Brotlaibidol

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Brotlaibidol aus Mangolding Lkr. Regensburg

Als Brotlaibidol bezeichnet man archäologische Fundobjekte aus der Bronzezeit, die meist aus schwachgebranntem oder luftgetrocknetem Ton bestehen und wie ein Brotlaib geformt sind. Sie sind in der Regel nur wenige Zentimeter lang und mit geometrischen Verzierungen versehen. Ihr Zweck ist unbekannt, von der vermuteten rituellen Nutzung ist die Bezeichnung Idol abgeleitet. Neuerdings wird auch die Verwendung als Pintadera – eine Art Stempel – erwogen.[1]

Aussehen

Brotlaibidole aus früh- bis mittelbronzezeitlichem Kontext werden auch als „gemusterte Tonobjekte“ oder „tonstempelartige Objekte“, im Italienischen als oggetti enigmatici oder tavolette enigmatiche (deutsch rätselhafte Objekte oder rätselhafte Täfelchen) bezeichnet.[2] Die Form ist unterschiedlich. Es handelt sich dabei um längliche sowie rundliche und ovale, annähernd rechteckige sowie stempelförmige, flache oder aufgewölbte Gegenstände von geringer Größe aus Stein oder gebranntem Ton, mit ein- oder beidseitiger Verzierung.[3] Die Muster setzen sich aus einzelnen oder mehreren Motiven in Form von geometrischen Figuren sowie aus Vorlagen der Natur, beispielsweise Muscheln, zusammen. Sie entstehen durch Eindrücken, Einstechen und Ritzen in unterschiedlicher Tiefe und kommen in verschiedenen Kombinationen vor. Die Mehrzahl der Brotlaibidole weist parallele Längs- oder Querlinien auf. In den Verlauf der Linien sind meist weitere Muster eingearbeitet. Diese entstehen entweder vor, nach oder mit dem Setzen der Linie. Die Verzierungen können jedoch auch isoliert, und mehr oder weniger regelmäßig am Objekt angeordnet sein. An einigen Fundstücken wie in Lepenski Vir lässt sich Inkrustation feststellen.[4] Ein Exemplar aus Banatska Palanka, weist rote Farbreste auf der Musterseite auf.[5] Es kommen auch längs durchlochte Brotlaibidole vor.[6]

Italien

In Norditalien im Gardaseegebiet findet man die höchste Dichte an Funden sowie die größte Vielfalt an Motiven. Beidseitig verzierte Objekte kommen hier ebenso wie Objekte aus Stein (12,5 % der Gesamtfunde in Oberitalien[7]) häufiger vor als in anderen Gebieten. Typische Eigenheiten der padanischen oggetti enigmatici sind Kreis- und Doppelspiralmuster sowie perlschnurartige und kreuzförmige Muster.[8]

Südwestdeutschland, inneralpine Funde

Eine kleinere Fundgruppe kommt aus Südwestdeutschland im Bodensee-Hegaugebiet. Charakteristisch für diese Brotlaibidole sind rechteckige Muster, wobei man diese auch in Oberitalien findet. Weitere wenige, auch inneralpin–gefundene tonstempelartige Objekte (Matrei am Brenner, Albanbühel) in Verbindung mit Keramikfunden oberitalischer Prägung (Matrei am Brenner, Singen am Hohentwiel) oder Gusstiegeln (Bodman-Schachen I) ähnlich denen vom Lago di Ledro und denen vom Bor di Pacengo lassen auf Nord-Süd-Verbindungen durch die Alpen schließen. Einerseits ist die Brennerroute ein möglicher Handelsweg, andererseits kann man von Oberitalien auch über die Reschenroute nach Südwestdeutschland gelangen.[9]

Mittlerer und unterer Donaubereich

Weitere Fundkonzentrationen sind im mittleren und unteren Donaugebiet anzutreffen. Typische Merkmale dieser Brotlaibidole sind strahlenförmig verzierte Einbuchtungen (einige auch in Oberitalien). Eine Verbindung dieser Kulturen an der Donau zu Südwestdeutschland über Südbayern (fundleerer Raum) ist nicht ersichtlich. In den westlichen Gruppen des mittleren Donauraums finden sich vermehrt italische Motive. Vermutlich waren die südbayrischen Gruppen, ebenso wie jene südlich und westlich der Linie Alpenrheintal-Bodensee-Hochrhein weniger in diese Beziehungen eingebunden. Die Handelswege führen wahrscheinlich vom mittleren Donaubereich durch die Alpen nach Südwestdeutschland oder südlich davon nach Italien (Wieselburger Tassen aus frühbronzezeitlichem Kontext in Oberitalien).[10]

Theißgebiet

Östlich der mitteldanubischen Gruppen befindet sich im Theißgebiet und im östlich davon gelegenen Nordwestrumänien eine weitere Konzentration von tonstempelartigen Objekten. Die Verzierungen bestehen hauptsächlich aus linearen oder systemlos gestochenen Mustern und grenzen sich von denen im Donauraum ab.[11]

Datierung und Kulturen

Die Datierung der Brotlaibidole in die Bronzezeitstufe A2 und B1 ist generell anerkannt.[12]

Italien

Relativchronologisch wird das häufigere Auftreten der oggetti enigmatici im oberitalischen Verbreitungsgebiet in den jüngeren Abschnitt der südalpinen Frühbronzezeit (Polada-Kultur) gestellt. Dies betrifft nach dortiger Chronologie (Renato Perini) die Stufen Bronzo Antico II und III (Polada B-Zusammenhang). Fundstellen bezüglich dieses Zeitabschnitts sind beispielsweise Polada und Lago di Ledro. Brotlaibidole sind auch für die Mittelbronzezeit (Bronzo Medio) in Norditalien (Terramare-Kultur) unter Anderen mit den Funden von Bovolone-Saccavezza oder Monte Sassine nachgewiesen. Möglicherweise datieren die Objekte von Castellaro und Corte Vivaro in die südalpine Spätbronzezeit (Bronzo Recente). Ein Fragment eines Brotlaibidols von Rubiera datiert, falls richtig dokumentiert, in das Endneolithikum und ist zusammen mit Keramikscherben der oberitalischen Glockenbechergruppe gefunden worden. Gemusterte Tonobjekte in Italien können durch die durch Dendrochronologie erhaltenen absoluten Daten in einen Zeitraum von 2050 v. Chr. (Polada B, Lavagnone 2) bis 1400/1300 v. Chr. (Lavagnone, Isolone di Mincio) gestellt werden.[13] Nach dem Chronologiesystem von Paul Reinecke betrifft dies die Stufen A 2 bis C 2.

Südwestdeutschland

In Südwestdeutschland ist ein Exemplar von Bodman-Schachen I aus Schicht C genau stratifiziert. Es gehört zum Bereich der Arbon-Kultur und ist in einen jüngeren Abschnitt der südwestdeutschen Frühbronzezeit zu stellen. Die Tonscheibe aus Singen stammt vermutlich aus einem älteren Abschnitt. Die dort gefundene Keramik ähnelt der von Bodman-Schachen I, Schicht A. Das Brotlaibidol würde somit der Singener Kultur angehören. Das Objekt aus Schicht C wird dendrochronologisch auf 1612 v. Chr. datiert, für den Singener Fund ist ein absolutchronologischer Ansatz (über Bodman-Schachen I 14C-Datierung datiert) im 19. Jahrhundert v. Chr. in Erwägung zu ziehen.[14]

Inneralpine Objekte

Die inneralpinen Funde werden in die jüngere Frühbronzezeit gestellt. „Der nordtiroler Fund vom Gschleirsbühel bei Matrei […] stammt aus einer 50 cm dicken Kulturschicht, bei deren Keramik eine Datierung in einen späten Abschnitt der Stufe Reinecke A2 erwogen wird“.[15]

Mittlerer Donauraum

Im mitteldonaubischen Raum werden die Brotlaibidole unter anderem über die Siedlungszusammenhänge von Nitriansky Hrádok, Veselé, Süttö und Ostrovul Mare vom Ende der Stufe Reinecke A 2 bis Anfang C 1 datiert.[16] In Nitriansky Hrádok findet man sie während der gesamten Belegungsdauer der Mad’arovce-Kultur. Diese Gruppe wird absolutchronologisch von 1700 v. Chr. bis 1430 v. Chr. datiert („Auch hier ist die Obergrenze um 1700 v. Chr. in Anbetracht der 14C-Daten von Hoste jedoch nicht zwingend […], weshalb ein Datierungsansatz des dortigen Aunjetiz-Mad’arovce Horizonts um 1900 v. Chr. möglich erscheint.“[17]) Weitere Zusammenhänge ergeben sich aus den Daten der Věteřov-Kultur mit ihrer Böheimkirchner-Gruppe und deren Beziehungen. Die Datensätze umreißen nach J. Görsdorf einen Zeitraum von 1700 v. Chr. bis 1500 v. Chr. („Eine etwas großzügigere Auslegung der bei Görsdorf zugrundegelegten Datierungswahrschscheinlichkeit innerhalb der Standardabweichung unter Berücksichtigung von Einzeldaten lässt allerdings auch eine Datierung des frühen Větěrov ab dem 19. Jh. v. Chr. für möglich erscheinen.“[17]) Funde von gemusterten Tonobjekten gibt es auch aus dem spätklassischen, frühvětěrovzeitlichen Horizont der Aunjetitzer Kultur in Niederösterreich (Windpassing).[18] Der Fundort Schiltern, eine weitere Siedlung der Aunjetitz-Gruppe in diesem Bereich, weist sowohl süddanubische Einflüsse der Unterwölbinger Kultur, deren absolute Daten von 2000 v. Chr. bis 1750 v. Chr. streuen, als auch deutliche Větěroveinflüsse auf.[19] Der Fund des Brotlaibidols im Gräberfeld von Franzhausen (Unterwölbinger Gruppe) wird als etwas älter eingestuft und ergibt einen zeitlichen Ansatz im 18. Jh. v. Chr.[20]

Untere Donau

An der unteren Donau sind die Verhältnisse schwierig einzuschätzen. Die mit inkrustierter Keramik vergesellschafteten Funde kann man in die Mittelbronzezeit stellen. Sie gehören dem Kulturkreis der inkrustierten Keramik mit seinen verschiedenen Gruppen an.[21]

Theißgebiet

Die absolutchronologische sowie relativchronologische Einteilung und auch die kulturelle Zugehörigkeit der gemusterten Tonobjekte im Theißgebiet müssen derzeit noch offenbleiben.[22]

Rumänien

Zwei Brotlaibidole im östlich anschließenden Rumänien vom Ort Derşida sind der Wietenberg-Kultur, die in die mittlere Bronzezeit datiert (Reinecke B-C), zugehörig.[23]

Deutung

Das Auftreten der gemusterten Tonobjekte umfasst eine große Zeitspanne. Man kann davon ausgehen, dass die Verbreitung der Brotlaibidole hauptsächlich aufgrund der Zeitstellung jedoch auch wegen der Fund- und Musterverteilung von Oberitalien ausgeht. Die Motive der Objekte scheinen gruppenspezifisch zu sein und lassen auf regionale und überregionale Beziehungen schließen. Farbreste und Inkrustierungen sowie die Formung einiger Gegenstände deuten auf eine Funktion als Stempel hin. Eine Kennzeichnung gewisser Produkte ist in Erwägung zu ziehen.

„Die Vorstellung einer derart durchstrukturierten Handelsbeziehung, wie sie uns aus dem Vorderen Orient in Form von Siegeln und zugehörigen Abdrücken überliefert ist, mag hier verführerisch sein, ist aber bisher gänzlich unbewiesen.“[24]

Innerhalb der Fundgebiete werden Brotlaibidole fast ausschließlich in Siedlungen gefunden. Dies deutet auf einen profanen Verwendungszweck hin, kultische Handlungen bezüglich dieser Objekte sind jedoch auch möglich. Funde aus Gräbern kennt man von Franzhausen und Ostrovul Mare-Bivolarii, wobei Franzhausen bis jetzt der einzig dokumentierte Grabbefund zu sein scheint.[25] Brotlaibidole aus Bestattungen geben eventuell Aufschluss über die Wichtigkeit dieser Objekte. Schlussendlich fehlen noch die Beweise für deren Verwendung.

Ausstellungen

Literatur

  • Joachim Köninger: Gemusterte Tonobjekte aus der Ufersiedlung Bodman-Schachen I - Zur Verbreitung und Chronologie der sogenannten „Oggetti enigmatici“ In: Barbara Fritsch, Margot Maute, Irenäus Matuschik, Johannes Müller, Claus Wolf (Hrsg.): Tradition und Innovation. Prähistorische Archäologie als historische Wissenschaft. Festschrift für Christian Strahm. Internationale Archäologie. In: Studia honoraria. 3, Rahden 1998, S. 429–468.
  • E. Lauermann: Studien zur Aunjetitz-Kultur im nördlichen Niederösterreich. UPA 99, Bonn 2003.
  • G. Trnka: Neues zu den „Brotlaibidolen“ In: A. Lippert, K. Spindler (Hrsg.): Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Institutes für Ur- und Frühgeschichte der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. UPA 8 Bonn 1992, S. 615–621.
  • Stephanie Hoffmann: Die Entstehung und Entwicklung der mittleren Bronzezeit im westlichen Mittelgebirgsraum. Dissertation. Universität Bonn, 2004, urn:nbn:de:hbz:5-03597.
  • M. Bernabò Brea, A. Cardarelli, M. Cremaschi (Hrsg.): Le Terramare. La più antica civiltà padana. Mailand 1997.

Weblinks

Commons: Brotlaibidole – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. European Archaeology online: Neue Brotlaibidole aus Ton dem Becken der unteren Donau (Memento vom 30. Dezember 2008 im Internet Archive) (abgerufen 19. März 2021)
  2. Köninger 1998, S. 429.
  3. Lauermann 2003, S. 598.
  4. Trnka 1992, S. 617.
  5. Köninger 1998, S. 431; Trnka 1992, 617.
  6. Köninger 1998, S. 431.
  7. Köninger 1998, S. 435.
  8. Köninger 1998, S. 437.
  9. Köninger 1998, S. 439.
  10. Köninger 1998, S. 440.
  11. Köninger 1998, S. 438–439.
  12. Trnka 1992, S. 620.
  13. Köninger 1998, S. 456–457.
  14. Köninger 1998, S. 448, 452.
  15. Köninger 1998, S. 447.
  16. Hoffmann 2004, S. 147.
  17. a b Köninger 1998, S. 453.
  18. Lauermann 2003, 599, 613.
  19. Lauermann 2003, 599, 614; Köninger 1998, 452.
  20. Köninger 1998, S. 452.
  21. Trnka 1992, S. 620.
  22. Köninger 1998, S. 446, 453.
  23. Köninger 1998, S. 446.
  24. Hoffmann 2004, S. 149.
  25. Trnka 1992, S. 616–617.