Canterbury Tales
oder die Canterbury Tales (mittelenglisch Tales of Caunterbury) sind Erzählungen aus dem 14. Jahrhundert, die von Geoffrey Chaucer von ungefähr 1387 an geschrieben wurden. Zwei von ihnen sind in Prosa, die übrigen in Versen verfasst.
Die Erzählungen, von denen nicht alle als Original gelten, sind in eine Rahmenhandlung eingebunden, die von einer Pilgergruppe auf ihrem Weg von Southwark, einem Vorort von London, nach Canterbury handelt, wo sie das Grabmal von Thomas Becket in der Kathedrale von Canterbury besichtigen wollen. Der Wirt Harry des Tabard Inn schlägt den dreißig Pilgern vor, auf dem Hin- und Rückweg je zwei Geschichten zu erzählen, und verspricht dem besten Erzähler als Preis eine Gratismahlzeit.[1]
Die Themen der Erzählungen variieren, handeln von der höfischen Liebe, von Verrat und Habsucht. Die Genres variieren ebenso, es gibt Romanzen, bretonische Lai (kurze rhythmische Erzählungen), Predigten und Fabeln. Die im Prolog eingeführten Figuren erzählen Geschichten von höchster kultureller Relevanz.
Die Erzählungen im Einzelnen
Die Erzählungen sind wie folgt, nach der Ellesmere-Ordnung gegliedert:[2]
I. Fragment Gruppe A
- The General Prologue to the Canterbury Tales
- The Miller’s Prologue and Tale
- The Reeve’s Prologue and Tale
- The Cook’s Prologue and Tale
II. Fragment Gruppe B1
- The Man of Law’s Introduction, Prologue and Tale
III. Fragment Gruppe D
- The Wife of Bath’s Prologue and Tale
- The Friar’s Prologue and Tale
- The Summoner’s Prologue and Tale
IV. Fragment Gruppe E
- The Clerk’s Prologue and Tale
- The Merchant’s Prologue and Tale
V. Fragment Gruppe F
- The Squire’s Introduction and Tale
- The Franklin’s Prologue and Tale
VI. Fragment Gruppe C
VII. Fragment Gruppe B2
- The Shipman’s Tale and Epilogue
- The Prioress’s Prologue and Tale
- The Prologue, Tale and Epilogue of Sir Topas
- The Tale of Melibee
- The Monk’s Prologue and Tale
- The Nun’s Priest’s Prologue, Tale and Epilogue
VIII. Fragment Gruppe G
- The Second Nun’s Prologue and Tale
- The Canon’s Yeoman’s Prologue and Tale
IX. Fragment Gruppe H
- The Manciple’s Prologue and Tale
X. Fragment Gruppe I
- The Parson’s Prologue and Tale
- Chaucer’s Retraction
Einige dieser Erzählungen sind humorvoll, andere ernsthaft, alle aber sind sehr präzise in der Beschreibung der menschlichen Natur. Missbrauch der Religion ist ein Hauptthema. Ein anderes wichtiges Element der Erzählungen ist ihr Fokus auf die dreiteilige Ständeordnung: Adel, Klerus, Bauern. Das Werk ist nicht vollständig, es waren ursprünglich 120 Erzählungen beabsichtigt, vier pro Teilnehmer, doch bei Chaucers Tod waren erst 21 beendet.
Der wohl größte Beitrag dieses Werks zur englischen Literatur ist der Gebrauch der Volkssprache statt des Französischen (Anglonormannischen) oder Lateinischen, die üblicherweise für literarische Arbeiten benutzt wurden. Die Struktur der Canterbury Tales findet sich in anderen zeitgenössischen Werken wieder, zum Beispiel in Boccaccios Decamerone, das als eine von Chaucers Hauptquellen gilt.[5]
Druck- und Kunstgeschichte schrieb die Edition des Graphikers und Pioniers des Jugendstils, William Morris, die in seiner 1891 gegründeten Kelmscott Press erschien. Dort entstanden nach den Massenprodukten des 19. Jahrhunderts wieder handwerklich gefertigte und reich illustrierte bibliophile Werke.
Verfilmung
- 1972: Pasolinis tolldreiste Geschichten (I racconti di Canterbury). Regie: Pier Paolo Pasolini
Werkausgaben (Auswahl)
- The Canterbury Tales. London 1526.
- The Riverside Chaucer. Herausgegeben von Larry D. Benson. Oxford Univ. Press, Oxford 1988, ISBN 0-19-282109-1.
- Canterbury Tales. Mit einer Einführung, Anmerkungen und einem Glossar von John Matthews Manly, London/Kalkutta/Sydney [1928].
- The Hengwrt Chaucer digital facsimile. Herausgegeben von Estelle Stubbs. Scholarly Digital Editions, Leicester 2000, ISBN 0-9539610-0-1.
- Caxton’s Canterbury Tales: The British Library Copies on CD-ROM. Herausgegeben von Barbara Bordalejo. Scholarly Digital Editions, Leicester 2003, ISBN 1-904628-02-8 bzw. ISBN 1-904628-03-6 (unterschiedliche Lizenzierung).4
- Geoffrey Chaucer: Die Canterbury-Erzählungen. Übersetzt von Adolf von Düring. Anaconda Verlag, Köln 2008, ISBN 978-3-86647-217-4.
Literatur
- Uwe Böker: Studien zu Chaucers Franklin’s Tale. Inaugural-Dissertation, Regensburg 1968.
- Frederick Biggs: Chaucer's Decameron and the origin of the Canterbury tales. D.S. Brewer, Cambridge 2017, ISBN 978-1-84384-475-4 (englisch).
Weblinks
- The Canterbury Tales, and Other Poems by Geoffrey Chaucer – Projekt Gutenberg
- Geoffrey Chaucer Canterbury-Erzählungen (Canterbury Tales) – deutsche Übersetzung von Adolf von Düring (1886) auf Zeno.org
- Illustrierte Inhaltszusammenfassung auf deutsch
- Handschrift um 1410 (Digitalisat der British Library, London)
Einzelnachweise
- ↑ Kindlers Neues Literatur-Lexikon, Bd. 3, Chaucer: The Canterbury Tales, S. 910, Kindler, München 1998, ISBN 3-89836-214-0
- ↑ Geoffrey Chaucer: The Canterbury Tales (übersetzt von Nevill Coghill), Penguin Classics 2003, ISBN 0-14-042438-5 (englisch).
- ↑ Vgl. dazu Huling E. Ussery: Chaucer's Physician. Medicine and literature in Fourteenth-Century-England. New Orleans 1971.
- ↑ Vgl. auch Stephan Kohl: Wissenschaft und Dichtung bei Chaucer. Dargestellt hauptsächlich am Beispiel der Medizin. Frankfurt am Main 1973.
- ↑ Hauptthese des Buchs von Frederick Biggs: Chaucer’s Decameron and the origin of the Canterbury tales. Cambridge 2017.