Carinhall
Carinhall war ein repräsentatives Gut des Reichsmarschalls und führenden Nationalsozialisten Hermann Göring. Der Besitz lag in der Schorfheide zwischen Großdöllner See und Wuckersee, in der Nähe von Groß Dölln im Norden des heutigen Bundeslandes Brandenburg. Der Name des Anwesens bezieht sich auf Görings erste Frau, die 1931 verstorbene Schwedin Carin Göring, geborene Freiin Fock, geschiedene von Kantzow, mit der er ab 1923 verheiratet war, und das Walhall,[1] laut der nordischen Mythologie eine prächtige Himmelshalle, in die Odin die tapfersten gefallenen Krieger aufnimmt. Architekt des nach 1933 in mehreren Etappen errichteten, auf historische Baustile zurückgreifenden[2] Gebäudekomplexes war zunächst Werner March, der Schöpfer des Berliner Olympiastadions. Später übernahm Friedrich Hetzelt den Bau.
Von 1933 bis 1945
Nach einem Besuch am Grab seiner ersten Frau in Schweden hielt Göring eine Rede und hinterließ ein Gebinde aus roten Rosen. Dieses wurde kurz darauf von empörten Schweden entfernt, die eine Protestnote hinterließen. Diese richtete sich gegen die Politisierung einer schwedischen Staatsbürgerin zu Propagandazwecken. Göring ließ den Vorfall in der gleichgeschalteten Presse zu einer Grabschändung umdeklarieren. Dies benutzte er als Vorwand, um die Tote in einem Staatsakt von Schweden nach Deutschland zu überführen. Ihr Leichnam wurde in einer Gruft auf dem Gelände von Carinhall zur Ruhe gebettet.
In den Ausstellungsräumen von Carinhall war die gotische und renaissancistische Privatsammlung von Hermann Göring untergebracht, die zum großen Teil aus Raub- und Beutekunst bestand, aber auch Gemälde aus legalen Ankäufen enthielt, so etwa das Gemälde Leda mit ihren Kindern von Giampietrino (heute in Kassel). Er empfing hier ausländische Staatsgäste, mit denen er bisweilen Jagdausflüge in die Schorfheide unternahm. Staatsgäste waren unter anderem der italienische Diktator Benito Mussolini (28. September 1937), der britische Politiker Edward Wood (20. November 1937) und der japanische Außenminister Matsuoka Yōsuke (29. März 1941).
Im Jahr 1943 ließ Göring einen Teil seiner Privatsammlung im Bergungsort Salzbergwerk Altaussee bei Altaussee im Bezirk Bad Aussee in der Steiermark einlagern. Diese Kunstwerke wurden ab 1945 von den Alliierten in Lastwagen zur zentralen Sammelstelle (Central Collecting Point) in München gebracht, die sich im vormaligen Führerbau und im Verwaltungsbau der NSDAP befand.
Der andere Teil der Privatsammlung blieb in den Ausstellungsräumen von Carinhall. Im Januar 1945 ließ Göring den Rest der Kunstsammlung in Sonderzügen nach Berchtesgaden bringen und dort in Tunneln unterstellen. Die Kunstschätze wurden ausgeladen und in Luftschutzbunker gebracht. Ein Teil der Gemälde und Tapisserien wurde in diesen letzten Kriegstagen aus den Zügen geplündert.[3]
Am 20. April 1945 verließ Göring Carinhall. Zurück blieb ein kleiner Trupp der Luftwaffe, der auf Weisung Görings beim Näherrücken der Roten Armee die Gebäude des Anwesens sprengen sollte. Als die Rote Armee nur noch wenige Kilometer entfernt war, wurde Carinhall am 28. April 1945 mit über 80 Fliegerbomben gesprengt. Nur wenige Grundmauern, eingefallene Keller und Überreste von Säulen sind erhalten. Ein Granitfindling sowie eine Schautafel mit der Geschichte und Fotos des ehemaligen Waldhofs am Hirschplatz bezeichnen den Ort des Anwesens. Vollständig erhalten und in gutem Erhaltungszustand sind dagegen die beiden Wächterhäuschen am ehemaligen Haupttor.
In der Nähe befinden sich eine Funkstation und sieben Kilometer nördlich an der Landesstraße L 100 bei Ahlimbsmühle eine wenig bekannte Scheinanlage aus Brettern und Netzen zur Täuschung der alliierten Luftaufklärung.
Nach dem Krieg
Das Gebäude der Funkstation ist noch erhalten. Etwa sieben Kilometer nordwestlich liegt der ehemalige Sonderlandeplatz Templin/Groß Dölln.
Die Reste des Landsitzes Carinhall, bestehend aus zwei Unterkunftshäusern für Wachmannschaften, einer Toranlage mit zwei Postenhäuschen und einer Kastanienallee dahinter, sind als Baudenkmale von Templin aufgeführt. Von der eigentlichen Anlage ist nichts mehr erhalten, einige wenige Mauerreste sind im Wald auffindbar. Bis in die 1990er Jahre waren Keller und Bunker teilverschüttet und betretbar, diese Eingänge wurden mittlerweile beseitigt. Am ehemaligen Grab von Carin Göring ist nur noch eine Vertiefung im Boden erkennbar.
Bei Ausgrabungen wurde eine erhaltene Bunkeranlage gefunden, in deren Innerem noch Kunstgegenstände gefunden werden konnten. Der Bunker wurde zur Beherbergung von Fledermäusen umgebaut.
Kronenhirsch und Kämpfende Amazone
Im Hof von Carinhall auf dem Hirschplatz am Ende der Kastanienallee stand die Bronzeplastik Kronenhirsch von Johannes Darsow. Sie wurde für die internationale Jagdausstellung 1937 in Berlin entworfen. Es handelt sich um den Rothirsch Raufbold, den Hermann Göring am 9. Februar 1936 im Forstamt Warnen in der Rominter Heide erlegt hatte. Nach der Jagdausstellung kam die Bronzeplastik vom Haupteingang der Berliner Messehallen nach Carinhall, um 1950 in den Park von Schloss Sanssouci in Potsdam und 1969 an die Freilichtbühne im Tierpark Berlin zu gelangen.[4] Die 1897 von Franz von Stuck geschaffene Bronzeplastik Kämpfende Amazone, die westlich des Hauptflügels stand, wurde nach Eberswalde überführt. Dort stand sie lange unterhalb der Maria-Magdalenen-Kirche, bevor sie in den nahen Weidendamm-Park umgesetzt wurde.
Literatur
- Günther Haase: Die Kunstsammlung des Reichsmarschalls Hermann Göring. Eine Dokumentation. Edition q, Berlin 2000, ISBN 3-86124-520-5.
- Hanns Christian Löhr: Der Eiserne Sammler: Die Kollektion Hermann Göring – Kunst und Korruption im „Dritten Reich“. Gebr. Mann, Berlin 2009, ISBN 978-3-7861-2601-0.
- Uwe Neumärker, Volker Knopf: Görings Revier. Jagd und Politik in der Rominter Heide. 3. aktualisierte Auflage. Christoph Links, Berlin 2012, ISBN 978-3-86153-705-2.
- Volker Knopf, Stefan Martens: Görings Reich. Selbstinszenierungen in Carinhall. 6. aktualisierte Auflage. Christoph Links, Berlin 2012, ISBN 978-3-86153-392-4.
Weblinks
- Eintrag zur Denkmalobjektnummer 09130807 in der Denkmaldatenbank des Landes Brandenburg
- Literatur von und über Carinhall im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Suche nach Carinhall In: Deutsche Digitale Bibliothek
- Suche nach Carinhall im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Achtung: Die Datenbasis hat sich geändert; bitte Ergebnis überprüfen und
SBB=1
setzen) - Die Kunstsammlung in Carinhall und die Bunkeranlage (Memento vom 5. Februar 2009 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- ↑ Annett Gröschner: Auf Carinhall, Schorfheide. In: Stephan Porombka, Hilmar Schmundt (Hrsg.): Böse Orte. Stätten nationalsozialistischer Selbstdarstellung – heute. Claassen, Berlin 2005, ISBN 978-3-546-00380-3, S. 106.
- ↑ Wolfgang Ullrich: Uta von Naumburg. Eine deutsche Ikone. Wagenbach, Berlin 1998, ISBN 3-8031-5159-7, S. 54.
- ↑ Siehe ab Sendeminute 00:51:02 Geschichte - Das 20. Jahrhundert-Göring, Brueghel und die Shoah - Die Blutspur der NS-Raubkunst-, Arte-Fernsehdokumentation ausgestrahlt am 28. März 2021, zeitlich begrenzt online unter arteptweb-a.akamaihd.net
- ↑ Eine zweite Plastik nach diesem Vorbild wurde als Hubertushirsch 1938 in der Kunst- und Glockengießerei Lauchhammer gegossen, am Neuen Jägerhaus im Schlosspark Grillenburg aufgestellt und 2013 auf den Kurplatz in Kurort Hartha versetzt.
Koordinaten: 53° 0′ 31″ N, 13° 38′ 11″ O