Budget für Arbeit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Das Budget für Arbeit ist eine Eingliederungshilfe des überörtlichen Sozialhilfeträgers nach § 61 SGB IX. Es richtet sich an Menschen, die auch ein Anrecht auf eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) haben und soll ihnen die Teilnahme am Ersten Arbeitsmarkt erleichtern. Mit dem Bundesteilhabegesetz wurde das Budget für Arbeit zum Jahresbeginn 2018 bundesweit eingeführt. § 61 SGB IX regelt des Budget für Arbeit als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne von Art. 27 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen. Das Budget für Arbeit differenziert die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in zwei Komponenten: in einen Minderleistungsausgleich für den Arbeitgeber einerseits und in die Aufwendungen zur Begleitung und Anleitung für den Beschäftigten andererseits.[1]

Zielsetzung

Das Budget für Arbeit richtet sich vorrangig an Beschäftigte einer WfbM, die voll erwerbsgemindert sind, oder Personen, die Anspruch auf einen Werkstattplatz im Sinne des § 219 SGB IX haben. Das Budget für Arbeit kann auch von Besuchern einer Tagesförderstätte (TAF, §§ 53 f. SGB XII) beantragt werden.[2] Zur Zielgruppe derer, die über das Budget auf Arbeit informiert werden sollten, gehören laut Michael Wedershoven, dem Leiter des Inklusionsamtes Arbeit beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe, auch Schüler aus Förderschulen, die kurz vor dem Abschluss stehen, und Menschen, die sich aktuell noch in psychiatrischen Einrichtungen befinden und wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen möchten.[3]

Dem Modell „Budget für Arbeit“ liegt der „inklusive“ Gedanke zugrunde, dass der Mensch mit Behinderung entscheidet, wo er seine Hilfe bekommt.[4]

Es handelt sich dabei um eine Geldleistung, die die „Minderleistung“ des behinderten Menschen um bis zu maximal 75 % ausgleichen soll. Dabei soll ein Arbeitsverhältnis außerhalb der Werkstatt begründet werden, und zwar sowohl in sogenannten Inklusionsbetrieben nach § 215 SGB IX n.F. als auch bei einem sonstigen Arbeitgeber. Der Arbeitgeber zahlt die restlichen 25 % des Tariflohns. Ziel ist es, den Übergang vom Zweiten auf den Ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern. Es handelt sich um ein Antragsverfahren, das auf Freiwilligkeit beruht. Sollte das Arbeitsverhältnis enden und kein neuer Arbeitgeber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefunden werden, besteht ein Rückkehrrecht zurück in die WfbM oder zu einem anderen Leistungsanbieter. Die WfbM betreut das Arbeitsverhältnis maximal ein Jahr, allerdings nicht im Falle der Arbeitsaufnahme in einem Inklusionsbetrieb nach § 215 SGB IX.[2]

Grundsätzlich soll die Gesamtleistung nicht die Kosten übersteigen, die dem Sozialhilfeträger in einer WfbM entstehen (in etwa 1.250,00 €). Eine Übernahme in ein Teilzeitarbeitsverhältnis ist aber genauso möglich wie ein höherer Arbeitgeberanteil auf freiwilliger Basis.[2]

Inanspruchnahme des Angebots

Die Zahl der Anspruchsberechtigten, die sich für eine Arbeit auf der Grundlage des Budgets für Arbeit entschieden, stieg in Niedersachsen vom 30. Juni 2017 bis zum 30. Juni 2018 von 117 auf 192, was einer Steigerung um ca. 65 % entspricht.[5] In Hessen erhielten zum August 2019 55 behinderte Menschen Unterstützung im Rahmen des Budgets für Arbeit.[6] Eine erste Übersicht der Zahlen bisheriger Budgets für Arbeit, aufgeschlüsselt nach Bundesländern, wurde am 23. Januar 2020 veröffentlicht auf reha-recht.de[7]

Geschichte

Budgets für Arbeit gab es bereits vor 2018. Sie wurden von den meisten Bundesländern unter verschiedenen Bezeichnungen gewährt, darunter Rheinland-Pfalz und Niedersachsen (dort seit 2008).

Allen anderen Bundesländern seit Jahren weit voraus war und ist Hamburg beim Budget für Arbeit.[8]

Kritik

Die FDP sowie zahlreiche Wohlfahrtsverbände kritisieren die geringe Förderhöhe des Budgets für Arbeit, die faktisch nur die Förderung einer Tätigkeit zum Mindestlohn zulasse und damit tarifvertraglich gebundene Betriebe von der Förderung ausschließe, was vor allem behinderte Menschen mit einer vorherigen Erwerbsbiographie diskriminiere. Ferner wird kritisiert, dass die Aufnahme einer Tätigkeit im Rahmen des Budgets für Arbeit zum Wegfall der vollen Erwerbsminderung im Sinne der Rentenversicherung und damit zum dauerhaften Verlust bereits erworbener Rentenansprüche führt, selbst wenn das Arbeitsverhältnis im späteren Verlauf scheitert.[9]

Einzelnachweise

  1. Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V.: Fragen und Antworten zum Budget für Arbeit: Wo ist das Budget für Arbeit rechtlich verankert?. 2018
  2. a b c Thomas Eckert: Modellprogramm Budget für Arbeit. Hrsg.: Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen. Mainz August 2007 (gutehilfe.de [PDF]).
  3. Was genau ist das „Budget für Arbeit“? Interview mit Michael Wedershoven, Leiter des LWL-Inklusionsamtes Arbeit. Landschaftsverband Westfalen-Lippe. 2018
  4. Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen: Budget für Arbeit. Hannover. 2018
  5. Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen Niedersachsen: Fachtagung Budget für Arbeit in Niedersachsen 24.09.2018. 1. Oktober 2018
  6. Förderprogramm: 55 Menschen mit Behinderung profitieren vom "Budget für Arbeit" - Hessenschau.de
  7. Mattern: Budget für Arbeit, sortiert nach Bundesländern
  8. Kobinet vom 9. November 2017
  9. Das Budget für Arbeit – Diskussionsstand und offene Fragen – Teil II: Ausgestaltung des Budgets für Arbeit, Auswirkungen auf die Rente und das Rückkehrrecht