Boris Pietsch
Boris Pietsch (auch Boris J. Pietsch oder Boris Johannes Pietsch; * 30. April 1971 in Leverkusen) ist ein deutscher Schauspieler, Essayist und Klangkünstler.
Biographie
Boris Pietsch ist der Enkel des Malers und Filmarchitekten Oskar Pietsch, Sohn der bildenden Künstlerin Heidrun Pietsch und des Baukünstlers Martin Pietsch. Aufgewachsen in Wuppertal spielte er seit dem 15. Lebensjahr am Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater unter der Leitung von Herwig Mark. Aufgrund familiärer Zusammenhänge und aus eigenem Interesse lebte er zeitweise in Gemeinschaften rund um das Projekt Tamera. Mehrere Jahrzehnte bildete er sich als Lehrling von Batty Gold in der Medicine der Ancient Native Americans fort.[1]
1995 begann Pietsch eine dreijährige Kampfkunstausbildung[2] in Berlin. Im Anschluss begann er 1998 ein Schauspielstudium am Konservatorium der Stadt Wien. Von 2001 an war der zeitweilig von Sozialhilfe lebende Pietsch als freischaffender Schauspieler, Songschreiber, Autor, bildender Künstler, Kung-Fu-Lehrer und Regie-Coach tätig.
In dieser Zeit konnte Pietsch sich unter anderem im Rahmen des Projektes Krankheit der Jugend an der Filmakademie Wien, bei Susan Batson und Michael Haneke und im Max-Reinhardt-Seminar bei István Szabó weiterbilden.
Engagements führten ihn zur Münchener Biennale[3][4], dem Max-Reinhardt-Seminar, diversen Theatern in Wien, zur Kulturhauptstadt Graz 2003[5][6], sowie auf die Kinoleinwand (Anatomie 2, Die Männer Ihrer Majestät von Stefan Ruzowitzky) und ins Fernsehen (Pfarrer Braun). Von 2008 bis 2013 war er festes Ensemblemitglied beim Saarländischen Staatstheater. 2010 wurde ihm dort der SST-Sponsorpreis „für seine exzellente Darstellung des Mephisto“ verliehen.[7]
Im selben Jahr nahm er als Musiker das Album Wet Dog[8] auf, das im September 2019 unter dem Pseudonym John Peach veröffentlicht wurde.[9]
Seit Sommer 2012 ist Pietsch für das von ihm gegründete, essayistische m-i-t-Lab („Membran im Tiger Labor“)[10] tätig, in dem es ihm um das Ausloten der Zusammenhänge zwischen individueller Kunst und gesellschaftlichem Engagement geht. 2014 war Pietsch dort „Reality Renovation Manager“ (RRM) des Biosphärenmodelldorf-Projekts.[11]
2014 war er zudem als Meik Welby in der nach drei Folgen eingestellten WDR.de-Produktion Welby’s Welt zu sehen.[12]
Nach siebenjähriger Krankheit eröffnete er 2020 die Manufaktur der Klänge,[13] Tonsalon und Kreativwerkstatt in München, wo er als Sprecher und Tonkünstler tätig ist.
2021 hat Pietsch die Verlags- & Produktionsgemeinschaft Vordergrundrauschen[14] ins Leben gerufen.
Filmografie (Auswahl)
- 2000: Die Männer Ihrer Majestät
- 2001: Coming Home[15]
- 2001: Karel
- 2002: Anatomie 2
- 2005: Klinik Dr. Guth
- 2006: Thule
- 2006: Tom Turbo – Das Wesen aus dem Wasserfall
- 2007: Anna und Du
- 2008: Pfarrer Braun (Folge: Im Namen von Rose)
- 2009: LAAF[16]
- 2009: Selbstmord für Anfänger[17][18]
- 2011: Das geht nur langsam[19] – als Stimme (Zitate Otto Freundlich)
- 2013: Feinde Brüder[20] – als Sprecher
- 2014: Welby’s Welt[21]
- 2015: Der Geruch des Glücks[22]
- 2015: Behinderte Ausländer[23]
- 2020: Krai[24] – als Sprecher
Klangkunst (Auswahl)
- 2010/2019: Wet Dog (Musikalbum)[8]
- 2019: I got you babe – Sprecher, Schnitt und Sounddesign (Hörspiel)[25]
- 2020: Abenteuer Bibliothek (Klangcollage)[26]
- 2020: Krai – Voiceover-Bearbeitung und Dialogregie (Dokumentarfilm, Horse&Fruits / ORF)[24]
- 2021: les voueés – Co-Übersetzer, Sprecher, Co-Regisseur, Klangkünstler und Produzent (Hörspiel)
Rezensionen (Auswahl)
Theater
„Der berufene ‚Zufall‘ kam anderweitig manifester zum Vorschein: etwa als Körperpräsenz der drei begabten, in raffiniert kaschierter Nacktheit exzellierenden Tänzerdarsteller Boris J. Pietsch, Sabine Friesz und Anna Tenta-Pancevski, [...]“
„Boris Pietsch erfüllt schon von Natur aus sämtliche Rimbaud-Vorraussetzungen: Als eine an den schwachen Schultern aufgehängte, hagere Gestalt, mit glimmenden Blicken, tritt er schmerztaumelnd aus dem türkisblauen Hintergrund wie aus dem eigenen Spiegelbild und hält seinen Anti-Provinz-Monolog. Später in der Dichterlesung-Szene – ‚Ich scheiß auf den ganzen Bockmist von Literatur!‘ – trinkt er aus der Weinflasche, als wollte er zum dramaturgischen Countdown die Trompete Blasen.“
„Der Teufel muss kaum nachhelfen. Boris Pietsch erlangt in dieser Rolle eine magische Präsenz: ein schmaler Vampir mit knallrotem Schopf, ein spöttischer, spitzzüngiger Luftikus, der in gespreizter Mick-Jagger-Manier auftanzt. Pietschs scharfkanntige, überzeichnete Gestik und Mimik erinnert an die einer Marionette. Und auch dies hat seine Sinnfälligkeit: Goethe lernte den Faust-Stoff über ein Puppenspiel kennen. Saarbrücken feiert einen neuen Schauspieler-Prinzen. Und wir sind mehr als zufrieden. Denn die Spots, die Schlingmann aufs Monumentalgemälde richtet, bringen ihm neuen Glanz. Mehr Kompliment ist kaum zu holen.“
Essayistisches Projekt
„Und mag es, man ahnt es schon, stellenweise als eine nicht uneitle Selbstinszenierung erscheinen (der Mann ist Schauspieler, Künstler – da ist das normal), ist es eine solche allenfalls im Ansatz. Die Inszenierung verschwindet sehr schnell in dem Gesamt dessen, was sich da an einem Abend entwickelt. Pietsch, vom eigenen Erkenntnisinteresse getrieben, schafft einen mehr als nur dreidimensionalen Raum, ein Gedankenatelier, in dem jeder, der ihn betritt, durch das, was er kommuniziert, zum Künstler wird und in seiner Reaktion zum mitgestaltenden Interpreten. Ich denke an Umberto Ecos Begriff vom ‚offenen Kunstwerk‘. Der Künstler bietet dem Interpreten ein zu vollendendes Werk an. Er selbst kann dadurch nicht mehr bestimmen, welcher Art diese Vollendung in dem bzw. durch den Interpreten sein wird. Und das will er auch gar nicht. Es ist die größtmögliche Freiheit, die der Künstler so mit seinem – nie wirklich vollendeten – Werk in die Welt setzt. Und Freiheit ist in Pietschs Ideenlabyrinth wohl irgendwo in der Nähe des Ausgangs zu finden, aber ich bezweifle, dass sie den Ausgang selbst darstellt. Ihm scheint mehr daran zu liegen, diese Freiheit in der Suche ständig neu zu erleben. Kein Ziel, kein Produkt, das, wie gesagt, zum Sklaven seiner eigenen Erfüllung macht. Kein Weg, der das Ziel ist, sondern ein beständiges Gehen, Bewegen und Kommunizieren. Aber wie fragt man unter diesen Rahmenbedingungen nach Plänen für die Zukunft, nach dem, was als nächstes ansteht? Ist Pietsch nicht doch bereits der Sklave des nächsten Veranstaltungstermins? Nein, wird er wohl sagen, denn die Kunst ist die Zeit bis dahin, die Bewegung darauf zu. Die Veranstaltung selbst wird die vorübergehende, in ihrem Verlauf unbestimmte und unbestimmbare Manifestation einer Idee.“
„Ich vermisse den Ort, der die ‚Joyce/Medea‘ war. Sie rostet inzwischen in einer Gasse im Weltkulturerbe Völklinger Hütte vor sich hin. Dabei wäre noch so viel nachzudenken bei uns in Saarbrücken über die Frage, die Boris Pietsch stellte, als die ‚Joyce/Medea‘ einst auf dem Landwehrplatz vor Anker ging: ‚Was wollen wir mit unserer Gesellschaft tun, damit wir nicht weiter gegen die Wand fahren?‘“
Musik
„Das und die Musik von John Peach klingen so wie das, was Boris Pietsch, als er noch der Major war, damals in Saarbrücken tat: ‚Innehalten – und eine Welt betreten, die uns der sozialen und ökonomischen Neurosen für eine Weile entledigt.‘ Und zwischen all dem taucht eine Frage auf, die den Major schon auf der ‚Joyce/Medea‘ umtrieb: ‚Kann es geschehen, dass wir uns selbst dabei nicht verlieren, sondern möglicherweise sogar finden?‘“
Weblinks
- Magazin Forum „Wer braucht ein Motto?“ – Fragebogen zur Person.
- Offizielle Webseite Boris Johannes Pietsch.
- Sprechprobe (Intern) – Slowfox In: hoer-talk.de.
- John Peach Music on Bandcamp.
- Videotagebuch Vorbereitende Odyssee zum Projekt Spinnerei trifft Wirklichkeit des m-i-t-Labors.
- Faustische Karussellfahrt auf dem Schiff nach GONZO-VILLE Essay über Hunter S. Thompson, im Rahmen des m-i-t Labors.
- SR-Fernsehen zum Joyce-Medea-Projekt des m-i-t-Labors und der Inszenierung Die Stunde der Komödianten, Oktober 2012.
- fehlende IMDb-Kennung (Fehler 1: IMDb-Kennung weder in der Vorlage noch in Wikidata vorhanden)
Einzelnachweise
- ↑ About me – Batty Gold. In: battygold.com. Abgerufen am 18. April 2021 (englisch).
- ↑ KFA. In: kungfuacademy.de. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Reinhard Schulz: Fantastische Entführungen in virtuelle Opernwelten. In: nmz.de. Juni 2002, abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Heptameron – Münchener Biennale. In: archive.muenchener-biennale.de. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Zwang ist zwecklos – Sicherheitsnetze der Menschenwürde, 2003. In: andrae-kunst.org. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Graz 2003: Die Lange Nacht der Toleranz. In: graz03.at. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Besuchereinbruch bei Antikenfestspielen. In: saarbruecker-zeitung.de. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ a b Music. In: johnpeach.bandcamp.com. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Martin Rolshausen: Boris Pietsch hat Musik veröffentlicht, die in Saabrücken entstanden ist. In: saarbruecker-zeitung.de. 7. November 2019, abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ m-i-t-Lab – „Membran im Tiger Labor“ – Dramatische Solution. In: mitlabor.wordpress.com. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ biospharenmodelldorf. In: mitlabor.wordpress.com. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Christian Dassel zu "Welby's Welt" - Kultur - WDR.de. In: www1.wdr.de. 25. Februar 2014, archiviert vom Original am 27. Januar 2015; abgerufen am 27. Januar 2015.
- ↑ MdK – Manufaktur der Klänge. In: mdk.salon. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Verlags- & Produktionsgemeinschaft Vordergrundrauschen. In: vordergrundrauschen.de. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Karl Bretschneider. In: austrianfilms.com. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Laaf / Films / Film Catalogue / Laptop - Film Fund Luxembourg. In: filmfund.lu. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Selbstmord für Anfänger bei crew united, abgerufen am 20. März 2021.
- ↑ Selbstmord für Anfänger. In: misman.de. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ das geht nur langsam - home. In: www.das-geht-nur-langsam.de. Archiviert vom Original am 23. Oktober 2016; abgerufen am 23. Oktober 2016.
- ↑ Filmheft FEINDE | BRÜDER. Deutsche Kriegsgefangene in Japan. Ein Dokumentarfilm von Brigitte Krause. (PDF; 2,6 MB) In: nibis.de. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Welbys Welt - Unterhaltung - WDR.de. In: archive.ph. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Der Geruch des Glücks bei crew united, abgerufen am 20. März 2021.
- ↑ BEHINDERTE AUSLÄNDER. In: horseandfruits.com. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ a b KRAI - EINE LANDSCHAFT. In: horseandfruits.com. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ I got you babe // Komplettes Hörspiel auf YouTube, 9. April 2019.
- ↑ https://www.dropbox.com/s/xv63ubkrsozpci5/Abenteuer_Bibliothek.wav?dl=0
- ↑ Cathrin Elss-Seringhaus: Zwei wie Feuer und Funken. In: jessica-karge.de. Abgerufen am 18. April 2021 (Rezension Saarbrücker Zeitung, 14. September 2009).
- ↑ Pfau Verlag. Saarbrücker Hefte: Info. In: pfau-verlag.de. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Saarbrücker Hefte – Inhalt. In: xn--saarbrcker-hefte-ozb.de. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Bernd Nixdorf: Die Vision des lebendigen Moments. In: Saarbrücker Hefte Artikel. Abgerufen am 21. April 2021.
- ↑ Martin Rolshausen: Hunter und die Sehnsucht nach der ‚Joyce/Medea‘. In: saarbruecker-zeitung.de. 26. Februar 2015, abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ literarischer – GONZO – Grog. In: mitlabor.wordpress.com. Abgerufen am 18. April 2021.
Personendaten | |
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NAME | Pietsch, Boris |
ALTERNATIVNAMEN | Peach John |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schauspieler, Essayist und Klangkünstler |
GEBURTSDATUM | 30. April 1971 |
GEBURTSORT | Leverkusen |