Biologisch abbaubarer Kunststoff

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Biologisch abbaubare Kunststoffe oder bioabbaubare Kunststoffe bestehen aus Polymeren, die durch Mikroorganismen wie Pilze oder Bakterien, mittels Enzymen unter bestimmten Bedingungen zersetzt werden können.[1] Genaueres wird in verschiedenen Normen definiert.[2] Der Abbau erfolgt im Wesentlichen durch Oxidations- und Hydrolyseprozesse zu den Spaltprodukten Wasser, Kohlendioxid oder Methan und Biomasse.[1] Biologisch abbaubare Kunststoffe sind nicht mit biobasierten Kunststoffen zu verwechseln.

Mulchfolie aus bioabbaubarem PLA-Blend …
Mulch Film made of PLA-Blend Bio-Flex.jpg
… am Beginn der Nutzung
Mulch film Bio-Flex biodegraded.JPG
… teilweise abgebaut


Abgrenzung zu anderen Begriffen

Biobasierte Kunststoffe

Gelegentlich werden biologisch abbaubare Kunststoffe als Biokunststoffe oder Bioplastik bezeichnet.[3][4] Diese Begriffe sind allerdings missverständlich und bezeichnen – je nach Definition – auch oder nur Kunststoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sind (auch biobasierte Kunststoffe).[5][6]

Aufgrund der Missverständlichkeit sollten die Begriffe Biokunststoff und Bioplastik nicht verwendet werden.[7]

Biologische Abbaubarkeit ist eine Eigenschaft, die sowohl biobasierte Kunststoffe (z. B. PLA), als auch Kunststoffe petrochemischen Ursprungs (z. B. PCL) besitzen können. Im Gegenzug gibt es auch biobasierte Kunststoffe, die nicht biologisch abbaubar sind (z. B. CA).

Kunststoffe können biobasiert (gelb und grün), biologisch abbaubar (blau und grün) oder nichts davon sein.

Oxo-abbaubare / oxo-biologisch abbaubare Kunststoffe

Der Begriff „biologisch abbaubar“ ist deutlich abzugrenzen von in der Verpackungsindustrie genutzten Polyolefinfolien (v. a. PE), die als „oxo-biologisch abbaubar“ oder „oxo-abbaubar“ deklariert sind. „Oxo-abbaubare“ Additive bestehen meist aus Metallionen (Kobalt, Mangan, Eisen, Zink), welche die Oxidation und den Kettenabbau in Kunststoffen, besonders unter Wärme, Luft und Sauerstoff beschleunigen. Ergebnisse dieses Kettenabbaus sind sehr kleine, kaum sichtbare Kettenfragmente, welche nicht biologisch abgebaut werden (keiner der Additivhersteller hat bislang Daten bereitstellen können)[8][9], allerdings durch die Nahrungskette wandern.[10] Hersteller dieser Additive beziehen sich gelegentlich auf eine ASTM-Prüfrichtlinie, welche jedoch keinerlei Grenzwerte beinhaltet, noch die Erreichung eines Zertifikates ermöglicht.

Im Körper abbaubare Materialien

Im engeren Sinne (v. a. im Bereich der Biomedizin) als bioabbaubar werden Materialien bezeichnet, die im Körper durch Macrophagen, Enzyme oder Hydrolyse innerhalb von Tagen bis wenigen Jahren abgebaut werden. Hierunter fallen v. a. biogene Polymere wie Kollagen, Fibrin oder Hyaluronsäure, aber auch Polymilchsäure (Polylactid), Polyhydroxyessigsäure und Polycaprolacton.

Anwendungen

Einweggeschirr aus bioabbaubarem Kunststoff

Biologisch abbaubare Kunststoffe können in vielen alltäglichen und speziellen Bereichen eingesetzt werden. Sie werden oft in Verpackungen und im Cateringbereich zum Beispiel in Form von Einwegbesteck statt konventionellem Plastik verwendet und dann oft als vermeintlich umweltfreundlich beworben.[11][12]

Im medizinischen Bereich können biologisch abbaubare Kunststoffe beispielsweise zur kontrollierten Freisetzung von Medikamenten oder Impfstoffen im Körper genutzt werden. Daneben werden sie auch als Gerüst für die Gewebezüchtung und für resorbierbare Fäden bei Operationen eingesetzt. Im Gesundheitsbereich (Medizin und Pharmazie) gibt es daneben noch zahlreiche weitere Anwendungen.[13]

Im landwirtschaftlichen Bereich werden Mulchfolien aus biologisch abbaubaren Kunststoffen angeboten. Der Vorteil ist, dass diese untergepflügt werden können und dann im Boden zersetzt werden.[11] Bioabbaubare Kunststoffe kommen auch bei Düngemittel- und Saatgutumhüllungen zum Einsatz.[14]

Gesetzliche Regelungen

Europäische Regelungen

Kompostierbarkeitszeichen der DIN CERTCO und der European Bioplastics nach EN 13432
Waste Bag made of PLA-Blend Bio-Flex.jpg
Mülltüte aus bioabbaubarem PLA – darf in Deutschland nur in wenigen Kommunen in den Biomüll
2008-07-14 Biodegradable cups at Chubby's Tacos.jpg
Becher aus bioabbaubarem Kunststoff – dürfen in Deutschland nicht in den Biomüll


Auf europäischer Ebene erfolgt die Regelung der Richtlinien für bioabbaubare Kunststoffe in der europäischen Norm EN 13432. Die Norm fordert die folgenden Standards, damit ein Kunststoff als vollständig kompostierbar gilt:[15]

  • Chemische Analyse: Darlegung aller Inhaltsstoffe und Überprüfung der Grenzwerte für Schwermetalle.
  • Abbaubarkeit in wässrigen Medien: 90 % des organischen Materials müssen in 6 Monaten in CO2 umgewandelt werden.
  • Kompostierung: Nach 12 Wochen Kompostierung dürfen nicht mehr als 10 % Rückstände bezogen auf die Originalmasse in einem 2-mm-Sieb zurückbleiben.
  • Praktische Prüfung der technischen Kompostierbarkeit: Es darf keine negativen Einwirkungen auf den Kompostierungsprozess geben.
  • Ökotoxizität: Untersuchung der Wirkung des Komposts auf Pflanzen (Wachstum und Ökotoxizität).

Insbesondere ist zu beachten, dass nur industrielle Kompostierbarkeit gefordert wird. Durch Eigenkompostierung werden auch als 100 Prozent kompostierbar bezeichnete Produkte, wie einige Einkaufstüten, nicht unbedingt vollständig abgebaut. Außerdem werden sie wegen der biologischen Abbaubarkeit nicht zwangsläufig kompostiert, sondern eventuell auch in industriellen Anlagen aussortiert.[16]

Die Zertifizierung wird in Zusammenarbeit mit dem Branchenverband European Bioplastics auf nationaler Ebene geregelt.

Deutsche Regelungen

Wichtige deutsche Regelungen, die biologisch abbaubare Kunststoffe betreffen sind das Verpackungsgesetz und die Bioabfallverordnung.

Im Allgemeinen dürfen bioabbaubare Kunststoffe nicht im Biomüll entsorgt werden, sondern müssen in der gelben Tonne entsorgt werden. Lediglich Sammelbeutel, die biologisch abbaubar nach der Norm EN 14995 oder EN 13432 und überwiegend biobasiert sind, dürfen dort entsorgt werden, falls der örtliche Entsorger dies nicht verbietet.[17] In vielen Fällen untersagen die Entsorger dies allerdings, da die Kompostierung ihnen zu lange dauert.[18]

In Deutschland können bioabbaubare Kunststoffe durch ein von der Zertifizierungsgesellschaft DIN CERTO vergebenes Kompostierbarkeitszeichen markiert werden.

Amerikanische Regelungen

In den USA erfolgt die Regelung der bioabbaubaren Kunststoffe vor allem über die ASTM-Norm 6400. Um Produkte als kompostierbar zu kennzeichnen, müssen 60 % des Kunststoffs innerhalb von 180 Tagen abgebaut werden.

Die Zertifizierung erfolgt durch das Biodegradable Products Institute.

Testverfahren

Allgemein anerkannt sind die OECD-Testverfahren, die auch im Rahmen der Chemikalienzulassung verwendet werden. Für die Klassifizierung als biologisch abbaubarer Kunststoff wird auch die Kompostierbarkeit untersucht.

Leichte biologische Abbaubarkeit (OECD 301)

Die Tests der OECD-Testserie 301 (A–F) weisen einen raschen und vollständigen biologischen Abbau nach.

Leichte biologische Abbaubarkeit einen schnellen und einigermaßen vollständigen Abbau einer Prüfsubstanz in einem aquatischen Milieu unter aeroben Bedingungen. Unterschiedliche Testmethoden stehen für gut oder schlecht lösliche sowie für flüchtige Substanzen zur Verfügung.

  • Kohlendioxid-Entwicklungstest (OECD 301 B): Das durch den biologischen Abbau der Prüfsubstanz entstehende Kohlendioxid wird regelmäßig über 28 Tage analysiert und ist Indikator für den biologischen Abbau. Dieser sog. Sturm-Test wird für die Untersuchung schlecht wasserlöslicher Chemikalien verwendet.
  • Geschlossener Flaschentest (OECD 301 D): Die biologische Abbaubarkeit der Prüfsubstanz wird bestimmt, indem in regelmäßigen Intervallen über einen Zeitraum von 28 Tagen der Verbrauch von gelöstem Sauerstoff ermittelt wird. Dieser Test wird für flüchtige Chemikalien verwendet.
  • Modifizierter OECD-Screening-Test (OECD 301 E): Die biologische Abbaubarkeit der Prüfsubstanz wird über die Messung des Dissolved Organic Carbon (= gelöster organischer Kohlenstoff) über einen Zeitraum von 28 Tagen ermittelt. Dieser Test wird bei ausreichend wasserlöslichen Chemikalien angewendet.

Inhärente Abbaubarkeit (OECD 302)

Die Tests der OECD-Testserie 302 (A–C) weisen eine zwar eingeschränkte, grundsätzlich aber doch mögliche biologischen Abbaubarkeit der untersuchten Chemikalie nach. Substanzen, die solche Tests bestehen, gelten als grundsätzlich oder inhärent biologisch abbaubar.

  • Der Zahn-Wellens-EMPA-Test (OECD 302 B) untersucht die aerobe biologische Abbaubarkeit der Prüfsubstanz und gibt das Ergebnis über die Abnahme des chemischen Sauerstoffbedarfs oder des Dissolved Organic Carbon an. Es handelt sich um den meistverwendeten Test für die Untersuchung der inhärenten Abbaubarkeit. Er liefert zusätzlich Informationen über das Adsorptionsverhalten des untersuchten Stoffs.

Kritik

Das deutsche Umweltbundesamt (UBA) steht biologisch abbaubaren Kunststoffen aus fossilen Quellen gänzlich ablehnend gegenüber und biobasierten biologisch abbaubaren Kunststoffen zurückhaltend bis ablehnend gegenüber. Es ist der Auffassung, dass es keine nachgewiesenen Umweltvorteile durch biologisch abbaubare Kunststoffe gebe und das Bewerben solcher Kunststoffe als umweltfreundlich unterbleiben solle, bis es Beweise dafür gebe.[11] Weiterhin wird angeführt, dass die mehrfache Nutzung und das Recycling von stabileren Produkten ökologische Vorteile gegenüber abbaubaren Kunststoffen habe. Auch die Eignung für Lebensmittelkontakt wird kritisch gesehen, da befürchtet wird, dass die abbauenden Mikroorganismen zu Kontamination der Lebensmittel führen.[19]

Da lediglich die Kompostierbarkeit unter speziellen Bedingungen getestet und zertifiziert wird, wird angezweifelt, inwieweit biologisch abbaubare Kunststoffe überhaupt sinnvoll im Bezug auf die Vermüllungsproblematik – insbesondere der Meere – sind.[20]

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass bei einer angestrebten Kompostierung die chemische Energie in den Stoffen nicht sinnvoll genutzt werde, anders als beispielsweise bei der Müllverbrennung.[20]

Es wird befürchtet, dass die biologische Abbaubarkeit von Kunststoffen dazu führt, dass Verbraucher diese weniger verantwortungsvoll handhaben und eher wegwerfen. Die Vermutung konnte in einer Untersuchung bestätigt werden.[21]

Literatur

  • Hans-Josef Endres, Andrea Siebert-Raths: Technische Biopolymere. Hanser-Verlag, München 2009, ISBN 978-3-446-41683-3.
  • G. Maier: Polymerwerkstoffe, 1. Einführung. In: Erich Wintermantel, Suk-Woo Ha: Medizintechnik mit biokompatiblen Werkstoffen und Verfahren. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 2002, ISBN 3-540-41261-1.
  • Erich Wintermantel, Suk-Woo Ha: Biokompatible Werkstoffe und Bauweisen. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1998, ISBN 3-540-64656-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Christian Bonten: Kunststofftechnik: Einführung und Grundlagen. 2. aktualisierte Auflage. Hanse Verlag, 2016, ISBN 978-3-446-44917-6, S. 465–477.
  2. Hans-Josef Endres & Andrea Siebert-Raths: Technische Biopolymere – Rahmenbedingungen, Marktsituation, Herstellung, Aufbau und Eigenschaften. Hanser Verlag, München 2009, ISBN 978-3-446-41683-3, Kap. 3, S. 49–89.
  3. Hans-Josef Endres & Andrea Siebert-Raths: Technische Biopolymere – Rahmenbedingungen, Marktsituation, Herstellung, Aufbau und Eigenschaften. Hanser Verlag, München 2009, ISBN 978-3-446-41683-3, S. 6.
  4. European Bioplastics: What are bioplastics? Abgerufen am 23. September 2019.
  5. Michael Thielen: Biokunststoffe. Fachagentur nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), 2019, abgerufen am 23. September 2019.
  6. Stichwort Biokunststoff In: Brockhaus Enzyklopädie online, abgerufen am 8. August 2008.
  7. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR): 10 Punkte zu biobasierten Kunststoffen. 2018, abgerufen am 23. September 2019.
  8. Hans-Josef Endres, Andrea Siebert-Raths: Technische Biopolymere. Hanser-Verlag, München 2009; ISBN 978-3-446-41683-3, S. 28–29.
  9. European Bioplastics: Position paper: Oxo-biodegradable Plastics (Memento vom 22. Oktober 2015 im Internet Archive), 2009, abgerufen am 24. September 2009.
  10. N.N. Position Paper on Oxo-degradable Plastics FKuR Kunststoff GmbH, 2008.
  11. a b c Wolfgang Baier: Biologisch abbaubare Kunststoffe. Umweltbundesamt, 2009, abgerufen am 12. November 2019.
  12. Check von „Bio“-Einweggeschirr: Zweifelhafte Öko-Argumente. Verbraucherzentrale NRW, 2. Oktober 2018, abgerufen am 12. November 2019.
  13. Tejas V. Shah & Dilip V. Vasava: A glimpse of biodegradable polymers and their biomedical applications. In: e-Polymers. Band 19, Nr. 1, 2019, S. 385–410, doi:10.1515/epoly-2019-0041.
  14. Alfons Deter: 13.000 t Plastik pro Jahr landen in unseren Böden. In: topagrar.com. 1. Juni 2021, abgerufen am 1. Juni 2021.
  15. EN-13432 Nachweis Kompostierbarkeit. Verband European Bioplastics, abgerufen am 24. September 2019.
  16. Frankfurter Rundschau: Doch nicht kompostierbar? Der Schwindel mit den Bio-Tüten, vom 11. April 2012, abgerufen am 11. Juni 2013.
  17. Biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe (3.2). Umweltbundesamt, 22. April 2019, abgerufen am 24. September 2019.
  18. Oliver Türk: Stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe. 1. Auflage. Springer Vieweg, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-8348-1763-1, S. 61–66.
  19. Biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe (3.9). Umweltbundesamt, 22. April 2019, abgerufen am 22. Oktober 2019.
  20. a b Arno Behr & Thomas Seidensticker: Einführung in die Chemie nachwachsender Rohstoffe – Vorkommen, Konversion, Verwendung. Springer Spektrum, 2018, ISBN 978-3-662-55254-4, S. 317–335.
  21. Tobias P. Haider, Carolin Völker, Johanna Kramm, Katharina Landfester & Frederik R. Wurm: Kunststoffe der Zukunft? Der Einfluss von bioabbaubaren Polymeren auf Umwelt und Gesellschaft. In: Angewandte Chemie. Band 131, 2018, S. 50–63, doi:10.1002/ange.201805766.