CO2-Grenzsteuerausgleich

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Ein CO2-Grenzsteuerausgleich (= steuerlicher CO2-Grenzausgleich) oder kurz Klimazoll ist ein Zoll in Form einer Grenzausgleichsabgabe. Weltweit, so auch in der Europäischen Union, wird derzeit die Einführung einer CO2-Steuer diskutiert, die jedoch zu einem Wettbewerbsvorteil für Märkte führen könnte, in denen es keine derartige Steuer gibt. Ein Grenzsteuerausgleich wird daher als Ausgleichsabgabe diskutiert, um solche Wettbewerbsvorteile zu kompensieren und die Verlagerung emissionsintensiver Produktion ins Ausland, das sogenannte Carbon Leakage, zu vermeiden.[1][2]

Da es sich nicht zwingend im eigentlichen Sinne um eine Steuer handelt, kann allgemeiner auch von einem CO2-Grenzmechanismus[3] oder CO2-Grenzausgleichmechanismus (englisch englisch Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM) gesprochen werden.[4]

Klimawissenschaftlicher Hintergrund

Klimawissenschaftler gehen von einem CO2-Budget aus,[5] bei dessen Überschreitung unkalkulierbare Folgen eintreten würden, etwa der Zustand des Treibhauses Erde, der zu für den Menschen lebensfeindliche Bedingungen sorgen würde und bereits bei dem im Pariser Übereinkommen festgelegten Zwei-Grad-Ziel eintreffen könnte.[6] Bei einem im Jahr 2017 durchschnittlichen Ausstoß von ca. 40 Gigatonnen CO2-Äquivalent pro Jahr (GtCO2e/a) verbleiben der Menschheit ab diesem Zeitpunkt (2017) im Falle einer ausbleibenden Veränderung des Ausstoßes je nach angenommenem CO2-Budget noch etwa 20 bis 30 Jahre, bis dieses Budget ausgeschöpft ist; danach dürften wegen der nur sehr langfristigen Absorbierung von Treibhausgasen durch das Erdsystem über Jahrtausende keinerlei Treibhausgase mehr ausgestoßen werden. Um auch langfristig das Klimasystem für die menschliche Spezies in einem angemessenen Rahmen zu halten, ist somit ein rascher Verzicht auf neue Treibhausgase sowie eine Entfernung bereits vorhandener Treibhausgase durch negative Emissionen vonnöten. Erhebungen, etwa im Rahmen des Emissions Gap Reports 2018, zeigen hingegen, dass der Treibhausgasausstoß weltweit zuletzt nicht sank, sondern erneut anstieg, und technische Lösungen für negative Emissionen in großem Maßstab sind bislang wenig vielversprechend, sodass langfristig die Gefahr einer Klimakatastrophe besteht.

Politische Diskussion

Als ein Instrument im Kampf gegen die Klimakrise gelten CO2-Steuern. Diese dienen dazu Wettbewerbsverzerrungen durch notwendige Investitionen in Maßnahmen zur Senkung von Emissionen auszugleichen. Bereits im Jahr 2008 brachte der französische Präsident Nicolas Sarkozy daher Klimazölle zum Schutz der europäischen Wirtschaft vor Konkurrenz aus Märkten mit einer schwachen Klimapolitik in die Diskussion ein.[7] Zu den Befürwortern eines Klimazolls gehört auch der Ökonom Joseph Stiglitz.[7] Ursula von der Leyen stellte kurz nach Antritt als Präsidentin der Europäischen Kommission im Jahr 2019 Klimaziele vor, wonach im Vergleich zu 1990 Treibhausgasemissionen der Europäischen Union bis 2030 um 55 % verringert werden sollen und bis 2050 eine vollständige CO2-Neutralität erreicht werden soll; sie stellte zugleich die Idee eines CO2-Grenzausgleiches vor, der einem Klimazoll entspricht.[8]

Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat sich am 28. Oktober 2020 für einen europäischen CO2-Grenzausgleichsmechanismus ausgesprochen. Die finale Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments ist für März 2021 geplant. Die EU-Kommission will den CO2-Grenzausgleichsmechanismus zusammen mit einer Reform des EU-Emissionshandelssystems (ETS) erst im Juni 2021 vorschlagen.[9] In Deutschland hat sich u. a. der SPD-Vorsitzende Walter-Borjans für die Einführung von Klimazöllen zum Schutz deutscher Unternehmen gegen CO2-Dumping ausgesprochen.[10] Auch EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und die französische Regierung gelten als Unterstützer. Allerdings ist noch unklar, wie sich Klimazölle mit dem Regelsystem der Welthandelsorganisation WTO in einklang bringen lassen.[11] Über einen CO2-Grenzsteuerausgleich hinausgehend wurde auf dem G7-Gipfel in Elmau Ende Juni 2022 die Einrichtung eines Klimaklubs verabredet, der einen Rahmen bieten könnte.[12]

Teils lobbiert die europäische Industrie gegen Klimazölle, da die Einführung auch Produktionsstätten in ihrem Besitz treffen würde, die sich im europäischen Ausland befinden.[13]

Beispiel

Ein bekanntes Beispiel für einen Klimazoll stammt vom Ökonomen Gabriel Felbermayr.[1] Seiner Berechnung zufolge kostet die Herstellung von 1 kg Zwiebeln in Deutschland 30 Cent, in Neuseeland unterdessen nur 20 Cent. Der CO2-Ausstoß, der beim Transport von Neuseeland nach Deutschland entsteht, wird traditionell nicht mit Abgaben belegt. Wenn nun die Europäische Union eine CO2-Steuer einführt, betrifft dies nur in Europa hergestellte Zwiebeln. Neuseeländische Zwiebeln hätten daher einen Wettbewerbsvorteil. Die Einführung eines Klimazolls würde für einen Ausgleich sorgen, sodass europäische Zwiebeln trotz CO2-Steuer weiterhin wettbewerbsfähig wären. Felbermayr sagte hierzu einmal: „Waren, die in den Wirtschaftsraum importiert werden, sollten gemäß des bei der Produktion verursachten CO2-Gehaltes genauso wie heimische Güter mit einem CO2-Preis belegt werden.“[14] Da die Berechnung der verursachten Klimagasemissionen recht komplex[15] und aufwendig sein kann, wird vorgeschlagen die Berechnung öffentlich einsehbar zu machen, um das beste Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen zu finden.[16]

Referenzen

  1. a b Petra Pinzler, Mark Schieritz: CO2-Grenzausgleich: Klimazoll. In: Die Zeit. 11. Dezember 2019 (zeit.de [abgerufen am 27. Dezember 2019]).
  2. Jacqueline Hilbert, Holger Berg: Grenzsteuerausgleich für Mehrkosten infolge nationaler/europäischer Umweltschutzinstrumente – Gestaltungsmöglichkeiten und WTO-rechtliche Zulässigkeit. Umweltbundesamt, April 2008, ISSN 1862-4359.
  3. Die verflixte Sache mit der CO2-Grenzsteuer. faz.net, 30. Juni 2020.
  4. Umweltbundesamt (Hrsg.): Einführung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) in der EU. 14. September 2021 (umweltbundesamt.de [PDF; 336 kB]).
  5. Vicki Duscha, Alexandra Denishchenkova, Jakob Wachsmuth: Achievability of the Paris Agreement targets in the EU: demand-side reduction potentials in a carbon budget perspective. In: Climate Policy. Jg. 19, Nr. 2, 2018. doi:10.1080/14693062.2018.1471385
  6. Will Steffen, Johan Rockström, Katherine Richardson, Timothy M. Lenton, Carl Folke, Diana Liverman, Colin P. Summerhayes, Anthony D. Barnosky, Sarah E. Cornell, Michel Crucifix, Jonathan F. Donges, Ingo Fetzer, Steven J. Lade, Marten Scheffer, Ricarda Winkelmann, Hans Joachim Schellnhuber: Trajectories of the Earth System in the Anthropocene. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. 6. August 2018 doi:10.1073/pnas.1810141115
  7. a b Dagmar Dehmer: Klimazölle bringen nichts. In: Tagesspiegel. 27. September 2012 (tagesspiegel.de [abgerufen am 27. Dezember 2019]).
  8. Guntram Wolff: Wir brauchen einen Klimazoll. In: Handelsblatt. 10. Dezember 2019 (handelsblatt.com [abgerufen am 27. Dezember 2019]).
  9. EU-Parlament fordert strengen CO2-Grenzausgleichsmechanismus. energate-messenger.de, aufgerufen am 6. Februar 2021.
  10. SPD-Chef fordert Klimazoll. Finanznachrichten, 8. August 2020, abgerufen am 6. Februar 2021.
  11. Die verflixte Sache mit der CO2-Grenzsteuer. Frankfurt Allgemeine Zeitung, 30. Juni 2020.
  12. Aylin Shawkat: Nach Elmau: Wie Deutschland den Klimaclub zum Erfolg führen kann, Tagesspiegel Background, 30. Juni 2022, abgerufen am 30. Juni 2022.
  13. Altmaiers Groteske, ehrliche Grenzsteuer und rheinischer Kohle-Filz. Willenbachers Woche, 9. August 2020.
  14. Deutschland kann das Klima nicht alleine retten. focus.de, 3. August 2019.
  15. Deutschlandfunk – Eine CO2-Bepreisung stärkt den Bewusstseinswandel. deutschlandfunk.de, 7. Juni 2020.
  16. Klimastreik Schweiz – 6. Initiative Einreichen. climatestrike.ch.