Bernhard Bielenstein

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Bernhard Bielenstein

Bernhard Max August Bielenstein (lettisch Bernhards Bīlenšteins; * 9. Augustjul. / 21. August 1877greg. in Doblen, Gouvernement Kurland; † 14. April 1959 in Heilbronn) war ein deutschbaltischer Architekt.[1] Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des Rigaer Jugendstils.[2]

Familie

Bernhard Bielenstein war der jüngste Sohn des Pastors, Ethnographen und Sprachforschers August Bielenstein und dessen Ehefrau Erna, geb. von Bordelius. Seine Geschwister waren Max Bielenstein (1855–1860), der Pastor Louis Johann Emil Bielenstein (1858–1943), die Autorin Martha Bielenstein (1860–1938), der Pastor und Märtyrer Hans Bielenstein (1863–1919), Johanna Bielenstein (1864–1864), Emma Bielenstein (1865–1887), der Maler und Grafiker Siegfried Bielenstein (1869–1949) und der Pastor Walter Adolf Axel Bielenstein (1872–1961).[3]

Leben

1904 absolvierte Bernhard Bielenstein das Rīgas Politehniskais institūts (RPI). Von 1904 bis 1905 war er im Polytechnischen Institut Charlottenburg (Berlin) tätig. Seit 1905 betrieb er ein privates Architekturbüro in Riga. Nebenher war er Gutachter („Taxator“) der Rigaer Hypothekengesellschaft.[4] 1907 heiratete Bernhard Bielenstein Betty von Bergmann (1885–1963). Aus ihrer Ehe gingen sechs Kinder hervor.

Bis 1917 leistete Bielenstein seinen Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg in der Militärverwaltung der Russischen Armee in Pskow und in Witebsk.[4] Danach konnte er seine Tätigkeit als Architekt in Riga wieder aufnehmen. 1925 wurde Bielenstein zum Sekretär des deutschen Hausbesitzervereins in Riga gewählt,[5] 1931 zudem in den Vorstand einer Krankenkasse.[6]

Durch die dem Hitler-Stalin-Pakt folgende Umsiedelung mussten Bielenstein und seine Familie die Heimat verlassen; er gelangte nach Posen (poln. Poznań) und arbeitete bis Kriegsende als Taxator[7]. Im Jahr 1945 flüchtete er aus dem Warthegau nach Eggenthal in Bayern,[8] 1958 zog er nach Neckarsulm. Bernhard Bielenstein starb im Jahr 1959 in Heilbronn.

Bielensteins bekannteste, erhaltene Bauten in Riga

Bielensteins Bauwerke zeichnen sich durch klare Linienführung und sparsame Verwendung von Fassadenschmuck aus. Sie gehören zur Phase der „nationalen Romantik“ des Rigaer Jugendstils.[9] Diese löste die Phase des eklektizistischen Jugendstils ab, dessen Hauptvertreter Michail Eisenstein war.[10] Von ihm stammen etwa 30 Bauwerke in Riga. Erhalten sind vor allem seine repräsentativen Mietshäuser.

In der Epoche des Jugendstils gab es in Riga eine enorme Ausdehnung der Wohnbezirke. Es wurde viel Aufwand in die Dekoration der Fassaden investiert. Noch heute sind die Bauten aus dieser Zeit als weltweit größtes Jugendstil-Ensemble berühmt.[11] Die deutschen Straßennamen sind die in der Zeit von Bielensteins Tätigkeit als Architekt in Riga gebräuchlichen Namen.[12] Die lettischen Straßennamen entsprechen dem heutigen Stadtplan.[13][14]

Straßenname
Baujahr deutsch lettisch Hausnummer Funktion des Bauwerks
1908 Dorpater Straße Tērbatas iela 6/8[15] Mietshaus mit Läden (gemeinsam mit Karl Ehmcke)
1909 Rumpenhöfsche Straße Augusta Deglava iela 2 Mietshaus mit Läden
1909 Kiewsche Straße Kijevas iela[16] 15 Mietshaus
1909–1910 Säulenstraße Stabu iela 91/93[17] Mietshaus mit Läden
1910 Gertrudstraße / Schmiedestraße Ģertrūdes iela 56 Mietshaus mit Läden
1910 Kiewsche Straße Kijevas iela 17 Mietshaus
1910 Wallstraße Vaļņu iela 22a Pastorat und Schule „St. Petri“ (gemeinsam mit Henry van de Velde)
1911 Ritterstraße Bruņinieku iela 27[18] Mietshaus mit Läden
1911 Nikolaistraße Krišjāņa Valdemāra iela 57/59 Mietshaus mit Läden
1912 Goldinger Straße Kuldīgas iela 43/45 Städtisches Altersheim „Peterhaus“ (Pētera nams)
1912 Helenenstraße Lienes iela 12 Mietshaus mit Läden
1912 Matthäistraße Matīsa iela 45 Mietshaus mit Läden
1912–1914 Alexanderstraße Brīvības iela 84 Mietshaus mit Läden (gemeinsam mit N. Jakovlev)
1913 Alexanderstraße Brīvības iela 82 Mietshaus mit Läden
1913 Lüneburger Straße / Füreckerstraße Sudrabu Edžus iela 16 Die eigene Villa im Kaiserwald (Mežaparks)[19]
1913 Matthäistraße Matīsa iela 86a Mietshaus mit Läden
1913 Artilleriestraße Artilērijas iela 58 Mietshaus
1913 Palisadenstraße Krāslavas iela 18 Mietshaus mit Läden
1914 Laidsensche Straße Laidzes / Laidzenes iela[20] 49 Mietshaus
1914 Rabenstraße Vārnu iela 2 Mietshaus mit Läden

Schriften

  • Bernhard Bielenstein: Erinnerungen. In: Baltische Hefte. Band 13 (1967), Verlag Harro von Hirschheydt, Hannover-Döhren 1967, S. 128–214.
  • Bernhard Bielenstein: Die Häuser aber blieben / Bet mājas palika. Verlag Jumava, Riga 1998, ISBN 3-88758-058-3. (zweisprachig deutsch / lettisch; Übersetzung ins Lettische von Ināra Korsaka und herausgegeben von Peter-Jochen Bosse).[21][22]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Bernhard Bielenstein im Stammbaum der Familie von Bordelius.
  2. Jānis Krastiņš: Rīga. Jugendstilmetropole. Izdevniecība Baltika, Riga 1996. S. 39.
  3. Familie des August Bielenstein im Stammbaum der Familie von Bordelius.
  4. a b Jānis Krastiņš: Rīga. Jugendstilmetropole. Izdevniecība Baltika, Riga 1996. S. 339.
  5. Bernhard Bielenstein 1925 zum Sekretär des Hausbesitzervereins gewählt.
  6. Bernhard Bielenstein 1931 als Arbeitgebervertreter gewählt.
  7. Balaško (2013), Seite 145
  8. Barbara Bielenstein und Peter-Jochen Bosse lesen aus Bernhard Bielensteins Erinnerungen.
  9. Jānis Krastiņš: Rīga. Jugendstilmetropole. Izdevniecība Baltika, Riga 1996. S. 39–41.
  10. Agrita Tipāne: Jugendstil in Riga. In: Alexander von Knorre (Hg.): Jugendstil im Baltikum (= Baltische Seminare, Band 18). Carl Schirren Gesellschaft, Lüneburg 2012. ISBN 978-3-923149-60-5. S. 151–166.
  11. Nicht immer wird klar zwischen Eklektizismus und Jugendstil unterschieden. Silvija Grosa (2008) verweist auf Dekorelemente, die aus Katalogen und Handbüchern abgeleitet wurden. Bielensteins Bauten in der Stabu iela 91/93 werden als Beispiele für Jugendstil-Dekoration hervorgehoben.
  12. Nach Zālīte (2000).
  13. Nach Krastiņš (1992).
  14. Abbildungen der Häuser bei Bielenstein (1998), auch die Villa Bergenas iela (Bergensche Straße) 1/3 aus dem Jahr 1929.
  15. Abbildung in Balaško (2013), Seite 142
  16. In Bielenstein (1998) nennt Krastiņš die Straße Katoļu iela (Katholische Straße).
  17. Abbildungen, Grundriss und Ansicht in: Jānis Krastiņš: Rīga. Jugendstilmetropole. Izdevniecība Baltika, Riga 1996. S. 322–325 und in Balaško (2013), Seite 140–141
  18. Abbildungen, Grundriss und Ansicht in: Jānis Krastiņš: Rīga. Jugendstilmetropole. Izdevniecība Baltika, Riga 1996. S. 224–225 und in Balaško (2013), Seite 144–145
  19. Architektur im Stadtteil Kaiserwald. Mit Abbildungen der 5 Häuser nach Bielensteins Plänen.
  20. Laut Krastiņš (1992): Laicēna iela. In Bielenstein (1998) nennt Krastiņš die Straße Nometņu iela (Große Lagerstraße) / Lapu iela (Laubstraße).
  21. Rezension in Diena vom 8. Oktober 1998 (lettisch).
  22. Rezension auf der Internetseite des Vereins Infobalt e.V.