Bill Browder

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Bill Browder (2011)

William Felix „Bill“ Browder (* 23. April 1964 in Chicago) ist ein britischer Unternehmer. Er ist Mitbegründer und CEO der Fondsgesellschaft Hermitage Capital Management. Browder gilt seit 2007 als scharfer Kritiker der Politik des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin.

Leben

Browder wurde 1964 in Chicago als Sohn des amerikanischen Mathematikers Felix Browder (* 1927 in Moskau; † 2016) und dessen jüdischstämmiger Ehefrau Eva (* 1929 in Wien) in eine politisch linksorientierte Akademikerfamilie geboren. Zudem ist Browder ein Enkel des in den USA geborenen kommunistischen Gewerkschaftsführers Earl Browder und der russisch-jüdischen Rechtsanwältin Raissa Berkman.[1] Andrew und William Browder sind seine Onkel.

Der gebürtige US-Amerikaner Bill Browder lebt in London und ist britischer Staatsbürger. 1998 gab er seine amerikanische Staatsbürgerschaft auf.[2] Seine Frau Melanie heiratete er in der Marble Arch Synagoge in London.[3][4] Ihr gemeinsamer Sohn Joshua Browder wurde bereits in jungen Jahren bekannt mit der Internetplattform DoNotPay. Bill Browder studierte Wirtschaftswissenschaft an der University of Chicago und erlangte an der Stanford Graduate School of Business seinen Master of Business Administration. Später war er bei der Boston Consulting Group und bei Salomon Brothers beschäftigt.

1996 gründete er gemeinsam mit dem Bankier Edmond Safra die Hermitage Capital Management mit Sitz in Guernsey. Die Fondsgesellschaft galt zeitweise als einer der größten westlichen Investoren in Russland und verfügte im Jahr 2005 über Aktiva im Wert von 4 Milliarden US-Dollar.[5] Dabei hatte Browder länger als andere das Vorgehen Putins gegen Oligarchen verteidigt und war geradezu einer seiner Fürsprecher gewesen.[6]

Browders Verhältnis zu Russland und Präsident Putin

Browders Fonds- und Vermögensverwaltungsgesellschaft Hermitage Capital war jahrelang einer der größten ausländischen Investoren in Russland. Damals war Browder ein Fürsprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin. 2005 wurde ihm die Einreise nach Russland verwehrt, ab 2004 hatten Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung bei Briefkastenfirmen aus Browders Umfeld stattgefunden, darunter das Unternehmen Saturn Investment. Seit 2005 gilt Browder als scharfer Kritiker des Kremls, der den Sturz von Präsidenten Putin zum Ziel hat. Browder bezeichnete Putin u. a. als „Soziopath, kaltblütigen Killer“ und als „kriminellen Diktator ohne großen Unterschied zu Hitler, Mussolini oder Gaddafi“. Im Februar 2015 veröffentlichte Browder sein Buch Red Notice: A True Story of High Finance, Murder, and One Man’s Fight for Justice (dt. Ausgabe Red Notice: Wie ich Putins Staatsfeind Nr. 1 wurde). Hier unterstellte er dem russischen Präsidenten, „kein Freund der Juden“ zu sein. Dass Putin zahlreiche persönliche Spenden an jüdische Institutionen leistete und persönliche Beziehungen zu einflussreichen jüdischen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens hält, wird ihm von Browder als taktisches Vorgehen ausgelegt: „Er (Putin) hat zahlreiche Verbündete unter der extremen Rechten, die überaus antisemitisch sind. Putin ist allerdings intelligent genug, um zu wissen, mit wem er sich verbünden sollte und mit wem nicht. Er weiß, dass, wenn er sich mit jüdischen Persönlichkeiten verbündet, er sich mit einer sehr mächtigen Gruppe von Leuten aus aller Welt verbündet.“[7]

Im November 2005 wurde Browder auf dem Flughafen Moskau-Scheremetjewo die Wiedereinreise nach Russland verweigert. 2007 wurden seine Unternehmen in Russland liquidiert, Browder wurde von Seiten der russischen Behörden Steuerhinterziehung sowie gesetzeswidrige Aneignung von Aktien des Unternehmens Gazprom vorgeworfen. Sein Wirtschaftsprüfer Sergei Magnitski, der für Browders Unternehmen tätig war und einen mutmaßlichen Betrug von Beamten im Umfang von etwa 200 Millionen Euro offengelegt haben soll,[8] wurde im November 2008 verhaftet und verstarb am 16. November 2009 in einem Gefängnis in Moskau unter ungeklärten Umständen. Gemeinsam mit dem toten Magnitski wurde Browder von einem russischen Gericht im Juli 2013 in Abwesenheit wegen Steuerhinterziehung zu neun Jahren Haft verurteilt.[9] Der Versuch der russischen Behörden, Browder auf die internationale Fahndungsliste setzen zu lassen, schlug fehl. Die internationale Polizeiorganisation Interpol erklärte, die Vorwürfe gegen Browder seien politisch motiviert und widersprächen den Regeln von Interpol.[10]

Nach Magnitskis Tod setzte sich Browder dafür ein, dass die verantwortlichen russischen Beamten bestraft werden, er bezeichnet sich als Opfer einer Verschwörung, sowohl von Seiten der russischen Behörden wie auch von kriminellen Gruppen. Die Lobbykampagne Browders, die laut Bundeszentrale für politische Bildung eine Reihe von überzeugenden Belegen für Korruption in Steuerbehörden und anderen Regierungsstellen vorbrachte, führte in den USA im Jahr 2011 zum Erlass des „Magnitsky Act“, durch den 60 russische Beamte mit Einreisesperren belegt wurden, denen auch das Europäische Parlament folgte.[11] Nachdem Browder bis 2005 die Politik Putins ausdrücklich gelobt hatte,[12] warnt er seit 2007 in verschiedenen Veröffentlichungen und Interviews Anleger aus westlichen Ländern davor, in Russland zu investieren.[13]

Der Filmemacher Andrei Nekrassow produzierte für den Sender Arte einen Dokumentarfilm zum Tod von Magnitski („Der Fall Magnizki“). In der Dokumentation kam Nekrassow entgegen der Version von Browder zu dem Schluss, dass Browders Unternehmen und dessen Wirtschaftsprüfer Magnitski damals nicht beabsichtigt hätten, über Korruption aufzuklären. Browder bezeichnete dies als Lüge und drohte gegenüber dem Sender mit Klagen, woraufhin die Ausstrahlung ausgesetzt wurde.[14] Nekrassow kritisierte dies und erklärte, er hätte bei den Dreharbeiten keine Agenda gehabt, die Fakten hätten jedoch keinen anderen Schluss zugelassen als dass es bei dem Fall um Steuerhinterziehung von Hermitage Capital Management ging.[14] Im gleichen Zeitraum erfolgten umfassende öffentliche Kampagnen durch Russland, u. a. wurde Browder der Spionage verdächtigt und der Vorwurf erhoben, er habe die Ermordung Magnitskis fingiert, um Russland zu diskreditieren.[15]

Am 29. Dezember 2017 verurteilte ein Gericht in Moskau Browder in Abwesenheit zu neun Jahren Lagerhaft. Es sprach ihn und seinen aus Russland emigrierten Geschäftspartner Iwan Tscherkassow des vorsätzlichen Bankrotts und der Steuerhinterziehung für schuldig. Die beiden sollen zudem eine Strafe von 4,2 Milliarden Rubel (60,7 Millionen Euro) bezahlen.[16]

Im November 2018 lief mit dem Vorwurf der Vergiftung von vier Personen in Russland der fünfte Versuch der russischen Regierung, Browder auf die internationale Fahndungsliste zu setzen.[17]

Am 22. November 2019 berichtete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel über seine Recherche im Bezug auf die Glaubwürdigkeit der von Browder gemachten Aussagen zum Fall Magnitski.[18] Dabei kam das Medium zu dem Schluss, dass die von Browder getätigten Äußerungen einer genaueren Prüfung nicht standhielten. Nachdem Browder sich mit einer Beschwerde an die Spiegel-Chefredaktion und den Deutschen Presserat gewandt hatte, sah sich das Medium gezwungen, nochmals Stellung zu dem Fall zu nehmen und die im Artikel dokumentierten Zweifel an Browders Aussagen erneut zu bekräftigen.[19] In diesem Beitrag legte der Der Spiegel unter anderem einige Dokumente vor, welche die Erkenntnisse des Artikels belegen sollen.

Browder tritt seit 2020 ebenfalls als Kritiker der Regierung der Volksrepublik China auf. Er gehört zu den Befürwortern von Sanktionen westlicher Staaten gegen China wegen der Unterdrückung der Uiguren.[20]

Werke

  • Red Notice: A True Story of High Finance, Murder, and One Man’s Fight for Justice. Simon & Schuster, New York 2015, ISBN 978-1-4767-5574-8.
  • Freezing Order: A True Story of Russian Money Laundering, State-Sponsored Murder, and Surviving Vladimir Putin’s Wrath. Simon & Schuster, 2022, ISBN 978-1-398-50608-4.

Weblinks

Commons: Bill Browder – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bill Browder: Red Notice: Wie ich Putins Staatsfeind Nr. 1 wurde, Kapitel 2, dtv Verlagsgesellschaft, Oktober 2016
  2. Benjamin Triebe: Früher, sagt er, kämpfte er um Geld, heute um Gerechtigkeit: Bill Browder, selbsternannter grösster Feind Wladimir Putins. In: Neue Zürcher Zeitung, 22. November 2018, abgerufen am 24. Mai 2022.
  3. Be careful of Putin, he is a true enemy of Jews, Artikel von Sandy Rashty, The Jewish Chronicle vom 5. November 2015
  4. Jewish Kremlin critic faces ‘absurd’ new charges by Russian prosecutors, Nataliya Vasilyeva, The Times of Israel, vom 20. November 2018
  5. Mikhail Fishman: Der furchtbare Foltertod eines russischen Anwalts. In: Die Welt, 28. November 2011.
  6. An Enemy of the Kremlin Dies in London. In: The Atlantic, Januar/Februar 2017.
  7. Be careful of Putin, he is a true enemy of Jews, Artikel von Sandy Rashty, The Jewish Chronicle vom 5. November 2015
  8. Putin accuses British anti-corruption campaigner Browder of three murders, Guardian, 19. November 2017
  9. Schuldspruch gegen toten russischen Whistleblower, Der Tagesspiegel vom 11. Juli 2013
  10. Interpol weist Russland im Fall Browder ab, Tageblatt vom 27. Juli 2013
  11. Ben Aris: Analyse: Russlands Reaktion auf den „Magnitsky Act“ und die Beziehungen zum Westen. Bundeszentrale für politische Bildung, 27. Februar 2013, abgerufen am 11. Mai 2022.
  12. Liebesgrüße aus Moskau, Die Welt vom 1. April 2006
  13. Wie Großinvestor Browder in Russland scheiterte, Wirtschaftswoche vom 26. August 2010
  14. a b By James Panichi: MEPs dragged into Russia film row. In: politico.eu. 3. Mai 2016, abgerufen am 3. Mai 2016.
  15. European Music Council: EU and US duped on Russia corruption, film-maker claims. In: euobserver.com. Abgerufen am 3. Mai 2016 (englisch): „Nekrasov’s documentary – The Magnitsky Act – Behind the Scenes – does not accuse Browder of tax fraud or espionage.“
  16. Russisches Gericht verurteilt Bill Browder zu Haftstrafe. In: spiegel.de. 29. Dezember 2017, abgerufen am 11. Mai 2022.
  17. Staatsanwälte spucken Gift, Nowaja Gaseta, 19. November 2018
  18. Benjamin Bidder: Der Fall Magnitski – Wie wahr ist die Geschichte, auf der die US-Sanktionen gegen Russland beruhen? In: Der Spiegel. Nr. 48, 2019 (online22. November 2019).
  19. Vorwürfe des Investors Bill Browder: Warum der Spiegel an der Magnitski-Recherche festhält. In: spiegel.de. 13. Dezember 2019, abgerufen am 11. Mai 2022.
  20. Steven Chase, Robert Fife: Parliamentary committee calls China’s mistreatment of Uyghurs ‘genocide,’ urges Ottawa to sanction Beijing officials. In: theglobeandmail.com. 21. Oktober 2020, abgerufen am 11. Mai 2022 (englisch).