DR-Baureihe 230

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DR-Baureihe 230
DB-Baureihe 180
ČSD / ČD-Baureihe 372
180 008 in Leipzig Hbf (1995)
180 008 in Leipzig Hbf (1995)
Nummerierung: 230 001–230 020 DR
180 001–180 020 DB
372 001–372 015 ČSD / ČD
Anzahl: 20 (DR)
15 (ČSD)
Hersteller: Škoda Plzeň
LEW Hennigsdorf
(Teile des Wechselstromteils)
Baujahr(e): 1988 Prototyp
1991 Serienfahrzeuge
Ausmusterung: DB: bis zum 4. Dezember 2014
Achsformel: Bo’Bo’
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Länge über Puffer: 16.800 mm
Höhe: 4.000 mm
Breite: 3.045 mm
Drehzapfenabstand: 8.300 mm
Drehgestellachsstand: 3.200 mm
Gesamtradstand: 11.500 mm
Dienstmasse: 84 t
Höchstgeschwindigkeit: 120 km/h
Stundenleistung: 3260 kW
Dauerleistung: 3080 kW
Anfahrzugkraft: 280 kN
Treibraddurchmesser: 1.250 mm
Stromsystem: 15 kV, 16,7 Hz ~
3 kV =
Anzahl der Fahrmotoren: 4
Antrieb: Kardanantrieb in Hohlwelle
Bremse: Klotzbremse
elektrische Widerstandsbremse,
Dauerleistung 2200 kW
Zugbeeinflussung: PZ80R (D)
VZ (CZ)
Sifa

Die Lokomotiven der Baureihe 230 (ab 1992: Baureihe 180) sind elektrische Lokomotiven der Deutschen Reichsbahn (DR), die als Zweisystemlokomotiven für den grenzüberschreitenden Verkehr auf der Bahnstrecke Děčín–Dresden entwickelt wurden. Weitgehend baugleiche Lokomotiven beschafften die Tschechoslowakischen Staatsbahnen (ČSD) als Baureihe 372. Wegen ihrer tschechoslowakischen Herkunft erhielten die Lokomotiven in Deutschland den Spitznamen Knödelpresse.

Geschichte

Ausgangssituation

Mitte der 1970er Jahre ließ die Deutsche Reichsbahn die traditionell stark belastete Elbtalstrecke von Dresden bis Schöna zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit mit der in Deutschland üblichen Einphasenwechselspannung von 15 kV bei 1623 Hz elektrifizieren. Die Tschechoslowakischen Staatsbahnen (ČSD) elektrifizierten dagegen ihren Streckenabschnitt Děčín hl. n.–Dolní Žleb mit der im Norden der Tschechoslowakei genutzten Gleichspannung von 3 kV. Der Grenzstreckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Bad Schandau und Děčín musste vorerst weiter mit Diesellokomotiven überbrückt werden, was auf Grund der weiter steigenden Belastung der Strecke kein Dauerzustand bleiben konnte.

Zweisystemlokomotive

Die sinnvollste Lösung bestand in der gemeinsamen Beschaffung von elektrischen Zweisystemlokomotiven durch beide Bahnverwaltungen. Als Hersteller kamen auf deutscher Seite nur die Lokomotivbau Elektrotechnischen Werke „Hans Beimler“ Hennigsdorf (LEW) und auf tschechischer Seite Škoda in Pilsen in Frage. Da bei LEW zum damaligen Zeitpunkt keine freien Kapazitäten für die Entwicklung und Fertigung einer solchen Lokomotive vorhanden waren, ging der Auftrag an Škoda.

Die Zweisystemlokomotiven der Baureihe 230 entstanden auf Basis der ČSD-Baureihe ES 499.1. Von dieser wurden schon vorher reine Gleich- und Wechselstrommaschinen abgeleitet. Wichtige Komponenten des Wechselstromteils der Fahrzeuge sollten aus der DDR zugeliefert werden, da Škoda keine Erfahrungen mit dem 15-kV-System hatte. 1988 wurde je ein Prototyp an beide Bahnen ausgeliefert, die 230 001 für die DR und die 372 001 für die ČSD. Im Anschluss an das ausgiebige Erprobungsprogramm erfolgte dann ab 1991 die Lieferung von 19 weiteren Lokomotiven an die DR und 14 Stück an die ČSD.

Einsatz

Neben der von Anfang an vorgesehenen Strecke Dresden–Děčín wurden die deutschen Lokomotiven ab 1992 auch zwischen Berlin und Rzepin in Polen eingesetzt. Zwischen Deutschland und Tschechien übernahmen die Loks nicht nur den hochwertigen Fern-, sondern vor allem den Güterverkehr. Die Lokomotiven der beiden Eisenbahnverwaltungen wurden so eingesetzt, dass die Kilometerleistung in etwa gleich war und keine Ausgleichszahlungen erforderlich waren.

Zu Abrechnungszwecken werden die ČD-372er bei der Deutschen Bahn AG intern als Baureihe 100 geführt (elektrische Lokomotiven fremder Bahngesellschaften).

Teilweiser Umbau für 160 km/h

Mit dem Ausbau der Strecke Dresden–Berlin für 160 km/h war die Baureihe 180 mit ihrer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h im hochwertigen Reisezugverkehr nicht mehr dort einsetzbar. Außerdem stand der Ausbau der Stammstrecke Dresden–Prag für ebenfalls 160 km/h an. Beide Bahnverwaltungen prüften daher eine Geschwindigkeitssteigerung. Die Drehgestelle waren bis 200 km/h geeignet, allerdings fehlten hierfür Praxiserfahrungen. Die ČD bauten daher sechs Lokomotiven für 160 km/h um und gaben ihnen die neue Baureihennummer 371, während die DB nur die 180 001 umrüsten ließ.

Einsatz

Die Maschinen der Baureihe 372 gehören zum Einsatzbestand des tschechischen Eisenbahnverkehrsunternehmens ČD Cargo. Sie kommen mit Güterzügen mehrmals täglich von Děčín nach Bad Schandau, Falkenberg und Halle (Saale). Nach einer Ankündigung im April 2016 sollen die tschechischen Lokomotiven mit ETCS ausgerüstet werden.[1][2]

Bei Railion begann mit der Zulassung der Baureihe 189 in Tschechien die schrittweise Ausmusterung. Als erste wurde im Oktober 2002 die 160-km/h-Lok 180 001 von einer notwendigen Hauptuntersuchung zurückgestellt. 2003 wurde diese als Ausgleich für einen Unfallschaden einer tschechischen 372 an die ČD abgegeben und dort als 371 201 wieder in Betrieb genommen. Nachdem noch Anfang 2014 die zwei Lokomotiven 180 006 und 011 eine Hauptuntersuchung erhielten, schieden kurze Zeit danach alle Lokomotiven aus dem Dienst bei DB Schenker Rail Deutschland aus. 14 Lokomotiven wurden vom Gleisbauunternehmen TSS Cargo a.s. mit Sitz in Ostrava-Přívoz erworben.[3] Geplant war, die Loks privaten EVU zur Verfügung zu stellen und wieder für den grenzüberschreitenden Verkehr zu nutzen. Dafür wurden mehrere Loks umfassend aufgearbeitet und auf dem Eisenbahnversuchsring Velim getestet. Nach einigen wenigen Einsätzen, wo die Loks bis nach Bremen gelangten, war zunächste Einsatzende, für Sonderleistungen und bei Bedarfsspitzen werden die Lokomotiven auch 2022 noch eingesetzt.[4] In Deutschland verblieb lediglich die Lokomotive 180 014, sie wird museal vom Thüringer Eisenbahnverein in Weimar erhalten.

Konstruktion

Der Fahrzeugteil der Lokomotiven entstammt einem Baukastensystem von elektrischen Lokomotiven, die Škoda bereits seit 20 Jahren baute. Neben der typischen Kastenform erklären sich so auch die ansonsten in Deutschland unüblichen Speichenräder. Sie werden lediglich einseitig mit Klotzbremsen abgebremst und über zweistufig mit Schraubenfedern und hydraulischen Schwingungsdämpfern gefederte Zylinderrollenlager im Drehgestell geführt. Die Übertragung der Zug- und Bremskräfte erfolgt über tiefangelenkte Drehzapfen.

Gleichstromteil

Wie bei klassischen Zweisystemlokomotiven üblich, ist die Baureihe 180 technisch als Gleichstromlokomotive ausgelegt; bei Fahrten unter Gleichstrom braucht sie keinen Transformator und keine nachgeschalteten Gleichrichter, stattdessen werden die Fahrmotoren mit Hilfe von Anfahrwiderständen sowie Reihen- und Parallelschaltung und Feldschwächung in Leistung und Drehzahl geregelt. Die beiden Fahrmotoren eines Drehgestells sind, wie bei Direktmotorlokomotiven für 3 kV allgemein üblich, dauernd in Reihe geschaltet. Durch Kombination der genannten Regelelemente ergeben sich 44 Fahr- und 10 Feldschwächungsstufen.

Wechselstromteil

Wenn in der Fahrleitung 15 Kilovolt bei 16,7 Hertz Wechselspannung anliegt, wird die Spannung zunächst im unterflur liegenden Haupttransformator auf 2113 V heruntertransformiert und anschließend mit Hilfe von Brückengleichrichtern und Glättungsdrosseln gleichgerichtet. Die Umschaltung zwischen Gleich- und Wechselstromsystem erfolgt automatisch. Die Lokomotiven besitzen je einen Gleichstrom- und einen Wechselstrom-Hauptschalter, die beide so gebaut sind, dass jeweils nur der »richtige« eingeschaltet ist. Bei der Systemumstellung wird außerdem die Anpresskraft der Stromabnehmer automatisch neu justiert, da sie im Gleichstrombetrieb höher sein muss als im Wechselstrombetrieb. Die Einholm-Stromabnehmer entstammen einer Škoda-Standardbauart und hatten ursprünglich je vier Kohleschleifstücke. Nachträglich wurden sie auf je zwei einzeln abgefederte Schleifleisten umgebaut.

Sonstige Ausstattung

Die Lokomotiven verfügen über eine fahrleitungsunabhängige elektrische Widerstandsbremse.

Alle 180er und 372er besitzen die fahrzeugseitigen Einrichtungen für die punktförmige Zugbeeinflussung in beiden Ländern. In Deutschland ist dies die PZ80R, in Tschechien ein System mit dem Namen VZ. Dazu kommen noch eine Sicherheitsfahrschaltung und Zugfunk-Geräte. Die sonstige Ausrüstung der Loks liegt im Verantwortungsbereich der jeweiligen Bahngesellschaft. Bei den tschechischen Lokomotiven beträgt die Bordnetzspannung 48 Volt. Auch die Druckluftbremse entspricht landestypischen Gepflogenheiten, die tschechischen Maschinen laufen mit Dako-Bremse DK-GP-E m.Z

Siehe auch

Literatur

  • Bernd Kuhlmann: Abschied von der Baureihe 180 / Erste Zwei-System-Lokomotiven der DR auf dem Abstellgleis. In: Verkehrsgeschichtliche Blätter, 40. Jahrgang, Heft 4 (Juli/August 2013), S. 113–115.

Weblinks

Commons: CS Class ES 499.2 – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Die Züge der ČD erhalten das europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS. In: ceskedrahy.cz. České dráhy, 14. April 2016, abgerufen am 23. April 2016.
  2. ČD planen große Fahrzeug-Investitionen. In: Eisenbahn-Revue International. Nr. 6, 2016, ISSN 1421-2811, S. 285.
  3. Eisenbahn-Kurier 12/2014 Deutsche Bahn, Seite 13
  4. Baureihe 230 der Deutschen Reichsbahn. In: eisenbahn magazin. Nr. 6, 2022, S. 87.