. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  4. National Geographic: „Lost Places“: Neugier, Nervenkitzel und die morbide Schönheit des Verfalls
  5. Berliner Unterwelten: 1998. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  6. Berliner Unterwelten: 2003. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  7. Berliner Unterwelten: 1999. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  8. Berliner Unterwelten: 2001. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  9. Berliner Unterwelten: 2004. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  10. Berliner Unterwelten: 2005. Abgerufen am 18. Januar 2022.
  11. Berliner Unterwelten: 2011. Abgerufen am 18. Januar 2022.
  12. Berliner Unterwelten: 2015. Abgerufen am 18. Januar 2022.
  13. Berliner Unterwelten: 2006. Abgerufen am 18. Januar 2022.
  14. Die Rote Liste 2.0. Deutscher Kulturrat, abgerufen am 24. März 2021.
  15. Berliner Unterwelten: 2020. Abgerufen am 18. Januar 2022.
  16. a b Berliner Unterwelten: 2021. Abgerufen am 18. Januar 2022.
  17. Berliner Unterwelten: 1998. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  18. Berliner Unterwelten: 2004. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  19. a b Berliner Unterwelten: 2020. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  20. Berliner Unterwelten: Edition Berliner Unterwelten. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  21. Berliner Unterwelten: Allgemeine Informationen. Abgerufen am 17. Januar 2022.
  22. Berliner Unterwelten: 2022. Abgerufen am 18. Januar 2022.
  23. Der Ritterschlag. In: Berliner Zeitung, 14. November 2006.
  24. Berliner Unterwelten: 2018. Abgerufen am 18. Januar 2022.

Koordinaten: 52° 32′ 52,4″ N, 13° 23′ 19,7″ O