Besetzung des Topf-und-Söhne-Geländes in Erfurt

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Das Werksgebäude am 16. April 2009 wenige Stunden nach der Räumung

Die Besetzung des Topf-und-Söhne-Geländes war eine Hausbesetzung auf dem stillgelegten Werksgelände des Unternehmens J. A. Topf und Söhne in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. Die Besetzung begann am 12. April 2001 und endete am 16. April 2009 mit der Räumung des Geländes durch die Polizei. Besonders in den letzten Monaten der Besetzung kam es in Erfurt wiederholt zu Demonstrationen sowie zu Aktionen, die die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zogen, wie etwa der „Entführung“ von Bernd dem Brot.

Hintergrund

Das Unternehmen J. A. Topf und Söhne war ein Ofenhersteller, der 1878 in Erfurt gegründet wurde. Am Beginn des Zweiten Weltkriegs geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten, weshalb 1941 eine Zusammenarbeit mit dem Reichssicherheitshauptamt vereinbart wurde. Im Rahmen dieser Kooperation produzierte Topf und Söhne ab 1941 Krematoriums-Öfen u. a. für die Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald, Gusen und Dachau sowie Komponenten für die Gaskammern in Auschwitz, in denen insgesamt mehr als eine Million Menschen ermordet bzw. deren Leichen verbrannt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestand das Unternehmen als VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau EMS in der DDR weiter und gehörte zum Schluss zum Kombinat Fortschritt Landmaschinen. Nach der Ausgründung als GmbH 1990 ging es 1994 in Insolvenz, womit das Firmengelände stillgelegt wurde.

Das Firmengelände befand sich anschließend in Besitz der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen, die es 2007 an die Domicil Hausbau GmbH aus Mühlhausen verkaufte. Sie plante eine Neubebauung des Geländes mit Wohn- und Geschäftshäusern.

Besetzung

Während der über acht Jahre andauernden Besetzung des Geländes wurden durch die Besetzer Informationsveranstaltungen und Führungen durch das Werksgelände durchgeführt. Damit sollte die Aufarbeitung der Geschichte des Unternehmens und der Verstrickung mit den Nationalsozialisten vorangebracht werden. Die Werkshallen waren bis zum Schluss zu großen Teilen im baulichen Originalzustand erhalten worden, standen jedoch leer.

Darüber hinaus wurde das besetzte Haus als Treffpunkt der linksautonomen Szene und für Veranstaltungen genutzt. Gegen Ende der Besetzung lebten etwa 30 Personen dauerhaft auf dem Gelände. Am 4. Februar 2009 kam es auf dem Gelände zu einem Brand, bei dem Sachschaden entstand, aber niemand verletzt wurde.

Demonstrationen und Aktionen gegen die Räumung

Als das Gelände 2007 an einen privaten Investor verkauft wurde, mehrten sich bei den Besetzern die Ängste vor einer bevorstehenden Räumung des Gebiets. Zu einer ersten größeren Demonstration zum Erhalt des besetzten Hauses kam es am 10. Oktober 2008, weitere folgten am 22. November, am 24. Januar 2009, mit über 1000 Teilnehmern,[1] und am 16. April 2009.

Am 21. Januar 2009 entwendeten einige Aktivisten eine Plastikfigur von Bernd dem Brot, die vor dem Erfurter Rathaus aufgestellt war. Am 1. Februar 2009 wurde die Plastik auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne in Nohra bei Weimar gefunden und zurück an ihren angestammten Platz gebracht.[2]

Räumung

Blick über das Gelände am 23. Mai 2009

Am 13. Februar 2009 wurde eine Räumungsklage gegen die Besetzer eingereicht. Daraufhin versuchten diese ein anderes Gelände im Norden Erfurts zu besetzen, was allerdings erfolglos blieb. Am 3. April 2009 erging ein Urteil des Landgerichts Erfurt, das eine Räumung des Geländes durch die Besetzer anordnete. Nachdem diese sich weigerten, das Gelände zu verlassen, kam es am 16. April 2009 zu einem Großeinsatz der Polizei, bei dem das Gelände geräumt wurde. Mehrere hundert Polizisten waren an dem Einsatz, der in den frühen Morgenstunden stattfand und etwa 1,2 Millionen Euro kostete, beteiligt. Im Thüringer Landtag wurde das Vorgehen der Polizei am 8. Mai 2009 in einer öffentlichen Plenarsitzung diskutiert.

Sofort nach der Räumung des Geländes wurde mit dem völligen Abbruch aller Gebäude mit Ausnahme des ehemaligen Verwaltungsgebäudes begonnen. Im Verwaltungsgebäude wurde 2011 der Erinnerungsort Topf & Söhne eröffnet, der auch eine Ausstellung zur Unternehmensgeschichte zeigt.

Einzelnachweise

Literatur

  • Karl Meyerbeer, Pascal Späth (Hrsg.): Topf und Söhne – Besetzung auf einem Täterort. Graswurzel-Verlag, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-939045-20-5.

Weblinks

Commons: J. A. Topf & Söhne – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Räumung J. A. Topf & Söhne – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien